Dr. Ouidd« treten unter Anführung der Ve!annten Gründe undunter Hinweis auf Preugen für die Zulassung der fakultativenFeuerbestattung ein, indem fie es als ein Naturrecht bezeichnen,daß jeder Mensch die freie Verfügung über seinenKörperhabenmüs se.Der Minister dcS Innern v. Brettreich erklärte darauf:Die bayerische Staatsregiernng hat wiederholt sowohl in denKammersitzungen als auch in den Ministerialentschliestungen denStandpunt! vertreten, daß die Feuerbestattung in Bayern zurzeitnickt zugelassen werden kann, da die gesetzliche Grundlage zu einerpolizeilichen Regelung hierfür in Bayern fehlt, daß einesolche Regelung zur Wahrung der bei einer Feuer-bestattung in Betracht kommenden religiösen, ethischen,sanitären und kriminellen Rücksichten aber nicht zu ent-behren ist und auch nickt durch die«atzung einer genieiudlichenFeuerbestattungsanlage ersetzt werden kann. Mit dieser Anschauungbefindet sich die bayerische Staatsregierung im Einllange mit allenStaaten, die die gesetzliche Regelung der Feuerbestattung für not-wendig erachtet haben, um die öffentlichen Interessen, die durch dieFeuerbestattung berührt werden, unter strafrechtlichen Schutz zustellen und sie durch die Möglichkeit eines sofortigen polizeilichenEinschreitens schon gegen eine Gefährdung tunlichst zu sichern.Die Satzung einer gemeindlichen Feuerbestattungsanlage isteiner solchen Regelung nicht gleichwertig, denn ihre Uebertretungkann, soweit fie die Voraussetzungen für die Aufnahme einerLeiche zur Einäscherung festsetzt, nicht mit Strafe bedrohtwerden, und ihre Beachtung hängt schließlich nur von der Ge-wissenhaftigkeit der mit dem Anstaltsbetriebe betrauten Beamtenab. Die Interpellation verweist ferner auf den Borgang inPreußen und bemerkt, daß in Deutschland nur die.AngehörigenBayerns und der beiden mecklenburgischen Staaten über ihrenKörper nach dem Tode nicht frei verfügen können. Demgegen-über ist festzustellen: Die preußische Regierung hat den Entwurfzum Gesetz über die Feuerbestattung beim preußischen Landtageerst eingebracht, als die beiden Häuser des Landtags zuerkennen gegeben hatten, daß ein grundsätzlicher Wider-spruch gegen die fakultative Feuerbestattung von den Mehr-cheiten nicht erhoben werde. Nach den vorliegenden Erhebungenentbehren mit Einrechnung von Elsaß-Lothringen in Deutschlandnicht drei, sondern noch zehn Staaten einer Regelung der Feuer-bestattung. Im übrigen wird in Bayern niemand gehindert, eineEinäscherung seiner Leiche anzuordnen. Nur wird der Bollzugeiner solchen Anordnung s Heiterkeit links) durch den Mangel vonbayerischen Feuerbestattungsanlagen etwas erschwert.Von Dr. Ouidde und anderen Rednern wird die Stellung derRegierung dahin präzisiert: Sie hätte wohl nichts dagegen, aberdas Zentnim wolle es nicht.Der Abgeordnete Held hält im Austrage seiner Fraktion eine.unglaublich geschmacklose und unfinnige Rede. Natürlich ist dasZentrum, das im Reichstage Toleranzanträge stellt, gegen diefakultattve Feuerbestattung. Warum? Weil die Revo-lutionäre der Jahre 1793 und ISIS, die Frei»maurer und Freidenker aller Länder unddie Republikaner schon von Garibaldi anfür diese eingetreten sind und damit derunanfechtbare Beweis geliefert ist, daß durch dieFeuerbestattung die Grundflagen des Christentumsund der monarchischen Staatsverfassung erschüttertwerden. Die Stellung der sozialdemokratischen Fraktion wirddargelegt von den Genossen Pickelmann und Dr. S ü ß h e i m.Pickelmann gibt an der Hand de? statistischen Materials ein Bildder Entwicklung der FeuerbestattungSbcwegung und Dr. Süßheimverlangt aus Gründen des geltenden Rechts, der Toleranz und derpersönlichen Freiheit die endliche Zulassung der fakultativen Leichen-Verbrennung. ES solle nicht nur jeder nach seiner Fasson seligwerden, sondern auch seder nach seiner Fasson sich bestatten lassenkönnen.Verstöße der Reaktion im sächsischen Landtage.Die konservative Fraktion des sächsischen Landtagesscheint eine rührige Tätigkeit entfalten zu wollen, seitdem sie vonden Lasten und Verpflichtungen des Direktoriums der ZweitenKammer ganz entbunden worden ist. Nicht weniger denn 14 An-träge haben fie eingereicht. Davon betreffen die Mehr-zahl weniger wichtige Forderungen, wie Wiedereinführungdes Schächrverbots, Ausbau des sächsischen Eisenbahnnetzes.Vereinfachung der Staatsverwaltung und Neuregelung desBeamtenrechts, Abrufen der Eisenbahnzüge, Ausbau desLandeSmedizinalkollegiumS zu einem Landesgesundheitsamt undeinige andere weniger wichtige Sachen.Bedeutsamer ist � schon ein Antrag, der ein Landeskino-gesetz fordert, wonach für alle Kinovorstellungen eineLandes Zentralbehörde, eingesetzt werden soll. DiesesZensuramt soll u. a. Films für Kindervorstellungen besonderskenntlich machen und zwar dergestalt, daß bei jedem einzelnenFilm dem Beschauer sofort erkennbar wird, ob der Film für Kinder-Vorstellungen geeignet ist oder nicht, und in Zukunft die Filmsnicht mehr unter Titeln angepriesen werden dürfen, diegeeignet find, die Sinnlichkeit in besonderem Maße zu reizen.Direkt gegen die Arbeiterbewegung sind zwei Anträgegerichtet, die Schutz für die Jugend und die Arbeits-willigen fordern. Sie lauten:Jugend schütz.Die Kammer wolle beschließen, a. die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, 1. im, verstärkten Mnße über die Jugcnd-orgauifatlon zu wachen, damit diese nicht weiter zu Bor-schulen der Sozialdemokratie sich auSwachsen,2. zu erwägen, in welcher Weise auf dem Wege der LandeSgesctz-gebung die vaterländische Erziehung der Fort-bildungsschüler besser als b'.sher Itchergestellt werden könne.Neues Z u ch t h a u S g e s e tz.Die Kammer wolle beschließen: die Königliche Staats-regiernng zu ersuchen, im Bundesrat dafür einzutreten, daß bald-möglichst durch R-ichögcscy ein ausgiebiger Schi», der Arbeits-willige» und der Freiheil des Gewerbebetriebes geschaffen werde.DaS sind Scharfmachereien gegen die Sozialdemokratie. D i eJugendorganisation u n d die Gewerkschaft Sorga»n i s a t i o n soll geknebelt werden. In diesem Sinne soll.wenigsten» die sächsische Regierung im Bundesrate wirken. Sozvollen eS die Konservativen.Sie anderer konservativer Antrag nimmt die alte sozialdemo-kratische Forderung in anderer Form auf. Er fordert erhöhte Staats-Unterstützung der Gemeinden für ihre Volksschulen.Das haben die Sozialdemokraten im sächsischen Landtage schon seitJahrzehnten gefordert, freilich in etwas weitgehenderer und ent-schiedener Weise wie die Konservativen. Diese warenes aber gerade, die d i e f o z i a l d e m o kr at ls ch e n A n-träge zu Fall brachten.Die Landtagswahleu j» Schwarzburg-Rudolstadthaben unseren Genossen einen glänzenden Erfolg gebracht.ES sind gleich im ersten Aahlgange neun Sozialdemokraten gewähltworden, so daß die sozialdemokratische Fraktion die LandtagSmajoritätbefitzt. Der vor-ige Landtag setzte sich auS sechs sozial-demokratisch e.n und zehn bürgerlichen Abgeordneten zusammen.Die Klasse bei allgemeinen Wähler besetzte zwölf, die höchstbesteuerteKlasse Vier Mandate. Außer den neun sozialdemokratischenKandidaten wurden noch in Leutenburg der MischmaschkatchidatBürgermeister Krone und in Frankenhau sen-Land derKandidat deZ Bundes der Landwirte gewählt. In Blanken-bürg kommt unser Genosse Ostwald mit dem Kandidatendes Bundes der Landwirte in Stichwahl, die aberwenig aussichtsreich erscheint, da hier zwei Kandidaturen des Bundesder Landtwirte unserem Genossen gegenüberstehen, deren Stimmensich in der Stichwahl sicher auf den einen Kandidaten vereinigenwerden. Die Stimmenzahl der Sozialdemokratie hat sich bedeutendvermehrt. Während die höchstabgegebene Stimmenzahl der Sozial-demokratie 886 und die niedrigste 493 beträgt, konnten die Gegner,deren Kandidaten meist Lehrer, Bürgermeister und Beamte waren,nur 693 Stimmen als höchste! Zahl und 319 als niedrigste ver-zeichnen. Gewählt find die Genossen Hartmann, Krause,Scholl, Ostwald, Rosenbusch, Kaiser und Winter,davon die Genossen Scholl und Winter in je zwei Kreisen.Der Arbeiterausschuß der kaiserlichen Werft.in Wilhelmshaven hat an die Werftverwaltung und an das Reichs-marineamt folgende Eingabe gerichtet:Wilhelmshaven, den 25. Oktober 1911.Die unterzeichneten Arbeiterausschußmitglieder der kaisalichenWerft Wilhelmshaven gestatten sich, der Oberwerftdirektion daSdringende Gesuch zu unterbreiten, angesichts der außergewöhnlichenTeuerungsverbältnisse der Gesamtarbeiterschast eine allgemeineTeuerungszulage gewähren zu wollen.In der Begründung dieser Eingabe heißt eS:Schon seit mehreren Jahren steigen fortgesetzt die Preise allernotwendigen Lebensmittel und sonstigen Bedarfsartikel. Fleisch,Brot, Kartoffeln, Gemüse und andere Nahrungsmittel, welche derÄrbeiter zur Erhaltung seiner Gesundheit und Arbeitskraft bedarf.sind für denselben geradezu unerschwinglich geworden. Eine gleicheSteigerung haben hier am Orte auch die Wohnungsmieten erfahren.Durch die Dürre des letzten Sommers und die dadurch hervor-gerufene Mißernte ist die Teuerung in noch weit höherem Maßeeingetreten. Bei dieser Sachlage sind die Werftarbeiter nur unterden äußersten Einschränkungen in der Lage, die allernotwendigstenBedürfnisse für sich und ihre Familie bestreiten zu können. DieseTatsache zwingt die Werstarbeiter zum Anlauf minderwertiger Pro»dukle, was als gleichbedeutend mit der Verkümmerung ihrer Existenzzu betrachten ist. Um die Ausgaben mit den Einnahmen im Gleich-gewicht zu halten, muß entweder der Konsum ganz erheblich ein-geschränkt werden und die Familie sich große Entbehrungen auf-erlegen oder eS müssen nur minderwertige, wenig Nährstoff enthaltendeNahrungsmittel konsumiert werden.Stadtverordnetenwahlen in Jena.Am 13. November finden in Jena die Gemeindewahlen statt.Von 39 GemeinderatSmitgliedern scheiden 15 aus, darunter zweiGenossen. Im Gemeinderat verbleiben 6 Sozialdemokraten und8 Bürgerliche. Da bei der letzten Gemeinderatsivahl 1999 unsereGenossen den Gegnern nahe auf den Fersen waren, besteht die Aus»ficht, daß Jenas Gemeinderat eine sozialdemokrattscke Mehrheit er-hält. Unsere Parteigenossen haben eine geschlossene Liste aufgestelltund hoffen, sie durchzusetzen. Die Gegner haben Angst. DaS Amts-blatt schreibt:„Am 13. November steht die Frage zur Entscheidung, ob Jenaeine sozialdemokratische Mehrheit im Gemeinderat erhalten soll. Nurbei voller Einigleit aller bürgerlichen Wähler kann dies vermiedenwerden."DaS Wahlrecht ist an daS Bürgerrecht geknüpft, das mit 19 M.Sporteln verbunden ist. In der letzten Zeit ist fieberhaft ge-arbeitet worden, noch möglichst viel Bürger zu gewinnen.Aber auch unsere Genossen sind nicht müßig gewesen; siehaben eine besondere Bürgersparkasse eingerichtet, durch diees den Arbeitern erleichtert wird, daS Bürgerrecht zu erwerben.Der bürgerliche Mischmasch setzt sich au« allerlei Vereinen zu-samnien. Nickt weniger als 12 Vereine stehen der Sozialdemo-kratie gegenüber: Bürgerverein, Fortschrittlicher Volksverein, Hansa-bund, Häusbesitzerverein, Jungncnionalliberaler Verein, Lehrerverein,Nationolliberalcr Reichsvereiii, Rabattsparverein, Sozialer Ausschußkaufmännischer Gebilfeiivereine, Verein konservativer und sonstigerrechtsstehender Wähler, Verband niittlerer Postbeamten, Berein selb-ständiger Kaufleute. Eine schöne, lange Liste.Schwarze Sprengkolonnen.Unser Freiburger Parteiblatt berichtet über eine gröblicheVersammlungsstörung, dieunterFührungeineSgeistlichenAgitators gegen eine sozialdemokratische Versammlung geübtwurde. Im Glottertal war eS den Genossen gelungen, trotz allerSaalabtreibungSversuche ein Lokal zu erhalten. Die Versamm-lung war vorzüglich besucht, trotzdem daS Zentrum zur selbenZeit eine Generalversammlung anberaumt hatte. Die Zentrums»leute begaben sich nun in die sozialdemolratische Versammlung,wo der Führer, ein ZentrumSgeistlicher, der Pfarrer Arnold,in der Diskussion da« Wort ergriff. Er sprach eine volleStunde, machte also von dem Gastrccht den ausgiebigsten Ge-brauch. Als dann aber der sozialdemokratische Referent antwortenwollte, begaim die schwarze Sprengkolonne den wüstestenKrakeel.„Schmeißt die Kerle raus",„haut ihnen den Ranzenvoll", erscholl eS unaufhörlich aus.den Reihen der frommenZentrmnSchrisien. Der Arrangeur dieses Tumults, der PfarrerArnold, tat nicht das geringste, um Liuhe zu schaffen. Nur der Energie undder Besonnenheit unserer Genossen ist es zu danken, daß eS n i ch tzu Tätlichkeiten kam. Der sozialdemokratische Redner mnßteauf sein Schlußwort verzichten.Sollte da« Zentrum diese Taktik fortsetzen wollen, so würdenunsere Genossen gut tun, den christlichen Radaubrüdern gegenüberauch einmal von dem HauSrecht Gebrauch zu machen und die Friedens-störer wegen Hausfriedensbruchs zu belangen.Wo siste» die Steuerhinterzieher?Die„Kreuz-Zeitung" revanchiert sich flir die liberalenAnschuldigungen, daß gerade unter den Agrariern besonders vielStcuermogler säßen, mit dem Hinweis darauf, daß gerade unteranderen Bernfskategorien die Steuerdefraudanten besonders zahlreichzu sein schienen. Sie verweist dabei auf den bereits bekannten Falljenes technischen Hochschullehrers in Stuttgart, der wegen Steuer-Hinterziehung zu 29 999 M. Strafe verurteilt wurde. Ferner machtsie daraus aufmerksam,' daß im„StaatSanzeiger" ein Zahlung«-befehl gegen einen ins Ausland gegangenen Arzt Dr. SalomonMarx veröffentlicht worden sei, der 3594 M. Einkommen- und Kapital-steucr nachzahlen und außerdem in eine entsprechende Strafe ge-nommen werden solle.Die von der„Kreuz-Zeitung" angezogenen Fälle beweisen aller-dings. daß es auch unter den liberalen Berufen Steuer-drü'ckcberger gibt, und wie wir gern glauben wollen, in gar nichtgeringer Zahl. Nichtsdestoweniger haben auch die HerrenLiberalen durchaus recht, wenn sie ihrerseits den Agrariern eineaußerordentliche Steuerscheu nachsagen. Hier haben eben beideParteien mit ihren Borwürfen nur allzu sehr recht, und eS wirdbeispielsweise eine der Aufgaben des preußischen Landtages sei,,,Miitel und Wege zu finden, um yuch. Einkommen und Vermögen derBesitzenden genauer und schärfer als bisher zur Besteuerung heran-zuziehen iDrakonische Strafen!Die Gesetzesunkenntnis der Soldaten und die Härten deSMilitärstrafgesetzbuches werden grell beleuchtet durch folgenden Fall.Die Soldaten Scheiler und S ch r o t e r vom 199. Infanterie-Regiment in Bautzen besprachen eines Tages, gemeinschaftlich sahnen-flüchtig zu werden, ohne zu wissen, was darauf für eine schwereStrafe steht. Bei einfacher Fahnenflucht gibt es 6 Monate,bei gemeinschaftlicher nach vorheriger Verabredung erfolgter Fahnen-flucht aber das Dreifache der Mindeststrafe: 13 Monate Gefängnis IOhne sich der Schwere ihrer Handlungsweise bewußt zu sein, ver-ließen sie gemeinschaftlich die Kaserne, um nach der Schweiz zuwandern und sich so der gesetzlichen Dienstpflicht zu entziehen. � Dereine, ein schwächlicher nervenkranker Mensch, der den militärischenDienst nicht mehr ertragen konnte, der andere, ein gejagtes Wild,dem gedroht worden war. ins Fcstungsgefängnis gebracht zu werden.Nur 5 Wochen erfreuten sie sich der Freiheit, die sie nun mit uu-erhörten Strafen büßen müssen. Das Dresdener Kriegsgericht ver-urteilte Scheiler zu ein Jahr acht Monaten undSchröter zu zwei Jahren Gefängnisll Außerdemwurde auf Versetzung in die 2. Klasse des Soldatcnstnndes erkannt.Bei Scheiler berücksichtigte man„strafmildernd", daß dieser einemangelhafte Erziehung und Jugendausbildunggenossen hat.— M i l i t ä r j u st i z!Cnglancl.Ministerreden über Deutschland.London, 9. November. Auf dem Lordmayorsbankctt in derGuildhall hielt Premierminister A s q u i t h eine Rede, in der cvüber den Abschluß der Marokkoverhandlungen sagte:Die Beilegung ist eine Erleichterung für Europa,denn sie entfernt vielleicht das größte Hindernis für das glatte Ar-Betten der europäischen Diplomatie. Unsere eigene B e f r i c d i-g u n g über die glücklichen Ergebnisse ist nichtsdestoweniger tief undaufrichtig, weil man gegen uns in unverantwortlichenKreisen geargwöhnt hat, daß wir auf die Verhandlungen mitKälte blickten und selbst mit der Neigung, ihren Erfolg zuhemmen. Nichts kann von der Wahrheit weiter ent-fernt sein. Es besteht kein Geheimnis weder über die Zielenoch über die Methoden der britischen Politik. Lassen Sie michsie noch einmal in klarem Englisch auseinandersetzen. Wo diebritischen Interessen betroffen werden, da ist es unsere Aufgabe,sie sicherzustellen. Wp VertragSpflichtcn in Frage konunen, da istes unsere Pflicht, sie zu erfüllen. Wenn wir Freundschaften undVerständigungen begründet haben, so suchen wie sie in loyaler Weiseintakt zu erhalten. Aber unsere Freundschaften sind wederexklusiver noch eifersüchtiger Art. Wir haben mitkeiner Nation irgend eine Ursache zum Streit. Mit einer solchenGeschichte, wie die unserige, mit einem solchen Reiche, wie dasunserige, haben wir keine Neigung, die natürlichen und legitimenBestrebungen anderer zu beschränken oder zu lähmen. Wir freuenuns aufrichtig und ohne Rücksicht über jede Einigung, die bestehendeDifferenzen unter ehrenvollen und dauerhaften Bedingungen de-seitigt, die internationale Atmosphäre von oen Nebeln des Miß-verstehens freimacht und die Grundlagen des Friedens und Wohl-wollcns in Europa und der Welt erweitert.Der Erste Lord der Admiralität Winston Churchill sagte:Wir müssen die Flotte stark genug halten für.alles, was ihrzu tun obliegen könnte, und in dem Zustande sofortiger Bereitschafterhalten, um ihre größte Stärke zum bestmöglichen Vorteile ent-wickeln zu können. Soviel ich weiß, liegt augenblicklich kein Grundvor, warum diese doppelte Ausgabe nicht erfüllt werde» sollte, ohnedaß es mißlänge, die Erwartung meines Vorgängers Mc-Kenn« zu erfüllen, der gesagt hat, daß das Budget des kommen-den Jahres ein Zurückgehen von der abnormen Höhe des jetzi»gen zeigen werde. Vorausgesetzt, daß die nationale Sicherheit nichtim mindesten gefährdet wird, erscheint solche Beschränkungwünschenswert. Lassen Sie mich einige Worte mit der grosseten Deutlichkeit sagen. Unsere maritime Vorbereitung gründetsich notwendigerweise auf die Bereitschaft der Flotten andererMächte. Es ivürde eine vergebliche Vorstellung sein, zu behaupten,daß das plötzliche rapide Anwachsen der deutschen Flotte nicht derHnuptfaktor bei unserer Entscheidung ist, sei es, was die Aus-gaben oder was die Neubauten anlangt. Es würde törichtsein, die volle Wahrheit zu leugnen, daß ein Wettbewerb zur Seezwischen den beiden mächtigen Reichen besteht, die von jeher keinennatürlichen Grund zum Streit haben. Es würdetöricht sein, zu leugnen, daß der Flottenwcttbewerb zwischen ihnenau der Wurzel und im Hintergrund fast jeder Schwierigkeit liegt,welche die wiederholt unternommenen ernsten Bemühungenzur baldigen Erreichung freundschaftlicher Be-Ziehungen zwischen beiden Ländern vereitelt hat. Solange derWettbewerb fortbesteht, ist jedes Element desMißtrauens und der Beunruhigung tätig und lebendig.Wir sind nicht so anmaßend anzunehmen, daß Schuld und Irrtum,die so oft den Schritten der Menschen folgen, sich nur auf einerSeite befinden. Aber die Aufrcchterhaltung der Suprematie zurSee ist die ganze Grundlage, auf der unser Leben und unsere Frei-heit beruht. Der deutsche Flottenbauplan für das nächsteJahr schreibt vor, daß die Grenze der Vermehrung mitihm erreicht ist. Die Jahresquote der der deutschen Flotte zu-gefügten Schiffsnetibauten wird von da ab mif die Hälfte der Ouoieder letzten Jahre sinken. Bisher ist dieses deutsche Flottengesetz,wie es vom Parlament festgesetzt worden ist, in keiner Weise über-schritten worden. Bei A'u f r e ch t e r ha I t u n g diesesFlottengesetzes ohne irgendwelche Erweiterung würden wiruns bewußt sein, daß. so schwer die Ausgaben unzweifelhaft seinmögen, die Hochwassermarke auf alle Fälle erreicht sein wird. Aufder ganzen Welt würden die Menschen freier atmen, und dieVölker würden zu vertrauensvolleren unsfreundlicheren Auffassungen gelangen. Dem wür-den wir uns bereitwillig anschließen. Wenn anderer-seits das jetzt schon ungeheure Programm der anderen Mächte fürRüstungen zur See durch neue Erweiterungen anschwellen sollte, sowürde dies ein Gegenstand äußersten Bedauerns für unssein, aber ich bin verpflichtet, für Seiner Majestät Regierung zuerklären, daß von allen Nationen und Staaten der Welt roß-Britannien am besten imstande sein würde, die Anspan-nung zu ertragen, und der letzte Staat, der versagen würde,wenn die Pflicht ruft._Die Geineindewahlenbrachten den Parteien der Linken, namentlich den Sozialistenund Arbeitern, ansehnlick)« Gewinne. Nach den vorliegendenNachrichten haben die Liberalen 61, Arbeiter und Sozialifteit öl,Konservative 41, Unabhängige 9 Gewinne zu verzeichnen. EinigeSitze nahmen die Liberalen der Arbeiterpartei ab, verloren aberan diese 15. In Birmingham, wo infolge Eingemeindungenein ganz neuer Rat gewählt wurde, behaupteten Konservative undUnionisten die Mehrheit, aber 6 Sozialisten wurden geivählt. InLiverpool hatten Liberale und Konservative einW a h l k o m p r o m i tz geschlossen. Das hinderte nicht, daß dieArbeiter, die in 15 Bezirken kämpften, jeder der beiden alten Par-teien 3 Sitze abnahmen. Frauen, die nach dem Gemeindcgesetzwahlberechtigt sind, kandidieren nur wenige, und noch wenigerwurden gewählt. In O l d h a m wurde die Bürgermeisterinwiedergewählt. In Colchester wählte eine Dame von 191 Jahren.Stolz erklärte sie, daß sie ihre konservative Gesinnung nicht ge-ändert habe. An Nachwuchs fehlt es den Konservativen also nicht.Rußlanck.Eisenbahnverstaatliihung.Wie die»Börienztg." ans guter Quelle erfahren haben will, bcab-sichtigt die r u s s i s ch e R e g i e r u n g, die offenbar viel wichtigereSorgen hat als die Bekämpfung der grauenvollen Hiinger-Zuot, unterder der ganze Osten des Reiches leidet, alle st r a t e g i s ch wich-ligen Bahnen nach der deutschen und österreichischen Grenze zuzu verstaatlichen. Die Warschau— Wiener Bahn ist bereitsvon dem Rückkauf zum 1. Januar verständigt worden.