Nr. 266.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Sonntag, den 12. November 1911.
Auf zu den Versammlungen!
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Erscheint massenhaft zum Protest gegen Kriegshehe und koloniale Raubpolitik!
Abrechnung.
redner die fortschrittlichen Angriffe auf die Friedensdemonstration der Sozialdemokratie noch zu übertrumpfen, um wenigstens auf dem Gebiete der Sozialistenbekämpfung die fortschrittliche Konkurrenz zu schlagen.
Biel zu vereinen?! Wie denkt sich der Herr Neichs. fanzler überhaupt die weitere Entwidelung unserer politischen Lage, die nach Gesundung schreit, wenn er die verheißungsvollen Ansätze positiver nationaler Politit, die der erste Tag der Marokkodebatte brachte, derartig behandelt? Heißt es nicht das ist und bleibt das Entscheidende
die nationalen Imponderabilien schwer berkennen, wenn die Bekenntnisse nationaler Entschlossenheit und vaterländischen Opfermutes derart von derjenigen Stelle zurüdgestoßen werden, die in erster Linie berufen erscheinen sollte, fte als eine Macht zu benutzen, wie fie nur selten aus dem freien Empfinden des Volkes sich darbietet, um innere und äußere Schwierigkeiten zu überwinden? Auf alle diese Fragen finden wir keine andere Antwort als die ernstliche Befürchtung, daß der gestrige Tag schwere Folgen für unser nationales Leben haben wird."
Aber als der Kanzler Herrn v. Heydebrand dann vorwarf, die Konservativen wollten mit der Betonung seiner natio nalen Bedenken nur Barteiinteressen dienen, sie schädigten das deutsche Volk; und als er dann diese Vorwürfe gar dahin verdichtete, daß die fraftvolle patriotische Politik der Stonservativen mehr mit den bevorstehenden Wahlen als mit dem Marokkoabkommen zusammenhänge, dann nahm die bis dahin mehr persön liche Auseinandersetzung zwischen dem Reichskanzler und dem Führer der konservativen Partei eine verhängnisvolle Wendung. Denn je zt war die gesamte Frattion, wollte sie ihren politischen Kredit nicht für alle geiten einbüßen, gezwungen, zu den Vorwürfen des Kanzlers Stellung zu nehmen und sie zurüdzuweisen."
Ist schon diese schwache Verteidigung auffällig, so ist ein anderer Passus der Kreuz- Zeitung " noch merkwürdiger, der
Der driffe Tag der Marokkodebatte im Reichstag fam auf eine Abrechnung der Sozialdemokratie mit ihren Gegnern Um allen diesen Angriffen entgegenzutreten, ergriff dann nicht nur wegen des Marokkorummels, sondern auch wegen der zum zweiten Male Genosse Bebe I das Wort. Er stellte zuHaltung der Sozialdemokratie im Kriegsfall hinaus. Bunächst nächst fest, daß die Sozialdemokratie äußerst zufrieden sein legte Geno'ie Frank die Gründe dar, die nach Auffassung könne mit dem Gang der Debatte und daß besonders das der Sozial..mokratie bereits auf Grund der geltenden Reichs Duell Heydebrand- Bethmann uns unbezahlbares Material berfassung es erforderlich machen, daß Marokkovertrag für die Wahlen geliefert habe. In temperamentvollster Weise und Kongovertrag dem Reichstage zur Genehmigung unter- und unter Beibringung durchschlagenden sachlichen Materials breitet werden, und setzte im Anschluß daran auseinander, wies Bebel dann nach, wie völlig ungerechtfertigt die fast von daß gerade die Vorkommnisse der letzten Zeit es wieder un- allen bürgerlichen Parteien vorgebrachten Angriffe auf Engwiderleglich dargetan hätten, wie notwendig die Umgestal- I and seien. Tatsächlich sei die Handelspolitik feines Landes tung unserer staatsrechtlichen Verhältnisse im Sinne eines in der Welt so vorteilhaft für den deutschen Handel, wie die wirklich konstitutionellen Lebens sei. Englands. Wiederholte Versuche des nationalliberalen Nicht minder bestürzt, aber viel zurückhaltender Auf die Maroffofrage selbst eingebend, stellte er fest, daß Herrn Stresemann in Zwischenrufen unfreundliche ist die„ Kreuzzeitung ". Sie bedauert natürlich die schroffen auch jezt noch nicht die Regierung für die Entsendung des Handlungen Englands anzudeuten, fertigte Bebel sofort Worte des Kanzlers, aber sie deutet an, daß es sich zunächst Panthers" nach Agadir eine ausreichende Rechtfertigung gründlich ab. Dann rechtfertigte er die Friedensdemon- mehr um eine persönliche Auseinandersetzung zwischen vorzubringen gewußt habe. Tatsächlich komme diese strationen der Sozialdemokratie als beste Unterstügung einer Bethmann und Heydebrand gehandelt hätte. Dann fährt das Expedition auf ein ähnliches fehlerhaftes Experiment hinaus ernstlichen Friedenspolitik und berief sich für die Haltung der Blatt fort: wie 1904; es sei tatsächlich eine angerreise ohne Sozialdemokratie zur Verhütung eines Krieges auf die NeKaiser" gewesen. Dadurch seien die weitgehendsten Ver- solution des internationalen Sozialistenfongresses in Stuttmutungen und Auslegungen erzeugt worden, und es sei zweifel- gart und die Beschlüsse des diesjährigen Parteitages in Jena. los eine Schuld der Regierung, daß fie diesen Auslegungen Den starken Eindruck der Bebelschen Darlegungen suchte nicht sofort entgegengetreten sei. Nur wegen dieser Unter- der freisinnige Dr. Mug dan abzuschwächen, indem er einlassungssünde der Regierung habe die Kriegsheßerei einen fach wiederholte, was Wiemer und Haußmann vorher befolchen Umfang annehmen können. Bethmann Holl- hauptet hatten. Eine Anfrage Mugdans, wie es sich denn weg habe auch durch seine gestrige Rede diefe eigentlich mit der Information nationalistischer Redakteure Schuld nicht aus der Welt geschafft. durch Vertreter des Auswärtigen Amts über die MarokkoWeiter legte Frant in fräftigen Worten Verwahrung da- pläne der Regierung im Juli dieses Jahres verhalte, brachte gegen ein, daß Herr Wiemer die sozialdemokrati- endlich den Herrn von Riderlen Waechter auf die fchen Protestbersammlungen gegen den Tribüne. Der furzweilige Minister erklärte unter großer Krieg als friedens störend hingestellt habe. Zweifel- Seiterfeit, jene Redakteure hätten für sich die Besetzung Males habe sich bei dieser Gelegenheit die internationale Sozial- roffos beschloffen, aber das Auswärtige Amt hätte sie ausdemokratie als eine Groß macht zur Erhaltung des drücklich gewarnt vor der Annahme, daß derartige Absichten Friedens bewährt. Auch die ablehnende Haltung auch von der deutschen Regierung gehegt würden. Somit der Sozialdemokratie gegenüber der ofteht jetzt die Aussage des Herrn von Kiderlen- Waechter der Ionialpolitik überhaupt habe durch den Gang der Er- Aussage jener eidbereiten alldeutschen Redakteure diametral eigniffe ihre volle Rechtfertigung erfahren. Wenn noch irgend gegenüber. Unverständlich ist es nur, weshalb das Ausein Beweis dafür notwendig gewesen wäre, wie verderblich wärtige Amt 4 Monate gebraucht hat, um sich zu einem solchen die imperialistischen Bestrebungen sind, so hätte das Treiben Dementi aufzuschwingen. der Italienier in Tripolis diesen Beweis vollauf erbracht. Nochmals zog dann Herr Erzberger gegen die SoNun habe ja der Gang der Verhandlungen erfreulicherweise zialdemokratie mit einem Bitateniac vom Leder, wobei er dahin geführt, daß die Nedner der Zentrumspartei und auch auf die Rede des Genossen Däumig in Berlin einging. Nationalliberalen jedweden Verdacht, als ob sie die imperia- hm erwiderte Genosse Fischer, indem er durch Verlesung Wir haben Grund zu glauben, daß diese Stelle auf einen listischen Bestrebungen durch eine Flottenvergrößerung be- der in Berlin und Treptow gefaßten Friedensresolutionen fördern wollen, von der Hand gewiesen hätten. So blieben nachvies, welche Stellung die Berliner Genossen zu der Frage Bartei hindeutet. Die gewissenlose Deniagogie Heyde8 miespalt innerhalb der fonservativen Herr v. Heydebrand und seine Partei allein übrig als eingenommen hätten. Däumig habe nur seine persönliche Flottentreiber. Um so notwendiger sei es, dem Einfluß und Ansicht ausgesprochen und obendrein seien dessen Worte von brands, seine Desperadopolitik, die nur unverschämte Raff. dem gemeingefährlichen Treiben der Junkerpartei so bald wie was aber die gesamten Demonstrationen der internationalen hat auch in der konservativen Partei ihre Gegner. Der Herrn Erzberger böllig falsch ausgelegt worden. gier als einziges Motiv des politischen Handelns kennt, Der polnische Graf Mielczinski ironisierte die Ver- Friedens anbetrifft, so sei es doch höchst sonderbar, daß gerade interesses, die einst das Wort von der gräßlichen Flotte Sozialdemokratie gegen den Krieg zur Erhaltung des älteren Richtung, die Vertreter des eigentlichen Grundrentenhanolungen über die auswärtige Politik in den früheren Vertreter einer Partei, die sich„ Volkspartei " nenne, den geprägt haben, ist die imperialistisch- nationalistische DemaReichstagsfeffionen als„ akademische Erörterungen", die die Re- Wert und die Bedeutung solcher Volksversammlungen zu ver- gogie der verbürgerlichten, mit allen Salben des Erwerbs. gierung niemals gehindert hätten, auswärtige Bolitik nach unalimpfen fuchen. Mit einigen persönlichen Bemerkungen intereſſes geschmierten Jungagrarier nicht gerade sympathisch. Volksvertreter darüber denken. Die Rolen hätten deshalb nie- mission ging dann die Debatte zu Ende. eigenem Ermessen zu treiben, ohne Rücksicht darauf, was die und nach Ueberweisung der Vorlagen an die Budgetkom- Bisher konnten sie gegen die Politik Heydebrands nichts ausmals das Bedürfnis gefühlt, an diesen akademischen Erörterungen teilzunehmen. Jest ging er selbst auf eine Erörterung des ihren Berlauf zurückbliden. Unsere Partei wird nicht verMit Befriedigung kann nur die Sozialdemokratie auf Marokkovertrages ein, dem er feinen großen Wert für die fehlen, die wertvollen Waffen, die die Gegner uns sehr wider Erhaltung des Weltfriedens beimaß. Er betonte dabei, daß ihren Willen geliefert haben, nach Kräften zu verwerten. die polnische Fraktion als Vertretung eines unterdrückten Volkes grundsätzlich jedwede Eroberung und Unterjochung anderer Völkerschaften bekämpfe.
möglich ein Ende zu bereiten.
Als zweiter Redner der Fortschrittlichen Volkspartei er
Die Gezüchtigten.
griff Herr Haußmann das Wort. Der erste Teil seiner Die Peitschenhiebe, die Herr v. Bethmann Ausführungen hörte sich an, als ob der selige Polonius Hollweg den gewiffenlosen konservativen Demagogen verfeinem Sohn Laertes einen Leitfaden für Diplomaten und abfolgt hat, die haben gesessen. Das zeigt unwiderleglich Barlamentarier bei der Behandlung auswärtiger Angelegen- die Bestürzung und das Wutgeheul der konservativen heiten einzupaufen versuchte. Als er zur praktischen An- und der nationalistischen Presse. Die Deutsche Tagesztg." wendung seiner Grundfäße überging, zeigte es sich, daß Herr ahnt, daß die Rede keine glückliche Bedeutung für Haußmann dem isolierten Reichskanzler die Fortschrittliche unsere nationale( lies konservative) Politik haben werde. Sie Bolkspartei näher zu bringen sucht. Er erweiterte dann auch sucht Herrn v. Heydebrand zu entschuldigen, dem die gestrigen Angriffe des Reichsfanzlers auf die„ Desperado- nichts ferner gelegen habe, als den Kanzler persönlich Politik" des Herrn v. Heydebrand und nahm die Angriffe des anzugreifen. Sie wehrt sich vor allem gegen den Vorwurf, daß Wiemer auf die Friedensdemonstrationen der Sozialdemo- Heydebrand Deutschland vor dem Ausland geschädigt habe, um fratie von neuem auf. Wahlinteresse zu verfolgen. Aber in ihrer Bestürzung verDer Abg. v. Liebert erging sich in weitgehenden rät sie selbst, daß die ganze konservative Politik und inskolonialpolitischen Erörterungen, doch hat ihn offenbar das besondere die Rede Heydebrands nur einzig und allein auf Schicksal des Herrn v. Heydebrand vorsichtig gemacht; seinen den ordinärsten Wählerfang gerichtet war. Alfo kritischen Waffen war alle Schärfe genommen, er hatte sie in jammert das sonst so dreiste Brotwucherorgan: Baumwolle eingewidelt.
Der Abg. Erzberger entdeckte an den Kongoabtretungen allerhand gute Seiten und meinte, wenn bisher nichts daraus zu machen gewesen wäre, so liege das an Fehlern der französischen Verwaltung. Dann fuchte aber der Zentrums
Wie konnte der Herr Neichskanzler die politischen Werte übersehen, die in der Erklärung des fonservativen Führers lagen, um des Vaterlandes willen ein finanzpolitisches Opfer zu bringen, das die Möglichkeit zeigte, über den schweren, unser ganzes Volk zerreißenden Parteihader hinweg das gesamte deutsche Bürgertum um ein großes nationales
lautet:
Man beschäftigte sich ausschließlich mit der Frage, wie fich Herr von Heydebrand und der Lase und vor allen Dingen, wie fich die konservative Reichstagsfrattion zu der Nede des Reichskanzlers stellen werde. Man nahm an, daß zwei Richtungen innerhalb der Partei versuchen würden, sich zur Geltung zu bringen; eine schärfere und eine gemäßigtere; und man hoffte und fürchtete; aber man übersah völlig dabei, daß für eine große und wohlorganisierte Partei fein Augenblick Zweifel bestehen kann für ihre Stellung, wenn es sich darum handelt, einen Vorwurf zurückzutveisen, als triebe sie Wahl schacher mit ihrer nationalen Politit."
richten. Ihr Versuch, einen der Ihrigen, den Grafen Kanit, fcheiterte in einer erregten Graftionssikung an zum Sprecher in den Marokkoverhandlungen zu machen, dem Widerstand Heydebrands. Und die Zurückhaltung der " Kreuz- Zeitung " ist wohl auf diesen Zwiespalt zurückzuführen.
Den alldeutschen Blättern im engeren Sinne hat der Angriff Bethmanns den Nest von Besinnung geraubt. Heydebrand hatte ja ganz als ihr Wortführer gesprochen. Ihre Wut über die Entlarbung des wahren Patrioten ist grenzenlos. Die„ Post" tobt:
Haben die Götter unsere regierenden Männer denn vollständig verlassen? Ist ihnen alles Augenmaß, alle Besonnenheit des politischen Lebens verloren gegangen? Muß denn mit Ge= walt alles niedergerissen werden, was uns noch Stübe und Trost in diesen traurigen Tagen ist? Die Worte des Reichskanzlers stellten sich nicht nur als eine unerhörte Verdächtigung und schwere Beleidigung des konservativen Führers, nein, des ganzen nationalen Reichstages, der nationalen Bresse, der nationalen Vereine und all der Männer, die in diesem Sommer mitten in der nationalen Bewegung gestanden haben!
Wie aber muß dieses unglückselige Wort, diese furchtbare Verdächtigung nach außen hin wirken! Gerade die Einmütigkeit und Entschlossenheit, die der Reichstag gestern zeigte, war im Begriffe, die Position Deutschlands in der Welt wieder zu bes festigen. Und mun kommt der erste Beamte des Reiches und zerstört dieses wieder, indem er es auf die niedrigsten Beweggründe zurückführt. Serr von Heydebrand mußte mit chernem Gesicht diese Vorwürfe anhören, die ihm aus unmittelbarer Nähe ins Gesicht geschleudert wurden. Mit der Ruhe des überlegenen Geistes, mit der Ruhe des guten Gewissens mag er wohl gedacht haben:„ Wer das Reich mehr geschädigt hat, ich mit meinen Ausführungen, oder Du mit Deinen Taten, das