Bauern und Landarkerter im Innern des Landes, so daß die italienische Sprache die herrschende europäische Sprache in Tunis war.. Nebenbei sei bemerkt, daß auch in den Provinzen-Algier und Konstantine ein sehr starker Prozentsatz der Landarbeiter und Klein» kolonisten aus Italien. stammt. . Als Entschädigung für das entgangene Tunis erhielt Italien das Protektorat über Abessinien!. Aber das war ein Danaergeschenk schlimmster Art. Das Ende vom Liede war der vollständige Zu» sammenbruch der italienischen Kolonialpolitik, für die der Abenteurer Crispi, der„italienische Bismarck", verantwortlich war. Das italienische Bolk mußte die Grotzmaunssucht seiner Regierenden mit ungeheuren Opfern an Gut und Blut bezahlen. Um die Wende der Jahre IbSS/SS erlitt die afrikanische Politik Italiens auf den blutgetränkten Schlachtfeldern von Amba Aladschi und Adua eine furchtbare Nieder- läge. Nur die unfruchtbaren, sonnendurchglühten Felsengebiete der an der ostafrikanischen Somaliküste liegenden Kolonie Eritrea blieben als trauriger Ueb errest einstiger Machtträume. All das haben die itcllienischen Kolonialtreiber und Imperialisten anscheinend vergessen, jetzt, geht es mit Volldampf der tripolitanischen Küste zu. Was kann Italien dort holen? Tripolitanien ist das von der Natur am wenigsten begünstigte Land Nordafrikas . Während in Algerien , in Tunis und Marokko fruchtbare Küstenstriche vor- Händen sind, herrscht in Tripolitanien der Steppen- und Wüsten- charakter vor. Die Sahara und die lybische Küste bilden im Westen, Süden und Osten seine Grenzen, und breite Arme des Sandmeeres strecken sich in das Land hinem, vielfach netzen sogar die Wogen des mittelländischen Meeres den Wüstensand. Die Oberfläche des frucht- baren Oasen« und Kiistenlandes ist sehr gering und kann nur eine schwache Bevölkerung ernähren. Der tripolitanische Handel ist daher nur von geringer Bedeutung. Er konzentriert sich auf die Hauptstadt Tripolis und auf einige Karawanenstraßen, die in den Sudan hineinführen. Ein Anbau von Körnerfrüchten m größerem Maßstabe ist infolge der Trockenhett und des häufig wehenden Samums ausgeschlossen, wie auch das ganze Land keinen einzigen größeren Fluß aufzuweisen hat. Au dem fruchtbaren Oasenboden fitzen die Eingeborenen, die, etwa eine Million an der Zahl, wie die aller nordafrikanischen Staaten zum größten Teile Kahylen oder Berber sind, zwischen denen arabische Stämme fitzen oder als Nomaden mit ihren Herden von Weideplatz zu Weide- platz ziehen. Die italienischen Kolonialtreiber suchen dem Volke das tripolitanische Abenteuer mir denselben Märchen schmackhaft zu machen, mit denen man in Deutschland das Volk für eine Besetzung West- Marokkos zu gewinnen suchte. Man redet dem italienischen Volke vor, daß Tripolis eine großartige Siedelungskolonie werden könne. in der sich mit Leichtigkeit 50 000 Kolonistenfamilien unterbringen ließen. Dadurch könne ein großer Teil der überschüssigen Bevölkerung, die jetzt zu Hunderttausenden nach Nord- oder Südamerika strömt, dem Mutterlande erhalten werden. Wie die 60000 Kolonisten in den Sandfeldern Tripoli- taniens untergebracht werden sollen, ist zunächst noch das Geheimnis der Kolonialhetzer, soviel aber sollten sie wissen, daß die starke Auswanderung aus Süditalien auf die traurigen Zustände und das Massenelend in Calabrien , Apulien und auf Sizilien zurück- zuführen ist. Würden die Millionen, die jetzt für das tripolitanische Abenteuer verschleudert werden, für die innere Kolonisation Süd- italiens verwendet, so wäre der.MafsenauSwanderung nach Amerika sehr bald Einhalt getan. Daß eine Massenansiedelung in Tripolis außer dem Konflikte mit der Türkei auch noch zu ernsten und un- absehbaren Kämpfen mit den gegenwärtigen Besitzern des anbau- fähigen Bodens, den Berbern und Arabern, führen würde, sei nur nebenbei erwähnt. Vorläufig hat sich Italien mit der Türkei über Tripolis aus- «inanderzusetzen. Daß diese ihr afrikanisches Wilajet so leicht auf- geben wird, ist ausgeschloffen. Das Prestige des neuen jung- türkischen Systems würde einen tödlichen Schlag erhalten, der außer auf die weltpolitische Posttion der Türkei auch in Arabien , in Kleinasien und Albanien nachwirken würde. Die türkische Flotte mit ihrem Dutzend veralteter Panzerschiffe und Kreuzer wird freilich kaum in der Lage sein, den italienischen Geschwadern ernste Schwierigkeiten zu bereiten. Auch wird es den Türken sehr schwer werden, den Verbindungsweg mit Tripolis für Truppentransporte usw. aufrecht zu erhalten. Immerhin stehen aber in Tripolis selbst mindestens 16 000 Mann türsische Truppen. — türkische Be- richte sprechen sogar von 20 bis 25 000 Mann— denen sich sehr leicht irreguläre Aufgebote der Eingeborenen zugesellen können, die als Mohammedaner dem türkischen Bruder im Kampfe gegen den eroberungslüsternen rumi beistehen. Die italienischen Imperialisten verlangen ein Expeditionskorps in der Stärke von 60 000 Mann. Ein derartiges Truppenaufgebot würde natürlich riesige Kosten ver- Ursachen. Unser italienisches Bruderblatt, der„Avanti", berechnet die Kosten für ein solches Erpeditionskorps, das bei der Eigenart der tripolitanischen Verhältnisse mindestens 1 Jahr in dieser Stärke erhalten werden müßte, auf 300 Millionen Lire . Dazu kommen noch mindestens 60 Millionen Lire für die besonderen, durch die Okku- pationen gegebenen Aufgaben der Flotte. Weitere 60 Millionen stellt der„Avanti" in Rechnung für Entschädigungen an die zahl- reichen Italiener, die zurzeit auf türkischem Gebiet ansässig sind, und deren Existenz durch den Zorn des türkischen Volkes bedroht wird. Selbst wenn Italien in Tripolis festen Fuß gefaßt hat. wird es noch auf 4 bis 6 Jahre mit einem Okkupationskorps von rund 16 000 Mann rechnen müssen, so daß der„Avanti" die vorläufigen Gesamtkosten des tripolitanischen Abenteuers auf eine halbe Milliarde beziffert. Und diese Riesensumme solk von einem Volke aufgebracht werden, bei dem Hunger, Cholera, Pellagra und Massenelend stän- dige Gäste sind! Kein Wunder, daß das italienische Proletariat gegen das im- perialistische Ahenteuer den schärfsten Protest erhebt. In allen Städten wird von der organisierten Arbeiterschaft entschieden gegen die Expedition nach Tripolis Front gemacht. Ob dem Protest auch noch schärfere Abwehraktionen folgen werden, läßt sich zurzeit sticht absehen. Das Exekutivkomitee der sozialistischen Parlamentsfraktion ist für den 25. September nach Bologna berufen worden, um über die Stellungnahme der Fraktion schlüssig zu werden. Auch der Partei- borstand wird jedenfalls zu einer außerordentlichen Sitzung zu- fammentrejen, So ist, wie überall, auch in Italien Las organisierte Proletariat Set einzige Verteidiger des Weltfriedens. Paris , 26. September.„Matin" berichtet aus Rom : Gestern vbend beschloß die Arbeitskammer in Rom , sich mit allen Mitteln, eventuell mit dem Generalstreik, der Expansionspolitik der Regie- rung zu widersetzen. Die Arbeitskammer von Florenz hat gleich- falls beschlossen, falls eine Expedition nach Tripolis , stattfindet, die Abfahrt der Soldaten zu verhindern. Die Demokraten in Genua sind ebenfalls, bereit, gegen eine Expedition Einspruch zu erheben. Ein ähnlicher Beschluß wurde von dem republikanischen Komitee in Mailand gefaßt. Dagegen sind die Demokraten Palermos der Regierung günstig gesinnt und treten energisch für die Rechte Italiens in Tripolis ein. Die große Mehrheit der Radikalen und speziell der Republikaner her Mittleren Provinzen sind der Regie- rung günstig gesinnt, Sie Iffcroklsoaffäre. Die Antwort der deutschen Regierung auf den Beschluß des französischen Ministerrates dürfte bereits Dienstag erfolgen. Man hofft, daß damit die Marokko - Verhandlungen im engeren Sinne erledigt sein werden. Ueber die dann zur Verhandlung gelangende K o m p e n- sationsfrage bemerkt die„Nordd. Allgemeine Zeitung ", diese werde nach den genauen Vorarbeiten nicht mehr langwierig sein. Der Inhalt des Vertrages. Nach dem„Matin" wird der Vertrag folgende Punkte ent- halten: Deutschland anerkennt das französische Protek- torat über Marokko und verpflichtet sich die Bemühungen Frank- reichs auf Anerkennung des Protektorats bei den übrigen Algeciras - mächtew zu unterstützen. Frankreich garantiert allen Mächten vollkommene wirtschaftliche Freiheit und Gleichheit und tritt außerdem Deutschland einen Teil seiner K o n g o k o I o n i e ab. Eine Rede des französischen Ministerpräsidenten. Alenco», 24. September. Ministerpräsident Caillaux hielt hier eine Rede, in der er betonte, man solle die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Lage nicht überschätzen. Frankreich wird, sagte er, sich bemühen, die durch die Folge der Ereignisse in Marokko geschaffene Lage zu klären und zwar in einer Weise, die Frank- reich volle Aktionsfreiheit in dem Landstriche gibt, der wichtige Teile seines afrikanischen Besitzes berührt. Frankreich betreibt diejenige Lösung, die ihm allein seiner würdig scheint. Es brachte in die Verhandlungen den weitherzigen Geist der Ver- söhnung und des Verständnisses für die Interessen der Gegenpartei mit, eifrig bemüht, seine eigenen Interessen zu wahren. Wir zweifeln nicht, daß die beiden großen Nationen, deren Rolle als Kulturträger in der Welt so groß ist und die beide den Willen zum Frieden und die gleiche Sorge haben, ihn zu sichern, zu einem dauernden Einvernehmen gelangen werden, das kein schmerzliches Gefühl hinterlassen wird, wenn jeder das Wort bedenkt:„Geschäfte— und es handelt sich hier um ein Ge- s ch ä f t— sind nur gut, wenn sie zum Vorteil beider Parteien sind." V. Die Friedensdemonstration der Pariser Arbeiter.' � Paris , 24. September. (Eig. Ber.)'. Die vom Gewerkschaftsverband im Verein mit der Seine - Föderation einberufene Demonstrationsversammlung gegen die Kriegshetze wurde zu einer großartigen Volkskund- gebung, wie sie Paris in den letzten Jahren nur bei der Mani- festation zu Ehren Ferrers gesehen hat. Am Morgen schien es, als ob das Wetter das Meeting unmöglich machen würde, aber nach stundenlangem Regen brach am Nachmittag die Sonne durch und so sah man zur angesetzten Stunde Zehntausende dem Aero- Park auf der Höhe von Belleville zuströmen. Die meisten Organi- sationen marschierten von ihren Sammelplätzen in losen Zügen — einen geschlossenen Aufmarsch hatte die Regierung verboten— mit Standarten, die außer dem Namen der Gewerkschaft Wahl- spräche gegen den Krieg trugen. Auf dem VcrsammlungSplatz entfalteten auch sozialistische und anarchisttsche Organisationen ihre Fahnen. Der weite und hohe Abhang war bald von einer riesigen Menge übersät, die mit den farbigen Emblemen ein male- risches Bild bot. Die Zahl der Demonstranten, unter denen sich auch zahlreiche Frauen befanden, darf auf 60 000 geschätzt werden. Gegen 4 Uhr begannen die Reden. Von mehreren Tribünen sprachen Gewerkschaftler und sozialistische Redner, darunter die Deputierten Sembat und Thomas, weiter Genosse Hen- de rsen in englischer Sprache, Genosse Pohl für die deutschen Sozialisten in Paris u. a. Die alte Rivalität und das Miß- trauen zwischen den verschiedenen Organisationen schien ausgelöst und die Teilnehmer empfanden dieses Zusammenwirken als eine wertvolle Verheißung für die bevorstehenden Kämpfe des Prole- tariats. Die Würde und Größe der Manifestatton erlitt auch durch die Schikanen, die sich die radikale Regierung nicht zu versagen vermochte, keinen Abbruch. Ein ungeheure» Aufgebot von Mili- tär umlagerte und umritt provokatorisch den Versamm- lungsplatz und darum konnte es nicht an vereinzelten Zu» sammenstößen fehlen, die indes dank der Kaltblütigkeit der Massen keinen ernsteren Charakter annahmen. Ohne einige Verhaftun- gen und leichtere Verwundungen ging es indes nicht ab. Der Abmarsch und die Auflösung der Massen vollzog sich infolge der Absperrung sehr langsam. Die Embleme mußten beim Ausgang abgegeben, die Fahnen eingerollt werden. Aber alle diese kleinlichen und gehässigen Maßregeln, wie die verleumderischen Artikel der Bourgeoisiepresse haben nicht ver- hindert, daß die Friedensmanifestation der Pariser Arbeiter eine eklatante Widerlegung der chauvinistischen Stimmungsmache und ein tnachwolles Echo der Kundgebungen des deutschen Proletariats geworden ist._ IntcrnaflODalK Sozialistisches Bureau. Zürich , 24 September. Gestern, Sonnabend, trat im Volkshause in Zürich unter dem Vorsitz von Vandervelde das Internationale Sozialistische Bureau zu einer Sitzung zusammen. Vertreten waren 14 Nationen und zwar: Frankreich durch die Genossen Vaillant, Longuet, Angele Roussel; Deutschland durch Bebel und Molkenbuhr; Oesterreich durch Adler; England durch- Queich ; Belgien durch Vandervelde . Huysmans, Ansele. Fournement; Rußland durch Plechanow und Lenin ; Polen durch Diamand und Rosa Luxemburg ; Böhmen durch Remec und Brüha; Ungarn durch Buchinger; Italien durch Ciotti; Serbien durch Tucovic; Holland durch Troelstra ; Türkei durch Nahum ; die Schweiz durch Moor . Ihr Fernbleiben haben teils mit der Kürze der Zeit bis zum Zusammentritt der Sitzung, teils mit aktuellen politischen Kämpfen in der Heimat entschuldigt: Branting (Schweden ), Stauning(Dänemark ). Jglesias(Spanien ), Macdonald und Keir Hardie (England), Robanowitsch(Rußland ), Frimu (Rumänien ), Sakasoff und Kyrkow(Bulgarien ), Varadian (Armenien ), Guesde(Frankreich ). Das Bureau führte zunächst eine eingehende 4'/, ständige Debatte über die Marokkofrage ab. die mit der einstimmigen Annahme folgender Resolution ihren Abschluß fand: „Der von dem kapitalistischen Länderhunger in frivolster Weise wegen Marokko heraufbeschworene Kolonialkonflikt hat durch Monate die größten Kulturländer vor die Gefahr eines brudermörderischen Krieges mit all seinen entsetzlichen Folgen gestellt. Wenn diese Gefahr augenblicklich vermindert ist, so ist ste keineswegs beseitigt und erscheint dauernd als der chronische Zustand der kapitalistischen Gesellschaft, die täglich durch neue Zwischenfälle akut werden kann- Das organisierte Proletariat will aber keinen Krieg und wird sich stets mit aller Wucht für den Frieden einsetzen. „DaS I. S. B. anerkennt mit Genugtuung, daß sich das sozialistische Proletariat der von der Kriegsgefahr betroffenen Länder, insbesondere in Deutschland , Frankreich , England, Italien und Spanien mit größter Energie gegen den verbrecherischen Wahnsinn der Kriegshetzer gewendet hat und durch seine, macht- vollen und unerschrockenen Demonstrationen sich als ein wirksames Element des Völkerfriedens erwiesen hat. „Das I. S. B. erivartet, daß das klassenbewußte Proletariat auch in Zukunft mit steigender Kraft seine Pflicht tun, den Klassen- kämpf des Proletariats organisieren und für die internationale Solidarität der Arbeiterklasse Zeugnis ablegen wird. „Das I. S. B. ruft allen nattonalen Sektionen der Jnter- nationale, namentlich denen in denjenigen Ländern, die im Augenblick unmittelbar an dem Marokko - und anderen drohenden Kolonialkonflikten beteiligt sind: „Deutschland , England, Frankreich , Italien , Türkei und Spanien , die Resolutionen ihrer Landeskongresse und der Jnter- nationalen Kongresse von Stuttgart und von Kopenhagen gegen den Krieg ins Gedächtnis und erinnert insbesondere an den Schlußsatz der Stuttgarter Resolution, welcher lautet: „Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht der Arbeiterklasse und ihrer parlamentarischen Ver- tretungen, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbei- geführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen." „Das I. S. B. rechnet darauf, daß die Genossen in diesen Ländern sowohl für sich wie in Verbindung mit den Genossen der andern beteiligten Länder zusammen wirken, um einem Kriege vorzubeugen. „Das I. S. B. fordert desgleichen die sozialistischen Parteien auf, eine Protestbewegung hervorzurufen gegen jede Erweiterung der Kolonialbesitzungen der europäischen Staaten auf dem Wege des diplomatischen Schachers, der gegenwärtig hinter dem Rücken der Nationen und ihrer Volksvertretungen am Werke ist, dadurch neue Zuspitzungen der internationalen Gegensätze und neue Kriegs- Ursachen für die Zukunft zu schaffen. „Das Bureau beschließt auch weiterhin, die Jnitlattve zu intemationalen Kundgebungen gegen den Krieg im Einvernehmen mit den sozialistischen Parteien zu ergreifen und die Bewegung gegen den Krieg mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu fördern." Das Bureau geht sodann zur Behandlung seiner laufenden Geschäfte über. Insbesondere wurden folgende Puntte er- ledigt: Dem Ersuchen der Genossen aus Bosnien und Herzegowina um Vertretung im Bureau wurde ent- sprochen, und zwar erhält die Sozialdemokratie dieses Landes zwei Stimmen. Das Internationale Sekretariat hat ein Reglement über die Reorganisation des Internationalen Jugendsekretariates vorgelegt. Nach längerer De- batte wird auf den Wunsch der Vertreter verschiedener Länder beschlossen, dieses Reglement erst in der nächsten Sitzung des Bureaus im einzelnen zu behandeln, um jenen Ländern, die bisher zu dieser Frage nicht Stellung genommen, hierzu Ge- legenheit zu geben. Zum Schluß der Beratungen nahm das Bureau in einer ausführlichen Debatte zu der breunenden Frage der Teuerung Stellung und beschloß folgende Resolutton: „Das I. S. B. stellt fest, daß die beispiellose Teuerung der Lebousmittel, die gegenwärtig in allen kapitalistischen Ländern herrscht und in einem Land nach dem anderen die hungernden Volksmassen zum stürmischen Protest aufpeitscht, zunächst die Folge der skrupellosen Schutzpolitik in den meisten kapitalistischen Staaten, sowie der frivolen Begünstigung der agrarischen Interessen ist, gegen die die sozialistischen Parteien einen systematischen Kampf führen. Andererseits ist sie aber auch die Folge der brutalen Preis- treibereien der Unternehmerkartelle, die der schlimmste Feind des aufstrebenden Proletariats und seiner Befreiungsbestrebungen sind. DaS I. S. B. ruft die arbeitenden Männer und Frauen aller Länder auf. die unter den furchtbaren Folgen der exorbitanten LebenSmittelteuerung leiden, sich in Massen den sozialistischen Parteien und den gewerkschaftlichen Organisatinnen anzuschließen. um das Lager deS klassenbewußten Proletariats zu stärken, das allein in wirksamer Weise den Kampf gegen die Teuerung führt, indem es die wirkliche Quelle der jetzigen Teuerung auf dem Weltmarkt, die kapitalistische Gesellschaftsordnung bekämpft.", Die Sitzung des Bureaus wurde von Vandervelde Sonn« tag mittag 12'/, Uhr geschlossen. poUtifche debcrHcht. Berlin , den 25. September 1911, Die Herbstsession des Reichstags. Eine hiesige halbosfiziöse Korrespondenz, die gewöhnlich über die Pläne der Regierung ziemlich gut unterrichtet ist, meldet: Die Anberaumung der nächsten ReichStagSfltzung auf den 17. Oktober ist, wie verlautet, erfolgt nach Rücksprache mit dem Reichskanzler. Es war zu erwarten, daß der Reichstag sofort bei seinem Wiederzusammentritt Aufklärung über die Marokkoverhand- langen gewünscht hätte. Da aber der Abschluß der Verhandlungen für die erste Oktoberwoche zu erwarten steht und die Unterzeichnung eines definitiven Vertrages erst gegen Mitte Oktober erfolgen dürfte, so soll dem Reichstage der Marokkovcrttag sofort nach dem Abschluß zugehen und im Reichstage auch bald zur Debatte gestellt werden. Dies wird in der Woche nach dem 17. Oktober der Fall sein. Der Reichskanzler beabsichtigt, dem Reichstage schon in einer der ersten Sitzungen Bericht über den Verlaus der Verhandlungen zu er- statten.— Ob in der Zeit vom 10. bis 17. Okiober Reichstags- k o m m i s s i o n e n tagen werden, ist unwahrscheinlich, da nur zwei Kommissionen in Frage kämen, die Budgetkommission, die die Fernsprechgebührenordnung noch zu beraten hat, die wahrscheinlich aber zu den nicht zu verabschiedenden Vorlagen gehören wird, da der alte Reichstag dieses Geschenk nicht auf den Wahltisch wird legen wollen,, und die Kommission zur Vorberatung des HilsSkassen- gesetzeS. Letzteres Gesetz wird aber keine großen Schlvierigleiien bieten, so daß seine Beratung in der Kommission nicht zu sehr eilt, zumal auch für die Beratung dieser Materie noch Besprechungen in den Fraktionen nötig sein werden. Eine Kommission zur Bor- beratung deS PrivatbeamtenpensionSgesetzeS ist noch nicht eingesetzt, da die erste Lesung im Plenum noch aussteht. DaS übrige Material hat bis auf Kleinigkeiten die KommisstonS- beratung bereits paisiert. Die Handelsverträge mit Japan und Eng- land liegen dem Reichstage bisher noch nicht vor. Man nimmt übrigens in parlamentarischen Kreisen an, daß der Reichstag nicht länger als sieben Wochen tagen wird, voraussichtlich dürfte er aber schon Ende November geschlossen werden. Der Reichstag wird seine Aufgabe wohl als gelöst ansehen, wenn er neben den Debatten über Marolko und einigen anderen aktuellen Thematen daS PrivatbeamtenpenfionSgesetz, das SchiffahrtSabgaben- gesetz, daS HilfSkassengesetz. die kleine Strafgesetznovelle, den Entwurf
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