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fr. 247. 28. ZchMg. 2. Jfilnjt iifü Jotiätlf ßftlintt ßolliütilntt. Sonnabend. 21. Gkiober 1911. Protettverfammlnns der eiFcnbabnbandwerker und Arbeiter. Am Donnerstagabend fand in»Kellers F e st s ä l e n" eine öffentliche Versammlung statt, die sich mit der herrschenden Teue- rung und der Lage der Eisenbahner beschäftigte. Ferner wurde im zweiten Punkt der Tagesordnung derTriersche Verband" und die Maßnahmen der Eisenbahnverwaltung einer eingehenden Würdigung unterzogen. Der Umstand, daß als Referenten die Genossen Adolf Hoffmann und Reichssektionsleiter der Eisen- bahner L. B r u n n e r angegeben waren, mutzte wohl bei den maß- gebenden Behörden grausige Vorstellungen ausgelöst haben, worauf das Polizeiaufgebot schließen ließ, welches die Koppenstraße be- wachte und den preußischen Staat vor dem Umsturz bewahrte. Anders wäre es wohl nicht erklärlich, daß vor dem Eingang zu den Kellerschen Lokalitäten selbst ein Polizeioffizier in höchsteigener Person auf- und abspazierte. Die aufgewendete Mühe war vergeb- lich, höchstens daß das Bild Stoff zu einer hübschen Satire auf unsere preußischen Zustände bot. Aber all das und auch die liebe- volle Einwirkung der Eisenbahnverwaltung hatte es nicht verhin- dern können, daß die Eisenbahner zum Teil mit ihren Frauen erschienen waren und so einen lebendigen Protest gegen die Ver- gewaltigung als gleichberechtigte Staatsbürger verkörperten. Gleich nach Eröffnung erkannte man unter den Anwesenden einen Vorgesetzten er hatte sich auf die Galerie verkrochen. Unter großer Erregung der Versammlung zeigte ihm der Vorsitzende, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. Hierauf wurde die Ver- sammlung auf kurze Zeit vertagt, um das Erscheinen der Arbeiter aus den entlegeneren Gegenden abzuwarten. Dann nahm Land- tagsabgeordneter Adolf Hoffmann das Wort und erklärte einleitend: Wenn wir heute hier sind, so geschieht dies auf Wunsch vieler Eisenbahner. Ich will was ich schon am Sonntag in der Versammlung erklärt habe Ihre Beschwerden und Wünsche kennen lernen, um sie im Landtage vorbringen und vertreten zu können. Ich mutz aber hervorheben: die Art und Weise, wie den Eisenbahnern das Vereins- und Versammlungsrecht unterbunden wird, steht im schroffsten Widerspruch mit der Erklärung des Ministers Breitenbach im Parlament. Und sind denn ihre Ver-. hältnisse so gut, daß der Zentrumsabgeordnete Beyer aus Dort- mund erklären konnte: er spreche im Namen aller nationalen Eisenbahner, wenn er sage, daß das Jahr 1910 ein Jahr des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts für die Eisenbahner ge- Wesen sei. Es seien wohl noch viele Wünsche vorhairden, es müsse aber den Sozialdemokraten zum Trotz anerkannt werden, was die Eisenbahnverwaltung geleistet habe und dafür müsse man ihr Dank abstatten. Dies stimmt mit den Tatsachen nicht überein, auch der Abgeordnete Schröder. Kassel , habe zugegeben, daß unter den Eisenbahnern eine große Notlage herrsche. Der Eisen- bahnminister hat geklagt, die Abgeordneten brächten, wenn sie in die Versammlungen gingen, ein beunruhigendes Moment unter die Arbeiter. Wenn aber der Bund der Landwirte tagt, werden die Abgeordneten geradezu gezwungen, hinzugehen. Ich halte es für meine Pflicht, als Abgeordneter in die Arbeiterversammlungen zu gehen, um mich zu unterrichten. Darum hatte man auch am Sonn- tag kein Recht, den einzigen Abgeordneten, der erschienen war, hinauszuweisen. Der Staat sollte vorbildlich wirken hinsichtlich der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Immerhin ist es bezeichnend, daß der Minister erst aussprechen muß, daß die Volksvertreter nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hätten, sich in den Ver- sammlungen von den Wünschen der Arbeiter zu informieren. Darum war es ungehörig, einen Abgeordneten hinauszuweisen, wenn es auch nicht aus Abneigung, sondern einzig und allein aus FurchtvorEntlassung geschehen ist. Aber auch die Eisen- bah wer selb st sind an diesen Zuständen mitschuldig. Würden sie stets zu 5 oder noch mehr Tausenden erscheinen, dann wäre es unmöglich, diese Menschen alle aus Lohn und Brot zu treiben. (Großer Beifall.) Eine Teuerungszulage ist unbedingt crforder- lich. Ist doch schon Sachsen vorangegangen und hat zugelegt, wenn es auch nur ein Groschen war. Ich bin aber überzeugt, daß Sie jetzt Zulage erhalten. Die Vorgänge in der letzten Versamm- lung haben den Eisenbahnern mehr Nutzen gebracht, als ein Dutzend anderer Versammlungen.(Lebhafte Zustimmung.) Mit- gewirkt hat besonders die Haltung der übergroßen Mehrheit, die einfach musterhait war. Sorgen Sie, daß es so bleibt. Wenn aber die Wahlen zum Reichstag kommen, geben Sie eine Antwort, die keinen Zweifel mehr über die Stimmung der Eisenbahner zuläßt. ssGrotzer Beifall.) Hierauf entrollte Reichssektionslciter B r u n n e r ein Bild lßon den Lohn- und Arbeitsbedingungen der Eisenbahner und räumte gründlich auf mit den Behauptungen von der guten Lage der Eisenbahner und der rührenden Fürsorge ihrer Verwaltung I für fie. An der Hand von einwandfreiem Zahlen- und Tatsachen- Material zeigte der Redner, wie tieftraurig die Lebens- und Ar- beitsverhältniffe der bei der königlich-preußischen Eisenbahn be- schäftigten Arbeiter und Handwerker sind und zog hierbei Ver- gleiche mit der Lage der englischen Eisenbahnarbeiter, die anlätz- lich der großen Streiks in einem Artikel derVossischen Zeitung" als dauernd darbende Unglückliche bezeichnet worden waren. Dabei ständen die englischen Eisenbahner sich noch bei weitem besser wie ihre deutschen Kollegen, was Redner in detaillierter Weise mit Zahlen unterstützt. Aber die englischen Eisenbahner seien gut organisiert und verzichteten nicht auf ihr Koalitionsrecht, wie die großen Eisenbahnerverbände in Deutschland es täten. Diese könnten mit ihrer starken Mitgliederzahl die Verhältnisse sehr wohl ver- bessern, wenn sie nur wollten und zwar ohne Streik. Die Auf- forderung, eine gemeinsame Aktion zur Besserstellung der Eisen- bahner würde weit über die Grenzen Deutschlands hinaus ein Echo in der organisierten Arbeiterschaft auslösen, die eine große Macht besitze, auch wenn einmal ein Streik ungünstig verlaufe. Dazu aber sei derTriersche Verband" nicht gewillt, der erkläre, die Eisenbahyer hätten andere Interessen wie die Arbeiter in Privatbetrieben. Von Sozialdemokraten wollten sie im Parlament gar nicht vertreten sein. Und doch hätten bisher nur diese die Interessen der Staatsarbeiter nachdrücklich und wirksam vertreten. Was derTriersche Verband" bisher geleistet habe, sei nicht der Rede wert. Die Arbeiterausschüsse, deren Einführung er für s e i n e Arbeit erkläre, könnten nichts leisten, wie ja schon längst bekannt sei. Wer darin wirklich die Interessen seiner Mitarbeiter ver- treten wolle, fliege sehr bald. Und wie sei es mit den Pensions- lassen? Die Beiträge seien um 33�, die Pensionen aber nur um 18 Proz. erhöht worden und zwar unter hervorragender Mitwirkung von Vertretern desTrierschen Verbandes". Es bleibe also so gut wie gar nichts übrig von den Errungen- schaften dieses Verbandes, der schon durch sein Statut dokumen- tiere, daß er nur den Willen der Direktion befolgen wolle. Mit dem Elbersclder und dem Hirsch-Dunckerschen Verband sei es nicht anders. Hingegen seien es die freien Gewerkschaften, die die Lage der Eisenbahner verbesserten, indem sie die treibende Kraft darstellten, und die Verwaltung zwängen, wenn auch wider- willig und langsam, den Privatbetrieben zu folgen. Hinter den Gemaßregelten ständen die erstgenannten Verbände nicht, das be- wiesen die Tatsachen. Ein Arbeiter sei anläßlich der letzten Ver- sammlung schon aus dem Betrieb getreten. Dagegen müsse man protestieren. Die hierher gekommen seien, hätten gezeigt, daß sie in Zukunft nicht gewillt seien, ihre gesetzlichen Rechte sich nehmen zu lassen. Der Vorsitzende, der die Versammlung leitete, in der S t r ö b e l sprach, sei unter Einwirkung des Ministers gemäß- regelt worden. Das sei eine Schande für eine Organisation. Der Triersche Verband" wende ja auch bald abgewirtschaftet haben. Darum trete jeder Eisenbahner in die freie Gewerkschaft über, damit ein freies Arbeitsverhältnis geschaffen werde, statt der Sklaverei von heute.(Großer Beifall.) In der Diskussion wurden die beiden Referate noch wirksam ergänzt. Der Arbeiter, dem die Sonntagsversammlung den Dienst gekostet hat. sprach ebenfalls. Er habe Verhöre zu bestehen gehabt, ob er in der Versammlung gewesen und Hoffmann nachgefolgt sei. Auch ein Protokoll, das er aber erst noch korrigieren habe lassen, habe er unterschreiben müssen. Er hätte deshalb sofort gekündigt, weil die Entlassung doch gewiß gekommen wäre und derTriersche Verband" ihn fallen gelassen hätte. Nach einem wuchtigen Schluß- wort Hoffmanns wurde nachstehende Resolution einstimmig angenommen: Angesichts der allgemeinen Teuerung und der stets noch steigenden Preise für Lebensmittel, und in Anbetracht der riesigen Ueberschüsse, die sich aus dem Betriebe der Staatseisen- bahnen ergeben, erwarten die am 19. Oktober in Kellers Fest- säle» versammelten Eisenbahner und-Handwerker, daß ihnen unverzüglich eine den Teuerungsverhältnissen entsprechende Lohnzulage gewährt wird. Von dem Standpunkt ausgehend, daß den in Staatsbetrieben beschäftigten Arbeitern und Bediensteten, wie jedem anderen Arbeiter, nur die im Reichsvercinsgesetz vorgesehenen Beschrän- kungen der Vereins- und Versammlungsfreiheit auferlegt wer- den können, protestiert die Versammlung entschieden gegen die ungesetzlichen, das Vereins- und Versammlungsrecht der Eisen- bahner aufhebenden Maßnahmen der Eiscnbahnverwaltung. Um den Eisenbahnarbeitern für die Zukunft volle Vereins- und Versammlungsfreiheit zu sichern und ihnen die Wahr- nchmung ihrer wirtschaftlichen und politischen Interessen zu er- möglichen, empfiehlt die Versammlung den Eisenbahnern aller Dienstzweige, bei den Wahlen zum Deutschen Reichstage nur solchen Kandidaten ihre Stimme zu geben, die sich verpflichten, für volle Koalitionsfreiheit der Eisenbahner und Unterstellung derselben unter die Gewerbeordnung einzutreten. Da eine wirksame Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der Eisenbahner nur möglich ist durch eine einheitliche, freie, von der Eisenbahnverwaltung unabhängige Organisation, emp- fehlen die Versammelten allen Eisenarbcitern den Eintritt in die freie Gewerkschaft." Eine Anzahl Eisenbahner erklärten ihren Eintritt in den freienEisenbahnerverband". Jugeudbewegimg. Arbeiter-Jugend." AuS dem Inhalt der soeben erschienenen Nummer 21 heben wir hervor: Die Sozialdemokratie und der Völkerfriede(Schluß), Skizzen aus dem Wanderleben, Von Emil Unger. Der Prosit. Von Gustav Eckstein. Spinnen.(Mit Illustrationen.) Die Sprengung des Halleschen Pfingstjugcndlagcs vor Gericht. Der Pranger der Lehrlingsschinder, Katholische BildungSarbcit. Zur wirtschaftlichen Lage der Arbeiterjugend. Vom Kriegsschau- platz usw. Beilage: Der König der Vagabunden(Schluß), Erzählung von Erwin Rosen. Jugend im Herbst. Von Ernst Almsloh. Das Emporkommen des Bürgertums im 18, Jahrhundert. Der Nil.(Mit Illustrationen.) Von H, Thurow-Kairo. Deutsche Ar­beiter als Orientreisende. Bei Kairo . Gedicht von H. Thurow. " Bücher für die Jugend. Der verblende Lowe. Von S. Rast. Zur Frage der Jugendorganisation in Holland . Der Vorstand der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Hollands hat ein Zirkular an die Abteilungen der Partei erlassen, worin gemäß den Beschlüssen des letzten Parteitages Anweisungen zur Gründung selbständiger Jugendorganisationen gegeben werden, die für die jungen Leute von 14 bis 18 Jahren bestimmt sind, denen aber auch Mit- glieder der Partei bis zum 20. Lebensjahre angehören können. Die Parteiabteilungen in den verschiedenen. Orten oder Bezirken sollen das Reglement der Jugendorganisation feststelle». Sie sollen dabei ausgehen von dem, Grundsatz der Selbstverwaltung der Jugend- organisation unter Aufsicht und Leitung der Parteiabteilung, die zu diesem Zwecke aus ihrer Mitte eine besondere Kommission wählt. Kleinere, einander naheliegende Parteiabteilungen können sich zwecks Gründung der Jugendorganisation zusammentun, sofern es an den einzelnen Orten nicht möglich erscheint, die Sache mit Erfolg durch- zukühren. Vis zum 1. März 1912 sollen die Abteilungen und Föderationen der Partei dem Parteivorstand mitteilen, inwieweit es gelungen ist, Jugendorganisationen ins Leben zu rufen. Be­kanntlich hat sich die alte Jugendorganisation HollandsDe Zaaier" von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei abgewandt und sich mehr oder weniger der Sozialoemokratischen Partei zugewandt, weshalb seitens der Arbeiterpartei jegliche Verbindung mit dieser Jugendorganisation abgebrochen wurde. Eue Industrie und Kandel . StinnesscheS AuSdehnungSbediirfnis. Der nach amerikanischem Vorbilde rasch aufgestiegene Kohlenmagnat Stinnes, der in den letzten Jahren auch eine große Reihe Montanwerke erivorbsn'choh"» daß er neben Krupp und Thyssen als der größte Industrielle gelten muß, hat in Schweden große W a l d a n k ä u f e ab- geschlossen und trägt sich mit der Absicht, die schwedische Holz- b e a r b e i t u n g s i n d u st r i e zu syndizieren. Es kommt hauptsächlich die Fabrikation von Fenstern und Türen in Betracht. Nebenher erfordern auch die von ihm vor einiger Zeit erworbene Dortmunder Union, die eine Fabrik für Waggonbau betreibt, sowie die Stinnesschen Gruben einen großen Holzbedars. WasserstanvS-Nawrtchte» der LandeSanftalt für Gewässerkunde, mitgeteilt vom Berliner Weiterbureau, Wasserstaus Saale, Grochlitz Havel , Spandau ') , Natbenow') Spree , Svremberg') , BceSkow Weser, Münden , Minden R h e i o, Maxi milianSau , Kaub , Köln Neckar , Heilbronn Main , Werthcim Mosel, Trier ') st- bedeutet Wuchs, Fall.') Unterpegel. W In diesem Zeichen Schuhe und Stiefel zu kaufen, ist die Bürgschaft, erstklassige elegante Beschuhung von tadelloser Paßform und höchster Preiswürdigkeit zu erhalten Moderne Straßenstiefel für Damen und Herren Neue schlanke, halbrunde u. breite Mode--i n 50 formen Boxcalf und Chevreau- Boxcalf, Chevreau, Lackkappe, Lack­besatz, Doppelsohlen etc. etc. 12« IS» 1800 Aparte Damen-Tanzschuhe Die große Mode: Samt, Atlas, Liberty, Brokat, Gold, Silber, Stahl, Dore Viele Preislagen Wiener und Pariser Genre: 9 00 10S3 1250 15 50 Pariser Schuhschnallen u. Seidenstrümpfe Damen-Lack-Halbschuhe die große Mode für. die Straße kll Soeben ein­getroffen: Pumps, Oxfords, Derby- Schnür­schuhe in allen feinen Oberledersorten Neue französische und amerikanische Modeformen 10» 12» 15« Carl Stiller JUnior-W Schutzmarke W, Leipziger Str. 29 W, Königgrätzer Str. 124-129 S, Oranienstr. 155-156 Ecke Friedrichftr.(Mädlerhaoa) Hotel Fürstenhof Eck« PrinzessinncDstrafie