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|t. 345. 28. ZahMSH. t. ßtilnjt desUswsrls" Knlim KldsdlR DsNerstag, 19. Oktober 1911. l�eickstag. !S1. Sitzung. Mittwoch, den is. Oktober 1011. nachmittags 1 Uhr. »m lvundeSratStische: von Bethmann Hollweg  , Dr. Delbrück. Die Interpellationen über die auswärtige Lage werden zunächst zusammen zur Beratung gestellt. Auf die übliche Frage des Präsidenten erklärt: Reichskanzler von Bethmann Hollweg  : Ich bin bereit, die Jnter- pellationen zu beantworlen. Für voll berechtigt halte ich den Wunsch deS Reichstages, baldmöglichst von der Regierung Auskunft über die auswärtige Lage zu erkalten. In dem gestern an Ihren Herrn Präfidenten gerichteten Schreiben habe ich dargelegt, aus welchen Gründen ich mir heute eine Erklärung versagen und die Bezeichnung deS Zeitpunktes noch vor- behalten muß, an dem ich sie werde abgeben können. Ich werde nicht unterlassen, Ihrem Herrn Präfidenten den Termin an- zuzeigen, sobald es mir möglich ist. Noch meiner Absicht wird der Reichstag   nicht auSeinandergehn. obne daß zuvor hier über die auswärtige Politik verhandelt worden ist.(Bravo  !) Präsident Graf Schwerin  : Damit ist dieser Gegenstand der Tagesordnung für heute erledigt. Hierauf werden die Interpellationen über die Teuerung zur Verhandlung gestellt. Reichskanzler v. Bethmann H-llweg erklärt sich bereit, die Jnter- pellationen am nächsten Montag zu beantworlen. Es folgt die Interpellation A l b r e ch t(Soz.) und Genossen betr. Verstöße gegen das Vereins- und VersammlungS« g e s e tz. Dte Interpellation lautet: Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß von feiten einer Reihe von Behörden gröbliche Verstöße gegen den klaren Wortlaut deS Vereins- und Versammlungsgesetzes für daS Deutsche Reich begangen wurden? Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um dem er« wähnten Gesetze seilen« der Behörden Geltung zu verschaffen? SlaatSsekrerär Dr. Delbrück erklärt sich zur sofortigen Be- antwortung der Interpellation bereit. Zur Begründung der Interpellation erhält daS Wort Abg. Blbrecht<Soz.): ES ist bereits daS dritte Mal, daß Mitglieder des hohen HouseS sich veranlaßt sehen, die Frage über die Handhabung deS Reichs- Vereinsgesetzes an den Reichskanzler zu richten, obwohl das Gesetz erst seit 3'/z Jahren besteht. Schon bei der Beratung des Etms führte mein Parteigenosse Hoch auS, daß wir uns Reserve auf- erlegen, unS aber vorbehalten, bei passender Gelegenheit auf diese wichtige Angelegenheit zurückzukommen. Man sollte meinen, daß nach den Beschwerden über die Handhabung deS ReichSvereinSgesetzeS, die bei den Interpellationen in den Jahren 1S09 und ISIl) hier vor- gebracht wurden, die Verhältnisse sich bessern würden; aber daS Gegenteil ist der Fall, sie sind sogar noch schlimmer geworden. Im tz 6 des ReichSvereinSgesetzeS ist klar und deutlich gesagt: Wer eine öffentliche Versammlung zur Erörterung politischer Angelegen- heilen veranstalten will, hat mindestens 24 Stunden vor dem Beginn der Versammlung unter Angabe des OrteS und der Zeit bei der Polizeibehörde Anzeige zu erstatten, über diese Anzeige ist von der Polizeibehörde eine kostenfreie Bescheinigung zu erteilen. Mit keinem Worte ist gesagt, daß auch bei Mitglieder- Versammlungen politischer Vereine eine solche Anzeige zu erstatten ist. Im ß 3 heißt es, daß jeder Verein, der eine Einwirkung auf politische Angelegenheiten ersttebt, also jeder politische Verem eine Satzung haben muß, daß der Vorstand verpflichtet ist, die Satzung und das Verzeichnis der Mitglieder des Vorstandes bei der Polizetbehörde einzureichen. Mit keinem Wort ist gesagt, daß er auch Mitgl»ederversammlungen anzumelden hat. DaS sollte auch nicht gesagt werden. Ebensowenig sind Mitgliederversammlungen überwachungSpflichtig. schon in der Begründung deS Entwurfs ist die Ueberwachungspflichl auf solche Versammlungen beschränkt, bei denen eS einer Bekannt- kleines feuiUeton DaS Leben in der Stadt Tschent«. Bei Hachette in Paris   hat dieser Tage der ForschungLreisende Henry Ässelin unter dem Titel ?a�Ba�6s d'Asie"(.Asiatische Landschaften') ein fesselnd ge- schriebenes Buch erscheinen lassen; von aktuellem Interesse ist daS Kapitel, in dem die gegenwärtig von den chinesischen Revolutionären bestürmte Stadt Tschentu oder Tschang-tu geschildert wird.»Die Ebene von Tschentu'. so schreibt der Verfasser,ist ein wahrer Gemüsegarten; das von befruchtenden Wassern durchfurchte fette und dankbare Land ist überall bebaut und liefert eine Fülle von Reis, Getreide aller Art, Gemüse und dem magischen Mohn. In der Mitte dieser glückstrotzenden Ebene breitet sich niedrig, flach, kriechend. aber doch auf einem ziemlich großen Räume die Stadl Tschentu auZ. Es ist in der ersten Ebene eine zweite Ebene, eine Ebene von grauen, schmutzigen und tristen Dächern mit kleinen Ziegeln. Kaum daß hier und da ein Haus, das etwas höher ist als seine Umgebung, ein Baum, eine Pagode auS der armseligen Einförmigkeit hervorzuragen wagen. Die dicke Steinmauer, die diese Maulwurfshaufenstadt einschließt, ist hoch und massiv, mit vn,,v wuilVlJUUICUllUk'l VMtiMj- v L,-,-1.«fVLv UIIU im» Zinnen verleben und von den vier klassischen Ausgängen, im Norden, tm Süden, im Westen und im Osten, durchbrochen. Am Fuße der Mauer, und zwar draußen vor jedem der Tore, befindet sich je eine Vorstadt mit elenden Bretter- und Matten- Hütten und einigen Speisewirtschaften für Kulis. Bei Sonnen» Untergang werden die vier schweren, mit Eisen be- schlagenen Tore geschlossen, so daß die vier Vorstädte im Schatten der Rieseumauer noch isolierter daliegen als bei Tage. Etwas Regelmäßiges im Stadtplan von Tschentu und etwas Sorg- fälliges in der Anlage der Straßen macht diese Stadt sofort ungleich sympathischer als alle anderen chinesischen Städte. Die Straßen sind gerade, ziemlich breit, zum größten Teil gut gepflastert, nicht mit Straßenkot bedeckt und überhaupt merkwürdig sauber. Die Stadt ist in Stadiviertel geteilt, die von einander durch Gittertore getrennt sind; auch diese Tore werden in der Nacht geschlossen. Tschentu ist die Hauvlstadt der reichen Provinz Sie-tschuen, Residenz des Vizekönigs. mit 400 000 bis 500 000 Seelen bevölkert und im Besitz eines Arsenals, eines Embryos von Armeekorps und verschiedener hoher Schulen. Die Bevölkerung ist sehr geschäfts- tüchtig und geschästseisrig; sie handelt mit den Feldprodukten der Gegend, web« und stickt wunderbar? Seidenwaren, färbt Stoffe, fabriziert Baumwollwaren. Leinwand Knpferwaren usw. Dre Straße in Tschentn ist ein Abbild dieser regen Tätigkeit; eS herrscht auf ihr vom Morgen bis zum Toresschluß«in geschäftiges Treiben. Nicht als ob man dort fieberhaft hin und her lagt- und sich drängte; dakür ist der Chinese nicht zu haben. bei ihm ist niemals etwas so dringend, daß er sich darum .ein Bein ausrisse'. Etwas Gemächliches hat daS Straßenleben schon darum, weil man fast nie einen Wagen zu seben bekommt; die Senfte und der Schubkarren der letztere für schivere Lasten beherrschen den Verkehr. Die Sänfte, die auf den Schultern starker Träger ruht, bahnt sich durch die Reihen der Gaffer, Spaziergänger und Schwätzer energisch ihren Weg. machung, einer Anzeigt bedarf. Bei Vereinsversammlungen ist aber daS nicht der Fall. Ich habe nun darüber Klagen vorzubringen, wie die Behörde mit dem Gesetz umgeht. Ich habe gröbliche Ver- flöße gegen daS Gesetz seitens der Polizeibehörde von Halle a. S. vorzubringen. 21/2 Jahre lang, vom 15. Mai 1008 bis zum 4. September 1910, hat die Polizeibehörde von Halle das Vereinsgesetz so ausgelegt, wie es von Rechtswegen ausgelegt werden muß, und hat keine Mitgliederversammlungen des Sozial- demokratischen Vereins überwacht. Aber am 4. September 1910 sandte sie zwei Beauftragte in die Generalversammlung des Sozial- demokratischen Vereins.(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Wir ließen uns das selbstverständlich nicht gefallen. Als Leiter der Organisation und der Versammlung in Halle erklärte ich der Polizeibehörde, deren Beauftragte sich mir noch nicht einmal vorstellten, wozu sie mindestens nach tz 13 des Gesetzes verpflichtet gewesen wären, die Beamten hätten kein Recht, die Ver- sammlung zu überwachen, und forderte sie auf, das Lokal zu verlassen. Die Beamten erklärten dagegen, sie hätten den Auf- trag, diese öffentliche Versammlung zu überwachen, obwohl diese Versammlung als Mitgliederversammlung bekannt gemacht war, zu der nur Mitglieder Zutritt hatten, wenn sie sich durch das Mitglieds- buch legitimierten. Ich vertagte die Versammlung auf kurze Zeit und wandte mich telephonisch an den Leiter der Polizei, den Ober« bürgermeister R i v e, damit er die Beamten zurückziehe. Dr. Rive erklärte mir, er könne sich darauf nicht einlassen, ich solle eine schriftlich e Eingabe machen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich will hier bemerken, daß Dr. Rive in Halle gewählt ist, weil er ein sehr liberaler Mann sei. so liberal, daß er bei der Beerdigung des verstorbenen Kollegen Eugen Richter   als Stadtrat einen Kranz niederlegte. Und dieser liberale Herr schlägt dem Rcichsvcrsichcrungögcsctz direkt ins Gesicht!(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Nun beschloß die Versammlung, um nicht unter Polizeiaufsicht zu tagen, sich zu schließen. Wir riefen auf den 15. September eine neue Mitgliederversammlung ein, weil unter- dessen Beschwerde bei dem Oberbürgermeister und dem Negierungs- Präsidenten von Merseburg   eingelegt war, und wir der Meinung waren, bei der Polizeibehörde müsse ein Irrtum vorliegen. Aber auch diese Versammlung wurde überwacht und als ich der Polizei den Eintritt ins Lokal verweigerte und ihren Beamten keinen Platz anwies, löste die Polizei die Versammlung auf.(Leb- hafteS Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Selbstverständlich wurde auch dagegen Beschwerde eingelegt. Wir beriefen nun eine Mitgliederversammlung ein, ohne sie irgendwie bekannt zu geben, indem wir die Mitglieder nur mündlich einluden, und siehe da, auch diese Versammlung wurde von der Polizeibehörde überwacht und als den Beamten der Eintritt ins Lokal verweigert wurde, aufgelöst. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wir wollten nun sehen, ob die Polizei auch in Distrikts- Versammlungen erscheinen würde. Unser sozialdemokratischer Berein bildet, wie fast überall, einen Kreiswahlverein, der in 20 städtische und in 20 ländliche Distrikte zerfällt, und wir beriefen nun auf einen Abend 21 Distrikrsversammlnngen ein. Auch diese wurden überwacht, und als der Polizei das Recht zum Eintritt ver- weigert wurde, um größten Teil a u f g e l ö st. Zur selben Zeit ging die Polizei auch in Gewerkschaftsversammlungen, was sie bisher nicht getan hatte. Die Gewerkschaften protestierten ebenfalls und legten Beschwerde bei dem Regierungspräsidenten und bei dem Oberpräsidenten in Magdeburg   ein. Vor dem Ober- Verwaltungsgericht schwebt die Angelegenheit noch, aber sowohl der Regierungspräsident in Merseburg  , wie der Oberpräsident in Magde  - bürg hoben die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen, indem sie einfach erklärten, der Verein sei so groß und die Mit­gliedschaft so lose, daß er nicht als Verein im Sinne des Gesetzes anzusehen und daß seine Versammlungen als öffentliche Ver- sammlungen anzusehen seien. Dabei berief sich der Ober- Präsident auf ein Urteil deS Oberverwaltungsgerichts vom Jahre 1909. Die Magdeburger   Polizei hatte nämlich gleich nach in Kraft treten deS ReichSvereinSgesetzeS den gleichen Persuch gemacht und die Sache war ans Oberverwaltungsgericht gekommen. Damals hatte daS Oberverwaltungsgericht den ablehnenden Bescheid des Oberpräsidenten aufgehoben und erklärt, daS Gebiet deS Vereins fei keineswegs größer und die Mitglied schast keineswegs loser wie bei anderen Vereinen. DaS felbe gilt auch für Halle. Der Hallesche Verein umfaßt daS Gebiet des Wahlkreises Halle, der Magdeburgiiche das des Wahlkreises Magdeburg  : die Mitgliedschaft ist' nicht loser, wie bei Vereinen anderer Parteien; die Leute werden, nachdem sie sich ge Hindernisse werden einfach beiseite gestoßen oder nieder- gerannt. Der König der Straße ist der Kuli, der, wie ein Saumtier, geradezu enorme Lasten auf dem Rücken trägt. Ost ficht man zehn oder zwanzig Kulis vereint einen Sieinblock, einen eisernen Träger oder einen langen Balken schleppen; sie feuern sich gegenseitig durch einen eigenartig dumpf klingenden Zurus an. Ihr halb nackter Körper trieft von Schweiß, und es wirkt ein wenig drollig, wenn der Kuli sich von Zeit zu Zeit mit einem bunten Papierfächer Luft zufächelt; das sieht mitten in dieser harten Titanen- arbeit wie ein niedliches Spiel mit Puppen auS. Die nördlichste Universität der Welt. In Rehkjawik, der Hauptstadt Islands, ist vor kurzem eine Universität eröffnet worden, die in mehr als einer Beziehung einzigartig dasteht. Zu- nächst ist sie die bei weitem nördlichste Hochschule auf dem Erden- runde, und nur in Europa   mit seinem milden Klima ist es möglich, daß sich nahe dem Polorkreise eine Stätte hoher geistiger Kultur schaffen läßt. Die Universität Rehkjawik ist aber auch noch in anderer Hinsicht bedeutungsvoll, insofern, als sie wohl sicherlich das Zentrum für die eigenartige isländische Kultur werden wird. Diese Kultur, die wesentlich verschieden von der in Dänemark   und Nor- wegen ist, hat sich ein Jahrtausend hindurch vielfach rein Ursprung- lich erhalten. So findet man nirgendwo in Norwegen   die alte nor- wegisch« Sprache in so hoher Reinheit wieder, wie sie auf Island  gesprochen und geschrieben wird. Das dortige Norwegisch ist sowohl von der modernen norwegischen Sprache wie vom Dänischen   völlig verschieden, und auch die isländische Literatur, aus der die bedeut- samsien germanischen Epen, wie die Edda   und die Wölsunga-Sage hervorgegangen sind, entbehrt nicht der literarhistorischen Bedeu- tung. Die Schaffung einer Universität, die dazu dienen sollte, das geistige Leben der Isländer zu pslegen, entsprach einem alten Wunsche dieser Nachkommen der Normannen, die vor tausend Jahren das damals öde Eiland in Besitz nahmen und allen klimati- schen Unbilden zum Trotz kultivierten. Dieselbe Zähigkeit bewiesen die Isländer   bekanntlich auch bei der Durchfcchtung ihrer auf mög- liehst große staatliche Selbständigkeit hinzielenden Pläne gegenüber der dänischen Regierung. Aus dies- Weise haben sie es auch fertig gebracht, daß Dänemark   ihnen eine Hochschule schenkte, die natürlich einen nambaften Zuschuß erfordert. Die neue isländische Rational  - Universität besitzt vier Fakultäten. Die Zahl der Dozenten beträgt 15. Hierzu ist neuerdings noch ein französischer Gelehrter getreten, und zwar auf ein Anerbieten der französischen   Regierung gelegent­lich der tausendjährigen Feier der Normandic, bei der zwischen Frankreich   und Dänemark   ein reger Austausch von Höflichkeiten stattgefunden hatte. Die französische   Regierung trägt auch die Kosten jener Professur. Die Zahl der Hörer belief sich im ersten Semester auf kaum 100; allerdings hat die ganze Insel Island   auch nur 78 000 Einwohner, obwohl sie doppelt so groß wie ganz Däne- mark ist. Theater. Schirler-Th,eaterCharlottenburg:Antigone  ', Tragödie von Sophokles  , übertragen von Adolf Wilbrandt  . Die im Gesamteindnick würdig-weihevolle Ausführung fand ein dankbar empfängliches Publikum. An Kunst und Kraft, dramatisch meldet, vom Vorstand aufgenommen, sie müssen ein Eintrittsgeld entrichten und erhalten ein Mitgliedsbuch. Die Polizei ist mit ihrer Auslegung also vollständig im Unrecht. Aber daS Hallesche Polizeiregiment ist mit diesem Vorgehen noch nicht hinreichend gekennzeichnet. Am 4. und 5. Juni d. I. schickte die Polizeiverwaltung von Halle auch Beauftragte in eine Jugend« Versammlung. Es handelte sich um eine Konferenz jugendlicher Leute, die berieten, wie sie sich am besten gegenseitig uuterhallen könnten. Der überwachende Beamte erklärte die Versammlung für eine politische, löste sie auf und trieb die jungen Leute auf die Straße hinaus. Genau so geschah es am 2. Pfingstfeiertag� Auch dahatten sich junge Leute zusammengefunden und ein junger Mann, der sich diel mit Jugenderziehung abgibt und die jungen Leute namentlich vom Alkoholmißbrauch abhält, Herr Peters aus Berlin  , sprach dort vom Passahfest. Auch hier erklärte der Beamte das für eine poli- tische Versammlung, er löste sie auf und räumte den Garten und es wurden auch Verhaftungen vorgenommen, obwohl kein Widerstand vorlag. So wurde der Maschinenmeister, der die Nollampen abnahm, verhaftet, weil er den Garten nicht verlassen habe. Der Redner, der sprechen sollte, wurde ver- haftet und drei Tage in Untersuchungshaft gehalten.(Lebhaftes Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Auch der Geschäfts- f ü h r e r wurde verhaftet, als er zu dem Beamten sagte, sie sollten ihm den Maschinenmeister doch dalassen, eS könne ja das größte Unglück enlstehen. Das sind ja wahrhaft russische Zustände (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten), und alles das geschieht im Namen deS Vereins- und Versammlungsgesetzes. WaS ist denn aus der ganzen Staatsaktion geworden? In der vorigen Woche mußte der Mann, der als Redner verhaftet war, vom Gericht freigesprochen werden, weil es nach dem Plädoyer des Rechts- anwalts Kollegen Heine zu der Uebcrzeugung kam, daß eine politische Versammlung nicht stattgefunden habe. Das ganze Vor- gehen der Polizei war also ungesetzlich. WaS aber kann daraus entstehen I Wenn die Arbeiterschaft von Halle nicht eine so eiserne Disziplin und Ruhe besäße, so könnte es bei einem solchen Vorgehen der Polizei leicht dazu kommen, daß dem einen oder dem anderen die Geduld ausgeht, und es könnten sich Dinge ereignen, die die Polizei nicht wünscht.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: DaS wollen sie ja I) Wenn eS dazu kommt, sind nicht wir daran schuld, sondern die P o liz e ib e h ö r de.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Es ging sogar so weit, daß, nachdem man daS ganze Lokal und auch den Garten geräumt hatte, man schließlich am zweiten Pfingst- feiertag nachmittag unser Etablissement ohne den gering st en Grund auf drei Stunden schloß.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Der Polizeikommissar gebärd et sich wie rasend, der Mann scheint überhaupt nervös zu sein, sonst könnte er nicht in dieser Weise vorgehen. Der Vorsitzende des Freidenkervereins in Halle ließ im vergangenen Winter einen wissenschaftlichen Vortrag über die Abschaffung der Todes- strafe halten. Er wurde mit 20 Mark Strafe belegt, weil es eine politische Versammlung gewesen sei, die er nicht rechtzeitig an- gemeldet hätte. DaS Gericht erklärte: weil der Vortrag in einem Lokal stattgefunden habe, wo immer politische Versammlungen stattfänden, sei er auch politisch. (Hört I hört! und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Nach dieser Logik müßten alle Versammlungen unpolitisch sein, die in Lokalen stattfinden, wo sonst keine politischen Versammlungen tagen. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) In Werne   wurde eine Mitgliederversammlung des sozialdemokratischen Ortsvereins, in der ein Delegierter zum Preußentag gewählt werden sollte, dem Gesetze entgegen überwacht und der überwachende Beamte löste sie sogar auf. Das Landgericht in Münster   sprach den Angeklagten frei, weil es eine reine Vereinsversammlung gewesen sei, und auch das Kammergericht verwarf die vom Staatsanwalt eingelegte Revision. Ein ähnlicher Fall ist mir aus Gladbeck   bei Reckling- hausen gemeldet. Dort hatte der überwachende Beamte kurz vorher das Kommissarexamen mit dem Prädikatgut" bestanden, wußte aber doch nichts davon, daß nach dem Reichsvereinsgesetz eine Ueberwachung von Mitgliederversammlungen ausgeschlossen ist. Aus Lippe-Detmold werden mir zwei Fälle gemeldet, wo Bevollmächtigte sozialdemokratischer Vereine angeklagt wurden, weil sie die Satzungen und das Mitgliedervcrzeichnis' nicht eingereicht rhihmischer Bewegung demKönig Oedipus  ' verwandt, hat die Antigone  ", in der der tragische Konflikt, ganz losgelöst von dem Orakelglauben griechischer Mythologie, aus zeiilos allgemeinen Zügen der menschlichen Natur erwächst, von allen Werken des großen Dichters auch heute noch die stärkste Wirkung. Die Tochter deS unseligen OedipuS verehrt die Himmlischen als Hüter eines ewigen Rechts, daS im Gefühl der rein bewahrten Seele lebt. Ihr Handeln ist wie das befreiende Wabrheitswort der Goetheschen Iphigenie  Symbol und Ausdruck solchen Glauben?. Aber wenn diese, die har- manisch Abgeklärte, den Widerstand der stumpfen Welt besiegt, läßt sie den Mut. dem Recht mehr zu gehorchen als den Menschen, in tragischem Untergang. Sie bestattet in treuer Schwesterliebe den im Kampf gefallenen Bruder, der nach Befehl des rachsüchtigen Königs Kreon auf dem Schlachtfeld ein Fratz der Vögel werden soll, und bietet dem Wüien des Tyrannen kühn die Stirn. Er hat Ge- walt, ihr Blut zu vergießen, doch über seiner Macht steht die der Götter. Vergebens mahnt der Chor den Herrscher zur Mäßigung, vergebens fleht sein Sohn, dem er Antigone verlobt hat, um ihr Leben. In unterirdischem Gewölbe eingemauert, soll sie ver- hungern. Da mag sich'S zeigen, ob ihre Götter helfen! Aber der Spruch des blinden Sehers wird Wirklichkeit, die böse Tat prallt auf ihn selbst zurück. Neben Antigoncs Leich- nam entleibt sich der Geliebte, dem Vater fluchend. Die Mutter folgt ihm in den Tod. Vernichtet bricht der Frevler unter dem rächenden Geschick zusammen. Herr P a t e g g war ein trefflicher Kreon. Fräulein Helene R i t s ch e r hatte Züge beseelter Eigenart in der Gestakt AntigoneS  , doch eine gewisse Sprödigkeit des Organs und ihre Art, in den Momenten höchsten Schmerzes die Rede durch Pausen schweigender Empfindung zu zerstückeln, schwächten die Wirkung wieder ab. Ein- fach und stimmungsvoll kamen die Strophen der Chöre zum Bor« trag. In Nebenrollen-traten die Herren Braun(Hämon), B i l d t (Teiresias  ) und Pater(Bote) mit guten Leistungen hervor, dt. Notizen. -�JmFriedrich-WikhelmsiädtischenS chauspiel- Hause soll der Spielplan eine Neugestaltung erfahren und durch Heranziehung von Gästen abwechselungsreicher werden. NachDer Hochzeit von Valeni' mit Adele Hartwig als Gast ge- langt das LustspielGelbstern" zur Aufführung. Am 14. November beginnt Ferdinand Bonn als Konig Lear eine ans 10 Tage be- rechnete Spiclserie. Vorträge. Marcell S a l z e r gibt am Sonntag im Becthovensaal seinen ersten Lustigen Novitätenabend in dieser Saison. Frau Otto Erich Hartleben  , die Witwe des verstorbenen Dichters, wird Sonntag im Bechsteinsaal Skizzen aus ihrem Er- innenmgSbuch vorlesen. B ü h n e n ch r o n i k. Ernst P o s s a r t beging am 18. d. M. sein SOjährigeS Bühnenstwilanm. E i n H y g i e n e- M n s e u m i n D r e S d e n. Der Macher der Dresdener   Hygiciic-AnSstellung Lingner will der Stadt Dresden  einige Abteilungen der Ausstellung(Der Meusch und die etbnv- graphische Ausstellung) stiften.