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Diesem Schreiben fügt dieKöln . Volksztg.' mit dem ersichtlichen Gefühl der Genugtuung noch nachstehende Be- merkungen hinzu: Diese Berechtigung hatte Herr Abg. Miiller-Fulda zweifellos. Wenn wir seine Verhandlung mit den sozialdemokratischen Führern als seine persönliche Angelegenheit bezeichneten, so versteht eS sich, dafe wir dabei nicht die Ablehnung des Bebelschen Angebotes, die ja, wie wir selbst betonten, vom SuSschusie einstimmig beschlossen war, im Auge hatten, sondern lediglich die privaten Anknüpfungen, von denen Herr Abg. Müller-Fulda nun- mehr selb st bestätigt, dah er diese ohne Auftrag, also lediglich aus eigener Initiative bewirkt hat. Wobei übrigens zu bemerken ist, dah ein früheres Schreiben des Abg. Singer vom .Vorwärts' nicht veröffentlicht worden ist. Die Anspruchslosigkeit der ultramontanenKöln . Volks- zeitung" macht ihrem guten Herzen, wenn auch weniger ihrem Verstände alle Ehre. Wie Herr Müller selbst, so erklärt auch sie den Müllerschen Brief von: 30. Januar 1907 für eine Ablehnung des Bebelschen Angebots", nur glaubt sie nochmals hinzufügen zu sollen, daß diese Ablehnung uns einstimmigen Beschluß des Zcntrums-Ausschusses erfolgt sei. Nichts als alberne Verlegenheitsschwätzerei. Tatsächlich ist durch Herrn Müllers Brief vom 30. Januar 1907 gar keine Ablehnung erfolgt. Nirgends steht in diesem Schreiben etwas davon, dah die Zentrums- leitung den Bebelschen Vorschlag rundweg ab- gelehnt habe; Herr Müller spricht nur davon, daß der Vorschlag Bebels sich nicht durchführen lasse, weil die Zeit zu kurz fei und beiderseits schon Verabredungen be- ständen; dann aber fügte er hinzu, daß das Zentrum seine Bedingungen denen der sozialdemokratischen Parteileitung an- gepaßt hätte, und mahnt, jede Partei solle auch ohne gegenseitige Zusicherung ihre Pflicht tun. Das heißt doch wohl: jede Partei solle ohne formelles Abkommen die andere in der Stich- wähl unterstützen! Doch fetzen wir als bestes Beweismittel nochmals Müllers Brief vom 30. Januar 1907 hierher: Fulda , den SO. 1. 1007. Frankfurt a. M. Sehr geehrter Herr Kollege I Ich empfing Ihre und Herrn Bebels Mitteilung vom 23. und antwortete heute früh nach Köln tel.: «Auch wir stellen prinzipielle Bedingungen, von welchen Unterstützung abhängt.' Vorschlag B. ist unausführbar, weil Zeit zu kurz und bereits vielfach Verabredungen bestehen auf Ihrer und unserer Seite. (Schlesien .) Ich verspreche auch nicht», was ich nicht voll er- füllen kann.' Unsere Bedingungen find den Ihrigen ziemlich angepaßt, sie Werden heute veröffentlicht und eS wird ohne weitere? voraus- gesetzt, daß alle Ihre Kandidaten eo ipso diesen Bedingungen zu­stimmen, der Mischmasch dagegen nicht. Nun tue jeder nach bester Ueberzeugung seine Pflicht, auch ohne gegenseitige Zusicherung. Hochachtungsvoll Richard Müller.' Das nennt dieKöln . Volksztg.' eine glatte Ablehnung? Genau ebenso viel ist die von Herrn Müller-Fulda be- . stätigte Behauptung der klerikalen Presse wert, er habe keinen Austrag zur Anknüpfung mit der sozialdemokratischen Partei besessen. Gewiß, 'einen offiziellen Auftrag der Zentrumsleitung hat er nicht ge- habt! DaS hat von sozialdemokratischer Seite auch niemand behauptet. Aber eine andere Frage ist, ob er auch mit keinem seiner Fraktionskollegen über seine Anbündelei gesprochen, ob keiner von diesen etwas davon gewußt hat. DieKölnische Volksztg." will doch wohl nicht der Oeffentlichkeit glauben machen, daß ein erfahrener Parlamentarier solche Schritte unternimmt, ohne vorher bei leitenden Personen seiner Fraktion zu sondieren?_ Jesuitische AuSreden. DieGermania " verschweigt ihren Lesern nach wie vor das Treiben der italienischen Klerikalen, die, den Papst an der Spitze, für den Raubzug der Regiening Propa- ganda machen. Sie beruft sich demgegenüber auf die völlig nichtssagende formale Ncutralitätsrrflärung, die der Heilige Stuhl erlassen hat. Da sich die..Germania ' dabei unS gegen­über auf eine Meldung desBerliner Tagcbl.' berief, so wollen wir ihr die folgende Mitteilung des römischen Kor- respondenten diese» Blattes nicht vorenthalten: In dem klerikalen.Corriere d'Jwlia' veröffentlicht der Marqui» Crispoltt einen bemerkenswerten Artikel, in dem er die absolut» völkerrechtliche Korrektheit des ita- lienischen Vorgehens z u beweisen versucht. Der Ar- tikel kommt zu dem Schluß, Italien hätte die rechtlichen Formen 'n keine» Weise verletzt(I), sondern sich gewissen- baft(I) an die Vorschriften deS Vällerreckt» gehaltem Marquis Criepoi� der Verfaffrr diese» Artikel«, ist Chef der Nerikalen Partei und»in Schützling«nd persSnljchrr Freund de» Papste «. ist also eine freche Lüge, wenn die klerikale Presse ihre» Lesern erzählt, daß der Papstüber den streitenden Parteien" stehe. Er und seine Offiziösen verteidigen und preisen den Raubzug. Und alles Geschimpfe kann die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß die deutsche und österreichische klerikale Presse eS nicht einmal wagen darf, über die wirkliche Haltung des Papstes in dieser Frage ihren Lesern die Wahrheit auch nur mitzuteilen. Verzögerung der Marokko -Jnterpellation. Der.Berliner Lokal-Anzeiger' bringt eine offiziös inspirierte Notiz, in der eS heißt: Der Umstand, daß bloßer NedaltionSschwierigleiten wegen der Abschluß der Marokko -Verhaudlungen sich so lange hinauszieht. bat vieliaches Kopfschütteln erregt. Hier und da wurde auch der Vermutung Raum gegeben, daß durch die Verzögerung die deutsche Diplomatie ongeskytS der nahenden Reichstagteröffnung in eine Zwangslage versetzt und französischen Wünschen geneigter gemacht werden könnte. Diese Vermutungen können indessen ruhig aus- geschaltet werden. Die Regierung darf auf den Patriotlsmu« unserer Boltsvertreter vertrauen, welche sicherlich nicht wünschen werden, daß nurm einige Tage früher in die Besprechung der Marolko-Verhandlungen eintreten zu können, auch nur ein Titelchen von dem geopfert wcrde, waS als erreichbar und erreichenswert auf dem Programm der ReichSvertrctung steht.' Da» heißt nichts anderes, als daß die von sozialdemolratischer Seite eingebrachte Marokko -Jnterpellation erst dann beantwortet werden soll, wenn eS den Herren von Bcihmann Hollweg und Kiderlen-Waechter in den Kram paßt. Der Appell an denPatrio- tiSmu« der Volksvertreter' ist auf die bürgerlichen Parteien be- rechnet, denen damit nahegelegt wird, auf eine sofortige Beantwortung der Marokko -Jnterpellation zu verzichten. Stimmenergebnis in Oldenburg . Bei der Wahl der Abgeordneten zum Oldenburgischen Landtage am 20. September haben erhalten: Sozialdemokraten..... 48 788 Stimmen Fortschrittliche Volkspartei .. 40 48S, Nationalliberale..... 26 813 Zentrum........ 24 003 Agrarier........ 11279 Im ganzen find rund 150000 Stimmen abgegeben; davon ent- fällt fast ein volles Drittel auf die Sozialdemokratie ein glänzendes Resultat, das sich in dem.Agrarstaat' Oldenburg niemand hat träumen lassen I_ Geschäft ist Geschäft Die ZentrumSpresse im Westen grollt den Nationalliberalen wegen ihrer Stimmenthaltung bei der Düsseldorfer Ersatzwahl. Die .Rheinisch-Westfälische Zeitung' verteidigt da? Vcr- halten der Nationalliberalen damit, daß da? Zentrum.erst mürbe werden' müsse, bevor es für ehrliche Verständigung, für Kompen- sationen und Kompromisse.die Reife erlangt'. Und die.Köln . Zeitung' meint, bei der.üblen Einrichtung der Stichwahlen' bleibe eS immer noch das beste, sie.als ein Parteigeschäft zu betrachten und Stimmabgabe wie Stimmenthaltung allein da- nach einzurichten, wie weit sie der eigenen Partei und ihren Idealen von Nutzen sind'. Die.Kölnische Volkszeitung' erblickt in diesen Aeußerungeu den Versuch, einerseits das Zentrum aufs neue zu verlästern, andererseits daS eigene Gewissen zu beschwichtigen. Und doch gab eS eine Zeit, da die.Kölnische Vvlkszeitung' ganz wie ihre nationalliberale Landsmännin die Stichwahlen als eine reine Geschäftssache auffaßte, bei der nur die Rücksicht auf den eigenen Vorteil zu gelten habe. Nach der Haupt- wähl im Juni 1398 sprach sich das ultramontane Blatt dahin aus, daS Zentrum müsse da, wo seine Stimmen bei der Stichwahl zwischen anderen Parteien ins Gewicht fielen, dafür sorgen, daß es aus der Sachlage den denkbar größten Vorteil ziehe: .In der Hauptsache muß unser Bestreben ganz wie bei den diesmalig?» Wahlen überhaupt dahin gehen, daß die auSschlag- gebende Stellung des Zentrums zu erhallen, also vor allem die Kartcllpartcien nicht zu stark werden zu lassen. Für einen Sozial- demokraten kann die Zentrnmspartei natürlich nicht stimmen. In der Regel wird sie aber wohl für den Gegenkandidaten eintreten können.... Wenn irgend möglich ist dahin zu wirken, daß unsere Stimmen einer anderen Partei nicht umsonst gegeben lverden. Nicht allein, daß wir Garanlien in bepig aus Jesuitengesetz. Wahl- recht usw. verlangen müssen, wir müssen auch die Unterstützung der Partei, die unsere Stimmen erhält, für den Zentrums- kandidaten in einem anderen Wahllreise zu erhalten suchen: Unterstützt ihr das Zentrum hier, j o unter- stützen wir euch dal Darum übereile man sich mit der Zusage nicht, sondern sehe sich erst in der näheren oder weiteren Umgebung um, ob da nicht für einen Zentrumskandidatcn etwa; zu erreichen ist. Man muß nicht blöde in solchen Dingen sein, die anderen Parteien sind eS auch nicht.' Von diesen rein politisch geschäftlichen Erwägungen ließ das Zentrum sich dann auch bei der Stichwahl 1898 leiten. ES stimmte (trotz deS LbratenS der.Kölnischen Vollszeitung') für den Sozial- demokraten, wo eS ihm von Nutzen war, und es stimmte anderswo, wa» noch schlimmer, für Freimaurer , wenn ihm hier der Erfolg winkte. In Dortmund z. B. verpflichtete eS sich für den Schars- wacher, Freimaurer und Kulturkämpser Hilbck und ließ sich dafür zusichern, daß die Nationalliberalen. wenn bei der nächsten Wahl daS Zentrum mit den Sozialdemokraten in die Stichwahl komme, das Zentrum unterstützten; ferner wurde den Ultramontanen ein Drittel der Stadtverordnetensitze und die Ver- tretung in allen städtischen Kuratorien zugesichert; endlich machte der freimaurerisch knlturkämpferische Kandidat, damit man der ultra- montanen Wählermasse etwa« Brei um den Mund schmieren konnte, noch einige nichtssagende Zugeständnisse bezüglich des Jesuiten - gesetze». Wie man sieht: Geschäft ist in der Politik Geschäft auch beim Zentrum! Ander« war'S im benachbarten Bochum . Dort hatten 1898 die Sozialdemokraten den Ausschlag zwischen Nationalliberalen und Ultramontanen zu geben. Unsere Genossen waren zur Wahl- «nthaltung entschlossen in der Erwartung, daß da« Zentrum in Dortmund da« gleiche tun werde. Al« sie von dem Pakt der Liberalen und Klerikalen erfuhren, änderten sie ihre Haltung und so kam e«. daß der ultcamontane Kandidat. Herr Fnchs-Köln durchsiel. Herr Fuchs hat daS seinen Parteigenossen in Dortmund sehr ver- dacht und in einer Kölner ZentrnmSversammlung hat er geklagt, daß die Dortmunder ZentrumSleut« an der Niederlage der Partei in Bochum die alleinige Schuld trugen. Sie hätten mit den National- liberalen ein Kompromiß gegen die Sozialdemokratie geschlossen, alle Versuche der Zentralleitnng, da? Kompromiß rückgängig zu machen, seien erfolglos gewesen. So habe das Zentrum in Dort- mnnd erreicht, daß dort der Nationalliberale durchgekommen sei. Diese Taliil sei durchaus verfehl«. Die Nationalliberalen seien zur- zeit die schlimmsten Feinde des Zentrums. Dazu koinme, daß der Dorwuinder Kandidat der Nationalliberalen Freimaurer und führendes Mitglied des evangelischen Bundes sei I In Dortmund kuhhandelt daS Zentnim mit den Nationallibe- ralen; in Bochum rechnet eS mit der Hülfe der Sozialdemokraten; es läßt sich mit Freimaurern und Lutherbündlern in Wahlkompro- misse ein immer nach dem Grundsatz: Wer am meisten bietet, Hot mich! Unter solchen Umständen versieht man nicht recht, wcSbalb das Zentrum den Nationalliberale» grollt, die die Wahl ebenfalls als ein politisches Geschäft betrachten. Die Wahlen zur Lübecker Bürgerschaft finden am 14. und 17. November d. I. statt. In den ländlichen Bezirken, wo die Wahlen auf den 14. November angesetzt sind, werden sech» Vertreter in der dritten Klasse(mit mehr als 2000 M. Ein­kommen) und einer in der vierten Klasse(die übrigen Bürger) ge- wählt. Die städtische erste Klasse(mehr als LOOO M. Einkommen) wählt 32 Abgeordnete, loährend die niinderbeinittelten werktätigen Bürger ganze vier Abgeordnete der zweiten Klasse in das Staats- Parlament zu entsenden haben. Der Aeldsack hat sich somit von 43 Mandaten 38 gesichert, während man dem ärmeren Teil der Lübecker ganze fünf Mandate überlassen hat. Vvm Krach im Zentrnm. Roch einer Meldung des.Berliner Lokal-Anzeiger»' hat der ZentrumSabgeordnele Graf Oppersdorfs gegen die gleichkalls zentrümliche.Köln . Volkizeilung' wegen Abdrucks»ine« Artikels au§ der.Augsburger Poslzeiwug' die Beleidigungsklage angestrengt. Graf OpperSdorff hatte zunächst die Klag» bei dem Ersten Staatsanwalt in K ö l n eingereicht, der sie aber abgelehnt hat unter Verweisung ans den Weg der Privatklage. Der Prozeß kann unter Umständen interessante Einblicke in das Treiben hinter den Kulissen der.einigen' ZcntrumSpartei gewähren. Ein konservativer Ordnnngshcld vor Gericht. Die Strafkammer Detmold verurteilte den Landwirt Fritz Seel aus Huxel bei Lemgo wegen vorsätzlicher Körperverletzuna zu 300 M. Geldstrafe. Seck hatte am 2. Februar diese» Jahres spät abend» in der Dunkelheit da» Automobil de« freisinnigen ReichStagSabgmd- neten Dr. Ntnmann-Hofer mit Strahenschmritz beivorfen. Der Uebeltäter war vorher mit«inigen konservativen GesinnungS, genossen in der von sieisinniger Seite veranstalteten Versammlung gewesen. Durch den Wurf wurde der Chauffeur am Auge verletzt und das Automobil geriet in den Straßen- graben. Mit dieser Verurteilung ist das milde Urteil des Schöffen- zeeichts Lemgo aufgehoben worden, das den Angeklagten nur der a h r l ä s s i g e n Körperverletzung schuldig hielt und aus bO M. Geldstrafe erkannte._ Der Leutnant als Sittlichkeitsverbrecher. DaS Kriegsgericht in Posen verurteilte den Leutnant der Reserve Lindau , der in seiner Zivilstellnng höherer Bankbeamter ist, wegen SittlichkeitSvergchen zu einem Jahre Gefängnis und Dienstentlassung. Der Angeklagte war zu einer militärischen Uebung zum 19. Infanterieregiment nach Görlitz eingezogen und lag während deö Manövers in Posen im Quartier. Dort lockte er nach einem Ausfluge ein dreizehnjähriges Mädchen und einen fünfzehnjährigen Burschen in seine Wohnung, wo er erst an dem Knaben und dann mit dem Mädchen unsittliche Handlungen vornahm. Auf da? Ge- schrei des Mädchens eilte» Hausbewohner herbei und befreiten es. Die Untersuchung des Mädchens im Krankcnhause ergab, daß eS dem Angeklagten noch nicht ganz gelungen war. sein Vorhaben ans- zuführen. Demzufolge wurde er nur'wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen an Kindern unter vierzehn Jahren bestrast. Der An- geklagte entschuldigte seine Tat mit Trunkenheit. Portugal . Die monarchistische Verschwörung. Madrid , 4. Oktober. Der Ministerrat beschäftigte sich gestern mit der monarchistischen Erhebung in Portugal . Der Minister deS Innern legte dar, welche Maßregeln an der Grenze getroffen worden seien, um strenge Neutralität aufrecb:- zuerhalten, und teilte die an der Grenze von Galicien erfolgte Fest- nähme eine« Automobils mit. in welchem 40 Personen in Portugal eiuzndriiigen versucht hätten. Cnglanck. Für RüstungSeinschrknknng. London , 4. Oktober. Der Erste Lord der Admiralität M c K e n n a hielt gestern eine Rede, in der er ausführte, an die Stelle der K r i e g S g e r ü ch t e sei jetzt der K r i e g getreten. Das ganze Interesse der Welt sei darauf gerichtet, den Frieden wieder herzu st eilen. ES gebe kein AuSlvärtigeS Amt in Europa , das nicht die gemeinsame Hoffnung teile, daß befriedigende Bedingungen für eine Bei- lcgung deS Streite» gefunden lverden niöchten, bevor und nicht nachdem große Opfer an Menschenleben zu beklagen seien. Auf die Frage, ob er ein freundliches Einvernehmen mit Deutschland zum Zwecke der Beschränkung der Flottenriistunge» begünstige, erwiderte Mc Kenna: Nichts würde der Regierung größere Befriedigung gewähren, als wenn sie imstande wäre, Abkommen zu treffen, welche die N ü st u n g e n zu W a s j e r und zu Lande begrenzen. Rußland. Tie Spitzclkloake. Obgleich die Offiziösen sich bereits die größte Mühe geben, den Erörterungen über den Korruptionssumpf der Geheimpolizei ein Ende zu setzen, und ihren eigenen Enthüllungen über das Lock- spitzelunwesen die Spitze abzubrechen, nimmt die Flut der neuen Enthüllungen kein Ende. Die konservativsten Blätter, die hochstehendsten Bureaukraten, ja, selbst frühere Minister geben mit erstaunlicher Offenheit die bisher sorgfältig gehüteten Ge- Heimnisse preis und bestätigen jetzt die Nichtigkeit aller von sozial- demokratischer Seite erhobenen Anklagen gegen das Lockspitzel- system der Regierung. Sämtliche Fragen,'die während der Äsern- Affäre, de» LopuchinprozesscL die Oeffentlichkeit beschäftigt und deren Lösung durch die Einmischung Swlhpins unmöglich gemacht worden ist, finden jetzt eine gewisse Aufklärung. Es ist z. B. außerordentlich charakteristisch, daß daS Organ der Moskauer Reaktionäre, die vom alten Renegaten Tichomirosf herausgegebenen MoSkowSlija Wedomosti" die Frage aufwerfen, in welchem Maße die Geheimpolizei an der Ermordung des Großfürsten Sergius und des Ministers Plehwe. die bekanntlich das Werk AsewS war, mitschuldig gewesen ist. Und die offiziöse Nowoje Wrcmja", zu deren Redakteuren der Bruder des ge- töteten Ministerpräsidenten gehört, teilt jetzt offen mit, daß Stolhpin kurz vor seinem Tode die unwiderleglichsten Beweise für die polizeiliche Herkunft der eben erwähnten terroristischen Akte erhalten habe:«Vor seinem Tode hatte Stolhpin genaue Angaben erhalten, daß die Ermordung deS Großfürsten und W. Plehwcs von Asew organisiert worden war.... Indessen wurde Asew, ungeachtet seiner verbrecherischen Teilnahme an diesen zwei Mordtaten, in der Folge der ener» gischst« Gehilfe des Chefs der Ochrana , und auf ihn stützte sich die ganze Spionage. Wenn nicht ein Zufall ihn ent- larvte, so hätte Asew zweifellos noch heute sein Doppelspiel fort- gesetzt." Dies schrieb daS offiziöse Organ bor wenigen Tagen, während jetzt bereits eifrig an der Arbeit ist, seine eigenen Enthüllungen abzuschwächen und die.Ehre" AsewS wiederherzustellen. Bei diesem Vorhaben wird es keineswegs durch die Tatsache gestört, daß noch in diesen Tagen drei Agenten der Geheim- Polizei zu Baku , Kasusch, Molotschkow und Frolow. vom Vc- zirksgericht zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden sind, weil vor Gericht nachgeiviescn wurde, daß sie im Auftrag der Geheimpolizei Bomben nach Baku gebracht und dort zu Provokationszwecken verwendet hatten. Diese Praktiken. die sowohl von den größeren wie kleineren Agenten der Geheim- Polizei gehandhabt werden, sind in den Augen der RegicrungS- presse und der herrschenden Parteien eine notwendige Begleit- erscheinung des Kampfes gegen die Revolution. Es wird aus diesem Gebiete auch jetzt um keinen Deut besser werden trotz desunerschütterlichen" Willen» deS Hauptes der Lockspitzel, des Zaren Nikolaus II. , diesem Treiben ein Ende zu setzen. Im Anschluß an die jüngsten Ereignisse in Rußland weist Burtzew, der sich durch die Aufdeckung deS Provokationswesens ein große» Verdienst erworben hat, darauf hin. daß noch immer nicht die Teilnahme AsewS an einem von ihm selbst organisierten Attentat von außerordentlicher Wichtigkeit und an den Attentaten gegen Admiral Dubasow und General Hörschelmann aufgeklärt sei. Ferner sei noch immer die Rolle der früheren Agenten deS PolizeidcpariementS, Roß und Brodski. unaufgeklärt, von denen der«rstere eine Reihe kühnerExpropriationen " verübte, während der andere die teuflische Machinaiion gegen die sozialdemokratische Fraktion der zweiten Duma einleitete, indem er ver- kleidete Geheimpolizisten als Delegierte verschiedener Truppenteile in die Fraktion sandte, in den Wohnungen der Ab- geordneten Flugblätter versteckte usw. perfien, England verstärkt seine Stellnng. London , 4. Ottober. Wie ein hiesiges Blatt aus Sstnka meldet. ist wegen der dauernden Unruhen in Südpersien beschlossen worden, die Wache n der verschiedenen britischen Konsulate zn verstärken. Zu diesem Zwecke haben zwei indische Kavallerie-Regim enter den Befehl erhalten, sich zur Einschisfung nachdem persische» Golf bereitzuhalten.