Mtlttärjusilzreform. die auch nur den geringsten Forderungen ent- Ipräche. Der Referent beantragt folgende Resolution: Die Sozialdemokratie verhält sich gegen alle Forderungen de-Z Militarismus prinzipiell ablehnend und steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß es gegenüber einem Wehrsystem, ivelches lediglich als ein Machtinstrument der herrschenden Klassen funktioniert und in seiner Abhängigkeit von dynastischen und imperialistischen Einflüssen eine stete Gefahr für den Weltfrieden bildet, keine andere Politik geben kann, als die der unver- söhnlichsten, jeden Mann und jeden Groschen verweigernden Opposition. Eine parlamentarische Mitarbeit an Heerssreformen kann es daher für»vre sozialdemokratische Fraktion nur in dem Sinne geven, als die Möglichkeit besteht, einerseits die Militärlasten der Bevölkerung zu erleichtern und andererseits die Borbedingungen für eine allmähliche Umwandlung des stehenden militaristische» Heeres in eine demokratische Wehrgenossenschaft, in eine Volks- Miliz, zu schaffen. Die sozialdemokratische Fraktion hat demgemäh mit aller Energie für eine ausgiebige und für alle in gleicher Weise geltende Abkürzung der Akliudienstzcit— zunächst auf zwei Jahre, im weiteren Verlaufe auf vierzehn Monate— bei gleichzeitiger Auf- Hebung aller Begünstigungen, mit Ausnahme derer, die besitzlosen Familienerhaltern zugute kommen, wie auch für die gesetzliche Gleichstellung der Soldaten mit den anderen Staatsbürgern, unter Abschaffung jeder Sondergerichtsbarkeit, einzutreten. In Erwägung, dah der von der Negierung eingebrachte Ent- Wurf zur Reform des WehrgejetzeS eine ungeheuere Mehrbelastung der Bevölkerung anstrebt; in fernerer Erwägung, dah der statt der einheitlichen zwei« jährigen Dienstzeit gebotene trügerische Schein einer Dienstzeit- Verkürzung nicht nur keinerlei Kompensationen bietet, sondern blob einen Zustand schaffen würde, der die Härten der Militär- dienstpflicht, zumal für die Arbeiterklasse, noch unerträglicher machen mühte; in lveilerer Erwägung, daß diese Reformvorlagen auch schwere finanzielle Mehrbelastungen vorsehen, die ohne Rücksicht auf die akute wirtschaftliche BerückdrängniS der Bevölkerung aufgebürdet werden sollen; in weiterer Erwägung, daß diese Vorlagen bei noch größerer Berücksichtigung der Interessen deS Bürgertums jede soziale Einsicht gegenüber dem Proletariat vermissen lassen; in schließlicher Erwägung, daß demnach die von der Regierung beabsichtigte Reform der Heeresorganisation in jeder Hinsicht einen Rückschritt darstellt, erklärt der Parteitag, daß diese Vorlagen in der entschiedensten Weise zu bekänipfen sind, daß aber zugleich mit nicht geringerer Entschiedenheit der Kamps um die bedingungslose Ver- türzung der Aktivdienstzeit auf zwei Jahre ohne Vergrößerung deS Friedenspräsenzstandes zu führen ist. Der Parteitag fordert nachdrücklich die Abschaffung der ge- sonderten Militärgerichtsbarkeit und die Unterstellung aller Staats- bürger, ob sie Soldaren sind oder nicht, unter dasselbe Recht und unter dieselben Gerichte. Er verurteilt den von der Regierung vorgelegten Entwurf einer neuen Militärstrafprozeßordnung. um so mehr, als er ein Hohn auf die Grundsätze der Unabhängig- keit der Gerichte und der Oeffentlichkeit des Verfahrens ist und jogar eine von der Gunst der Regierung unabhängige Verteidigung ausschließt. Der Redner schließt mit einem Hinweis auf den Aufstand der Alba nefen, dessen Beweggrund die Abneigung gegen den Kasernendienst war. Wir bekämpfen den Milltarismus, weil wir eine kriegerische Klasse sind. Nicht die Waffen nieder, sondern die Waffen her! Die Miliz wird die Diktatur deS Proletariats fein. (Lebhafter Beifall.) Telegramme zur Begrüßung senden die Redaktion des„Przedowit* in Krakau und die serbische Sozialdemokratie. In der Debatte über die Wehrreform führt Abg. S ch u h m e i e r- Wien aus, daß die bürgerlichen Parteien nicht mehr widerstandslos den militärischen Forderungen gegenüberstehen. Sie haben manche unserer Forderungen in ihre Punktationen auf- genommen. Die bäuerlichen Abgeordneten müssen sür»nein- geschränkte zweijährige Dienstzeit eintreten. Die Resolution Schulz wird einstimmig ange- nommen. Verschiedenes. Abg. S k a r e t- Wien empfiehlt, den Antrag Wien VII sNeubau), gegen die Aemterhäufung und Kumulierung von Mandaten, obgleich dies nicht geschehe, der Parteiverlretung zu überweisen.— E i s i n g e r- Wien: Der Antrag soll ja vorbeugend wirken.— Dr. Adler: Es kann nötig werden, eine Beziehung zwischen den Parteivertretungen in verschiedenen Körperlchafle» herzustellen. Äcmterkumnlierung heißt ja nicht Anhäufung von Arbeit, sondern von Macht und Geld. Bei uns bedeutet jedes Parteiamt mehr Arbeit als bei anderen Parteien. Bon Aemterhäufungssucht kann bei uns gar keine Rede sein. Wir müssen immer den aussuchen, der den Einfluß der Partei in Vertretungskörperschaften am besten aus- üben, die Arbeit am besten leisten kann.(Beifall.) Der Antrag wird überwiesen. Ein Antrag Seliger, Kleinbauern auS allen Ländern zur Vorarbeit für eine Organisation einzuberufen und im Zweihcller- blatt„Das Volk" dafür zu wirken, wird angenommen. Ein Antrag auf Förderung der Arbeiter-Radfahrervereine wird angenommen; ein Antrag, den nächsten Parteitag in Karlsbad abzuhalten, wird überwiesen. Protest gegen den Krieg. Es wird beschlossen, die vom Internationalen Bureau beschlossene Manifestation gegen den Krieg durch einen feierlichen Protest gegen das treulose Vorgehen der iialienischen Regierung und gegen ihren Raubzug zu unterstützen. Eine scharfe Resolution in diesem Sinne wird angenommen und den italienischen Prolelariern Brudergruß entboten und erklärt, daß Oesterreich- Ungarn aus dem Balkan nichts zu suchen hat.(Stürmischer Beifall.) Vors. Abg. Abram dankt herzlich für die Abhaltung de« Parteitages in Innsbruck , der auch der Bewegung sehr viel genützt hat, namentlich auch in Anbetracht der zuwandernden Arbeiter.„Da kommt der Fabrikant mit dem D-Zug und der Aujnst und Fritze kommt, weil er kein Jeld hat. mit dein Knotenstock anjetippelt.' Aber hier wird er unser Genosse.(Großer Beifall.)— Schuh- meier dankt herzlich dem Präsidium.(Stürmischer Beifall.) In seiner Schlußrede würdigt Perner st orfer in eindruckS- vollen Worten die bedeutsamen Arbeiten des Kongreffes, dankt den Jnnsbruckern allen unter großem Applaus für ihre Herzlichkeit und Arbeit. Er schließt mit einem widerhallenden dreifachen Hoch auf die Partei und die Internationale. Der Parteitag erhebt sich und fingt begeistert das Lied der Arbeit. Zum vereinsrecht. 1. Aufgehobenes Verbot einer Versammlung unter freiem Himmel. Ter Arbeitersekretär P. Karuga vom polnischen Berufs- verein hatte zum 12. Juni 15)10 nach dem Grundstück des Besitzers B. eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel einberufen. Der Amtsvorsteher von Birkenhain, wo auch der Versammlungs- platz liegt, versagte die polizeiliche Genehmigung, weil eine Ge- fützrdung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten sei. K. selber habe die Zahl der voraussichtlichen Besucher auf 400 bis 600 an- gegeben. Wenn nun das Grundstück auch lang genug sei, so wäre es doch nur 13 Meter breit. Die Versammlungsbesucher grup- pierten sich meist um den Redner. Wegen der geringen Breite würden eine Anzahl Besucher auf die daneben liegenden Felder gedrängt werden und der'Saatenstand würde beschädigt werden. Auch herrschten im Ort gespannte politische Verhältnisse. Der Bezirksausschuß in Oppeln als Berufungsinstanz wieS »ie von karuga erhobene Klage ab und führte aus: Ein Streik. der im Laufe des Verfahrens noch für das Verbot herangezogen worden sei, Haie auf das Gebiet von Birkenhain nicht über- gegriffen. Er scheide deshalb ohne weiteres aus. Aber der Ver- sammlungsplatz müsse mit dein Amtsvorsteher als ungeeignet er- achtet werden, weil er zu schmal sei und Leute auf die anstoßenden Felder gedrängt werden könnten. Da» Obcrverwaltungsgericht gab am Freitag der hiergegen gerichteten Revision K.S statt, hob die Borentscheidungen auf und erklärte gleich das Verbot für ungerechtfertigt. Die Verbotsver- fügung wurde außer Kraft gesetzt. Die Gründe gingen dahin: Der Bezirksausschuß gehe von einem Irrtum aus, indem er den Platz für zu klein erkläre, mit der Möglichkeit des Uebertritts auf fremde Grundstücke rechne und daraus eine Gefährdung der öffent- lichen Sicherheit im Sinne des Z 7 des Vcrcinsgesetzes herleite. In dieser Auslegung des Begriffs einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit habe der Senat dem Bezirksausschuß nicht folgen können. Daß der Platz für die zu erwartende Besucherzahl genügt hätte, stehe fest, wenn er auch nicht besonders breit gewesen sei. Selbst wenn es hätte vorkommen können, daß ein Ucbertritt auf fremde Grundstücke erfolgte, so würde allein darin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit auch nicht erblickt werden können. Es müßten gerade besondere Umstände geltend gemacht werden können, daß sie bei dem Uebertritt zu einer Gefährdung für die öffentliche Sicherheit führen könnten. Das sei nicht geschehen. Wegen der irrigen Auslegung des Begriffs der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit müsse die Borentscheidung aufgehoben werden. Bei der nunmehr dem Senat zustehenden freien Beurteilung könne es hier einen Grund, die Versammlung zu verbieten, nicht finden. Somit sei das Verbot gleich außer Kraft zu setzen. 2. Eigenartiger Vcrbotsgrund. Die Polen im Amtsbezirk Schömberg (Oberschlesien ) wollten am 14. August 1910, nachmittags 4 Uhr, in einem Garten eine Versammlung unter freiem Himmel abhalten, in der Arbeiterangelegenheiten erörtert werden sollten. Einberufer war der Arbeitecsekretär Karuga vom polnischen Be- rufsvercin. Der Amtsvorsteher versagte die Genehmigung, weil eine Störung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten sei. Be- sonders berief er sich auf eine sozialdemokratische Versammlung, die infolge von Störungen nicht habe zu Ende geführt werden können. Sie habe aufgelöst werden müssen, weil die Anhänger des jetzige» Klägers sie gestört hätten, so daß nur die Auflösung körper- lichen Schädigungen der Gegner habe vorbeugen können. Der KrciSausschuß wies die klage Karugas gegen den Amts- Vorsteher ab und der Bezirksausschuß bestätigte das Urteil mit folgender Begründung: Es stehe fest, daß eine von sozialdemokratischer Seite zum 22. Mai 1910 einberufene Versammlung nicht habe abgehalten bezw. zu Ende geführt werden können, weil sie von ihren polnischen Gegnern, zu denen auch der jetzige Kläger gehöre, gestört worden sei. Die Polen hätten damals geschrien:„Schmeißt doch die Schweine raus" und dergleichen mehr. Nur durch die Auflösung habe eine Schlägerei verhindert werden können. Die Polen und Sozial- demokraten in Oberschlesien bekämpften sich dauernd. Dabei richte sich ihr Bestreben darauf, die gegenseitigen Agitationsversamm- lungen zu stören und zu verhindern. So seien auch die Anhänger des Klägers in der sozialdemokratischen Versammlung vom 22. Mai 1910 erschiene», obwohl sie nicht eingeladen gewesen seien. Nach- dem sie jene Versammlung gestört hätten, wäre zu befürchten ge- Wesen, daß diesmal die Sozialdemokraten kommen und ihrerseits die von polnischer Seite einberufene Versammlung zu stören ver- suchen würden. Dabei wäre dann mit der Wahrscheinlichkeit einer Schlägerei und einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu rechnen gewesen. Deshalb sei das Verbot berechtigt. DaS Oberverwaltungsgericht als Revistonsinstanz bestätigte am Freitag das Urteil, indem es kurz ausführte, ez habe nicht die Ueberzeugung gewonnen, daß der Bezirksausschuß hier bei der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse rechtlich geirrt habe. Infolgedessen könne der Senat nicht der Revision stattgeben und nicht die Vorentscheidung aufheben. Das Oberverwaltungsgericht ist in diesem Fall, der unmittel- bar vor der Klage über die Wandlitzer Auflösung entschieden wurde— über diese berichteten wir am Sonnabend— noch über den Wandlitzer Fall hinausgegangen. Das Gesetz engt ausdrücklich ein Einschreiten der Polizei aus allgemeinen landespolizeilichen Gründen auf den Fall ein, daß eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer bestehe. Nach dem Ober- Verwaltungsgericht würde es aber genügen, daß eine entfernte Möglichkeit für das Entstehen einer harmlosen Schlägerei besteht. Das Oberverwaltungsgericht verletzt offensichtlich zuungunsten der Versammlungsfreiheit diesen Grundsatz. Auf dte Rechtsfrage be- halten wir uns vor einzugehen, wenn im Wandlitzer Fall das schriftliche Urteil bekannt werden wird. ver Crott der Durchgefallenen. DaS Ergebnis der iw Berlin vollzogenen Stadtverord- netenwahlen dritter Klaffe, das der Sozialdemokratie neue glänzende Siege gebracht hat und für den Kommunal- freifinn geradezu vernichtend ist, wird von der bürger- lichen Presse mit mancherlei Kommentaren begleitet. Die Frei- finnsblätter suchen sich meist mit einem Verlegenheitsgestammel über das Eingeständnis der erlittenen Niederlage hinwegzuhelfen, während ein paar konservative Zeitungen lieblos den zerschundenen Kommunalfreisinn in seinem Schmerz verhöhnen. Amüsant ist die Art. wie die„Vossische Zeitung" ver- sucht, sich mit dem niederschmetternden Mißerfolg ihrer Partei abzufinden. Noch am Sonntag, dem Tage der Wahlen, hatte dieses Hauptorgan des Berliner Kommunalsreisinns. wie wir in unserer Montagsnummer hervorhoben, seinen Lesern erzählt, eS bestehe „für die Liberalen immerhin die Aussicht, sich in ihren sechs seit- herigen Mandatsbezirken zu behaupten und ihren Besitzstand und ihre Stoßkraft, sei es durch Stimmengewinn, sei es durch Eroberung des einen oder anderen neuen Bezirks, zu mehren". Am Montag aber klagte„Tante Voß" plötzlich:„daß die Ansehung der Wahlen aus den Sonntag in erster Linie den Sozialdemokraten zugute kommen würde, war vorauszusehen". Selbstverständlich ist es durch- auS falsch, die bei diesen Stadtverordnetenwahlen erzielten bedeu- tenden Fortschritte der Sozialdemokratie lediglich dem „Sonnrag" zuzuschreiben. Ohne die wachsende Werbe- kraft unserer kommunalpolitischen Forderunyen hätten keine Sonn- tagswahlen uns so glänzende Erfolge bringen können, wie sie jetzt wieder der pflichttreuen Agitationsarbeit unserer Genossen beschie- den gewesen sind. Der Ausgang auch dieses Wahlkampfes zeigt — darüber kann kein Verständiger in Zweifel sein— wieder zum Greifen deutlich, daß der Liberalismus in der breiten Masse der werktätigen Bevölkerung abgewirt- schaftet hat. Doch die„Vossische Zeituny" macht den erheiternden Versuch, ihre Leser in den Glauben zu wiegen, das Wahlergebnis sei„ein Beweis, daß der liberale Gedanke noch keineswegs in der Abnahme begriffen ist". Das Blatt erzählt, daß„die Liberalen in mehre- ren Wahlbezirken ihre Stimmenzahl erhöht haben, so unter andern im 1., 2., 3., 4., 14. Bezirk". Wir haben schon in unserer MoniagSnummer gezeigt, daß eine Vergleichung der dies- jährigen Wahlergebnisse mit Ergebnissen früherer Wahlen nicht gut — mindestens nicht nach Bezirken— möglich ist. weil die Neuab- grenzung der Wahlbezirke zu einer weitgehenden Verschiebung der Bezirksgrenzen geführt hat. Die.Vossische Zeitung" aber hat sich über die klaren Tatsachen hinweggesetzt und frisch darauslos ver- glichen. Das hat sie offenbar in der Weise getan, daß sie neben alte Wahlbezirke die vergrößerten neuen stellte, in denen diese alten teilweise oder ganz aufgegangen sind, und ohne Bcrücksichti. gung der bedeutenden Zunahme der Wähler» zahlen nur die Siimmenzahlen des FrcijimiS verglich, woraus sich dann her Schluß ergall, 8er Freisinn Halle seine Stimmenzahl „erhöht". Das Organ des Kommunalfreisinns unterläßt nur, hinzu- zufügen, daß die Erhöhung der Stimmenzahl für die Sozialdemokratie sehr viel stärker war. Wollten wir das Verfahren der„Vossischen Zeitung" mitmachen und nach Bc- zirken vergleichen, so wäre es uns ein Leichtes, zu zeigen, daß bei Berücksichtigung des Vczirkszuwachses der Freisinn tat- sächlich sehr übel abschneidet. Wir gönnen den Durchgefallenen ihren billigen Trost. Wenn der Freisinn durchaus sich über seine Stärke täuschen will, so sehen wir keinen Anlaß, ihn daran zu hindert!. Mit demselben cschwatz, wie die„Vossische Zeitung" ihn ihren Lesern vorsetzt, möchte auch die„Freisinnige Zeitung" die Niederlage bemänteln. Auch sie gibt dem Sonntag die Schuld, und auch sie glaubt anderer- seits hervorheben zu sollen, daß„in mehreren Bezirken ein An- wachsen der freisinnigen Stimmen zu verzeichnen" sei. Einfach köstlich! Das Blatt jammert weiter über angeblichen„Terro- rismus" der Sozialdemokratie, der die Geschäfts- leute von der Wahl abgeschreckt habe, und schimpft schließlich über „Verrat" der Konservativen, von denen der Sozial- demokratie durch Stimmenthaltung Vorschub geleistet worden sei. „Perfide Taktik" wirft auch die„Vossische Zeitung" den Kon- servativen vor. Die„Kreuz-Zeitung " antwortet ihr kühl: „Man kann dem Schmerz der Liberalen viel zugute halte». Aber daß sie es als unsere patriotische Pflicht ansehen, freisinnige Kandidaten gegen sozialdemokratische zu unterstützen, das ist Tartüfferie." Und dem Berliner Kommunalfreisinn reibt sie seine aus dem Dreiklassen-Gemeindewahlrecht beruhende Rathaus- Herrschaft folgendermaßen unter die Nase:„Wir haben nie gesehen, daß die Mehrheit der dritten Klasse in Berlin nicht fort- s ch r i t t l i ch ist. und möchten fragen, wie sich die Fortdauer deS fortschrittlichen Regiments in Berlin mit den fortschrittlichen Grundsätzen verträgt? Es beruht auf konservativen Wahl- gesehen. Das soll-de der Fortschritt sich in dieser schweren Stunde einmal gründlich zu Herzen nehmen." Liebloser noch äußert sich die„Deutsche Tageszeitung", die nach einer Schilderung des verzweifelten Ringens der Liberalen höhnend ausruft:„Das also ist hie Stoßkraft des liberalen Gedankens!" Dem„Trost" der Durchgefallenen stellen wir die nüchterne Tat- fache gegenüber, daß bei den diesjährigen Stadtverordnetenwahlen dritter Klasse, wo in 17 beteiligten Bezirken 129 452 Wahlberechtigte vorhanden waren, die Sozialdemokratie es auf 48 534 Stimmen gebracht hat, ivährend für den Liberalismus nur 11 200 Stimmen abgegeben wurden. Unsere Wähler waren diesmal bereits über 37 Prozent aller Wahlberechtigten und die Zahl der Stimmen für uns stieg auf 81 Prozentaller abgegebenen Stimmen. Wenn man. wie es bei Stadt- verordnetenwahlen dritter Klasse üblich ist, die vor 6 Jahven er- zielten Antcilziffern zur Vergleichung heranzieht, so ergibt sich, daß damals noch nicht 23 Prozent der Wahlberechtigten für die Sozialdemokratie eintraten und erst 74 Prozent aller Stimmen auf die sozialdemokratischen Knadidaten entfielen. Die Beteiligung an den Wahlen war übrigens mit nur 46 Proz. aller Wahlberechtigten keineswegs so stark, wie man es von der Verlegung auf den Sonntag hätte erwarten sollen. Dieses dem Magistrat endlich abgerungene Zugeständnis ist sicherlich nicht die Ursache der Niederlage des Kommunalfreisinns. Aber eS hat gewiß manchem pflichttreuen Wähler aus der Arbeiterklasse die Beteili- gung an der Wahl dadurch erleichtert, daß er nun nicht mehr leine Arbeit im Stich zu lassen und einen Teil seines Verdienstes opfert» braucht, um seiner Wahlpflicht zu genügen. Aber auf die N i ch t* Wähler, die den Stadtverordnetenwahlen gleichgültig gegenüber. stehen, hat die Möglichkeit, am Sonntag zu wählen, offenbar wenig Einfluß ausgeübt. Etwaigen Versuchen des Freisinns, die Sonntagswahlen wieder zu beseitigen, würden die Vertreter der Arbeiterklasse im Stadtparlament selbstverständlich den schärfsten Widerstand entgegensetzen. Die Stadtverordnetenwahlen der zweiten Klasse haben in Berlin am Montag stattgefunden. Von einem„Kampf" kann hier bekannt, lich nicht die Rede sein; die zweite und die erste Klasse sind— auch das bleibt ein.Trost" für die Durchgefallenen der dritten Klasse— unbestrittener Besitz des Kommunal» freisinns. Für die vereinzelten Wähler der zweiten Klasse, die sich zur Sozialdemokratie bekennen, war unser Genosse Stadt - verordneter Hugo Hei mann als Zählkandidat aufgestellt. Auf ihn entfielen in den 16 Bezirken der zweiten Klasse überhaupt 212 Stimmen, in manchen Bezirken nur 2, 3, 4. 5 Stimmen, in einigen anderen Bezirken aber bis zu 22, 34, 45, 46 Stimmen. Dia 16 Freisinnskandidaten wurden gewählt mit Stimmenzahlm. die zwischen 185 und 1080 schwankten. Wiedergewählt wurden die bis- hcrigen Stadtverordneten Sonnenfeld. Kaempf. Hellriegel. Kühl» mann, Bamberg . Löser. Schmidt. Feuerstein. Meybring. Lohmann, Witkowski, Gronewald, Sökeland, Lentz. Zwei durch Tod frei- gewordene Mandate wurden durch Neuwahl an Bezirksvorsteher Heinze und Fabrikant Hufs vergeben. Die Stadwererdnetenwahlen erster Klasse finden am heutigen Dienstag statt. Zählkandidat ist in allen Bezirken wieder Stadt- verordneter Hugo Heimann. 8o2iales. Gegen die Zulassung der Ersatzfasse». Der Beschluß der Reichsversicherungskommission, die privaten Ersatzeinrichtungen, besonders die Werk» Pensionskassen nach den Vorschlägen der Regierung als vollgültige Ersatzkassen für die staatliche Pensions- Versicherung zuzulassen, hat begreiflicherweise unter den Privatangestellten große Beunruhigung hervorgerufen. In dieser Frage sind sich bekanntlich alle Organisationen der Privatangestelltcn einig.«Hauptausschuß" und«Freie Vereinigung", die sonst in ihren Auffassungen über den Gesetzentwurf sehr weit auseinandergehen, haben die Beseitigung der Ersatzeinrichtungen stets mit gleichem Nach- druck gefordert. Auf demselben Standpunkt steht der „Soziale Ausschuß von Vereinen technischer Privat- angestellten", der sich am Sonnabend in einer gutbesuchten Vertrcterversammlung mit der PcnsionSvcrsicherungsfrage be- schäftigt habe. Nach hingehenden Beratungen wurde be- schlössen, als neutrale Instanz an die beiden vorerwähnten Körperschaften heranzutreten und sie unter Zurückstellung aller bestehenden Differenzen zur Veranstaltung einer gemeinsamen Protestkundgebung in Berlin aufzufordern, die voraussichtlich schon in den nächsten Tagen stattfinden wird. Konsumverein und Politik. Die„Könsumgcnossenschaftliche Rundschau" kann e» nicht unterlassen, der Ausdehnung der Konsumvereinsbcwegung durch ihre Ausführungen»ach Möglichkeit— natürlich unbewußt—' entgegenzuwirken. In ihrer Nummer vom 4. d.M. sucht sie den von unS als erfreulich bezeichneten Beschluß der Frankfurter Konferenz über daz Verhalten bei der Reichstagswahl nach Möglichkeit za
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