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jt 247. 28. i Ktilage ilesWmllrts" Serlilter UvldsdlM. Reichstag. 1S8. Sitzung. Freitag, den 20. Oktober, nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratZtische: Delbrück . Die erste Beratung des Entwurfs eines Versicherungsgefetzes für Privntangestellte wird fortgesetzt. Slbg. Trimborn iZ.): Der Entwurf ist die Krönung und Ergänzung unserer ganzen Versichcrungsgesctzgebung, feine Verabschiedung ist die wichtigste Aufgabe dieser Session und wir werden alles tun, ihn zur Verabfchie« dung zu bringen. sBravo! im Zentrum.) Nicht weniger als zwei Millionen Angestellte sollen in die Versiche- ning einbezogen werden. Somit stellt dieser Entwurf ein Stück Mitlelstaudspolitik dar. Ter neue Mittelstand verdient ober auch diese Fürsorge, stellt er doch die Unterführer in Handel, Industrie und Landwirtschaft. Im grosten und ganzen werden wir das Gesetz s v annehmen müssen, wie es vorliegt; ein- schneidende Llendcrungen werden wir nicht daran vornehmen können. Wir beantragen die Vorlage der Kommission zu überweisen, die die ReichSversichc- rungSordnung beraten hat. Parteipolitische Gesichts- punkte sollten bei diesem Gesetz nicht in den Vorder- grund geschoben werden, um die Verabschiedung des Gesetzes in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu gcsährde».(Bravo ! im Zentrum.) Abg. Freiherr v. Richthofcn(k.): Wir sind uns der groben Bedeutung des Entwurfs bewubl; es werde» damit neue Bahnen beschritten. Im allgemeinen bin ich mit dem Vorredner einverstanden. Redner geht aus Einzelheiten der Vorlage ein, bleibt aber auf der Tribüne unverständlich. Dem Antrag auf Beratung des Gesetzes in der Neichsversicherungsordnungs- kommission schlieben wir uns an. Abg. Schmidt-Berlin (Soz.): Der Entwurf hat mehr Gegner gefunden, als man ursprünglich annehmen durfte. Und unter den Gegnern befinden sich recht Bedeutungsvolle und Einflubreiche. die auch einen üblen Einflub auf die Verhandlungen der Kommission für die Reichsversichcrungsordnuug ausübten; ich kann daher die Befürchtung nicht unter- drücken, da b auch jetzt wieder dieser üble Ein- f l u b sich geltend nr a ch e ir könnte. Doch hoffe ich, dab die prinzipielle Gegnerschaft nicht durchdringen wird, sondern dab die Wünsche der Privatangestellten mehr Berücksichtigung finden werden und die Vorlage entsprechend geändert wird. Man hofft durch die besonderen Einrichtungen dieser Ver- ficherung die Privatangestelltcn der Sozialdemokratie zu entziehen. Eine uns zugegangene Denkschrift des Zentral» auSschusicö der Prinzipalsverbände sagt dazu, dab der Entwurf nur Enttäuschung und Verbitterung hervorrufen wird und dab weite Kreise der Privatangestellten dadurch auch politisch ver- ärgert würden. Ich halte diese Meinung nicht für ganz unberechtigt, denn ich teile nicht die Ansicht der beiden Vorredner, dab der soziale AuSschub. der Hauptausschub, mit seinen Lorschlägen sehr weit gegangen ist, ich glaube vielmehr, er hat sich große Reserve auferlegt und nur das mindeste gefordert, was gefordert werden muH. Es ist mir aber gleichgültig, aus welchen Gründen diese Vorlage in den Reichstag gekommen ist. ob etwa aus politischen Gründen in Rücksicht auf die vorstehenden Wahlen, um der Sozialdemokratie das Wasser etwas abzugraben. Für mich steht in dieser Frage die Sache obenan und der Wunsch, dab aus der Vorlage etwas wird, was den Wünsche lt der Angestellteil entspricht.(Zustimiilung bei den Sozialdemokraten.) Wie die erwähnte Denkschrift der Prinzipale von einem gewissen Verärgertsein der Beamten spricht, so stellt auch dieDeutsche Jndustriebeamtcn-Zeitung" in der Nummer vom 49. Mai d. I. bei der Besprechung der Reichsversicherungsordnung fest, dah an der Ablehnung aller Forderungen der Angestellten alle Parteien Rleines fcuillcton» , �A»s Briefen Franz Liszts. Am 22. Oktober ivor 100 Jahren) tst Franz Lifzt geboren worden. Ein paar Stellen aus seinen Briefen zur Ebarakterisiit des Mannes und der Kunst in unseren Zeiten: Fch kann Ihnen nicht sagen, welchen heftigen tiefen und innigen Impuls mir diese so l e b cji d i g e i, Gedichte gcgbcn haben! Es wäre mir sogar unmöglickl. Ihnen darüber ein banales Kompliment auszusprechen. Genug, daß sie die ersten, ich möchte sagen die einzigen waren, die mich zu vielleicht verunglückten Vokaltom- Positionen angeregt haben.(An Hcrwcgh 1842.) Heutzutage weniger als je darf man sich schmeicheln, der Kunst förderlich zu sein, während man bloß darin macht und nach- m a ch t� sie betreibt, wo nicht vertreibt, damit herum- tändelt und dabei, wie so üblich, spekuliert und schachert. Schöpsen und Schaffen ist das Wesen der Kunst.(An Gutzkow 185S.) * T«r Strom der Angewohnheit und die Sklaverei des Künstlers, der zur Erhaltung und Verbesserung seiner Existenz und seines Renommees auf den Zuspruch und den Applaus der Menge ange- wiesen, ist so bändigend, daß es selbst den Bcssergefinnten und Mutigsten, unter welche ich den Stolz habe, mich zu rechnen. äußersl schwierig wird, ihr besseres Ick vor allen den lüsternen, ver- w'orrcnen und trotz ihrer großen Zahl unzurechnungsfähigen Wir zu wahren.-(An Wasielewsii 1857.) * Wäre nicht überhaupt das beste Ilcsultat der Kritik, zu neuem Schaffen anzuregen?(An Rcinickc 1849.) Pcrsönlichkeitsfeststellung durch Aingerabdrücke. Die Methode der Persönlichkeitsfeststellung durch Fingerabdrucke wurde von dem vor eikiigen Monaten verstorbenen Sir Francis Galton erfunden; der Franzose Bcrtillo», der Galtons System verwertet und ver- breitet hat, ist nicht, wie oft angenommen wird, der Urheber dieser unter dem Namen Daktyloskopie bekannten Methode zur Wieder- crlennung rückfälliger Verbrecher Der Fingerabdruck so liest man in der italienischen ZeitschriftMinerva" ist eine so kom- plizicrte vsache, daß man einen solchen Abdruck, Ivenn man ihn analysieren ivill, ohne sich zu irren, in Unterabteilungen zerlegen muß. In einem jüngst an französische Akademie der Wissen- fchaftcn gerichteten Bericht teilt B Balthazard den Fingerabdruck rii hundert kleine Quadrate, und zwar so. daß jedes von diesen Quadraten etwas Besonderes ausweist Wenn zwei Abdrücke gleich sein sollen, müssen dieselben Besonderheiten sich an derselben Stelle befinden, und die Wahrscheinlichkeit zwei solcher Abdrücke zu finden, beträgt 1 bei einer von sechzig Nullen gefolgtc» 1. Will man nun gar berechnen, wie gros; die Wahrscheinlichkeit ist. zwei Menschen mit zehn gleichen Fingcrabdruckzcichcn zu finden, so muß man schon an hyperbolische Zahlen, die sich gar nicht mehr aussprechen lassen, denken. Findet man bei einem Fingerabdruck 17 Einzelheiten, die mit Einzelheiten eines früher einmal gcnom- schuld seien mit Ausnahnle der Sozialdemokratie und stellenweise der Fortschrittlichen Volkspartei ; die technischeil gestellten müßten die Abgeordneten zur Verantwortung ziehen; die Mehrheitsparteien hatten es nicht ciiimal für nötig gehalten, die Gründe ihres Verhaltens anzugeben, und damit der Gesamtheit der Privatangestelltcn eine unerhörte Beleidigung znge- fügt; wem, sie bei den Wahlen un, die Stimmen der Angestelllen buhlen, so müssen diese ihne» mit aller Deutlichkeit sage», daß die Angestellten sich ihrer Bedeulnng bewußt seien und eine anständige Behandlung verlangten. Auch der Bund der tcchinsch-iiidustriclle» Beamten hat die Stellliilgiiahine unserer Partei bei der Reichsver- sicherungSordniuig gewürdigt und unsere Tätigkeit anerkannt. Herr Trimborn sagte, es handele sich hier u», deneuei, Mittelstand. Es ivar mir interessant, daß der neue Mittelstands- verband, der in diesem Jahre in Dresden gegründet wurde, diesen neuen Mittelstand ausdrücklich von der Aufnahme ausgeschlossen hat. Charakieristisch ist die dort gefallene Aeußerung: die ivichügste Forderung des Mittelstandes ist: Schluß mit der krank machende» Sozialpolitik. (Hört! hört! bei de» Sozialdemokraten.) Ich verweise auch auf eine Aeußerung derWerkmeister-Zcitung". des Organs der Werlmeisterorgaiiisation, welches mit Bezug auf de» Abgeordneten Pauli- Potsdan, sagt: er ist Handwerker und Vertreter reiner menen Fingerabdrucks übereinstimmen, so kann man in der Praxis ohne weiteres annehmen, daß es sich um ein und dieselbe Person handelt; ein Irrtum kann bei 17 Milliarden Fällen nur einiiial vorkommen. Es gibt aber bekanntlich in der ganzen Welt nicht mehr als eine Milliarde und 500 Millionen Menschen. Und doch soll i»an einmal zwei Individuen gefunden haben, die mehr als dreißig gleiche Einzelheiten auswiesen: es handelte sich aber um ein Zwillingspaar. Drakonischer Vogelschut?. Auf dem Gebiete des Vogel- schutzeS haben die Amerikaner das alte Europa weit hinter sich gelassen. Erst im vergangenen Jahre hat das Parlament von New Vork ein Gesetz genehmigt, das den Verkauf und das Tragen von Reihcrfedern mit schweren Strafe» belegt. Mit de», 1. Oktober dieses Jahres ist dieses Gesetz nun in Kraft getreten und die Be­hörden sorgen mit der größten Strenge dafür, daß seine Bcstim- mungen inngchalten werden. In den letzten drei Wochen ist es auch mehrfach zu Zwischenfälle» gekommen,»»d jetzt ist die Staats- anwaltschaft gegen einen New Uorkcr Kaufmann eingeschritten, der in einer Zeitung Nciherfcdcrii annonciert hat. Es wurde festge- stellt, daß der bctresfcndc Kaufmann tatsächlich Reihcrfedern ver- taufte, und das Ergebnis war die sofortige Verhaftung. Mit vieler Mühe konnte der Angeklagte durch Hinterlegung einer Kaution von 2000 M. seine vorläufige Freilassung crlaiigcii. Die Strafe», die das Gesetz für das Tragen und den Verkauf von Rciherfedcrn vor- sieht, sind außerordentlich streng. Wer Reihcrfedern zum Verkauf anbietet, wird mit einer Geldstrafe von 240 M. und mit einer weiteren Strafe von 100 M. für jede bei ihm vorgcfuiidcnc Reiher- fcdcr belegt. Trotz dieser drakonischen Bestimmungen hat das neue Gesetz den Beifall aller Vogelfrcunde gesunden, wird cS doch das Seinige dazu beitragen, die völlige Ausrottung einer interessanten Vogclart zu verhindern, die durch die modernen Frauciihutmodcn bereits an die Grenze der Vernichtung getrieben ist. Theater. Königliches Schauspielhaus:Ter Bettler von Syrakus ", Tragödie von Hermann Suder mann. Aus dem dornigen Gebiet des modernen Dramas, in dem die Er- findung sich der Kontrolle des die Möglichkeiten und Wahrschein- lichkeiten, den psychologischen Zusammenhang der Motivierung nachprüfenden Verstandes untenvcrfen muh, ist Sudermann ins freie Land der Sagen umgesiedelt, woach solchen Klcinig- leiten weniger gefragt wird. Genug, wenn es blitzt und donnert. Darauf versteht er sich so gut wie Wildcnbruch, er hat dasselbe Bühlicnteniperamcnt, de» gleichen unbekümmert auf den Effekt losstürmenden Elan. Das zeigten seineStrandkindcr", mit denen er, der einstmals als Naturalist Verfemte, seinen Einzug in das Königliche Schauspielhaus hielt, das zeigte von neuem der Bettler von Syrakus". Nichts hält in den« Gewebe dieser Hand­lung, die zu der Zeit der Kämpfe Karthagos mit Sizilien spielen soll, der näheren Ueberlcgung stand. Die Voranssetzungen sind, wofern man sich die Griechen vor zweitausend Jahren als uns ver- wandte, vcrstandbcgabte Menschenwescn vorstellt, ebenso unmöglich I Haiidwerkcriuteressm, hoffentlich sieht auch ihn der neue Rcickistag nickt iv i e d e r. ES scheint also in den Kreisen der Aiigestellleii sich 1 langsam eine Klarheit über die sozialpolitische Stellung der Parteien im Reichstag durchzuringen. Wenn ich mich zu den Gegner» des Ent» Wurfs wende, so ist bcachtenSivert, daß der Zcntralvcrband deutscher Industrieller da an erster Stelle rangiert. Er hat auf einmal gefunden, daß cS zweckmäßiger sei, die Jilvalidenversicherung weiter auszubauen; gleichzeitig freut er sich aber, daß der sozialdemokratische Antrag, die Lohnklasje» zu eriveitern, abgelehnt wurde. Dabei ist dieic Erweiterung der Lohnklasseu doch die Voraussetzniig für die Angliederung der Versicherung der Privataugestelltcu au die Jilvalidenvcrsicheruug. Danach kann mau wohl annehmen, daß es dem Zentralverband angenehm wäre, wenn cinc Versicherung der Privatangestellten überhaupt nicht z u st a n d e kommt. Gegen die �ondcrkasse, die der Entwurf vorsieht, haben sich neben dem Zentralverband auch eine große Zahl von Handels« l a»i in e r n ausgesprochen; ich eriniiere nur an die Dcnkschnfi der Arbeitszeutrale für Privalbeamtenversicherung. Es wird da ausgcsübrt, daß durch die Angliederung an die Jiivalidenversichcruiig höhere Leistungen zu erzielen seien. Die Grundlogen der Berechnung in der Regicruiigsvorlage in bezug auf die Wirkungen der Belastung sind van Dr. I a c o b s o h n einer eingehenden Kritik unlerzogc» ivorden, welche wie der weitere Verlauf. Dafür(jibt er Bilder, die im Augenblick de» Zinn gefangen nehmen, ja, die darüber hinaus durch farbig- beziehungsreiche Kontrastierung der Gegensätze zuweilen einen Schein symbolischer Bedeutsamkeit erhalten. Ter Bettler von Syrakus ist ein Mann, dem die Stadt die Rettung vor dem Angriff der Karthager zu danken hat. Sein Plan, den Feind in einem Felsenkessrl zu vernichten, wurde ver« rate», das Griechenhecr umzingelt; aber seine Hcldcnkraft errang trotz alledem damals den Sieg doch nicht de» Ruhm, von dem er träumte. Verwundet fällt er den Karthagern in die Hände. Sein Freund Arratos, der Verräter, verleumdet sein Gedächtnis bei dem Volk, usurpiert des Sieges Ehre für sich selbst. Er cr- schleicht die Krone und ehelicht die Frau des Totgeglaubten. Ein Blinder, der von Almosen sein armes Leben fristet, kehrt Lykon»ach zehn Jahren aus den karthagischen Gefängnissen heim: Nack)« zu üben und den Ruhm zu fordern, der ihm gebührt. Hilter die Bettler der Straße gemengt, erwartet er den Festzug des Tyrannen. Er schleudert ihm den Nanicii Lykons, des im Kerker schmachtenden Siegers, unter dem Jubel des Volkes ins Gesicht. In theatcrmäßig wirksamer Steigerung wird dies Mvtiv der Kon- trastierung>veitcr durchgeführt. Seiner Frau, seinen Kindern erzählt der Blinde von dem unglücklichcn Feldherr», die schatten der Veraa»genl?eit heraufbeschwörend. Im Sohn regt sich die Scham, daß cr des großen Vaters so lvcnig würdig sei. Ee lädt den Fremden in den Kreis seiner gedankenlose» Zechgcnosscn, und der seltsame Gast schafft sich Gehör. Seine Schilderung, uüc er au Lykons Seite kämpfte, zwingt die jungen Leute, die mit leichtlebigen Frcuudinnc» ein Fest des Bacchus und der Venus feiern Ivollteu. i» einen Taumel der Begeisterung. Als Mago, der Karthager und Günstling des Arratos, Auslieferung des Alten verlangt, wird er von einem zerlumpten Bettlerricscn, Lykons un­zertrennlichem Begleiter, erschlagen. Zu Heller Lohe flammt die Rebellion auf. Zum zweiten Male befreit der Blinde seine Vaterstadt, indem er die Tyrannenherrschaft stürzt und die karthagischen Schiffe aus dem Hafen treibt. Den schwer Ver­wundeten trägt das Volk in de» Palast. Der Usurpator tötet sich. und der Blinde ilimmt das Geheimnis seines Namens schweigend mit ins Grab, im Sterben fällt die Eitelkeit der Ruhmsucht von ihm ab. Dem Publikum schien die skrupellose Thcatralik der Szenen zu gefallen, es applaudierte mit großem Eifer. Herr Clciniug, das neue Mitglied des Schauspielhauses, bot in der Titelrolle eine virtuose Leistung. Pohl spielte den König, Frau Rosa Poppe sciiic Gattin. Krau ß neck den herrisch-grausamen Karthager. Sonst wäre noch �raulein T h i m i g z» nennen, die in der Episodcnfigur von Lykons Tochter durch einfache Natürlichkeit und Anmut überraschte,.vie Inszenierung war reich und glänzend. cit. Notizen. Jena oder S e d a n, der bekannte Roman Franz Adam B e y e r l e i n S, ist soeben im Verlag der Vita in einer neuen Auflage erschienen und hat damit eine Verbreitung von 250 000 Exemplaren erreicht.