Nr. 257.
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Vorwärts
Berliner Volksblaff.
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28. Jahrs.
Die Infertions- Gebühr
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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.
Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
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Donnerstag, den 2. November 1911.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
An die Arbeiter aller Länder!
In der Nacht vom 26. zum 27. September dieses Jahres, unmittelbar nach der Zu- aufdecken muß. Ist sie doch ihren Opfern ebenso verderblich wie denjenigen, welche daraus sammenkunft des Internationalen Sozialistischen Bureaus in Zürich , hat die italienische Vorteil zu ziehen glauben. Regierung, die wir nicht mit Italien verwechseln wollen, dem türkischen Reich ein In der Türkei und in den muselmännischen Ländern überhaupt erzeugt diefe Politik brutales Ultimatum geschickt und 48 Stunden nachher erklärte sie ihm den Krieg. hartnädige Rachsucht, gefährlichen Groll, und im Augenblick, wo eble Geister sich bemühen, Dieser Angriff fann nicht energisch genug berurteilt werden durch alle diejenigen, dort die Ideen, die Einrichtungen, die Freiheiten einzuführen, welche die abendländischen welchen der Weltfriede am Herzen liegt und die Achtung haben vor dem Völkerrechte. Nie- Nationen schon lange errungen haben, begünstigt sie die reaktionären Elemente und liefert mals vielleicht hat die räuberische Politik des Kapitalismus sich so vollständig jedes ihnen wirksame Argumente gegen jedes friedliche Eindringen europäischer Kultur. heuchlerischen Schleiers entblößt. Niemals hat sie weniger Anstrengungen gemacht, einen Schein von Entschuldigung zu finden bei einem Gewaltstreich gegen eine andere zivilisierte Nation, die im Beginn großer Reformbestrebungen steht.
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die Spanier erfahren es im Rif; die Italiener fangen an, es in Tripolis zu erleiden. Gegen ein derartiges Attentat konnte die internationale Arbeiterschaft sich nicht anders Sie fälscht die demokratischen Einrichtungen und hält deren Entwickelung auf. Sie stärkt die wie einstimmig erheben. Unsere italienischen Genossen sind mit unseren alten Gewalten und lenkt von den sozialen Bestrebungen ab. Sie verwickelt die Völker in türkischen Genossen bollständig einig, um im Namen der all. die endlose Kette der Militärausgaben. Sie droht in jedem Augenblick Katastrophen gemeinen Interessen des Proletariats gegen ein ebenso ber- u provozieren, welche an Greuel alle Greuel übertreffen würden, die die Welt jemals brecherisches wie wahnsinniges Unternehmen zu protestieren, gefannt hat. welches ebenso unheilvoll, vielleicht unheilvoller sein wird für die Steger wie für die Befiegten,- welches die Geißel eines Weltkrieges zu entfesseln und einen Abgrund zu graben droht zwischen Europa und der neuen islamitischen Welt, und welches in letter Konsequenz, notwendigerweise, den Mächten Vorwände liefern muß, die bisherigen Militärlasten noch drückender zu machen.s
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Dieser Politik der Roheit und der Gewalt mnß das internationale Proletariat mehr denn je alle Kräfte, über die es verfügt, entgegensetzen.
Unsere italienischen Genossen haben schon gegen die Expedition nach Tripolis getan, was sie unter so ungünstigen Verhältnissen tun konnten. Sie haben gekämpft und sie werden fortfahren, Fuß um Fuß gegen die nationalistische Bestialität zu kämpfen.
Eben um diesen Protest zu unterstützen, fußend auf die Stuttgarter und Kopenhagener Resolutionen sowie auf die spezielle Entscheidung, die in Zürich am 25. September getroffen Aber ihre Anstrengungen müssen von der ganzen Internationale unter. wurde, fordert das J. S. B. Euch auf, in den wichtigsten Städten Europas öffentliche ft üht werden. Es müssen eben alle unsere Sektionen ihnen unsere moralische Solidarität Versammlungen zu veranstalten gegen den Gewaltstreich von Tripolis und bezeugen. damit auch gegen den Krieg im allgemeinen.
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Wir protestieren also mit ihnen gegen den Krieg, und zugleich sprechen wir den Die Expedition nach Tripolis ist in der Tat nichts als eine der mannigfachen Kund- Wunsch aus, daß die türkische Regierung, indem sie aus den Ereignissen die Lehre zieht, gebungen der von allen Großmächten befolgten Politit. dwelche sich aus ihnen ergibt, indem sie sich bemühen soll, die ethnischen Gegensätze auszugleichen und den Beschwerden der Arbeiterklasse Rechnung zu tragen, zur Annäherung der Baltannationen wirksam beitragen möchte, bis ihre intimere Vereinigung zu einem föderativen Drganismus erfolgt sein wird. Die Nationen des Südostens von Europa besitzen alle Kulturbedingungen für eine autonome Entwickelung. Sie sind ökonomisch verbunden, sie werden sich politisch verbinden müssen. Der Sozialismus wird also mit seinem ganzen Einfluß die Idee der Solidarität der Baltannationen unterstützen und wird die Widerstandskraft diefer Bölter gegen die Intrigen und Angriffe des europäischen
Wie Italien nach Tripolis ging, so hat England Aegypten genommen, machen Frant reich und Spanien sich Maroffo streitig, hat Deutschland den Streich von Agadir ausgeführt, hat Desterreich- Ungarn sich Bosniens und der Herzegowina bemächtigt. Und an diese Mit schuld des Beispiels reiht sich nun die Mitschuld der Zustimmung: wenn die italienische Regierung so handeln konnte, hat sie es nur im Einverständnis mit ihren Verbündeten und im Einverständnis mit den„ Entente- Mächten" getan.
Auch ist es nicht nur die italienische Politik, sondern die Politik aller Mächte, die der internationale Sozialimus den Völkern als eine Politit der Wilden Kapitalismus stärken.
Arbeiter aller Länder! Vereinigt Euch gegen den Krieg, manifestiert für den Frieden, für die Abrüstung und für die Solidarität der Völker!
Der gefchäftsführende Husfchuß des Internationalen Sozialistischen Bureaus: Edouard Anseele . Léon Furnemont. Emile Vandervelde . Camille Huysmans , Sekretär.
Die heffischen Landtagswahlen.
fuchten fie diesmal faft überall Fühlung nach rechts mit| Wähler mit einer Stimme zurüd. Den Schaden davon hat allein dem politisch schwer fompromittierten Hessischen Nationalliberalismus. die Sozialdemokratie. Ferner wird die verschärfte Steuer. Die hälftige Erneuerung" der beffischen Zweiten Kammer wird Ihr Angebot eines Zusammengebens mit diesem wurde aber von den rädstandsflausel in diesen Tagen unerträglicher Teuerung Tausenden am Freitag, den 3. November, vor sich gehen. Die„ Reform" des völlig dem Zentrum und den antisemitischen Bündlern verfallenen Na- von Arbeitern das Wahlrecht tosten. Dazu kommt die schamlose heffischen Landtagswahlrechts vermochte auch diese veraltete, die tionalliberalen überall abgelehnt. Während darauf der Freifinn in Ober- neue Wahltreiseinteilung, die ganz auf das Interesse der politische Entwickelung des Landes hemmende Bestimmung der halb- heffen meist selbständig vorging, entschloß er fich anderswo, feinen Mehrheitsparteien zugeschnitten wurde, zum Schaden der Sozial schichtigen Wahl nicht zu beseitigen. Nicht einmal die einmalige Anhängern die Stimmabgabe für den Nationalliberalen oder den demokratie wie des Freisinns.
Der Krieg.
Die Nachrichten über die Lage in Tripolis widersprechen einander durchaus. Die Türken berichten in der bestimmtesten Weise über die Siege ihrer Truppen, die nahe daran seien, Tripolis einzunehmen. Die türkische Botschaft in Berlin gibt folgendes amtliches Telegramm bekannt:
gänzliche Erneuerung des Landtages wagte die Mehrheit zu be- Sozialdemokraten freizugeben. In einigen Kreisen verstand er sich Die hessische Sozialdemokratie dürfte unter diesen widrigen schließen aus Furcht vor der Sozialdemokratie, obwohl jetzt fogar zur bedingungslosen Unterstützung der Nationalliberalen. In Umständen am 3. November faum mehr Mandate erhalten als bisdirekt gewählt wird und der neue Landtag fonach nach zwei ganz Mainz erwuchs ihm dafür schöner Lohn, denn hier entschlossen sich her, trotzdem aber wird ihr eine nicht geringe Vermehrung ihrer verschiedenen Wahlsystemen zusammengefeßt sein wird. nicht nur die Rationalliberalen, sondern auch die Ultramontanen, Stimmenzahl sicher gelingen. Die eigentliche Quittung für die Von den 50 bisherigen Landtagsabgeordneten scheidet die Hälfte den freifinnigen" Kandidaten tatkräftig zu unterstützen und so den Schandtaten der reaktionären Mehrheit wird auch in Hessen erst der aus und bazu kommen die 8 neuen, durch die Wahlreform ge- Sozialdemokraten die Wiedergewinnung des 1908 verlorenen Mainzer 12. Januar 1912 bringen. schaffenen Mandate, von welchen je eins auf die Städte Mainz . Darm- Mandats unmöglich zu machen. Die jämmerliche Haltung des stadt, Gießen , Offenbach und Worms und je eins auf die ländlichen hessischen Freisinns bei den Landtagswahlen wird ihm jedoch jetzt Bezirke der drei hessischen Provinzen entfällt. Es find also nichts einbringen; bei den folgenden Reichstagswahlen sich aber 33 Mandate neu zu befezen, von welchen bisher 8 im Besige der bitter an ihm rächen. Nationalliberalen, 7 in dem der Bauernbündler waren, während 5 Die Furcht der bürgerlichen Barteien vor der Sozialdemokratie dem Zentrum, 3 der Sozialdemokratie, 1 den Freisinnigen und 1 den entstammt den Erfahrungen, die man bei den Reichstagsnachwahlen Wilden" gehörte. in Gießen - Nidda und Friedberg - Büdingen gemacht hat. Aber auch Die Konstellation der bürgerlichen Barteien im gegenwärtigen die Furcht des bösen Gewissens wirkt mit, denn die Verfündigung Wahlkampfe wird völlig von der Furcht vor der Sozialdemokratie der bisherigen Landtagsmehrheit an den politischen Rechten des beherricht. Wo die Wahl des sozialdemokratischen Kandidaten von Bolles, die Preisgabe wichtiger Rechte der Zweiten Kammer an die vornherein aussichtslos erscheint, da gibt es meist eine heftige Kaz Herrenkammer, die hoffnungslose Finanzlage Heffens; alles das balgerei um die Beute bei den Bürgerlichen . Dort jedoch, wo ichreit zum Himmel und hat tiefe Erbitterung in den Wählerkreifen irgend eine Aussicht auf Erfolg des Sozialdemokraten erstehen geschaffen. Und doch können die Machthaber in Hessen ruhig schlafen. fönnte, liegen sich die feindlichen Brüder gerührt in den Armen. Sie haben es durch ihre skandalöse Wahlreform nur zu gut berJe nach den Verhältnissen im Wahlkreise ziehen Bündler, National standen, borläufig wenigstens noch der Abrechnung zu entgehen. Das liberale oder Zentrum ihre Kandidaten zugunsten eines Kandidaten Blura I wahlrecht( Zweiftimmenrecht für Bähler über 50 Jahre) der„ befreundeten" Partei zurüd in der Zuversicht, daß es im be- berschafft insbesondere in den ländlischen Bezirken, bei dem erheblich nachbarten Streise umgefehrt gemacht wird. höheren Durchschnittsalter der bäuerlichen Bevölkerung gegenüber Eine zugleich traurige und lächerliche Rolle spielen diesmal die den Arbeitern, den Bündlern und dem Zentrum erhebliche Vorteile. heffischen Freifinnigen. Während diese bei den letzten Aber auch in den Städten überwiegt die Zahl der über 50 Jahre Landtagswahlen im Jahre 1909 mit sehr geringen Ausnahmen ent- alten bürgerlichen Wähler verhältnismäßig erheblich die der schloffen zur Sozialdemokratie standen es handelte fich um die Proletarier. In ganz Heffenland bleibt die Stimmenziffer der leider nicht gelungene demokratische Ausgestaltung der Wahlreform- fogenannten Altmännerwähler nur um etwa 12 000 hinter der ber
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In der Nacht vom 24. auf den 25. Oftober griffen türkische Truppen, durch Freiwillige unterstüßt, die Italiener an. Die feindliche Linie wurde an mehreren Bunften durch brochen. Bei diesem Kampf, der bis zum nächsten Tage 4 Uhr nachmittags dauerte, wurde der Feind bis zu dem Vorort Mahalla zurückgedrängt. In der Nacht vom 27. auf den 28. Oftober wurde der Angriff erneuert. Die Jtaliener wurden in die Flucht geschlagen und verließen die Forts Seidoe, Misri und Henni, wo sie zahlreiche Borräte, Munition und Maulesel zurückließen. Die Verluste der Jta. Iiener sind bedeutend. Die türkischen betragen ungefähr 40 Tote und 100 Verwundete. Nach den letzten Nachrichten sind die Italiener gezwungen, die Verteidigung auf die Stadt selbst zu beschränken.
Die Einnahme der Stadt ist in furzem zu erwarten.