ir.250. W.?eljtMs.z. Dkilqc des.HmSrls" Knlim Wldsdlllt.Mittwoch. 35. Oktober l911.Bericht über die tätigheitder fozIaldemohratikheD Frahtionim Berliner Rathau fc.*)3. Verkehrsfragen.Auf dem Gebiete des Verkehrswesens hat die sozialdemokratischeFraktion im Berliner Rathause konsequent den Standpunkt der»treten, daß das öffentliche Verkehrswesen in die Hand der Ge-meinde gehöre und nicht Privatgesellschaften überlassen werdendürfe. Gemäß dieser Grundauffassung haben die sozialdemokra-tischen Vertreter in der Verkehrsdeputation wie im Plenum derStadtverordnetenversammlung ihre Stellung zu den einzelnen Ver-kchrsprojekten zum Ausdruck gebracht und alle Bestrebungen, dieauf Begünstigung des Privatkapitals hinausliefen, auf das hart-nackigste bekämpft. Dabei blieb es auch nicht aus. Stellung zunehmen zu Situationen, die durch das der Großen BerlinerStraßenbahn durch frühere Stadtverordnetenbeschlüsse der Mehrheitzugewendete Verkehrsmonopol sich herausgebildet hatten. DiesesMonopol, das von den Auffichtsbehörden infolge des Kleinbahn-gesetzes ständig begünstigt wurde, bildete für die Stadt Berlin einwahres Martyrium. Um die Stadtgemeinde auf dem Gebiete desVerkehrswesens zu hemmen, reichte die Große Berliner Projektewegen Untertunnelung der Leipzigerstraße ein, was von der Ver-kehrsdeputation mit Gegenprojektcn beantwortet wurde, die eineVerkehrsbesserung durch Schaffung großer Straßendurch-brüche herbeiführen sollten. Gegen diese Projekte, die diePolitik der Großen Berliner zu durchkreuzen geeignet waren,erhob sich Widerstand im Berliner Magistrat, der inletzter Linie auf eine Förderung der Interessen des privatenAktienunternehmens hinauslief. Zunächst blieb es beim passivenWiderstand. Man tat nichts im Magistrat, ließ alle Verkehrs-Projekte liegen. Es trat auf dem wichtigsten Gebiete des öffentlichenLebenS, dem Verkehrswesen, Stagnation ein, welche die Chancen derMonopolgesellschaft gegen die Stadt Berlin nur förderte. Dazukam, daß auch mehrere wichtige Verkehrsprojekte, Nixdorf-Moabit,Rixdorf-Gesundbrunnen, Alexanderplatz-Frankfurter Allee. Nord-Südbahn, nicht vom Flecke kamen.Und das geschah, obwohl die Straßendurchbruchsprojekte auchvon den Aufsichtsbehörden als verkehrsverbessernd befunden wurden.Es waren eben in unserer Stadtverwaltung Kräfte am Werke, dieum keinen Preis eine rationelle städtische Verkehrspolitik fördernwollten. Diese Sachlage veranlasste schließlich die sozialdemokra-tische Fraktion zu dem Entschluß, die ganze Materie aus demDunkel der Geheimniskrämerei cm das Licht der Oeffentlichkeitzu ziehen und der Bürgerschaft über die Treibereien gewisserCliquen klaren Wein einzuschenken. Sie stellte deshalb folgendenAntrag: Die Versammlung ersucht den Magistrat, ihr in einerVorlage zur Kenntnisnahme Mitteilung über den Standder Verkehrsfragen zu machen. Der Antrag wurde amLt. April ISIll in der Stadtverordnetenversammlung verhandeltund gelangte zur Annahme. Unsere Vertreter kennzeichneten beidieser Gelegenheit die gesamte Verkehrsmisere und geißelten dieauf Begünstigung der Großen Berliner hinauslaufenden Wider-stände gewisser Magistratskreise. Die öffentliche Erörterung bliebnicht ohne Erfolg, sie wirkte vorwärtStreibcnd. Der Magistrat kamdem Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung nach und legteEnde November tSlll die verlangte Vorlage vor, die am 1. Dezem-ber liüO verhandelt wurde. Dabei ergab sich, daß eines der wich-.tigsten Projekte, der Durchbruch der Voßstraße nach der Viktoria-straße als Entlastung der Leipziger Straße von der Mehrheit desMagistrats abgelehnt worden war. Man hatte den Obcrbürger-.nieister, der, im Vertrauen, den Magistrat hinter sich zu haben, de-reits dem Minister und dem König Zusagen gemacht hatte, in derschmählichsten Weise im Stich gelassen. Ferner stellte sich heraus,daß wichtige Verkehrsinteressen in der unglaublich saumseligstenWeis« behandelt worden waren, ohne überhaupt die Stadtverordnetenversammlung zu befragen. Die Mehrheit der Stadtverorb•) Siehe auch Nr. 242 und 24S de?.Vorwärts'.Kleines feuilleton.Die Fremdherrschaft der Mandschu. Die in Wutschang amJangtsekiang auSgebrochene revolutionäre Bewegung, deren letzteZiele sich auf die Beseitigung der in China seit mehr alS einemVierteljahrtautend regierenden Mandschudynastie richten, lenkt einallgemeines Interesse auf diese Herrscheriamilie, die sich, obgleichdem echten Chinesenwm vollständig volksfremd, länger alS jedeandere jemals dort zur Macht gelangte Dynastie ihre Machtbewahrt hat. Wenn man, wie allgemein üblich, den Beginn derMandschuherrschaft auf das Jahr tSt4 ansetzt, in dem Huai-Tsung. der letzte Kaiser aus der Ming-Dynastie. durch Selbst-mord endete, so bedarf dies einer kleinen Korrektur. Schon imAnfang des 12. Jahrhunderts waren die Mandschu, ein Hauplzweigdes turanischen Volksstammes der Tungnscn, die zwischen demAmur und dem Sungari wohnten, politisch so weit erstarkt, daß ihrHäuptling«guta sich im Jahre IIIS zum Kaiser ausrufen lassenkonnte. Seine Nachfolger eroberten dann einen großen Teil Chinasmit der Hauptstadt Jenking sdem heutigen Peking), das sie.Tichungtu', d. h. die.Kaiserstadt der Mitte' nannten. Schon imJahre 1234 wurde aber durch die Nachfolger des Dschengis-Chander Macht der aus ihrer Milte hervorgegangenen Dynastie Kin, diedem Lande neun Herrscher geliefert hat, ein Ende gemacht DieMandschu sahen sich zur Auswanderung gezwungen und ließen sichim heutigen Liautnng nieder.Einem Teilfürsten namcnS Taitsii gelang es im Anfang de«17. Jahrhunderts, viele bis dahin von einander unabhängigeTunguienstämme zu einem Volke zu vereinigen, das in gemeinsamerStoßkraft der Herrschast der durch Eunuchen- und Harems-Wirtschaft entarteten Dynastie Mmg ein schnelle? Ende bereitete.Nachdem der letzte Ming-Kaistr Huai-Tsung. ein wohlwollender, aberschwacher Mann, seiner Gemahlin, seiner Tochter nnd sich selbst denTod gegeben hatte, konnte TaitiuS Nachfolger, Taitsong, bereits denTitel de«.Gebieter! des Mittelreiches' annehmen, nnd mit der Er-oberung von Peking im Jahre 1S44 begann die in nur IS Jahrenzu Ende geführte Unterwerfung des weiten Reiches. Schon feinSohn Tsch'ng- tsu geriet mit den Sibirien erobernden Russen ineinen langjährigen Krieg. der erst durch den Fneden vonNertschinSk im Jahre 1689 beendet wurde. Der von demJesuitenpater Adam Schall aus Köln erzogene Kaiser warein grosser Gelehrter und hat sich durch die Herausgabe des nachihm benannten Wörterbuches und der großen Enzyklopädie»Chin-ting-tufhu-chi-cheng�, die£>020 Bände umfaßt, einen bleibendenNamen geschaffen. Unter dem vierten Mandschukaiser Kao-isung(Kienlung), der von 173« bi« 17Sb regierte, gelangten Reich undDynastie auf den Gipfel ihrer Blüte. Kaiser K,a-king<179« bis1820), gegen dessen Herrschast von geheimen Gesellschaften zahlreicheAufstände angezettelt und zweimal Attentate unternommen wurden.glaubte da« Sinken seiner RegierungSmacht durch unsäglichen Hochmutersetzen zu können. Unter seiner Regieriing wurde der Rüge GrafJurij A. Golowin an der Grenze zurückgewieleii. weil er sich weigerte.vor einem mit einem gelben Tuch bedeckten Tisch den Kotau zu machen.William Pitt aber ließ er au» Peking ausweisen, weil dieser eS ab-lehnte, sich unmittelbar nach seiner Ankunft noch in Reisekleidernhör den Kaiser schleppen zu lassen. Unter Hsuan-Tsung, genanntIgo-Kuang<1821—1859), kam es zum ersten von England gegenneten hatte zwar auch keine Freude an der Verschleppungstaktik,beschränkte sich aber im übrigen darauf, in den gleichen Fehler zuverfallen wie einflußreiche Magistratsmitglieder, nämlich eine durch-greifende Verkehrsverbesserung— das sogenannte Voßstraßenpro-jekt— abzulehnen. Es war recht bitter für den Oberbürgermeister,zu sehen, wie er im Stiche gelassen wurde. Er gab seinen GefühlenAusdruck, indem er sagte:„Ich habe(bei einer Konferenz mit dem Kaiser), gestützt aufwiederholte, anfänglich einstimmige, dann nahezu einstimmigeBeschlüsse der technischen Kommission, der Verkehrsdeputation, ge-glaubt, eine Erklärung abgeben zu müssen, an der ich heute nochkein Word bereue. Wenn ich wiederum in die Lage versetzt werdenwürde, mich einer ähnlichen Situation gegenüber zu sehen, würdeich es der Würde der Stadt für entsprechend halten, wenn ich einesolche Erklärung wiederholte. Aber, meine Herren, ich habe eserfahren, daß ich da zu weit gegangen bin. Ein Oberbürger-meister von Berlin hat nicht die Stellung, daß er, im Vertrauenauf den Gang, den die Dinge in der städtischen Verwaltung bishergenommen haben, bindende Erklärungen abgeben kann."Bemerkenswert ist noch eine Aeußerung, die bei derselben Ge-legenhcit der Oberbürgermeister über den eigenen Betriebvon Straßenbahnen durch die Gemeinde tat. Ersagte in bezug auf die städtischen Straßenbahnen:„Vom ersten Tage ab haben wir dort einen durchaus regel-mäßigen, guten, die Rücksicht auf das Publikum beobachtendenBetrieb eingeführt, einen Betrieb, der vom Publikum über Er-warten benutzt worden ist, einen Betrieh, der uns Beträge überErwarten bis auf den heutigen Tag gebracht hat und der sich fort-dauernd noch günstig entwickelt. Meine Herren, dieser Versuch zeigt,daß die Stadtgemeinde zu diesen Betrieben sehrwohl befähigt ist."Kurz vor dieser Beratung über die Magistratsauskunft überden Stand der Verkehrsfragen hatte die Stadtverordnetenversamm-lung sich mit einem großen Verkehrsprojett zu beschäftigen— derNord-Südbahn—, das schon im Jahre 1S05 beschlossen wor-den war, jetzt aber eine andere, bessere Linienführung durch dieFriedrichstraße vorsah. Das Projekt war so notwendig und technischso gut vorbereitet, daß die Versammlung einstimmig zustimmt«.Der Umstand, daß die Bahn am Belleallianceplatz endete, führtedurch einen Eingriff der Aufsichtsbehörde dazu, die Endhaltestellebis zur Gneisenaustraße zu verlängern.Ein weiteres großes Verkehrsprojckt sollte die Verbindungzwischen dem Gesundbrunnen und Nixdorf herbeiführen.In der Sitzung vom 9. März 1011 wurde es beraten. UnsereFraktion hielt diesen neuen Verkehrsiveg für dringendwünschenswert, verlangte aber, daß die Stadt selber das Projektausführe, nicht aber eine Privatgesellschaft wie die A. E. G., diedie Konzession nachsuchte. Die Mehrheit war unserer Ansicht entgegen. Nach monatelangen Ausschußberatungen beschloß die Stadt-verordnetenversammlung am 21. September 1011, das Projekt derA. E. G. nur dann zu genehmigen, wenn die gesamte Strecke alsUntergrundbahn gebaut werde. Ob die A. E. G. auf diese Be-dingung eingeht, ist ungewiß. Und da die Stadt nicht selbst bauenwill, wird die Bevölkerung noch länger auf neue Verkehrs�Verbindungen warten können.Am 22. Juni 1011 verhandelte die Stadtverordneten-Versammlung wiederum über ein Verkehrsprojekt. Es handeltesich um den Abschluß eines Vertrages mit der Hochbahn-gesellschaft wegen Baues einer Untergrundbahndurch die Frankfurter Allee und Auflösung dessogenannten Gleisdreiecks. Und wiederum waren esVertreter der sozialdemokratischen Fraktion, die sich dagegenwandten, daß Privatgesellschaften durch die Erteilung neuer Kon-Zessionen ungeheure Vorteile zugeschanzt wurden. Die freisinnigeMehrheit war von der Vorlage so begeistert, daß sie den sozial-demokratischen Antrag auf Ausschußberatung ablehnte und derVorlage ohne weitere Prüfung zustimmte.Die in Berlin herrschende Verkehrsmisere hat schließlich auchder Staatsregierung Veranlassung gegeben, sich näher mit derMaterie zu beschäftigen und zu erwägen, ob nicht eine Zusammen-fassung der Verkehrsinteresseu Berlins mit den Vororten gebotensei. Bestrebungen auf Gründung eines VerkchrSzweckverbandesfür Groß-Berlin fanden soviel Widerstände, daß eine Lösung durchChina unternommenen Opiumkriege, der im Frieden von Nankingam 20. August 1842 sein Ende fand.China stand damals an der Schwelle eines neuen Zeitaltersund vor der Notwendigkeit von Reformen, die die hochmütigeMandschudynastie doch nicht bewilligen wollte. Die Folge davonwaren unaufhörliche gegen die Fremdherrschaft der Mandschu ge-richtete Rebellionen, deren letzte wir eben erleben.DaS Denkmal einer Nußverkäuferin. Aeltere Jtalienreifende. diein Genua geweilt haben, werden sich gewiß noch einer originellenStraßensigur erinnern, die sich selbst aus dem lebhaften Getriebe desSlraßentebenS in der wichtigsten Hafenstadt Italiens heraushob. Daiah man eine würdige Makrone, die mit einem seidenen Halstuchund einer Seidenschürze geschmückt durch die Straßen wanderte, anden Armen zwei große Körbe mit Nüssen, die sie jedem Vorüber-gehenden mit ein paar aufmunternden Worten zum Kaufeanbot. Wind, Wetter und Jahre hatten tiefe Furchen in dascharakteristische Gesicht dieser wunderlichen Nußverkäuferin �ge-graben, ein trotziges breites Kinn zeugte von der zähenWillenskraft der Matrone, und unter einer hochgewölbten Stirnblitzten ein paar kluge und leuchtende Augen. Die alte Nuß-verläuferin ruht längst von ihrem mühevollen Erdenwallen in stillerGruft aus und die sauber auf einem Faden aufgereihten Nüsse, dieman früher für ein paar Saldi von ihr erstand, muß man jetztschock- oder pfundweise in nüchlernen Läden kaufen.Doch troydem kann man auch beute nach die populäre Gestaltder alten Nußverkänferin in Genua sehen. Ein prächnges Marmor-ftandbild Überlieserl der Nachwelt Aussehen und Züge der Frau;ivohl eines der seltsamsten Denkmäler, da» man in Italiensehen kann Wohl kaum ein Fremder, der Genua berührt, versäumtes den berühmten Campo Santo(Friedhof) der Hafenstadt zu be-suchen Zwischen den stillen Einzelgräbern, die sich hier am Berg-hang hinziehen, fällt ein prächtiges lebensgroßes Marmorstandbildeiner schlichten Frau auS dem Volke auf: das Grabdenkmal derkleinen alten Nuvvcrkänferin von Genua. In ihren jahrzehntelangenWanderungen durch die Siraßen Genua« hat die alte Frau durchden Verkauf ihrer Nüsse ein kleines Vermögen zusammengebracht undda sie allein in der Welt stand und den Stand der Straßen-Händlerinnen immer mehr in der werdenden Großstadt untergebeniah. erwuchs in ihr der Wunsch, der Nachwelt von der Nuß-Verkäufern, zu erzählen, die bis an ihr Lebensende, alter Sittegetreu, dem Wandel der Zeiten getrotzt hat. Der G-nueser Bild-Hauer Luigi Orengo übernahm es, diesen Wunsch der alten Frau zuerfüllen, und nun schmückt das steinerne Abbild ihrer Gestalt denKirchhos von Staglieno. Auf einem prächtigen hohen Marmorsockelsteh: hoch aufgeriwlel die alte Nußverkäuferiki. genau wie sie einstm den Straßen Genuas stand._Notizen.Theaterchronik. Die für Mittwoch, kett 28. 8. M.,nachmittags, im Neuen Schauspielhause angezeigte Vor-stellung:„Nathan der Weise" beginnt bereits um 3 Uhr.,— Vorträge. Auf Veranlassung des Vereins für Volks-Hygiene spricht ain Freitag, den 27. Oktober, abends 8 Uhr, imBürgersaale des Berliner Rathauses Prof. His über:„Schonung und Abhärtung". Der Zutritt ist für jedermann frei.� Sexualprobleme unserer Zeit. Der Vortrags»zhklus, für den der Bund für Mutterschutz Herrn Dr. med. Magnusdie Gemeinden nicht zustande kam; es spielten da weitgehendeInteressen eine große Rolle. So kam es, daß, einerAnregung im preußischen Abgeordnetenhause folgend, die Re-gierung plötzlich einen Gesetzentwurf ankündigte, der einenZwangszweckverband für Groß-Berlin in Aussicht nahmund der neben anderen Aufgaben vor allem den Bau, den Betriebund die Erwerbung von Bahnen zum Ziel hat. Die Gemeindenwurden von der Regierung erst gar nicht gehört. Die Stadt-verordnetenversammlung setzt« am 5. Januar 1011 eine gemischt:Deputation ei» mit dem Auftrage, die Interessen der Stadt Berlinzu wahren und insbesondere eine Anhörung und Aeußerung derVertretungen der beteiligten Gemeinden vor Einbringung des Ge-setzes im Landtage zu erlangen. Dazu kam es nicht; die Regierungbrachte ihre Vorlage ein und sie setzte ihre Absichten auch durch.Das Gesetz gelangte zur Annahme.Wie wir oben wiederholt dargelegt haben, spielen die kapita-listischen Interessen im Rathause eine gewichtige Rolle. Bei jederGelegenheit wird das Privauapital begünstigt. Was Wunder,wenn in einer solchen Interessenvertretung planmäßig darauf hin-gearbeitet wurde, auch mit der Großen Berliner Straßenbahnwieder einmal ins reine zu kommen. Es mehrten sich die Stimmen,die mit der Großen Berliner Frieden schließen wollten. Von einemErwerb des Unternehmens wollte man nichts wissen, obwohl dieserAusweg, selbst wenn die Bürgerschaft hätte Opfer bringen müssen,noch der gangbarste gewesen wäre. So kam es, daß mit derGroßen Berliner Verhandlungen gepflogen wurden,in welcher Form eine Verständigung zustande kommen könne. DaSErgebnis dieser Verhandlungen war schließlich d«r Abschlußeines Vergleichs, nach der die Stadt Berlin für die Aufgabeihrer Ansprüche, die einen Uebergang der Bahn in städtischen Besitzim Jahre 1910 vorsahen, verzichtete für eine Entschädigung von23 Millionen Mark, wofür der Straßenbahn andererseits großeVorteile zugeschanzt wurden, Vorteile, die die Berliner Bürger anihrem Geldbeutel spüren werden, als der Zehnpfennig-Tarif imJahre 1029 insofern eine Einschränkung erfährt, als vom 1. Januar1929 ab der Großen Berliner gestattet ist, bei Strecken über5 Kilometer 15 Pfennige bei Strecken über 19 Kilometer 29 Pf.zu nehmen.Die Folge dieses neuen Vertrages ist, so legte unser Rednereindringlichst dar, die unbedingte Herrschaft derGroßen Berliner Straßenbahn über dieStraßen Berlins, soweit der Verlehr von Osten nachWesten in Frage kommt. Alle Einwände unserer Genossen wurdenin den Wind geschlagen, die Mehrheit wollte unter allen Um-ständen Frieden schaffen. Kämpfe gegen mächtige VerkehrSgescl!-schaften zu führen, ist nicht ihre Art; das Interesse der großen Masseder Berliner Bürgerschaft wurde mit Füßen getreten und der Ver-gleich am 3. Juli 1011 angenommen. Das war die letzte„große Tat"des Berliner Kommunalfreisinns auf dem Gebiete des Verkehrswesens:die Kapitulation vor der allmächtigen GroßenStraßenbahn. Inzwischen bereitet sich der Zwangszweck-verband vor, in dem die sozialdemokratische Fraktion mit acht Ver-tretern und acht Ersatzmännern für Berlin vertreten ist. DiesemVerbände wird in Zukunft die Regelung der VerkehrsinteressenGroß-Berlins übertragen sein. EL wird auch hier den Sozial-demokraten die Rolle zufallen, die sie in den einzelnen Gemeindenausgeübt haben: eine großzügige, weitsichtige Ver,kehrspolitik z u treiben.Wer das will, kann dazu beitragen, wenn er am Sonntag,den 5. November, einem Sozialdemokraten seine Stimme gibt,fltos Indisftrie und r>andel.Geschäftspraktiken in der Maschinenindustrie.„Die großen Aufträge" müssen so oft zur Begründung guserAussichten und günstiger Wirtschaftslage herhalten, daß sie zumständigen Argument geworden sind. Wie es dabei oft in Wirklich-keit zugeht, zeigen jetzt besonders interessante Vorgänge in derdeutschen Maschinenindustrie. Erst kürzlich wurde von inter-essierter Seite darüber geklagt, daß Maschinenausträge fast nurnoch bei Gegengeschäften möglich sind. BearbettungsmaschinenHirschfeld als Redner gewonnen hat. beginnt am Mittwoch, den25. Okt., abends 8 Uhr. in der Aula der 3. Realschule, SteglitzerStraße 3a. Hörerkarten für den ganzen Zyklus— b Doppel-stunden— für Mitglieder der freien Gewerkschaften bei P. Horschim Gewerkschaftshause zu 3 M.— Der neue Fall Bode. DaS uralte Prinzip des Pferde-Handels, das Roß, das man verkaufen will, zu verschönern, und amanderen, das man kaufen wollte, lauter Fehler zu entdecken, ist auchim Kunsthandel immer noch maßgebend. Auch bei Museumsdirettorenscheint eS sehr beliebt zu sein. Herrn Bade ist ja AehnlicheS schonöfter vorgeworfen worden. In dem neuesten Fall, in den er ver-wickelt ist. dem deS hl. Franziskus von Rembrandt. soll er, wie seinAnkläger Dr. Abels behauptet, ähnlich verfahren sein(wenn auchnichl zugunsten seines Museums). Da Herr Bodd nach Amerika ver-reist ist und nicht klagen will, wird sich ja wohl die Wahrheit nichtgerichtlich feststellen lassen. Herr Bode liebt es, sein eigener Richterzu sein, wie die Flora-Affäre zuletzt noch klärlich erwies. Sei»Gegner, Dr. Abels, aber hält seine Anschuldigungen in der Wiener»Montagszeitung" aufrecht.— Der wiedergefundene Bauche r. BoucherS Ge«mälde»Neptun und Amphitrite". da« au» dem Museum inOuimper(Frankreich) entführt wurde, hat sich bei einem ehemaligenProfessor wiedergefunden. Er gesteht den Diebstahl. Das Bildhatte er vergeblich anzubringen veriucht.— Ob daS ein gut«! Bor«zeichen für die Wiedererlangung der»Mona Lisa' ist?— Der AetnaauSbruch im Kinematographen.In London wird jetzt eine farbige kinematographische Aufnahme de«letzten ActnaauSbruchS gezeigt, die unter großen Schwierigkeiten auf«genommen worden ist. Die Darstellung bietet allerdings nicht da«Staunenswerte, was man von ihr crivarten möchte, ist aber nament-sich für den Geologen außerordentlich interessant, weil sie das lang-same Vorrücken eines LavastromeS in allen Einzelheiten vorführt.— Ein Denkmal des Nationalkonvents wird imPariser Pantheon errichtet, das bisher außer Fresken religiösenCharakters nur einen miserablen Schinken des patriotischenSchlachtenmalers Detaille als Jnnenschmuck hatte. Das neue Mo-nument, von dem ein Abguß zur Erprobung der Lichtwirkungenschon jetzt aufgestellt wurde, ist eine Schöpfting des BildhauersSicard. Der Konvent wird durch eine hohe, ernste Frauenaestaltverkörpert, die sich mit dem linken Arm auf das Liktorenbeil stützt.in der Rechten ein blankes Schwert hält. Zu ihren Füßen siehtman links in einer leidenschaftsichen Schwurgebärde eine Gruppeberühmter Konventsmitglieder— darunter Danton. Robespierre.TeSmoulinS, Condorcet. Maral und Carnot vereinigt, während zurLinken eine Schar von Revolutionssoldaten, unter ihnen hoch zuRoß in Jünglingsschönheit General Hoche, hervordringt.— P e t r o l e u m i n T u r k e st a n. Wenngleich der Reich.tum und die Ergiebigkeit der Naphtaquellen im Gebiet der Kaspi-See unerschöpflich scheinen, so suchen doch die großen Oelgeselb-schaften immer neue Fördcrgebiete ausfindig zu machen. So wirddemnächst die schwedisch-russische Petroleumsirma Nobel ihreTätigkeit auch aus daö Innere von Türke st an ausdehnen. Daßdiese Gegenden reich an Erdöl sind, ist schon lange bekannt. DerStockholmer Professor Sjögren hat festgestellt, daß daS dort ausdem Gebirge hervorsprudelnde sogenannte Bergöl von vorzüglicherBeschaffenheit ist. Es dürfte somit schon in kurzer Zeit im InnernTurrestanS eine blühende Naphtaindustrie entstehen«