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Diese Nachrichten werden von den I t a l i e n e r y nicht minder bestimmt als falsch erklärt. Die italienische Botschaft gibt folgende Note aus: Angesichts der phantastischen Nachrichten, die über die Lage deS italienischen Expeditionskorps in Tripolis der- öffentlicht worden sind, hält es die italienische Botschaft für nütz» lich, nachfolgende Mitteilung zu machen, durch die die gegenwärtige Lage auf dem Kriegsschauplatz genau bezeichnet wird: Die Italiener find in allen Kämpfen zu Wasser und zu Lande ohne Ausnahme Sieger geblieben. Sie haben Tripolis , Benghasi , Derna, Hoins und Tobruk besetzt, indem sie den Feind zwangen, sich zurückzu- ziehen. Seitdem find alle Angriff« deS Feindes zurückgeschlagen worden, wobei ihm sehr schwere Verluste zugefügt worden sind. Die italienischen Truppen haben zahlreiche Kanonen und zwei Fahnen erbeutet. Nach der Schlacht vom LS. hat lein Kampf mehr stattgefunden. Am merkwürdigsten ist, daß die Italiener nicht nur be- haupten, Sieger geblieben zu sein, sondern überhaupt leugnen, daß nach dem 26. gekämpft worden ist. Die Erfolge der Türken sollen hauptsächlich in der Nacht zum 28. errungen ivorden sein. Will man also nicht annehmen, daß die amt- lichen türkischen Depeschen überhaupt aus freier Luft er- funden sind, so macht die Ableugnung jedes Kampfes die italienischen Dementis allerdings stark verdächtig. Die Barbarei der Kriegsführung. Die Italiener suchen sich gegen die Anklagen, durch die Massenhinrichtungen gefangener Araber sich einer infamen Grausamkeit schuldig gemacht zu haben, durch gewundene Redens- arten zu entschuldigen, die- aber schließlich nur ein G e- st ä n d n i s ihrer Schandtaten enthalten. DieAgenzia Stefani" erklärt: Infolge deS Verrate«<?) der Araber, die. nachdem sie sich bereits der italienischen Regierung unterworfen hatten, hinter» listig die Soldaten in der Flanke angegriffen haben, im Ein» Verständnis mit den Türken, die die italienischen Verschanzungen in der Front angriffen, wurde es unvermeidlich, die Rebellen zu bestrafen und die Oase zu säubern. Diejenigen, welche mit der Waffe in der Hand angetroffen wurden, sowie die. welche nach einem regelrechten gerichtlichen Verfahren de» Morde» i?) für schuldig befunden wurden, sind erschossen worden. Andere Gefangene, die Verrat begünstigt hatten, oder ent- gegen den amtlichen italienischen Anordnungen Waffen trugen, sind an Zahl ungefähr 2200 nach ita- lienischen Inseln gebracht worden. Zum besseren Schutze der Vorposten zerstörte man in der Oase die Mauern und alles, was den Rebellen hätte nützen können; zuerst aber sorgte man dafür, daß die harmlosen Araber, Frauen und Kinder nach Tripolis in Sicherheit gebracht wurde». In Wirklichkeit waren e« die Feinde, die Grausamkeiten gegen Verwundete verübten. Zum Beweise bierfür dient die Tatsache, daß die Zahl der Toten ver- hältnisniäßig viel bedeutender ist als die der Verwundeten. Diese Beschtildigungen gegen die Araber werden wohl außerhalb Italiens nirgends Glauben finden. Neue Kämpfe! Kinstautinepek, 1. November..Jkdam' und»Jeni Gazetta' verzeichnen Gerüchte von neuen Kämpfen bei Benghasi und Derna. Hierbei sollen die Italiener hinter die Verteidigungslinie von Benghasi und Derna zurück» gegangen fein. Si) Tripolis , l. November. sMeldung derAgencia Stefanie'.) Gestern war hier alles ruhig, als plötzlich einige von feindlichen GebirgSgeschiwen abgefeuerte Schrapnells in die Stadt fielen. An den Befestigungen wurde kein Schaden angerichtet. Em Eingriff der Kriegsschiffe aus der Flanke trieb die Türken in die Flucht, zerstörte die Verschanzungen und machte vier Ge» schütze unbrauchbar. AuS Benghasi und HomS wird nichts Neues gemeldet. Eine türkische Drohung. Konstantinopel , I. November. Oberst N e s ch a t Bei notifizierte dem Kommandanten der italienischen Flotte vor Tripolis , daß er für das S ch i ck f a l der mehrere» tausend gefangene« Soldaten keine Verantwortung übemehme. falls die italienische Flotte abermals die Stadt Tripolis bombardiert. Die Stellung deS Zentralkomitees. Saloniki, t. November. Da» iungtürkische Zentral« k o m i t e« erklärt. eS werde sich nicht mehr in Angelegeicheiten der Regierung mischen und seine Mitglieder würden keine Bor» teile für sich oder Staatsstellungeii anstreben, widrigenfalls sie exemplarisch bestraft würden. Das Komitee werde den Fortschritt der Bildung fördern, an der Einigung der Rassen arbeiten und die Unternehmungen der Regierung unterstützen. Diese Erklärung soll auf die Haltung der Offiziere und die un- g ü n st i g e V o l k Z st i m m u n g zurückzuführen sein. Demonstrationen in Aegypten . Alexandrien , 1. November. Aus Anlaß der Beröffentlichung der türkischen SiegeSberichte herrschte gestern abend in der hiesigen Bevölkerung eine große Erregung. Bon Europäer» abgefeuerte Revolverschüsse verursachten einen Tumult. Die Ordnung wurde durch die Polizei wiederhergestellt. Eine Person wurde getötet und 14 Personen, darunter ein Europäer, verwundet. Der Vatikan als Kriegshetzer. Aus Rom wird un» geschrieben: Die Priester und Prälaten fahren weiter fort, wacker für Tripolis Reklame zu machen. Vorige Woche hielt Genosse PodreecainMontechiari<BreScia ) eine Partei« Versammlung ab, zu der der klerikale Großgrundbesitzer deS OrteS all seinen Pächtern den Zutritt verboten hatte. Der Pfarrer war vorher von HauS zu Haus gegangen und hatte die Frauen auf- gefordert, die Fenster beim Vorbeigehen Podreccas zu schließen. da sie sonst vom Blitze getroffen werden würden. Schließ» lich organisierten diese klerikalen Volkserzieher zu derselben Zeit, in der Podrecca sprach, einen Gottesdienst für die abreisenden Truppe». Bei dieser Gelegenheit wurden die Soldaten und die italienische Fahne gesegnet. In Livorno hat der Bischof der Diözese«inen Pilgerzug. der zur wundertätigen Madonna von Montenero pilgerte, mit einer Rede für die italienischen Soldaten beglückt. Die Mutter Gottes wurde aufgefordert, sie ruhmbetränzt zurückkehren zu lassen. Der Hirtenbries de» Bischofs von Bari enthält die folgenden Worte:Die Kirch« hat die abreisenden Soldaten mit ihrem Segen begleitet und hört nicht auf. heiße Wünsche zum Herrn zu senden. auf daß er sie von den Uebeln deS Krieges bewahre und zum Siege de« Friedens zurückführe.' Der Klerus scheint also die Warnung de»Offervatore Romano', der erklärt bat, daß diese Kriegssympathien nicht die Einwilligung deS Vatikans haben, nicht allzu ernst zu nehmen. Wahr» fcheinlich nimmt der Vatikan selbst sie nicht ernst. Niemand hat ein besser diszipliniertes Heer als der heilige Stuhl. Wie kommt es. daß die Disziplin diesmal ganz und gar versagt? DaS hat gewiß mehr mit den Aktien der. B a n c o d i Roma' als mit religiösen Auffassungen zu tun. Vit chinesische lüevolutisn. Juanschikai Ministerpräsident. Peking , I. November. Amtlich wird bekannt gegeben: I u a n s ch i k a t ist zum Premierminister ernannt ivorden, General Jingtschang zum Chef des General- stabes, Prinz T s ch i n g zum Präsidenten des Geheimen RatS. Das Kabinett soll gebildet werden, wenn Juanschikai das Amt des Premierministers übernimmt. In der Zwischenzeit soll Prinz Tsching als Premiermini st er fungieren. FriedeuSverhaudlnngt». Peking , 1. November. Juans chikai hat an die Regierung telegraphifch das Ersuchen gerichtet, einen interimistischen Premier- minister zu ernennen, wahrend er alle Angriffe»er Kaiser « lichen einstellen lassen und unverzüglich mit Liyuanheng wegen eines endgültigen Friedensschlusses in Unterhandlungrn trete» werde. Juanschikai will sich» falls er nicht auf andere Weise Unterhandlungen herbeiführe» könne, in das Lager der Aufständischen nach Wutschang begeben. Der Kampf um Hankau . London , 1. November. Nach einer Meldung auS Hankau haben am Sonnabend bei Tagesanbruch 5000 Revolutionäre die Regierungstruppen westlich von den Ansiedelungen der Europäer angegriffen und nach heftigem Kampfe die Hauptbahn« station wiedergenommen, wobei ihnen auch«in Maximgeschütz in die Hände fiel. Die Kaiserlichen zogen sich in die Reimbahn zurück. Inzwischen feuerten die Batterien der Nordforts von Wutschang auf die Kanonen- boote und zwangen sie, flußabwärts zu gehen. Die Kaiserlichen wurden gegen Mittag durch 3000 Mann der« stärkt, rückten vor und bedrohten die link« Flanke der Revolutionäre. Auf beiden Seiten gab es Hundert« von Toten und verwundeten. Die Revolutionäre be » wiesen großen Mut und gingen unter Hurrarufen kalt- bllltig gegen die Maximgeschlltze vor. Wahrscheinlich haben sie dabei für jeden gefallenen Feind zehn der Ihren geopfert. Die Kaiserliche» benutzten jede Deckung, gingen sparsam mit der Munition um und befolgten mit der Exakt- heit von Maschinen die Befehle, die ihnen durch Horn» und Pfeifensignale übermittelt wurden. Mehrere Granaten fielen in die europäischen Besitzungen, töteten und ver- wundeten einige Chinesen, richteten sonst aber nur geringen Schaden an. Ein fremder Dampfer ging mit einer Anzahl Huli» fluß » abwärts, um dem erwarteten Bombardement zu entgehen. Andere Dampfer nahmen die europäischen Frauen an Bord, während auf den HulkS sich Tausende von Chinesen befanden, die in europäischen Firmen angestellt sind. Später am Tage nahmen die Kaiserlichen die Bahnstation den Revolutionären wieder ab. Der Flott« deS Admirals Sah war es trotz eine««inständigen Bombarde- ments nicht gelungen, die Batterien nordwärts von Wutschang zum Schweigen zu bringen. Die Schiffe zogen sich ohne ernsthaste Beschädigungen zurück. Admiral Sah hat die Europäer benachrichtigt, daß er Wutschang nicht bombardieren werde, bevor Hankau «in- genominen sei. Sämtliche Straßen in der europäischen Niederlassung sind stark verbarrikadiert. Freiwillige und Harinesoldate» halten ständig Wachr Es bereitet Schwierigkeiten, für die An- siedelungen Lebensmittel zu beschaffen, da die Zufuhr abge» schnitten ist. Die Truppen für die Revolution. Peking , 31. Oktober. Eine Gesellschaft geflüchteter Ausländer, die hier eingetroffen ist. meldet, daß während der Revolte in T a i y u e n f u viele MandschuS und durch einen unglücklichen Zufall auch vier Ausländer verwundet wurden. In Peking hält die Aufregung an und die fremd« ländischen Truppen bewachen die Gesandtschaften. Die Forderungen der L a n ch o w« S o l d a t e n, die in der Hauptsache mit den Wünschen der Nationalversammlung überein- stimmen, sind von aufrührerischen Offizieren an die Garnisonen vieler Provinzen telegraphiert worden. Die Garnisonen von Tstnanfu und Paotingfu haben st« an- genommen und die Regierung benachrichtigt, daß sie nicht gegen die Aufständischen kämpfen werden. Die R«, gierung beabsichtigt, in allen Punkten nachzu- geben._ poUtifcbe Geberficbt. Berlin , den 1. November 1911. Tie Sieghaftigkeit der konservativen Gedanke«. Wir müssen hindurch!" hat das große Geistes- licht der konservativen Partei, der Abgeordnete Dr. v. Heyde- brand, jüngst auf dem schlesischen Parteitage der Konserva- tiven in Breslau gesagt: ein Satz, den dieKonserv. Kor- respondenz" mit der ihr eigenen Heuchelei folgendermaßen interpretiert:Hindurch durch das rote Meer, dessen Wogen höher und ungestümer» gegen die Dämme des monarchischen Staates und der bürgerlichen Gesellschaft sich heranwälzen, hindurch durch die trüben Fluten, in denen der bürgerliche Radikalismus plätschert, hindurch durch die Dämmerung des Liberalismus, der vqn seiner traditionellen goldenen Mittel- straße abgeirrt und auf Sumpsland geraten ist. hindurch in frohem Glauben an unseres Volkes Zu- kunft und in festem Vertrauen auf die Sieg- haftigkeit der konservativen Gedanken!" Recht fchöne Phrasen, die freilich durch die häufige An- Wendung, die sie sich in letzter Zeit in den leitenden Blättern der konservativen Partei gefallen lassen mußten, etwas an- rüchig geworden sind.Froher Glaube an unseres Volkes Zukunft" undfestes Vertrauen auf die Sieghaftigkeit der konservativen Ge- danken", klingt das nicht wunderschön und erhaben, fast so schön wie die Phrase von dergottgewollten Ord- nun g" oder von demunentwegtenKampffürdie heilig st en Güter der Nation". Gibt es doch immer noch Einfaltspinsel genug, die solche Phrasen ernst nehmen und sich daran berauschen. Ten Wahlmachern der konser - vativen Partei fällt eS natürlich nicht ein. derartigen leeren Redensarten irgendwelche Bedeutung beizumessen. Viel wich- tiger als dasVertrauen auf die Sieghaftigkeit der konser - vativen Gedanken" erscheint ihnen, Wahlgelder ein- zutreiben wobei sie nach altem bekannten Rezept durch- aus nicht davor zurückschrecken, ihrem Ersuchen durch amtliche Mittel und amtlichen Druck nachzuhelfen. Wie es gemacht wird, zeigen folgende zwei Schriftstücke. die derKösliner Ztg." auf den Redaktionstisch geflogen sind: Betr. BdL. JNo..... Bund der Landwirte Kl. Spiegel, im Oktober 1S11. Vorsitzender Bez. Stettin Hochgeehrter Herr! Der nächste Wahlkampf wird boraussichtlich ein ungewöhnlich schwerer und erbitterter werden und wir werden denselben nur mit Erfolg bestehen können, wenn eS uns gelingt, sehr erhebliche Geldmittel zu beschaffen. Nach meiner Auffassung wird von dem Ausfall der nächsten Wahlen nicht nur die Zukunft der deutschen Landwirschaft, sondern auch die gesamte politische und wirtschaftliche Entwicke- lung unseres Vaterlandes abhängen. Der neue Reichstag wird sich m>t der Wiederaufnahme der Verhandlungen über neue Handels- vertrage zu befassen haben; er wird erneut mit den Fragen deS Wahlrechts und der Steuern sich beschäftigen und bei der ganzen Natur des jetzigen Herrn Reichskanzlers müssen wir befürchten, daß er seine Stellung abhängig macht von der Majorität des Reichstages. Unter diesen Umständen muß ich an unsere zahlungsfähigen Freunde die dringende Bitte richten, uns diesmal mit wirk- lich erheblichen Beiträgen zu unterstützen, welche sich nicht auf einige 100. sondern auf einige 1000 M. belaufen. Es sind mir bisher in dankenswerter Weise Zahlungen von 1 bis 7000 Mark zugewandt worden und ich möchte auch Sie bitten, mir in diesem Rahmen Ihren Beitrag zur Verfügung zu stellen Die Zahlung desselben erbitte ich an dieGenossenschaftliche Zentralkasse d. B. d. L., Berlin SM. 11. Dessauerstratze 26" auf das KontoW." zu meiner persönlichen Verfügung. Ich habe die Absicht, in erster Linie aus diesen Mitteln diejenigen Wahl- kreise zu unterstützen, in welchen die hervorragenden konserva- tiven und agrarischen Führer kandidieren und bin gern bereit, über die Verwendung des Geldes Rechenschaft abzulegen. Wenn die deutsche Landwirtschast nicht den Entschluß faßt, die nötigen Opfer diesmal zu bringen, so fürchte ich für unsere Zukunft ganz autzerordentlich. Ich bin der Meinung, daß die Geldmit-tcl, welche wir zu diesen Wahlen aufwenden, sich autzerordentlich gut verzinsen «erde«, Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Freiherr v. Wangenheim. Freiherr v. Wangenheim scheint also auch nicht viel von der Sieghaftigkeit des konservativen Gedankens zu halten. Trotz des Kalikorruptionsfonds und ähnlicher schöner Ein- nahmeguellen sieht es leer aus in den Bundeskassen: deshalb heran mit den Moneten! Und da Herr v. Wangenheim die vaterländische Ethik seiner Pappenheimer kennt, appelliert er nicht an ihre Vaterlandsliebe, ihren Monarchismus, ihre Volkstreue, ihre konservativen Ideale, sondern an ihre Hab- gier. Die Agitationsgelder werden sich außerordentlich gut verzinsen, daS heißt, wenn der schwarzblaue Block siegt, wer- den die Konservativen die Lage benutzen, sich weitere LiebeS- gaben und Subsidien auf Kosten der breiten Volksmassen zu verschaffen. Etwas unvorsichtig von dem Vorsitzenden des Bundes der Landwirte, seine schönen Schröpfungsabsichten so offen auszusprechen! Doch dieKösliner Ztg." hat noch einen zweiten Brief erhalten, der fast noch schöner ist. Er lautet: Euer Hochwohlgeboren! Die Wahlen zum Reichstage stehen unmittelbar vor der Tür. Der Kampf wird diesmal, wie allgemein bekannt, sehr schwer werden; nur durch«ine andauernde, ernste und umfangreiche agitatorische Tätigkeit kann eS gelingen, unseren Wahlkreis der konservativen Partei zu erhalten. Diese Agitation macht aber sehr erhebliche Kosten, zu deren Deckung ausreichende Mffttel nicht vorhanden sind. Euer Hochwohlgeboren werden deshalb ergebenst um«inen Beitrag zum Agitationsfonds gebeten, dey Sie mit Rücksicht auf den viel ernsteren Kampf gefälligst höher bemessen wollen, als den zur Wahl im Jahre 1007 gezahlten. Aus besonderen Gründen, die einer Klarlegung wphl nicht bedürfen, wird dies Schreiben diesmal nicht, wie üblich. von dem Herrn, der die Aufforderung sonst hat ergehen lassen, sondern mit seinem Einverständnis von mir unterzeichnet. Eine möglichst baldige Ueberweisung JhreS Beitrages an den Unterzeichneten wäre im höchsten Grade erwünscht. Mit vorzüglicher Hochachtung (gez.) Timme, Kreissekretär. Zur Wahl im Jahre 1907 zahlten Euer Hochwohlgeboren einen Beitrag von.... Mark. Wie kommt der Herr Timme in seiner Eigenschaft als Kreissekretär dazu, solche Bettelbriefe zu schreiben und als amtlicher Geldeinsammler der konservativen Partei zu fun- gieren? Doch er ist, wie er in dem Schreiben zugesteht, nur Beauftragter eines anderen, der sonst die Bettelbriefe ver- sandt hat. Wer ist dieser große Unbekannte? Natürlich nicht der Herr Landrat des Kreises Köslin , Herr v. Eisenhart- Rothe, denn ein preuß-scher Landrat weiß natürlich ganz genau, daß er Staatsbeamter ist und nicht politischer Wahl- agent der konservativen Partei. Aber wer ist denn der große Unbekannte? Wir sind neugierig, diese aufopferungsvolle Seele kennen zu lernen._ Tie bayerischen Gemeindewahlen. Im Laufe deS Monats November finden im rechtsrheinischen Bayern an verschiedenen Terminen die Wahlen zu den Gemeinde« Vertretungen statt. ES sind die zweiten unter der Geltung deS im Jahre 1908 zum ersten Male erprobten Verhältniswahlsystems, und sie gewinnen erhöhte Bedeutung dadurch, daß durch sie der sozial- demokratische Einflutz in den Kommunen wixder eine beträchtliche Steigerung erfahren wird. Bei den in dreijährigen Perioden er» folgenden Wahlen werden die Vertretungen, soweit eS sich um Ge« nieiuden mit städtischer V-rsasiung handelt, nicht vollständig, sondern immer nur zu einem Drittel erneuert, sodatz. bei neunjähriger Amts­zeit der Gewählten, die volle Wirkung de» Proporzes sich erst nach Verlauf von drei Wahlperioden, also erst im Jahr« 1914. äutzcrn wird. Bei der diesmaligen Wahl wird sich die Zahl der 1908 neu gewonnenen Sitze voraussichtlich verdoppeln, bei der nächsten Wahl in drei Jahren mindestens verdreifachen. Da» System der Verhältniswahl kommt nur in den Gemeinden mit über 4000 Einwohnern zur Anwendung; durch diese schlaue Bestimmung hat sich daS bayerische Zentrum die unumschränkte Herr- schast W den ländlichen Gemeinden gesichert, während es in den gröberen Orten, wo gewöhnlich der Liberalismus bisher in der Kommunalvertretung dominierte, durch die Verhältniswahl Eingang findet. Im Jahre 1903 betrug die Zahl der Gemeinden mit über 4000 Einwohnern IIS, nach der letzten Volkszählung ist sie aber aus 128(von rund 8000 im ganzen) gestiegen. Diese 128 Gemeinde«