Butg zu setzen. Dieses„Unannehmbar" bekommen wir alle Augenblicke zu hören. ES wäre interessant, einmal eine Periode von A) Jahren de« parlamentarischen Lebens durchzugehen, um festzustellen, wieviel Zeit der Reichs« tag unnütz verbraucht hat, um Gesetzentwürfe durchzu« beraten. die dann durch dieses.Unannehmbar" in den Papierkorb wanderten. Ich bin überzeugt, e« kommt reichlich die volle Hälfte der Zeit heraus. sSehr wahrl bei den Sozial- demokraten.) So ist es auch hier. Was für Gründe gibt es denn, die für Berlin sprechen. Doch nur das Verlangen, alles mögliche in Berlin zu konzentrieren; sonst gibt eS keinen vernünftigen Grund. Daß alle objektiven Bedingungen für ein günstiges Wirken des Kolonialgerichtshofes in Hainburg mehr vor- handen sind, in dieser ersten SeehandelSstodt, wo das koloniale Leben in stets steigendem Mäste pulsiert, daran ist doch kein Zweifel. In der Hauptversammlung der Deutschen Kolonialgescllschast am 1. Dezember vorigen JahreS führte kein anderer als der Präsident des Oberverwaltungsgerichts. Geheimrat v. Bitter, aus:.Man must den Gerichtshof in ein Milieu setzen, in dein er der Weltfremdheit entzogen wird. Der Richter wird in Hamburg im täglichem Verkehr vom überseeischen Leben viel mehr lernen, als in Berlin . Hamburg ist auf dem Wege, ei» Hauptort für die kolonialen Bestrebungen zu werden. Bon höchster Bedeutung ist es auch, dah Berlin nicht alles aufsaugt. Es ist daher zu begrüsten, dast Hamburg sich zur geistigen Zentrale für das koloniale Leben ausbildet und hierin must eS unterstützt und gefördert werden." Diese Ausführungen waren von lebhafter Zustimmung der Versammlung begleitet. Auch auf der Generalversammlung des wirtschaftlichen Landesverbandes von Deulsch-Ostafrika in Tonga im Frühjahr dieses Jahre« hat man sich einstimmig für Hamburg ausgesprochen. In der ganzen kolonialen Welt ist diese Stimmung vorhanden. Sie fassen einen sehr vernünftigen Beschlust, wenn Sie für unseren Antrag stimmen. sBeifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Barenhorst(Mp.) erklärt, dast er mit einem Teil seiner Fraktionsgenosfen für die Verlegung nach Hamburg stimmen werde. Staatssekretär v. Lindequift bittet um A b l« h n u n g der An- träge. Die Gründe, die für Hamburg und gegen Berlin angeführt werden, können in keiner Weise als stichhaltig angesehen werden. Die Regierung steht unbedingt auf dem Standpunkt, dast der Sitz des oberste» Kolonialgerichtshofes in Berlin sein must. Die Debatte s ch l i e st t. Die Anträge Heckscher-Bebel werden gegen eine aus den gesamten Sozialdemokraten, einem Teil der Fortschrittler, einigen Nationalliberalen(darunter Prinz C a r o l a t h). ein paar meist süddeutschen Zentrumsmitgliedern und einigen Reichsparteilern bestehende Minderheit abgelehnt. Die Kommissionsfassung, wonach der Sitz de« Gerichtshofes in Berlin sich befindet, ist somit angenommen. Der Rest des Gesetzes wird debattelos erledigt. Hierauf vertagt sich das HauS. Nächste Sitzung: Montag 1 Uhr.(Teuerungsinterpellationen.) Schlust 3 Uhr. parlamentarilcbes. Das Hilfskassengeseh in der Kommission. Gestern wurde zunächst die Debatte darüber zu Ende geführt, ob das jetzige HilfStasscngesetz aufgehoben oder nur in einzelnen Punkte» abgeändert werden soll. AuS der Aussprache ist ganz be- stmders hervorzuheben die Erklärung des Ministerialdirektors Caspar über die Frage der Unter st ellung der Gewerk- schaften unter das Aufsichtsamt der Privatversicherung. Nach dem Gesetze sollen solche Vereine dem Aufsichtsamt nicht unter- stellt werden, die keinen Rechtsanspruch auf die den Mitgliedern zugesagten Unterstützungen gewähren. Die Sozialdemokraten wiesen darauf hin, dast die Reichspraxis auch solche Vereine dem Aufsichtsamt unterstellt hat, welche zwar statutengemäst einen solchen Rechtsanspruch nicht gewahren, aber in der Regel die Lei- ftungen ihren Mitgliedern zugute kommen lassen. Sie sprachen die Befürchtung aus, dast auch die Gewerkschaften unter diesen Umständen unter das Aufsichtsamt gestellt werden können. Hierauf erwiderte der Ministerialdirektor, dast eine solche Aus- legung des Gesetzes ganz ausgeschlossen ist. Es stehe fest, dast die Gewerkschaften es ernst damit meinen, wenn sie einen Rechtsanspruch auf ihre Unterstützungsleistungen ausschliesten. Die Gewerkschaften müstten damit rechnen, dast sie zu einer Zeit oll ihre Mittel zu irgendeinem Streik aufwenden mühten. Jene Auslegung des Gesetzes, von denen die Sozialdemokraten gesprochen haben, könne sich nur gegen Schwindelkassen richten. Äusterdem wiesen die Sozialdemokraien darauf hin, dah kleine lokale Kassen feit langem eine gegenseitige Tätigkeit entfaltet haben, obgleich die versichermigzU'chnische Grundlage dieser Kassen sehr schwach ist. Wenn das Aufsichtsamt diese Kassen auf die Sicherheit der von ihnen versprochenen Leistungen gewissenhaft prüfe, würden die meisten Kasse» nicht zugelassen werden, und das sei ein groher Nachteil für die Kassenmitglieder. Ter Ministerialdirektor erklärte hierauf, dast in solchen Fällen das AufsichtSamt nicht so scharf urteilen dürfe und solche Kassen, sofern sie reell geleitet sind, auch nicht beanstandet werden könnten. Diese Erklärung wurde pro- tokolliert. Dann lehnten sämtliche bürgerlichen Parteien den An- trag der Sozialdemokraten, der die Beibehaltung des Hilfskassen« gesetzes mit den notwendigen Aenderungen erstrebte, ab und stimm- ten dann dem Entwurf der Regierung im Prinzip zu. dast also das Hilfskassengeseh aufgehoben und die Hilfskassen dem AufsichtSamt für Privatversicherung unterstellt� werden. Im weiteren Verlauf der Beratungen brachten die Sozialdemokraten zwei Anträge ein, die sich auf die Geltung und Handhabnng des Vereinsgesetzes beziehen, soweit dasselbe im engsten Zusammen- hang mit dem Hilsskassenlvesen steht. Sie beantragten, dast von dem neuen Gesetz die Vorschriften des ReichsvereinSgesetzes unberührt blieben und ferner das Recht der Reichsangehörigen gelte, sich auch über die Polizeistunde hinaus zu versammeln und ohne Ge- „rbmigung oder Ueberivachung der Behörde nicht öffentlich, also nicht jedermann zugängliche Versammlungen abzuhalten. Tic Sozial- demokraten erinnerten an die letzten Debatten im Reichstage, in denen von fast allen Parteien Beschwerde über die Handhabung des VcreinSgcsetzes und über die Schikanierung der Arbeiter mittels Verhängung der Polizeistunde erhoben wurde. Jetzt sei die Ge- lcgenheit geboten, das geltende Vereinsrecht dahin zu inter » pretieren, wie es die überwiegende Mehrheit des Reichstages als einzig zulässig erklärt hatte. Notivendig sei aber auch ein solcher Antrag mit Rücksicht auf das im Privataufsichtsgesetz der Behörde uneingeschränkt eingeräumte Auffichts- und Ueberwachungsrecht. Trotzdem stin, mten die bürgerlichen Parteien gegen diese beiden Anträge. � c In der Aussprache über das Verhältnis der Hilfskassen zu dem Vereinsgrsetz antworiete der Zentrumsabgeordnete Becker auf die Darlegung der Sozialdemokraten mit der Erklärung, auch sie würden zu einem späteren Paragraphen einen Antrag stellen, durch welchen die Möglichkeit, die Gewerkschaften nach diesem neuen Gesetz zu schikanieren, ausgeschlossen werde. Das wolle da? Zen. trum mit Rücksicht auf die spätere EntWickelung unserer politischen Verhältnisse tun. um zu verhindern.— dast die Sozialdemokraten. wenn sie zur Regierung gelangt sind, die christlichen Gewerkschaften schikanieren könnten. Die Sozialdemokraten erklärten, dah sie gern jeder Mastnahme zustimmen, die eine Scbikanierung der Gewerk- schaften unmöglich machen würde, gleichgültig, welche Partei einen solchen Antrag gerichtet hat. Die Sozialdemokraten haben selbst einen dasselbe Ziel anstrebenden Antrag im Jahre kW? eingebracht und jetzt wiederholt. Nach dem RegierungSentwurf müssen die Versicherungsvereine eine Rücklage mindestens im Betrage der Jahresausgabe nach dem Durchschnitt der fünf letzten Jahre haben und sie auf dieser Höhe erhalten. Solange die Rücklage den vorgeschriebenen Betrag «icht erreicht, ist ihr mindestens« i n Z e h n t e l des Jahresbeitrag« hxr Mitgliederbeiträge zuzuführen. Aus Antrag deS Abgeordneten Behrens wurde die Zuführung auf ein Zwanzigstel v'on der Kommission einstimmig herabgesetzt. Die nächste Sitzung der Kommission findet am Montagbor mittag statt. Die Sozialdemokraten beantragten, dast die Kom. Mission zunächst das Versicherungsgesetz für An> gestellte beraten sollte; da die Zeit, die dem Reichstage überhaupt noch zur Verfügung stehe, sehr kurz sei, so erscheine es dringend notwendig, erst die wichtigste Arbeit zu leisten und die Beratung des Hilfskassengesetzes aus später zu verschieben. Die bürgerlichen Parteien lehnten jedoch den An trag der Sozialdemokraten ab und beschlossen, am Mon- tag in der Beratung des Hilfskassengesetzes fortzufahren. Der Parteitag von lliodena. Dritter Tag. Modena , den Oktober. Der Morgen de« dritten VerhandlungstageS bringt insofern eine Klärung, als man sich dahin einigt, für jede der vier Richtungen designierte Redner zu Wort kommen zu lassen. Der Tag. der durch eine bis 3 Uhr früh dauernde Nachtsitzung besonders anstrengend war. hat in dem Votum auch die Entscheidung des Kongresses ge- bracht und stellt insofern dessen Höhepunkt dar. Charakteristisch für die Stimmung der Kongrestmehrheit war die fast beispiellose Be- geisterung, mit der die Delegierten das folgende Telegramm des deutschen Parteivorstandes aufnahmen: „Dem in Modena versammelten Kongreh der italienischen Sozialdemokratie senden wir herzliche Brüdergrüh« und wünschen seinen Arbeiten den besten Erfolg. Im Kampfe gegen den die Völker verwüstenden Imperialismus lautet der Schlachtruf des klassenbewußten Proletariats: es lebe der internationale Sozia- liSmus." In ganz spontaner Kundgebung erhob sich der Kongreß von den Sitzen und spendet« dem Kampfruf der deutschen Bruderpartei einen nicht endenwollenden Beifall. Für die revolutionäre Fraktion der Partei sprachen die Genossen Deila Seta, FraneeSeo Ciccotti und Costantino Lazzari . Della Seta wies auf die Anstren- gungen hin. die die gcmähigten Reformisten machen, um einen möglichst großen Teil der Delegierten unter den Mantel ihrer Tagesordnung zu bringen. Er betonte, dast die Bissolatianer nur mit den Turatianern sich verschmelzen können, wenn sie sich damit abfinden, ihre Prämissen in Widerspruch zu ihren Sckstüsscn stehen zu sehen. Der Fall Äissolati sei heute auf einmal in einer Vcr- senkung verschwunden. Es fei aber durchaus nicht eine persönliche Frage: in ihm läge die ganze Tragödie des Reformismus. Wäh- rend Bissolati noch in seinem PossibilismuS Idealist und Konse- quenzler sei, gründeten sick die gemästigten Reformisten auf den platte» Opportunismus. Der Redner legte dann dar, dast zwischen Ministerialisinus und Antimilitarismus eine unüberbrückbare Kluft bestehe. Die Militärausgaben seien ein für allemal antiproletarisch: man könnte sich nicht vorstellen, dast unsere Parlamentsfraktion ministeriell sei und gleichzeitig die Militärausgaben bekämpfe. Der Tiefstand der antimilitaristischen Bewegung sei nicht zuletzt den Reformisten und ihrer Taktik zur Last zu legen. Mit scharfem Spott wendete sich Gen. Ciccotti gegen die Reformisten. Er sagte, daß sie den Rat eines indischen Philosophen befolgten: wenn ein Volk dir fremd ist, so nimm du seine Sitten an. Sie suhlten sich heute in der Partei fremd und machen sich daher die Sitten der Mehrheit zu eigen. Im übrigen könnten die Revolutio- näre auf diesem Kongreß die Reformisten ruhig durch ihre Glaubensgenossen auffressen lassen. Im Grunde hätte sich die schärfste Kritik der echten Reformisten gerade gegen die gemäßigten gerichtet und umgekehrt. Was die Turatianer heute sagen, das haben sie bisher immer bekämpft. Die Revolutionäre sind viel edelmütiger zu den Reformisten, als diese zu sich selbst: die Refor« misten schuldigen sich des Irrtums an, waluend wir in ihrem Tun nur die notwendigen Folgen ihrer Auffassung, in ihnen nur die Opfer der reformistischen Illusion sehen. Zur Tripolisfrage übergehend meinte dann Ciccotti, dast viele Reformisten die Ex- pedition verwerfen, weil das Land ein« Wüste sei. Ja, wenn es ein fruchtbarer Landstrich wäre, wäret Ihr dann für die Expedition gewesen? Was man von friedlicher Penetration sage, sei nicht ernst zu nehmen. Wer anderen inS Haus fällt, um ihm da« Seine zu nehmen, der dürfe nickst erivarten, daß so etivaS friedlich abginge. Das ist eben das alte Rezept, die Hasen zu fangen, indem nian ihnen Salz auf den Schwanz streut! Es sei unrecht. Giolitti Vorwürfe zu machen. Mon könne unmöglich verlangen, dast dieser durch die 3-i Stimmen unserer Fraktion zum Sozialisten wird. Die Refor» misten nehmen jetzt dem Ministerialismus gegenüber die Stellung ein. die die Zuhälter ihren Dirnen gegenüber einnehmen: bringen diese nicht genug Geld heim, so sind ihre Beschützer unzufrieden. Ciccottis Rede schloß mit der Drohung einer Parteispaltung, falls Unklarheit und Konsusion noch einmal den Sieg davontragen sollten. Als vorletzter Redner de« Tages betrat gegen lO Uhr abend« Genosse Lazzari die Rednertribüne. Mit großem und feier» lichem Ernst, der die Nervosität und Unruh« der übermüdeten Ver- sammlung meisterte, legt« der Redner an die reformistische Taktik den prinzipiellen Maststab des Parteiprogramms an. das. wie er agte, Turati mit seiner üblichen Liebenswürdigkeit die..heilige Schrift Lazzaris" zu nennen pflegt. Lazzari führte au», dah die Voraussetzungen unseres Programms, die wachsende Verschärfung der Klassengegensätze, keineswegs durch die Tatsachen widerlegt cien. Heut« sei die Fraktion so weit gekommen, dah sie den Ueber- lang zur Opposition schon als eine revolutionäre Erfindung ver« herrlicht. Wenn Bissolati die Leitsätze unserer Partei vor Augen gehabt hätte, so hätte er dem. der ihn ins Ouirinal berufen hat, geantwortet: die Ausgebeuteten in Italien haben ihren Ausbeutern ieinen Rat zu geben. Lazzari unterzog dann die inzwischen von den Reformisten der Fraktion Turati eingebrachte Tagesordnung einer Kritik und wendete sich unter anderem gegen die darin an- gewandte Form:„Der Parteitag gibt der Meinung Ausdruck, dast die Fraktion das heutige Kabinett nicht weiter unterstützen könne. Das sei eine merkwürdige Form, in der die höchste Instanz der Partei ihren Willen zum Ausdruck bringt. Des weiteren wendete ich Lazzari gegen die Auffassung, die tripolitanische Expedition sei der Ausdruck einer bürgerlichen Verirrung: sie fei vielmehr ein langer Hand vorbereitetes und berechnete« Geschäft. Zum Schlust bekämpfte er die Ansicht Bonomis, daß die Partei auch Wege gehen dürfe, auf denen ihr da» Klassenbewußtsein der Massen nicht folgen kann. Die Jntegralisten stellten sich in kurzen Erklärungen des Genossen C o l a s a n t i und des Abgeordneten P e s c e t t i auf den Standpunkt, daß der Kongreß vor allem über den Fall Bissolati zu intscheiden habe und vertraten eine Tagesordnung, die die Unter- siützung eines Kabinetts nur unter AuSnahmevcrhaltniffen und nur >m Einvernehmen mit dem Parteivorstand autorisiert, die Teil- nähme an der Regierung ausschließt und die Genoffen zur Dis- ziplm gegenüber den Kongrestbeschlüssen auffordert. Die gemästigten Reformisten sind endlich am dritten Tage mit ihrer Tagesordnung herausgerückt, in die sie alle ihre rüheren Anhänger, mit Ausnahme der eigentlichen Bissolatianer, einzufangen hofften. Dem Bedürfnis, ein möglichst weites Gebiet zu umspannen, entsprechend, ist die Tagesordnung endlos lang und wurde«ine reichliche Spalte des„Vorwärts" ausfüllen. Sie betont zunächst die Notwendigkeit der Erziehungsarbeit und Agitation unter den Massen, erklärt dann, das normalerweise die Reformen ourch energische Opposition erzwungen werden müssen und nur aus- nahmSweise durch TranSaftionen erzielt werden können. Deshalb und auf Grund der Praktischen Erfahrungen der letzten Jahre wird der MlnisterialiSmuS der Partei als der Entwicklung unserer Kraft« nicht weiter nützlich bezeichnet, die Teilnahme an der Re- gierung m der heutige» Gesch.chtsphasx verworfen und die Unter- stutzung eines Kabinett», die als«u, nahmetaktik bezeichnet wird. � Zustimmung de« Parteivorstandes abhängig gemacht. Mir Rücksicht aus die tripglitan.sche Expedition heißt es dann:„daß e» politisch absurd und moralisch unmöglich wäre, wirksam gegen den nrusn Kolsmalwahnsinn zu protestiere» wtd gleichzeitig bix Jlc» gierung zu unterstützen, die für ihn verantwortlich ist." Die Tages- ordnung schließt dann mit den folgenden Worten:„Der Parteitag gibt der Meinung Ausdruck, dast die sozialistische Parlaments- fraktion nicht weiter systematisch das Kabinett mit ihren Stimmen unterstützen kann." Vertreten wurde sie von Rigola und Turati. Rigola kritisierte die Fraktion so scharf, wie sie überhaupt niemand kritisiert hatte und warf der Partei vor. durch ihre heutige Taktik ihre spc- zifische Funktion einzubüßen. Turati gab in seiner merkwürdig sprunghaften Rede zu, daß ein gewisser Bankerott des Reformismus vorläge. Das fei, weil die Partei noch schwach ist, und schwach ist sie vor allem, weil die Reformisten noch den Revolutionären zu ähnlich sind. Ter Reformismus sei inkohärent, wechselnd, vielge- staltig. weil er wahr ist. Wenn wir heute anders denken als gestern, so ist eS, weil heute nicht gestern ist. Er und seine Freunde wollen von der Teilnahme an der Regierung nichts wissen. Wer bleibt beim Proletariat, wenn wir alle auf das andere Ufer zur Bour- geoisie übergehen?(Zwischenruf von den Revolutionären: Wir bleiben 1) Turati fortfahrend:„Ja, Euch rufen sie nicht ins Ouirinal! Offen gestanden, wenn Ihr bleibt, so halten wir das für das schlimmste Uebel." Schließlich setzte Redner auseinander, was er unter nichbsystematischer Unterstützung verstünde: die Fraktion sollte nicht inimer für das Ministerium sein, aber doch bereit, es eventuell in allen Gesetzen gegen den Angriff der Reaktion und gegen die Verdrängung durch ein schlechteres Kabinett zu ver- teidigen. Die Rede endete, wie alle Kongrestreden Turati? in den letzten Jahren, mit einer Verherrlichung der Arbeit unter den Massen..„ Die Ansichten der echten Reformisten wurden von Cabrini, R e i n a und Bissolati illustriert, wobei zu bemerken ist, daß diese Fraktion keine eigene Tagesordnung vorgelegt hatte. Von Interesse sind besonders die Ausführungen Bissolatis. Dieser, der um 11 Uhr nachts das Wort ergriff, legte zunächst dar. dast er von dem Parteitag zu richten sei, als ob er das Ministerportefeuille angenommen hätte. Sein nachträglicher Verzicht ändere nicht». Er sei vom Staats- oberhaupt eingeladen worden und habe der Einladung Folge ge- leistet, und zivar hätte er dies nicht als Ueberläufer, sondern als Parteimann, getan. Als solcher hätte er dem König Giolitti als Kabinettschef bezeichnet und die Wahlreform als Programm. Er glaube, ein Recht zu haben, sich der Einladung als einer Aner- kennung des politischen Einflusses des Proletariats zu freuen. Wenn er schließlich zurückgetreten sei, so sei eS einmal aus Gründen seines Temperaments gewesen. Weiter, weil sich in ihm die Ueber- zeugung gebildet hätte, daß das Ministerium der Wahlreform nur durch die Unterstützung der Sozialisten sich behaupten konnte, während er fürchten mußte, dast diese Unterstützung ausgeblieben wäre, falls er, Bissolati, dem Ministerium angehört hätte. Bissolati hat dann jede Mitverantwortung der Fraktion für sein Tun abge- lehnt. Er hätte allein gehandelt, wie ein Alpinist, der einen gefähr- liehen Weg versuchen will und sich von den Gefährten losseilt, um sie nicht im Falle nachzuziehen. Er habe die Frage nur für sich, nicht für die Partei entschieden: die Partei müsse ihre Entscheidung noch treffen. Was Tripolis betrifft, so sei er aus verschiedenen Gründen gegen die Expedition gewesen, vor allem weil sie unsere Aufmerksamkeit und unsere Kräfte vom Balkan abzieht. UebrigenS wisse man nicht, ob der heutige Krieg nickt einen anderen größeren Krieg verhütet habe, der un- ausbleiblich gewesen wäre, wenn Deutschland oder England Tripolis besetzt hätten. Wenn sich die Fraktion jetzt ohne Rücksicht auf das Wahlrecht gegen das Ministerium wendet, so würde dadurch da» Wahlrecht entwertet, weil es nicht mehr als die Frucht der parla- mentarischen Aktion der Partei erschien«. Er. Redner, halte-S für Pflicht der Fraktion, zum Ministerium zu stehen, solange dieses sein Wort hält: für ihn würde der Ucbergang zur Opposition einen politischen Scldjimord bedeuten, den er nicht zu begehen bereit sei. Mit der Rede Bissolati» ist man am Schluß der dreitägigen Diskussion angelangt. Während dieser Diskussion ist beständig hinter den Kulissen verhandelt worden. Die gemäßigten Refor- misten haben sich bestrebt, den rechten Flügel nicht zu verlieren und haben darum in ihrer Tagesordnung nicht die Unterstützung des Kabinetts, sondern nur dessen systematische Unter- stützung widerraten. Damit kam man der Rechten entgegen. entfremdete sich aber die am weitesten nach link» gerückten Refor- misten. Gleichzeitig zeigte sich, daß das Werben um die äußerste Rechte auch nicht ganz erfolgreich war, denn am Abend de« dritten TageS wurde auch eine Tagesordnung der äußersten Richten vor- gelegt, die mit Rücksicht auf die Wahlreform die weitere Unter- stützung des Kabinetts verlangte. Andererseits rückten die Refornlisten der Linken in zwölfter Stunde mit einem Amendement Modigliani heraus, das das Wort„systematisch auS der konkor- vierten Tagesordnung der Turatianer streichen wollte. Allerdings sahen die Reformisten sofort die Gefahr und schämten sich nicht, ihre Tagesordnung der äuhersten Rechten zuruckzuAlehen, aber diese wurde von einem Delegierten, dem Genossen B a s i l e, auf- rechterhalten. So spalteten sich trotz aller Korridorarbclt und aller Schlauheit die Reformisten im letzten Moment in drei Gruppen: die Tagesordnung Bastle forderte die weitere unbedingte Unter. stützung des Kabinetts; die lonkordierte Tagesordnung wollte nur von der Fortdauer der systematischen Unterstützüng nichts wissen. während die Tagesordnung Modigliani nicht nur d,e systematische. sondern überhaupt die Unterstützung des Kabinett? mit Rücksicht auf das tripolitanische Abenteuer ablehnte. Daneben blieb die bedingt antiministerielle Tagesordnung der Jntegralisten und die unbedingt antiministcricllc Tagesordnung Lerva . Die Abstimmung. Um 12 Uhr nachts begann die Abstimmung, die manche Ueber» raschungen brachte. Sie ergab für die Tagesordnung Lerda. wie bereits telegraphisch gemeldet, 8034 Stimmen. SSOO mehr als aus dem vorige» Parteitag. Für Lerda stimmten Turin , Rom Tos. kana bis auf wenige AuSnahinen. die Mehrheit der Romagna ' sowie viele Parteiabteilungen von Ligurien und Venetien . Die konkor» dierte Tagesordnung TreveS brachte eS auf 78ig Stimmen' für sie stimmte die ganze Emilia bis auf 2 Sektionen, weiter Genua , einige Städte der Toskana und ein Teil der Romagna . Modigliani erhielt 173« Stimmen, darunter die der ganzen Stadt Mailand . Bastle brachte es auf 1VS4 Stimmen, vorwiegend solche kleiner Sektionen, während die Tagesordnung der Jntearalisten 1074 Stimmen erzielte. Das Resultat der Abstimmung ,st. daß die drei Fraktionen der Reformisten die Mehrheit rn der Partei haben, daß aber gleichzeitig die Antiministeriellen(Lerda plus Modigliani plu, Pescetti) zahlreicher find, als die bedingten und unbedingten Ver» fechter des Ministerialismus. Die Reformisten haben gesiegt: der Reformismus 'st unterlegen. Vierter und letzter Tag. Der letzt« Verhandlungstag begann mit einer Fraktionssitzung der Revolutionären , die sich über ihr« Swnung zu dem Votum klar werden mußten. Zunächst wurde hier die Frage deS Austritts aus der Partei in Erwägung gezogen, viele Genossen dieser Fraktion mit der Absicht gekommen waren, im Falle eine» Siege» der Reformisten auS der Partei auszuscheiden. Mit Recht wurde von der Mehrheit der Fraktion geltend gemacht, daß der Anstritt nur berechtigt wäre, fall» sich die Reformisten durch ein Votum. das die Teilnahme an der Regierung erlaubte, cuisterhalb der sozialistischen Internationale gestellt hätte». Da dies nicht ae» schehen ist. wurde ,-de Berechtigung des Austritts von der Mehr- heit— gegen« Stimmen— verneint. Gleichzeitig beschloß die revolutionäre Fraktion, auf ein« Stichwahl zu verzichten, da von dieser keinerlei Klärung zu erwarten sei. Ihren zurzeit außerhalb der Fraktion stehenden Abgeordneten, den Genossen«gnini und Musatti, gab sie den Auftrag, der sozialistischen ParlamentSfraktion wieder beizutreten und»n dieser für die Ausrcchtcrhaltung der Kongrestbeschlu,!« zu wirken. Erklärungen in diesem Sinne wurden vom Genossen Mn- sa tt i dem Parteitag gegeben. Daraufhin erklärten die dissidenten Reformisten« dsh sie iffl Falle dkz Stichwahl für bix konkordiertt
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