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Vorort-JVacbricbtcn. Charlottenburg . In der Charlottenburger Stadtverordnetenversammlung vom Mittwoch teilte der Magistrat zunächst mit, daß er dem Beschluß auf Einsetzung einer gemischten Deputation betreffend Maßregeln gegen die Lebensmittelteuerung beigetreten ist. Der Deputation gehören die Genossen Lehmann und Hirsch an. Nach Erledigung einer Reihe von Vorlagen, die Nachbewilli- gungen verschiedener Etatspositionen betrafen, lvandte sich die Versammlung zur Beratung der Vorlag« betreffend Ausdeh- nung des Seefischmarktes. Bereits im Februar ist der FischereigesellschaftNordsee " das Fleischschauamt für einen Tag in der Woche unentgeltlich zur Abhaltung von Seefischmärkten zur Verfügung gestellt worden. Die Beteiligung der Bevölkerung war eine sehr rege, es wurden an manchen Tagen nicht weniger als 5000 Pfund Fische verkauft. Der Magistrat ersucht deshalb um die Ermächtigung, die Verkaufstage nach Maßgabe des er- forderlichen Bedürfnisses zu vermehren, und zwar beabsichtigt er zunächst eine Ausdehnung um einen Tag, der Verkauf soll bis auf weiteres jeden Mittwoch und Freitag stattfinden. Die Vorlage begegnete im allgemeinen großer Sympathie, wenn es auch nicht an Stimmen fehlte, die sich dagegen wandten, daß die Stadt den Gewerbetreibenden Konkurrenz macht. So erklärte Stadtverord- neter Liepmann snationalliberal), er sei prinzipiell ein Gegner der Vorlage, aber mit Rücksicht auf den allgemeinen Notstand sei er bereit, sich über die prinzipiellen Bedenken hinwegzusetzen. Die Einführung weiterer Verkaufstage dürfe jedoch nur eine vorüber- gehende Maßregel sein, solange der große Notstand und die Teurung anhalte. Er beantragte die Ueberweisung der Vorlage an die ge- mischte Deputation. Diesem Antrage trat Genosse Scharrnberg entgegen, der mit Recht bemerkte, daß das auf eine Verschleppung hinauslaufe. Er begreiße nicht, wie wan auf den Gedanken kommen könne, jetzt, wo der Fischmarkt einen regen Zuspruch hat, ihn Plötzlich aufzuheben. Aus eigener Erfahrung wisse er, daß eine große Anzahl von Frauen die Verkaufsstellen gar nicht erst auf- suchen, weil sie zu lange auf die Abfertigung warten müßten. Es sei deshalb ratsam, den Seefischmarkt auf 4 Tage in der Woche auszudehnen. Auch sei es notwendig, den Vertrag mit der Gesell- schaft zu kündigen und einen neuen Vertrag abzuschließen, der auch die Lieferung von Räucherwaren vorsieht. Der Vertreter des Magistrats, Stadtrat Gottstein, bemerkte, daß es sich bei der Vorlage zwar nur um eine kleine Maßnahme zur Lrnderung des Notstandes handele, die sich aber über Erwarten hinaus bewährt und sich als eine Wohltat für die ärmere Bevölkerung erwiesen habe. Wenn es notwendig sei, würbe die Zahl der Verkaufstage noch vermehrt werden. Er gebe zu, daß auch Räucherwaren ein gutes Nahrungsmittel sind, aber dem Vorschlage des Vorredners könne er nicht folgen, da die Stadtverordnetenversammlung ausdrücklich den Verkauf von Räucherwaren ausgenommen habe. Von einer Ueberweisung an die gemischte Deputation bitte er aus praktischen Gründen Abstand zu nehmen, denn die Verhandlungen könnten sich dann so in die Länge ziehen, daß die ganze Einrichtung vernichtet wird. Unter Ablehnung des Antrages Liepmann wurde hierauf die Magistratsvorlage mit großer Mehrheit angenommen. Eine Vorlage betreffend Beihilfe für den Verein Säuglingsheim wurde einem Ausschuß von S Mitgliedern überwiesen. Es handelt sich darum, daß dem Verein zum Zwecke der Verzinsung einer auf den von ihm geplanten Erweiterungsbau aufzunehmenden Hypothek eine jährliche Beihilfe von 8000 M. bewilligt werden soll. In der Debatte machte Genosse Vogel darauf aufmerksam, daß die Gefahr bestehe, daß der Staat von den 8000 M. eine Schenkungssteuer erhebe. Stadtrat Sehdel erwiderte, der Fiskus erhebe allerdings in neuerer Zeit von Zu Wendungen der Städte eine Steuer, aber zu Unrecht. In dem vorliegenden Falle werde er nicht so leicht eine Steuer erheben können, weil die Stadt sich ja für das Geschenk eine Gegenleistung von dem Verein ausbedungen habe. Er hoffe, daß es möglich sei, hie Steuer abzuwehren. Die Vorlage betreffend die vorläufige Einrichtung des Lietzenseegeländes als Park gelangte nach kurzer De- batte, in der Genosse Will die Bedeutung des Volksparks hervor- hob, aber die ausgeworfene Summe von 5000 M. als unzulänglich bezeichnete, zur Annahme. Eine längere Debatte knüpfte sich an eine Interpellation Dr. Rothholz und Genossen, durch die beim Magistrat angefragt wird, ob genügend Vorkehrungen getroffen sind, um die üblen Aus- dünstungen des Lretzensees, die in diesem Sommer den Südwesten Charlottenburgs schwer beeinträchtigten, in Zukunft zu verhindern. Im Laufe der Diskussion stellten Vertreter des Magistrats wiederholt fest, daß die schlechten Gerüche durch die energischen Maßregeln der Verwaltung beseitigt seien und daß Vorsorge gegen ihr Wiederauftreten getroffen sei. Der Stadt- verordnetenversammlung werde eine Vorlage zugehen, die Maß- nahmen gegen die Wiederkehr übler Gerüche vorschlägt. Im Gegen- satz zu der Ansicht des Magistrats gab Genosse Vogel der Meinung Ausdruck, daß der Lietzensee ein Danaergeschenk sei, und daß es wohl kaum möglich wäre, die üblen Gerüche für alle Zeiten zu beseitigen. Der letzte Punkt der Tagesordnung betraf einen Antrag Stadt« Hagen und Genossen, der den Magistrat ersucht. Erwägungen an- zustellen, in welcher Weise die Unzuträglichkeiten zu beseitigen sind, die sich bei der städtischen Müllabfuhr herausgestellt haben, insbesondere ob und wann sich eine Verbilligung der Müll- abfuhr erreichen lasse. Nach lebhafter Debatte, die u. a. dem Genossen Vogel Veranlassung gab, die mangelhafte Teilung des Mülls durch das Publikum als eine Folge mangelhafter Bekannt- machung der betreffenden Vorschriften zu rügen, wurde der Antrag mit einem Zusatzantrag angenommen, durch den der Magistrat ersucht wird, baldigst den Stadtverordneten mitzuteilen, wie hoch sich die Kosten für die Müllabfuhr auf den Kopf der Bevölkerung belaufen. Wilmcrsdorf-Halensee. Aus der Stadtverordnetenversammlung. Mik einer Tages- ordnung, die für das Groß-Berliner Gemeinwesen im ganzen von hervorragender Bedeutung ist, hatte sich die Stadtverordnetenver- sammlung von Wilmersdorf in ihrer Sitzung vom Mittwoch zu befassen. Eine Anfrage der Stadtverordneten Cohn und Genossen verlangte Auskunft über die Ursachen des Gewölbe- einsturzes in der Turnhalle des Bismarck . Gymnasiums, bei welchem mehrere Arbeiter verletzt wurden. Die Auskunft des Stadtbaurats Herrnring in dieser Frage war herzlich nichtssagend. Sie schob die Schuld den Ar- beitern zu, die der Gefahr gegenüber zu leichtsinnig gewesen wären. Diese Erledigung der Angelegenheit, der sich noch später die Rede- Wendung hinzugesellte, daß es der Stadt an genügender Befugnis zum Einschreiten fehle, war selbst etlichen bürgerlichen Stadtver- ordneten zu stark. Unserem Parteigenossen Riedel aber fiel die Aufgabe zu, darauf hinzuweisen, daß es sich auch hier wahrscheinlich wieder um eine Folge der Akkordarbeit und des S u b- missions Wesens gehandelt habe; und für die Nichtachtung, die in der städtischen Verwaltung den Arbeiterinteressen gezollt wird, ist es bezeichnend genug, daß der Stadtbaurat nicht einmal zu sagen wußte, welche Arbeitsmethode die in Betracht kommende Baufirma bei dem städtischen Bau anwandtet Es kam nunmehr ein Antrag zur Beratung, wonach die Stadt- verordnetenversammlung den Magistrat ersuchen soll, bei der könig - lichen Staatsregierung dahin vorstellig zu werden, daß diese baldmöglichst geeignete Maßnahmen gegen die Lebensmittelteuerung ergreife. Der Antrag war von den Fortschrittlern ausgegangen, doch trug er auch die Unterschrift einiger Mitglieder der großen nationalliberal- konservativen Fraktion. Nachdem Stadtverordneter Dr. Edel den Antrag in wenigen Worten begründet hatte, erkannte Stadtrat S t e i n d o r n im Namen des Magistrats an, daß die Bevölkerung sick hinsichtlich der Lebensmittelteuerung in ernsten Zeiten befinde und noch der Magistrat die städtische Behörde von Berlin uR die E i kk. berufung einer Konferenz der Groß-Berliner Gemeinden ersucht, doch sei zu diesem auch von der Stadt Charlotten» bürg gewünschten Vorgehen bis jetzt noch keine Ein- ladung ergangen. Die gesamte Bevölkerung Groß-Berlins habe ein Recht, zu verlangen, daß eine billige und gute Er- n ä h r u n g das höchste Ziel der Politik sei. Die große Kaufkraft der Gemeinden Groß-Berlins könne als Preisregulator auf dem Lebensmittelmarkt wirken und dem Kleinhandel nützen. Diese volkswirtschaftlich nicht ganz klaren Darlegungen schienen bedeuten zu sollen, daß der Magistrat vorab das Nötige gegen die Teuerung getan habe. Wenigstens faßte der Stadtverordnete Schröder die Antwort so auf. Der sozialdemokratische Redner wandte sich zunächst gegen den fortschrittlichen Antrag, dem man wohl in Rücksicht auf die Unterzeichner von der Rechten eine möglichst unverbindliche Fassung gegeben habe. Die Regierung habe es leicht, im Falle der An- nähme des Antrages dem Magistrat zu antworten, daß die An- regung zu spät komme, da sie bereitsgeeignete" Maßregeln gegen die Teuerung ergriffen habe. Daß die Eisenbahnfrachtermäßi- gungen nicht entfernt genügten, daß vielmehr eine Oeffnung der Grenzen notwendig wäre, sei eine Sache für sich; doch könne eine Stadtgemeinde sich unmöglich einzig auf die Jnitiatwe einer schütz- zöllnerischen Regierung verlassen, wenn sie ernsthaft der drückenden Not des Volkes wehren wolle. Vielmehr habe der Magistrat von Wilmersdorf ohne Rücksicht auf die Haltung der Staats- behörden und auch ohne Rücksicht auf die Unlust der Ber - liner Kommunalhäupter selber Hand ans Werk zu legen und durch möglichst billigen Ankauf der not- wendigsten Lebensmittel der Bevölkerung zu dienen. Um aber dem Einwurf zu begegnen, daß eine derartige Betätigung der Gemeinde schnurstracks in den immer noch gefürchteten ZukunftS- staat führe, sei darauf zu verweisen, daß in der Fleischnotdebatte zu Anfang dieses Jahres selbst ein preußischer Minister den Ge- memden diesen Weg empfohlen habe. Hier könne im ernsteren Sinne als vor 14 Tagen bei der Bewilligung der 50 000 M. für ein olonialdenkmal selbst für den �all, daß die Stadt bei der Abwehr der Not Geld zusetzen sollte, von lächerlich ge- ringen Summen gesprochen werden; bei der hier notwendigen Aktion handle es sich, um abermals das Wort eines Kolonial- Patrioten anzuwenden, gleichfalls umBein von unserem Bein". Insbesondere habe die Stadt aber auch die Pflicht, den städtischen Beamten und Arbeitern in der Not bei- zustehen. Es sei daher zu empfehlen, daß den städtischen Beamten mit einem Gehalt bis zu 3500 M. sowie den nicht fest Angestellten eine Teuerungszulage von 200 M. und den städtischen Ar» beitern gleichfalls eine diesen Sätzen entsprechende TeuerungS. zulage gewährt werde. Eine eingehende Erörterung, an der sich u. a. die Stadt- verordneten Härtung, Gründling, Leidig, Heinitz und Moll beteiligten, folgte nunmehr. Sie endigte damit, daß die verschiedenen in dieser Frage gestellten Anträge einem A u S- f ch u s s e von neun Personen überwiesen wurden, dem u. a. auch der Stadtverordnete S ch r ö d e r(Soz.) angehört. Verhältnismäßig kurz war die Erörterung deS Antrages Dr. Leidig und Genossen, den Bau eines städtischen Ge- nesungs- und Erholungsheims betreffend. Es sollen hier Männer und Frauen, die einer ständigen ärztlichen Behand- lung nicht bedürfen, aufgenommen werden; Kinder hingegen nur, soweit sie das sechste Lebensjahr vollendet haben. Sämtliche Redner erklärten sich mit dem Grundgedanken des Antrages ein- verstanden; der sozialdemokratische Stadtverordnete Riedel empfahl dem Magistrat bei dieser Gelegenheit, bis zur Fertig. stellung des städtischen Instituts das vortreffliche Genesungsheim, das die Wilmersdorfer Ortskrankenkasfe in Groß- B e st e n errichtet hat. besser als bisher zu berücksichtigen. Nachdem es in dieser Frage zwischen den Stadtverordneten Moll und Leidig aus nebensächlichem Anlaß zu einem heftigen Zu- sammenstoß gekommen war, fand der Antrag auf Errichtung oes Heims e i n st i m m i g Annahme. Nach längerer Debatte, in der Stadtverordneter Riedel ein- dringlich für die Aufnahme des Sattlers Böttcher in die Wähler- liste eintrat, erledigte die Stadtverordnetenversammlung die Ein» spräche dreier Einwohner dadurch, daß sie den Einspruch von Wölf. ling und Böttcher zurückwies, den von Waschner hingegen aner- kannte. Die Beratung deS OrtSstatutS über die Einschränkung der Sonntagsruhe in offenen Verkaufsstellen mußte vertagt werden, da sich bei der Abstimmung die Beschluß- Unfähigkeit der Versammlung herausgestellt hatte. Lichtenberg . Die ZeitungSspedition ist von der Kronprinzenstr. 4 nach der Wartcnbergstr. 1(Laden) verlegt. Friedrichshagen . Eine Theatervorstellung veranstaltet der hiesige BildungSauSschuß am Sonnabend, den 30. September, abends S1/� Uhr,_ bei Lerche, Friedrichstr. 112. Zur Auisührnng gelangen die drei Einakter: Abschied vom Regiment",.Die sittliche Forderung" und.Die Lore" von Otto Erich Hartleben . Der Eintrittspreis beträgt 60 Pf. Die Plätze werden wie in der Freien Volksbühne ausgelost. Jugendveranstaltungea. Schöneberg . Sonntag, den 1. Oktober: Ausflug nach dem Kaiser- Wilhelmturm. Tresspunkt morgens 7 Uhr am Bahnhof Schöneberg . Gerichts-Leitung» Das störende Wahlrechtshoch. Bor dem Amtsgericht Berlin-Mitte(Abteilung 143) hatte sich gestern ein Arbeiter Kaulbarsch auf die Anklage d«Sgroben Unfugs" zu verantworten. Er sollte am 4. Juli abends gegen 11 Uhr nach Schluß einer Volksversammlung mit einer Menschen- menge durch die Schönhauser Allee gezogen sein und übermäßig lautHoch das allgemeine Wahlrecht!" gerufen haben. Von der Polizei war durch Strafmandat ihm eine Haftstrafe von 2 Wochen zudittiert worden; auf seinen Widerspruch hatte darüber das Gericht zu entscheiden. Der Angeklagte erklärte, er habe bei einem Wahlrechtshoch nur seinen Hut gehoben, aber nicht mitgerufen. Polizeileutnant Roth bekundete über die Menge, die ihm in der Schönhauser Allee entgegengezogen sei:Ich hörte singen und mußte nun dagegen einschreiten." Als die Menge ihn sah, habe sieostentativ gebrüllt", doch sei sie vor den anrückenden Beamten auseinander gelaufen. Ueber Kaulbarsch sagte Zeuge, auch der habe mitgerufen, ihm selber sei er besonders durch eine rote Nelke aufgefallen. Hiernach beantragte der BmtSanwalt, die 2 Wochen Haft zu bestätigen. Eine Begründung ersparte er sich. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Kurt Rofenfeld, wieS auf das bekannte Kammergerichtsurteil über die Zuliissigkeit von Demon- strationen hin. Der Angeklagte habe nicht etwa sich ohne weiteres dadurch des groben Unfugs schuldig gemacht, daß er auf offener Straße seine Meinung über das Wahlrecht in bemerkbarer Weise zum Ausdruck gebracht habe. Strafbar fei er nach jener Eni« fcheidung des Kammergerichts nur dann, wenn er den äußeren Bestand der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gefährdet hätte. Das aber liege hier nicht vor, oder es müsse sonst auch als straf- bar gelten, den vorbeifahrenden Kaiser mit Hochrufen und Hut- schwenken zu begrüßen. Der Angeklagte sei daher freizusprechen. Das Gericht kam zu dem Urteil» der Angeklagte habe durch sein Hutschwenken und seinen Hochruf doch die öffentliche Ordnung gestört und das Publikum belästigt, eine Freiheitsstrafe aber sei zu hart. Er soll das störende Wahlrechtshoch mit 50 Mark Geld - strafe büßen._ Magistrat und Polizei in Neudamm als Beschützer deS Unter- nehmertums. Am Dienstag hatte sich der Redakteur deS in Landsberg f. N. ernsteren Zejtxo ekitgegekigche, Vor acht Tagen habe 1 erscheinenden.Neumärkischen VolkSblatteS", Genosse Hoffmann, vor dem Schöffengericht in Landsberg zu berantworsekk. Er soll den Fabrikbesitzer Preuße in Neudamm durch die Behauptung be- leidigt haben, Preuße habe bei einem Streik seiner Arveiter zwei Witwen, die mitstreikten und 3 bis 4 Kinder zu ernähren hatten, bei der Stadtverwaltung denunziert, damit man ihnen die Unter- stützung für ihre Kinder entziehe, was denn auch geschehen sei. Die Beweisaufnahme ergab infolge der eidlichen Vernehmung des Dezernenten für das Armenwesen in Neudamm, des Ratsherrn Blcißner, folgendes: Der Polizeisergeant Krüger in Neudamm machte die Entdeckung, daß zwei streikende Witwen Armenunter- stützung erhielten, nachdem er sich von der Firma Preuße eine Liste der streikenden Arbeiterinnen hatte ausliefern lassen. Krüger inachte davon dem Magistrat in Neudamm Mitteilung. Dieser beauftragte die Polizei, sich von der Firma Preuße auch die Lohn- liste ihrer Arbeiterinnen zeigen zu lassen, was die Firma auch bereitwilligst tat. Nunmehr entzog der Magistrat auf Antrag des Ratsherrn Bleitzner den beiden Witwen die Armenunterstützung. Meißner begründete dies im Termin damit, daß die beiden Frauen einen ausreichenden Verdienst gehabt hätten. Auf die Frage des Verteidigers des Redakteurs Hoffmann, des Rechts- anwaltS Dr. Heinemann-Berlin, warum der Magistrat zu Neu- dämm ausgerechnet gerade in der Zeit, wo die Witwen nichts verdient hätten, nämlich zur Zeit des Streiks, die Frauen für so begütert gehalten habe, daß sie keine Unterstützung brauchten, er- widerte der Ratsherr, derVolksmund" habe gemunkelt, daß die Frauen Streikunterstützung erhielten. Ob dies richtig und wie hoch die Unterstützung gewesen sei, wisse er nicht. Die Meinung desVolksmunds' habe ihm genügt, den Witwen die Armenunter- stützung zu nehmen. Der Vertreter des Preuße, Rechtsanwalt Binting, beantragte, mit Rücksicht auf die verhetzende Wirkung, die Hoffmann mit seinem Artikel bezweckt habe, ihn mit einer Ge- fängnis- oder einer Geldstrafe von mindestens 500 M. zu bestrafen. Der Verteidiger führte aus, es sei zwar nicht erwiesen, daß auf Preußes direktes Anstiften den Witwen die Armenunterstützung ge- nommen sei, dies hätten vielmehr Polizei und Magistrat in Neu- dämm gemeinschaftlich getan. Aber es könne kein Zweifel ob- walten, daß Preuße genau gewußt habe, warum die Polizei Namen und Verdienst der Streikenden wissen wollte. So naiv sei niemand, daß er nicht wisse, daß, wenn die Polizei sich bei einem Streik nach den Streikenden erkundige, sie dies tue, um den Streikenden in irgendeiner Weise im Lohnkampf entgegenzutreten. Indem die Firma den Wünschen der Polizei bereitwillig nachkani, nahm sie in dem Streik die polizeiliche Hilfe gern in den Kauf. Der Ar- tikel sei also, wenn auch eine formelle tatsächliche Unrichtigkeit sich darin fände, in seinem eigentlichen Inhalt wahr. Das Gericht trug dieser Tatsache dadurch Rechnung, daß es Hoffmann mit einer Geldstrafe von 10 M. wegen eines formell beleidigenden Ausdrucks belegte,_ Hua aller Kielt« Die HutomobUhataftropbe in Paris . Da? entsetzliche Automobilunglück auf der Seinebrücke fn Paris hat nach den angestellten Ermittelungen elf Tote und vierzehn Verwundete gekostet. Unter den Toten befinden sich vier Kinder und der Chauffeur des Automobilomnibusies. Der Schaffner deS Gefährtes, der sich gerettet hatte, lief wie geistesgestört fort und hat sich noch nicht wieder eingefunden. Ueber das Unglück wird folgende amtliche Darstellung gegeben. Der in die Seine gestürzte AutomobilomnibuS kam in rascher Fahrt über den Pont de l'Archevöchs, als ihm ein anderer AutomobilomnibuS entgegen kam, dem er ausweichen wollte. Dabei riß der Wagen- lenker das Steuerrad heftig herum, so daß der Omnibus auf den Bürgersteig fuhr, die Brüstung durchschlug und in die Seine stürzte. Sofort wurde ein Hilfsdienst eingerichtet, und die aus dem Wasser gezogenen Personen wurden in das Kranken» haus gebracht. Die Namen von zwölf Toten beziehungsweise Ver- wundeten find bereits festgestellt. Sie sind sämtlich Ein« wohuer von Paris. _ Unwetterschäden im Süden. Gin heftiger Gewittersturm wütete am Mittwoch in Bagnara (Calabrien); der Bahnhof wurde überschwemmt und das um» liegende Land verwüstet. Einige Baracken stürzten ein. Fünf« undzwanzig Menschen sollen umgekommen sein. Eine Hilfsaktion wurde sofort eingeleitet. Einige Leichen sind be» reitS geborgen. Die AufräumungSarbeiten nehmen raschen Fort» gang. Aus verschiedenen Teilen der türkischen Probinzen laufen Berichte ein über schwere Schäden, die durch Ueberschwemmungeu und Hagelschlag angerichtet wurden. In Strumitza wurden vier» zehn Häuser von den Fluten fortgerissen. Durch einen gewaltigen Orkan wurde die an der Meeresküste gelegene portugiesische Stadt Espinho teilweise zerstört. Die von der Gewalt des Sturmes aufgepeitschten Wellen drangen bis in das Innere der Stadt, wo großer Schaden angerichtet wurde. Zahlreiche Häuser sind eingestürzt. Ob Menschenleben zu be» klagen sind, ist noch nicht bekannt. Kleine Notkzea. Zwei Arbeiter überfahren. Zwei Streckenarbeiter, die auf dem Eisenbahngleise bei H e i l i g e n b e i l(Westpr.) das Nahen eines Güterzuges übersahen, wurden vom Zuge erfaßt und getötet. Um die Frau. In A a ch e n erschoß am DonnerStagmorgen der 40 Jahre alte Buchhändler Bücken den Mann seiner Geliebten einen gewissen O f f e r m a n n. Die beiden waren in Streit ge- raten, weil Offermann seine bei Bücken hausende Frau zurück- verlangte. Lei lebendige« Leibe verbrannt. In Laurahütte spielten jfinder mit Streichhölzern. Plötzlich entzündete sich eins, die Kleider eines sechsjährigen Mädchen» fingen Feuer und das Kind ver- brannte bei lebendigem Leibe. Alle Versuche. die Flammen zu ersticken, waren vergeblich. Als die abwesende Mutter nach Hause kam, fand sie ihr Töchterchen als Leiche vor. Marktpreise von Berlin am 27. Septbr. 1911, nach Ermittelung des Königlichen Polizeipräsidiums. N artt h a ll e» pr etf e.(Kleinhandel.) 100 Kilogramm Erbsen, gelbe, zum Kochen 35.0050.00. Speisebohneu weiße, 35.0050.00. Linsen 34,00-30.00. Kartoffeln 7,0012,00. 1 Kilo. gramm Rindfleisch, von der Keule 1,602.40. Rindfleisch, Bauchfleisch IM bt» 1,70. Schweinefleisch 1,801.80. Kalbfleisch 1,40-2,40. Hammelfleisch 1,802,00. Butter 2,403,20. 60 Stück Eier 3.20-6,00. I Kilogramm Karpfen 0,90-2,40. Aale 1.602,80. Zander 1.403,60. Hecht« 1,20 bis 2,80. Barsch» 1,00-2,00. Schleie 1,10-3,00. Bleie 0,80-1,60. 60 Stück Krebse 2,50-30,00.__ WaflerftandS.Nnchrtchte» der LandiSanstalt�flr Gewäflerdmd«. mitgeteilt vom Berliner Wetterburea». Wasserstand Kemel , Tilstt Br e g e l. Jnsterburg Weichsel. Thoro Oder, Rattbor , ltrofien , Frankfurt Warth«, Schrimm . LandSberg Netze, Vordamm Elbe, Leitmeritz , DreSdeo , varbv , Magdeburg Lasserstand Saal«, Srochlttz Havel , Spandau ') , Rathenow ') Spree. Svremberg') , LeeStow v e I» r. Münden . Minden R h e t n, MaxiinilianSau , Kaub Köln Neckar. Hellbronn Main. Werlheüu Mosel , Trier 9+ dedeutet»ochs.- Sal».-? Unterpege«.