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lt. 252. 28.laltj.iw. 1. Jfilßjjf hesNömills" �ttllller Ullllisllllll!. kmlag, 2?. Ndtaber ISU. KcichQtag. tvs. Sitzung bom Donnerstag, den 26. Oktober. mittags 12 Uhr. Am BundesratStisch: Dr. Delbrück, Mermuth . Die Besprechung der Interpellationen über die Teuerung Wird fortgesetzt. ?lbg. Graf Mielczynski(Pole): Die Frage der Zollpolitik ist Wohl lediglich mit Rücksicht auf die Wahlen in die Debatte gezogen worden. Was die Teuerung selbst anlangt, so ist sie auf die ver- fchiedensten Ursachen zurückzuführen. Sluch der Zwischenhandel ist daran nicht schuldlos, die Spekulation trägt vielmehr einen sehr großen Teil der Schuld. Als Maßregel gegen die Teuerung verlangt man die Abschaffung der Einfuhrscheine. Wenigstens die teilweise Ab- schaffung der Einfuhrscheine auf Petroleum und Kaffee halten meine politischen Freunde für notwendig. Ebenso halten wir eine zeitweise Aufhebung der Futter- m i t t e l z ö l l e für geboten. Ferner meinen meine Freunde, daß die Einfuhr argentinischen Fleisches nach Untersuchung durch deutsche Tierärzte ermöglicht werden müßte. In bezug aus die geforderte Oeffnung der Grenzen könnte man vielleicht Rußland gegenüber einige erleichternde Bestimmungen treffen. Gegen die Krankheit schlägt die Linke Radikalmittel vor, bei deren Anwendung der Patient sterben würde; die Regierung gehl mit homöopathischen Mitteln vor. Die Hauptsache ist meiner Meinung nach eine richtige Regulierung des Zwischenhandels. Sehr wichtig ist ferner die Frage der inneren Koloni« f a t i o n. Wir betreiben sie, nicht um das Deutschtum zurück zu drängen, sondern um den Bauer aus dSn Händen der Zwischen« bändler zu befreien, und das haben wir mit Erfolg getan. Mit Energie miisien wir verlangen, daß unsere polnischen Bauern nickt systematisch von den Wohltaten der inneren Kolonisation aus- geschlossen und von ihrer Scholle verdrängt werden. Indem der polnische Bauer in die Stadt getrieben wird, wird er auch in die Reihen der Sozialdemokrat ie getrieben. Gerade die konservative Partei sollte daraus hinwirken, unseren ein- beimischen polnischen Bauer, diesen tüchtigen Landwirt und dieses konservative Element, auf der Scholle zu erhalten. Das liegt im Interesse der Landwirtschaft und der Allgemeinheit.(Bravo I bei den Polen .) Abg. Wachhorst de Wente lnatl.): Graf K anitz hat die Aus- führungen meines Fraktionskollegen Fuhrmann in Gegensatz zu bringen gesucht zu Aeußerungen des ebenfalls national- liberalen Stadtdirektors T h r a m m von Hannover . Dem gegen- über stelle ich fest, daß Herr Fuhrmann von einer Teuerung ge- sprachen hat nur bei Kartoffeln, Gcinüse, Milck, Butter und Eiern, daß er dagegen bei Getreide, Vieh und Fleisch das Be- stehen von Notstandspreisen ausdrücklich geleugnet hat. Tatsächlich ist auch die Getreideernte in ihrem Endergebnis gut, in den letzten Jahrzehnten ist das Erträgnis erheblich gesteigert, der Anbau ein intensiverer geworden. Auch in der Viehzucht hat unsere Landwirtschaft Fortschritte gemacht und ein Mangel an Vieh ist nicht vorhanden. Wenn die Prcfle versucht hat, einen solchen Mangel festzustellen und zu behaupten, so hat daS nicht günstig für die Kon- sumenten gewirkt, denn die Preise hängen heute nicht bloß ab von Angebot und Nachfrage, sondern werden auch von der öffentlichen Meinung beeinflußt. Tatsächlich sind auch die Fleischpreise, besonders die Schweincfleischpreise. bedeutend höher als es de» Viehpreisen entspricht. Bei Gemüse und Kartoffeln sind die Preise allerdings etwas höher. Doch auch hier ist es nicht so schlimm. Teilweise, z. B. in Hannover , ist die Kartoffelernte ganz vorzüglich gewesen und infolge der billigen Eisenbahntarife und der Tätigkeit der Kommunen ist der Kartoffelpreis durchaus nicht zu hoch. Die Erhöhung deS Milchpreises hat seine innere Berechtigung. Gewiß leidet unter den hohen Preisen der Mittelstand und die Ar- beiterschaft, aber man kann für die Folgen solch elementarer Ereignisse wie die Dürre nicht die Landwirtschast verantwortlich machen. Mit den von der Regierung getroffenen Maßnahmen bin ich durchaus einverstanden. Einem Abbau des Schutzsollsystems kann ich nicht zustimmen. Unser gemäßigtes Schutzzollsystem hat sich durchaus bewährt. Unsere Sparkassenguthaben haben sich in den letzten Jahren um 11 Milliarden vermehrt; das beweist, daß die wirtschaftliche Entwickelung auch der Arbeiterschaft zugute gekommen ist. Die Sozialdemokratie halte daher allen Anlaß, den Spuren zu folgen, die zum Schutzzoll hinführen. Da- gegen könnten die Futter mittelzölle wohl aufgehoben werden, wenn Sicherheit dafür geschafft werden könnte, daß diese Aufhebung auch wirklich den kleinen Landwirten zugute komme. Ob das möglich ist, erscheint mir allerdings zweifelhaft. Der M a i S z o l l könnte herabgesetzt werden auf die Höhe deS Futter- gerstenzollS. also auf 1.30. Glücklicherweise ist der hohe Futter- gerstenzoll, den der Bund der Landwirte immer fordert, nicht durchgegangen. Wäre das geschehen, so wäre es den Bauern nicht möglich gewesen, die Vieh- und Getreideproduktion so zu steigern und keine Regierung hätte dann unter den jetzigen Verhältnissen die Oeffnung der Landcsgrenzen verhindern können.(Sehr richtig I links.) Das beweist wieder, wie wenig die Politik deS Bundes der Landwirte im Interesse der Bauern liegt. Die Einführung argentinischen Fleisches haste ich nicht für angebracht. Ueberhaupt würde die Oeffnung der Grenzen einen Sturm der Entrüstung hervorrufen, nicht so sehr bei den Grotzgrundbesitzent, sondern vor allem bei den Bauern, die schon jetzt nicht wissen, wie sie ihr Vieh los werden sollen. Weit wertvoller ist die innere Kolonisation; durch sie wird auch für die Industrie der wichtige innere Markt gehoben. Leider soll die innere Kolonisation, die Ostmarkenpolitik, nickt in demselben Tempo fortgeführt werden wie bisher. Der preußische Landwirtschastsnünister führt als Grund dafür die teuren Grundstückspreise an. Warum zerteilt er denn nicht einige Domänen, um deutsche Bauern anzusiedeln? An Groß­grundbesitzer sind in der Provtnz Sachsen mehrere Domänen verkauft worden. Der preußische LondwirffchaftSminister hätte statt dessen Hunderte von Familien fleißiger Bauern ansiedeln sollen. Wenn er die AnfiedelungSpolitik zum Stillstand bringen will, wird er nickt nur bei meiner Partei. sondern auch beim Deutschen Bauernbund den eutichtedensten Wider- stand finden. Graf Kunitz verlangte Schutz der nationalen Arbeit. Darunter verstehen meine Freunde aber nicht eine Politik zum Borteil der Großgrundbesitzer, tondern wir werden dafür kämpfen, daß die Einrichtungen, die einer bevorzugten Kaste den Staat überliefern, beseitigt werden und daß der deutsche Burger« und Bauernstand seinen Platz an der Sonne erhalt.(Bravo I bei den Nanonalliberalen.s... Abg. Dr. Pochnicke(Vp.): DaS Echo der Kanzlerrede in der konservativen Presie heißt:Nieder mit den Hetzern, den Knallrote,, und den Blaßroten I Hoch die iiitcrnakionale Wirtschaftspolitik, die Politik Bismarcks I« Die Nationalliberalen werden vor dem Groß- block gewarnt. Das war der Zweck der Rede deS Reichskanzler» und der ihm folgenden Staatssekretäre. Die heutigen Mittagsblatter bringen einen Erlast an die Landräte, der dies noch deutlicher illustriert. Zur nachhaltigen Informierung der Regierung sollen sie beitrage» während der Wahlbewegung, ste sollen mitteilen, ob durch Flugblätter oder Kalender eingegriffen werden soll (Hört! hört I links), gleichzeitig sollen die Kosten angegeb en werden.(Lebhaftes Hört I hört I links). Jedenfalls nicht die Privat- lassen der Landräte, sondern öffentliche Gelder, Gelder, die von allen Steuerzahlern aufgebracht find, sollen für einseitige Partei- iiiterejscn hergegeben werden.(Große Unruhe rechts.) Der Herr Reichskanzler, der der Linken Uebertreibung vorwirft, hat selbst in atzlos übertrieben, den glänzenden Ausstieg unserer Wirtschaft nach der Einführung der Zölle schreiben Sie dieser Ein- sührung zu. Run, auf diese Einführung folgte bald nach 1906 die niedergehende Konjunktur. Wollen Sie hierfür auch die Zölle ver- antwortlich machen? Der allgemeine Aufstieg der Wirtschaft hat allgememrre Ursachen, er ist überall zu rvnstatieren, auch in dem freihändlerischcn England. Niemand von uns verwirst allen und jeden Zoll, auch Bamberger , der Typus deS Freihändlers tat das nicht. Wir verwerfen nur die Bereicherungszölle, den Mißbrauch des Staates zur Bercichening bestimmter Gruppen. Die Zölle müssen so bemessen sein, daß vorteilhafte Handelsverträge möglich sind. Von Ihnen(nach rechts) wird die öffentliche Meinung irre geführt, als wollten wir das ganze Schutzzollsystem niedereißen. Wir wollen Handelsverträge, die nicht diktiert sind von der Rücksicht auf den Großgrundbesitz, sondern von der Rücksicht auf das Allgemein- wohl. Die Sozialdemokraten verlangen Aufhebung des Einfuhrscheinsystems. Bei der Einräumung einer Uebergangszeit wären wir damit einverstanden. Weiter verlangt die Sozial- demokratie die Aufhebung der Grenzsperren. Wir wollen nur die Bestimmungen aufheben, die auf Um- wegen die Fleischeinfuhr verhindern sollen, nicht auch die Bestimmungen zum Schutz gegen Seucheneinschleppnng. Drittens verlangt die Sozialdemokratie sofortige Aufhebung der Lebensmittelzölle. DaS machen wir nicht mit. Diese Frage hat ein anderes Gesicht bei der Einführung der Zölle als bei ihrer Aufhebung. Hat der Zoll lange bestanden, so sind Wirkungen ein- getreten, die man als praktischer Politiker nicht unberücksichtigt lassen kann; die Einwirkung auf die ReichSkasse nnd auf die Preise; zudem bilden die Landwirtschafts- und Jndustriezölle ein System, von dem man den einen Teil nicht abschaffen und den anderen unberührt lassen kann. Hiernach werden Sie also wohl nicht weiter be- haupten, daß wir dieZölle ausLebensmittel ohne weiteres abschaffen wollen. Slber halten Sie(nach rechts) den Zolltarif für ganz fehlerlos? Die Zölle haben ein ungeheueres Steigen der Gütcrprcise verursacht, und die neuen Besitzer rufen nach erhöhtem Zollschutz. Slber weder die Massen noch die Industrie werden sich weitere Zoll- erhöhungen gefallen lassen. Durch die Zölle auf Brotgetreide wird namentlich der Großgrundbesitz bevorzugt, der ja, wie Graf Kanitz hier ausgeführt hat, die Viehproduktion den kleinen und mittleren Bauern überläßt. Einer gesunden Grundbesitzbildung wirken diese Getreidezölle direkt entgegen, sie b e g ü n st i g e n die Fideikommißbildung und beeinträchtigen die innere Koloni- sation, die überhaupt noch sehr einflußreiche Gegner hat. In der Rede des Reichskanzlers wurde die wünschenswerte Wärme des Tones vermißt, aber bei der Rede des Ministers von Schorlemer sank die Temperatur noch tiefer. Er sagte, das deutsche Volk sei in eine Teuerungsstimmung hineingeredet. Hat der Minister noch niemals abgehärmte Frauen mit blassem Gesicht früh morgens in Berlin vor den Schlächterläden warten sehen, um etwas Abfallsleisch zu kaufen? Kennt der Minister v. Schorlemer nicht die Petitionen der Beamten, der deutschen Telegraphenarbeiter, der christlichen Bergarbeiter und so vieler anderer Arbeitervereinigungen? Aus diesen bekommt man ein ganz anderes Bild davon, wie es der Bevölkerung geht, als man in manchem Ministerium offensichtlich hat. Die Schuldigen an den teueren Preisen, so weit man solche überhaupt zugibt, sollen überall sitzen, nur nicht in der Nähe der Minister; schuld soll sein die Presse, der Kleinhandel, der Groß- Handel. Nun, in der Presse wurde der erste Schreckschuß abgegeben durch die hohe StaatSregierung mit ihrer Notiz über die Kartoffeln. Gegen den Zwischenhandel ist losgezogen worden, besonder? gegen die Schlächter. In Berlin haben 1236 Schlächter, das find zwei Drittel sämtlicher Berliner Schlächter, »ur ein gewerbliches Einkommen von 2400 M.(Lebhaftes Hört! hört I links.) Diese Anklagen gegen den Zwischenhandel gehen von denselben Kreisen aus, die sonst mit Worten so gern den Mittelstand retten und ihm Preisvereinbarungen gestatten wollen. Die vom Minister v. Schorlemer angeführten Zahlen sind ganz haltlos. Er stützt sich aus eine Statistik, die im Sekretariat deS LandwirtschaftSrats, dem Professor Dr. Dedt vorsteht, an- gefertigt ist, und in der beim Scklveinefleisch die Köpfe und B e i n e n i ch t eingerechnet sind, als ob die Schweine ohne Köpfe und Beine herumlaufen.(Große Heiterkeit und Sehr gut! bei der Volksparlei.) So sollte» in Königsberg die Kartoffeln 2,60 M. kosten, in Berlin 8,00 M. Die HandclSwelt war ganz erstaunt, als sie das hörte, von solcher Differenz wußte niemand etwas. Der Minister hat übersehen, daß man in Königsberg nach �einfachen Zentnern notiert, in Berlin nach Doppelzentnern.(Schallende Heiterkeit.) Keiner will schuld sein. Herr v. Bethmann sagt waS kann ich denn dafür, daß eS nicht geregnet hat. Dafür kann er wirklich nicht; ckupiter pluvius(Regengott) zu sein, hat niemand von ihm verlangt(Heiterkeit), wohl aber, daß er die üblen Folgen der Regenlos igkeit abwendet oder mildert. Eine Verwaltung, die so günstig wirtschaftet, wie die der Eisenbahnen, kann wirklich etwas für die deutsche Viehzucht und die deutschen Fleischkonsumenten tun. Alles andere lehnt man ab. Man lehnt ab die Er n fuhr des argentinischen Fleisches. Kein Wort davon, daß man die Einsuhr der wichtigen Kleie erleichtern will. Die Aufhebung, auch nur die zeitweise Aufhebung der Futtermittel. zölle wird rundweg abgelehnt, abgelehnt aus Rücksicht auf den Großgrundbesitz, der Konkurrenz für das Brotgetreide fiitchlet. jjaljre erklärte der Landwirtschaftsminister der preußische natürlich: b e i g u t e r E r n t e übt der Zoll keinen Ein- fluß. Heute erklärt der Minister: bei s ch l e ch t e r E r n t e übt der Zoll keinen Einfluß. Also heute so. morgen so.(Sehr wahr I links.) Die bayerische Regierung denkt anders über die Frage der Futtermittelzölle. Warum nimmt kein Vertreter der bayerischen, der badischen Regteriing das Wort?(Sehr gut! links.) Die Frage der Futtermittelzölle ist ein wahrer Prüfstein für die Baneriisreundlichkeit der Zollpolitik.(Zu- stimmung links; Zuruf des Abg. Dr. A r e n d t: Wachhorst de Wente I) Der Abg. Wachhorst de Wente hat über diese Frage Ausführungen gemacht, die sich in gleicher Richtung bewegen, wie meine. Die gegenwärtige KrifiS enthüllt die innere Schwäche der Agitation des Bundes der Landwirte, den Interessengegensatz zwischen Getreideproduzenten und Viehzüchtern, zwischen großem und kleinerem Grundbesitz. Und der Großgrundbesitz herrscht in den Organi- sationen der Landwirtschaft. Er beherrscht den Bund der Landwirte ich erinnere an die Großgrundbesitzer Dr. R ö s i ck e und v. W a n g e n h e i m er beherrscht die Landwirtschafts- kammern, aus denen oder doch aus deren Ausschüssen er den mitt- leren und kleineren Besitz fernzuhalten weiß.(Leb- Haftes Sehr richtig I links; Lärm, Unruhe und Zurufe rechts.) Sehen Sie nach Mecklenburg . Dort will die Ritterschaft den Be- wohnern des DomaninmS, das volle zwei Drittel deS Landes ausmacht, ganze 12 unter de» SV Mitglieder» des ge- planten neuen Landtages zugestehen.(Lebhaftes Hört! hört! links.) AuS den K r e i S a u s i ch ü f s e n wird der kleine Bauer systematisch ferngehalten.(Sehr wahr I liickS. Zuruf rechts: Unsinn!) Dieser Znruf zeugt von der angeborenen Höflichkeit der Edelsten und Besten!(Heiterkeit und lebhafte Zustimmung links.) Warum versucht die Regierung nicht es mit der S u s p e n s i o n der Futtermittelzölle? Sie hat doch für diese Blaß- regel die Mehrheit selbst in diesem Reichstag . Wenigstens bat sich doch auch das Zentrum durch Dr. Heim dafür erklärt. Sehr temperamentvoll freilich klang der Beifall nicht, den das Zentrum diesen Worten spendete.(Heiterkeit und Ziistimmung.) Herr v. Bethmann Hollweg erklärt, über den Parteien zu st ehe n.(Heiterkeit links, Zuruf: Ach, du lieber Gott !) Wir wissen, was das heißt: über den Parteien stehen. B ü l o w hat eS erfahren, als er gestürzt wurde, weil Oldenburg sein großes Portemonnaie gefährdet erachtete und Herr v. Heydebrand die Branntweinsteuer für den springenden Pimkt der Reichsfinanzreform erklärte.(Hört! hört! und Sehr wahr! links.) BlllowS Nachfolger hat nunmehr die Sammelparvle aus- gegeben. Der Abg. Fuhrmann hat diese Sammelparole ab- gelehnt und Abg. Fuhrmann hat, wie ich erfahre, dies auf ein- stimmigen Fraktionsbeschlusi getan.(Hört I hört I rechts und links.) Lenderungen der Wirtschaftspolitik find nicht von diesem, sondern erst vom nächsten Reichstag zu erivarten. Ich will nicht prophezeien. aber ich gestehe, daß ich dem 12. Januar frohen Mutes entgegensehe.(Lebhafte Zustimmung links.) Die Wahlen von Oletzko-Lyk, Labia»- Wehlau , Kempten . Ko stanz(Abg. R i e s e b e r g schreit dazwischen: Halle!) sprechen eine deutliche Sprache. Wenn dem schwarz-blauen Block auch nur 3040 Mandate abgenommen werden, so ist das konservativ-klerikale Joch vom Rücke» deS deutschen Bolkes genommen. (Stürmischer Beifall links, tosender Lärm rechts.) Und so hoffen wir denn, daß die große liberale Partei, daß die bürgerliche Linke gestärkt aus den Wahlen hervorgehen wird.(Stürmischer Beitall' bei den Liberalen, Zischen rechts. Ein Antisemit übt sich im Pfeifen.) Abg. Dr. Arendt(Rp.): Von Mitteln gegen die Teuerung war in der Wahlrede des Dr. Pachnicke nicht die Rede.(Zurufe links.) Was kann der Schutzzoll, was kann die Regierung, was kann die deutsche Landwirtschaft für die Teuerung? Daß die Dürre so kurz vor den Wahlen eingetreten ist, ist ein wahres Schweineglück für die Opposition.(Sehr wahr I rechts.) Man spricht von der Aufhebung des G e m ü s e z o l l S. DaS bißchen Kohlzoll macht den Kohl auch nicht fett.(Heiterkeit.) Der Sozialdemokrat a. D. Calwer hat überzeugend die Notwendigkeit des Zollschutzes nachgewiesen. Auch der Sozial- demokrat M a u r e n b r e ch e r hat in denSoziali st is che» Monatsheften" so vernünftige Ansichten über diese Frage entwickelt, daß er wohl nächstens fliegen wird.(Heiter- keit und Sehr gut I rechts.) In den Ausführungen des Dr. Heim waren Rosinen, die der Linken gefielen. Akzeptieren Sie den ganzen Kuchen, dann nehme ich auch die Rosinen mit in de» Kauf. DaS Resultat dieser Debatte ist ein großer Sieg der Schutzzollidee. Nicht einmal der Sozialdemokrat S ü d e k u m hat sich unbedingt zum Freihandel bekannt. Der Abg. Pachnicke bat hier die Bauern gegen die Groß- grundbesitzer aufgehetzt.(Lebhafte Zustimmung rechts; Ilnriihe links. Abg. Pachnicke ruft zum Präsidenten Grafen Schwerin- Läwitz herauf: Istaufhetzen" ein parlamentarischer Ausdruck? Graf Sckwerin-Löwitz konferiert mit den Schriftführern und ruft den Dr. Arendt nicht zur Ordnung.) Wenn Großgrundbesitzer in den leitenden Stellen der Landwirtschaft sitzen, so verdanken Sie das dem Vertrauen der Bauern. Und sitzen in den Handels kammern Kleinhändler oder nickt vielmehr Großkaufleute? (Lebhafte Zustimmung rechts.) Draußen im Lande sehen wir einen Wahlblock von Bassermann bis Bebel. Hier im Reichstage aber sehen wir einen Schutzzollblock von Kanitz bis Bassermann. Wachhorst de Wente hat sich nur theoretisch, nicht praktisch für die Suspension der Lebensmittclzölle ausgesprochen. Dr. S ü d e k u m sprach von den Sterblichkeitsziffern. Im frei- händlerischen England ist in den amtlichen Totcnregistern oftiiials Hungertod" verzeichnet.(Hört! hört! rechts.) Daß in England gefrorenes Fleisch eine große Rolle in der Volksernähriiiig spielt, ist gerade ein Zeichen des Niederganges. Wer wie ich gefrorenes Fleisch gegessen hat, der weiß, daß es auf die Dauer ungenießbar ist. Das wird sich auch herausstellen, wenn man daS Fleisch zulassen wird. Im Gegensatz zu Dr. Südekum muß ich betonen, daß nicht bloß Großgrundbesitzer, sondern auch Bauern am Körnerbau interessiert sind. Ich habe noch eine Erflärung zu den Ausführungen der national- liberalen Redner, besonders des Herrn Fuhrmann, abzugeben. Wir begrüßen das unumwundene Bekenntnis der nationallibcralcn Partei zuni Schutzzoll. Wir vermissen den Hinweis auf die Gefährlichkeit der sozialdemokratischen Agi- t a t i o n. Die schroffe Stellungnahme der Nationallioeralen gegen rechts schmerzt uns als Mittelpartei ganz besonders.(Sehr wahr! rechts.) Aber trotzdem und trotz der schroffen Haltung eines Teiles der nationalliberalen Partei werden wir unsererseits die Brücken nicht abbrechen, zumal wir viele Ziele mit den National- liberalen gemeinsam haben. Mit Freude haben wir das Bekenntnis zu einer energischen Weltpolitik in der Rede des Abg. Fuhrmann vernommen und wir erkennen an, daß auch die Freisinnige Volköpartei mehr und mehr von ihren früheren kosmopolitischen Ideen zurückkommt. Auch wir wollen nicht daSZentrum als auSschlaggebcndePartei, das will niemand, ichglaube auch das Zentrum selbst nicht.(Heiterkeit.) Bei dieser Gemeinsamkeit sozialer Ziele und Anschauungen bedauern wir es. daß national- liberale Redner sozialdemokratische Wendungen gebrauchen.(Lebhafte Zustimmung rechts.) Wer nicht will, daß die Sozialdemokratie übermächtig wird, der muß dafür sorgen, daß eine starke Rechte hier ini Hause bleibt, denn eine solche ist das beste Gegengewicht gegen die Umsturzpartei.(Bravo ! rechts. Heiterkeit und Zurufe links.) Ihre(zu der Linken) Heiterkeit bei so einer ernsten Sache ist sehr bedauer- lich.(Bravo ! rechts. Erneute Heiterkeit links.) Ich hoffe, daß der gesunde Sinn die nationalliberalen Wähler trotz aller Fraktionsverärgerung in die Front führen wird, in die sie gehören, in die nationale Front gegen den Umsturz. (Bravo ! rechts.) Und ebenso hoffe und wünsche ich, daß die nächsten Wahlen ein Festhalten an unserer Wirtschaftspolitik bringen und unser Volk vor einem verhängnisvollen Sprung ins Dunkle bewahren werden.(Lebhafter Beifall rechts.) Landwirtschaftsminifter v. Schorlemer: Herr Pachnicke hat mir eine Verwechselung vorgeworfen. Ich habe aber von vornherein gesagt, daß ich eine Verantwortung für die Richtigkeit der Zahlen deS Deutschen LandwirtschaftSrats nicht übernehmen könn«. (Lachen links.) Die große Spannung zwischen den Vieh- und Fleisch- preisen ist übrigens auch nach einer Statistik des Städtischen Statistischen Amts in Berlin zu verzeichnen. Ich wiederhole, die Fleischer täten bester, statt beim Schweinefleisch des armen Mannes lieber beim Rind- und Kalbfletsch, das vom besseren Publikum ge- kauft wird, höhere Prene zu nehmen. Aus die O st m a r ke n- p o l i t i k hier einzugehen, habe ich keinen Anlaß. Ich bin aber gern bereit, im preußuchen Landtage der Behauptung entgegenzu- treten, daß die Ostmarkenpolitik im Abbau begriffen sei. Die innere Kolonisation beschäftigt die preußische LandwirtschaftS- Verwaltung dauernd. Die Auftechterhaltung großer Güter ist im Interesse unseres Körnerbaues notwendig.(Bravo I rechts.) Abg. Werner(Antis.): Den Grund- und Bodenwucher wird Herr Pachnicke nicht nur auf dem Lande, sondern noch mehr in den Städten finden. Auch erinnere ich ihn daran, daß es eine neue