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same Wirkung auf die Sozialdcmofralie au'sgeüR'(Heilerkeit bei den Sozialdemokraten.) Tie Rede, die der Redakteur D ä u m i g in Berlin   gehalten hat und das was der..Vorwärts" im Anschluß daran über die Durchführung des Masienstreiks beim Ausbruch eines Krieges geschrieben hat, steht im Gegensah zu der Stellungnahme des Jenaer   Parteitages und der bewundernswert geschickten Rede, die Herr Bebel dort gehalten hat, nach der man am Schluß nicht wußte, was er eigentlich gesagt hat. Tie Haltung der Sozialdemokratie im Sommer mußte den Eindruck im Ausland erwecken, als sei Teutschland im Fall eines Krieges innerlich ge- spalten, als würden die Mitglieder einer Millionenpartei der G e- stellungsordcr Widerstand leisten. Das bedeutete in Wvhrheit die Heraufbeschwörung der Kriegsgefahr.(Sehr richtig! im Zentrum und rechts.) Die Stimmung, die in Deutschland   gegenüber England herrscht, ist sehr erklärlich. England fürchtet uns als Konkurrenten und tritt uns überall hemmend entgegen, wo wir das Bestreben zeigen, uns auszubreiten.(Sehr richtig! rechts.) Was das Kongvabkommcn anbelangt, so verweise ich auf folgendes: Aus den Berichten, die der französischen   Kammer unterbreitet sind, und zwar zu einer Zeit, als an eine Abtretung des französischen   Kongo nicht gedacht wurde, geht hervor, daß dieser Besitz keineswegs so wertlos ist wie man hier allgemein dargestellt hat. Man kann also so scharf, wie es ge- schchen ist, heute diese neue Erwerbung noch nicht verwerfen. Eine schwere Schattenseite ist die Zulassung der Etappen- straßen und Etappenstationen; militärische Stationen dürfen daraus nicht werden. Aber prinzipiell sind die Etappenstraßen zu begrüßen als Ausdruck des Gedankens, daß in Afrika   alle Weißen solidarisch sind. Was die Konzessionsgesellschaft betrifft, so wird es eine der ersten Aufgaben der Kommission sein, ob nicht überhaupt diese Gesellschaft in Widerspruch steht mit der allgemeinen Kongo  - akte. Aber schließlich sind wir auch schon mit anderen Konzessions- gesellschaften fertig geworden, und wenn französisches Kapital in deutschen Kolonien arbeiten will, so haben wir nichts dagegen. Also die Konzessionen sind eine unangenehme Beigabe, aber lassen sich schließlich tragen. Eine weitere unangenehme Sache ist die Schlafkrankheit. Es ist aber zu hoffen, daß es gelingen wird, auch dieses schlimme Ucbel zu überwinden. Ich schließe meine Ausführungen zusammenfassend dahin: Das Marokkoabkommen ist besser als alles andere, was in dieser Richtung vorgeschlagen worden ist. Das Kongoabkom- m e n ist immerhin nicht so schlecht, wie es behauptet wird. Hoffentlich gelingt es, durch die Verminderung der südwestafrika- nischen Schutztruppe Mittel flüssig zu machen, die in unseren Tropen- kolonien vorteilhaft angelegt werden können.(Lebhafter Beifall im Zentrum.) Abg. Bebel: Es war ja sehr schön, daß der Vorredner die Schlußsätze seiner Rede dazu benutzt hat, um das Gutachten der großen Firmen,� die die Verträge befürworten, hier vorzutragen. Nichtiger wäre es gewesen, wenn er die Schlußsätze an den Anfang gebracht und uns damit seine übrige Rede erspart hätte(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten), denn wenn drei Viertel von dem, was er heute gesagt hat, nicht gesagt wäre, wären wir noch ebenso klug wie vorher. Wir haben keinen Grund, uns an diesen Debatten noch irgendwie zu bcleiligen. Was wir noch zu sagen haben, werden wir in der Kommission sagen. Im übrigen sind wir mit dem Gange der Debatte außerordentlich zufrieden. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Rechter Hand, linker Hand, alles vertauscht! (Heiterkeit.) Ich bin ja eine geraume Weile im parlamentarischen Leben, aber noch selten hat mir eine Debatte so viel Ver- gnügen gemacht wie diese(Heiterkeit), und ganz be- sonders die Episode zwischen dem Reichskanzler und Herrn v, Hehdebrand. Das war ein Duell, das gar nicht zu bc- zahlen ist.(Heiterkeit und Sehr wahr! bei den Sozialdemo- kralen.) Wir waren mit der Debatte sehr zufrieden und hoffen, daß wir bei den Wahlen das Entsprechende dafür einheimsen werden. Bevor ich auf die Angriffe der Vorredner gegen meine Partei eingehe, einige kurze Bemerkungen zu der Stellungnahme des Herrn Erzb erger zu England. Es ist ja jetzt leider in diesem Hause Sitte geworden bei fast allen Parteien, unausgesetzt auf England loszuschlagen und die öffentliche Meinung gegen England aufzuhetzen.(Abg. H e ck s ch e r: Ist auch von der sozial- demokratischen Presse geschehen!) Wenn Sie eine solche Be- hauptung aufstellen, bitte ich, sie auch zu beweisen.(Zuruf: ...Hamburger Echo"!) DasHamburger Echo" hat eine solche Haltung nie eingenommen, und wenn eZ sie eingenommen hätte, was ich bestreite, dann stünde dasHamburger Echo" ganz isoliert in der Partei.(Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Wir haben allezeit für ein freundschaftliches Zusammengehen mit England plädiert. Wir waren darin ganz der Bismarckschen Ansicht: es gäbe in Wahrheit keinerlei ernsthafte Gründe, die uns mit Eng- land auseinanderbringen könnten(Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten). wir hätten im Gegenteil das allergrößte Interesse, mit ihm gemeinsam Hand in Hand zu gehen. Alle Hetzreden haben auch nicht einen Grund angeben können, auf Grund welcher Tat- fachen diese Feindschaft gegen England eigentlich besteht.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ter Herr Vorredner hat davon gesprochen, mau sei in England neidisch auf die Entwickelung Deutschlands  ; Deutschland   habe in wenigen Jahren seinen Ge- samthandel von&000 auf löOOO Millionen gesteigert; die Ent- Wickelung des englischen Handels stehe weit dahinter zurück. Das stimmt alles und ist auch ganz natürlich; England ist ein Volk von Millionen, wir sind ein Volk von 65 Millionen. Daß wir einst- mals in industrieller und handelspolitischer Beziehung England überlegen sein würden, das habe ich bereits vor 43 Jahren ausgesprochen.(Hört! hört!) Das war mir schon damals klar, weil wir alle natürlichen Bedingungen für eine industrielle und Handelscntwickclung haben. Nun mag es sein, daß man in englischen und Industrie- und Handelskreiken diese Entwickelung mit Neid ansieht. Aber wenn jemand auf mich neidtsch, mit meiner Entwickelung unzufrieden ist, so habe ich noch gar keine Ursache, ihn deshalb zu hassen.(Sehr richtig! bei den Sozial. demokraten  .) Bringen Sie eine einzige Handlung Englands vor. die beweist, daß England uns entgegentritt(Lebhafte Rufe rechts: Oho!), daß England unsere Entioickclnng stört. Wo? Nirgends! (Lebhafte Zurufe: Ucbcrall!) Ach. überall! Wenn das der Fall wäre, hätten wir längst mit England Krieg.(Widerspruch rechts; 6ei den Nationalliberalen Zuruf: Vorzugszölle!) Tie Vorzugs- zöllc in den englischen Kolonien sind ebenso sehr auch auf Bc- treiben der englischen Kolonien geschaffen worden, die dadurch glaubten, dem Mutterlande helfen zu können. England konnte die Kolonien nicht zu Vorzugszöllen zwingen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Dagegen sind wir alle ohne Ailsnahme im ganzen Hause bis nach rechts der Ansicht, daß das Marokko  - abkommen wenigstens den einen Vorteil hat, daß es die offene Tür für uns und alle Mächte feststellt, wobei ich freilich dahingestellt sein lasse, ob Frankreich   diese Bestimmungen loyal handhaben wird. Wird es der Fall sein, so wird sich niemand mehr freuen als ich. Tiefe offene Tür ist bis auf den heutigen Tag in England eine Selbstverständlichkeit.(Qoü. hört! bei den Sozialdemokraten.) Wir führen alle unsere Waren obne Zoll nach England ein. während England seine Waren bei uns schwer verzollen muß.(Hört! hört! bei den Sozialdemokrateu.) Das ist eine Tatsache, die sich nicht aus der Welt schaffen läßt. Alle, die mit dem Handel zu tun haben, wissen, was cS für Dcutfchland bedeuten würde, wenn England z. B. Deutschland folgen und eine Schutzzollmauer errichten würde.(Sehr richtig! bei den isozialdcmokraten.) Wie steht das Verhältnis »wischen Teutschland und England? Wir haben erst in diesen jjrfljjcn damit zu tun gehabt. In dem Entwurf des Gesetzes über die Handelsbeziehungen zu England heißt cS: Die Ausfuhr von Großbritannien   nach Deutschland   im Jahre 1910 betrug 766,6 Millionen Mark, unsere Ausfuhr nach England 1102 Millionen Mark. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wir haben also England gegenüber eine aktive Haiidelsbilaiiz von 336 Millionen Mark. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das ist nur möglich, weil England keine Zollschranken hat. In dem Augenblick, wo England Zollschranken errichtet, wird unser Handel einen ge- wältigen Rückschlag erleiden.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- traten.) Schon diese eine Tatsache beweist, daß wir keinen Grund haben, uns in so feindseligen Angriffen zu ergehen, wie es leider hier in reichem Maße geschehen ist.(Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) England ist das einzige Land, und zum großen Teil auch die selbständigen Kolonien von England, die uns die Einfuhr ohne Zollschranken gestatten.(Lebhafte Zurufe bei den Nationalliberalen, Glocke des Präsidenten.) Seit Jahren ist darum der Kampf in England entbrannt, dem Auslände gegen- über den Freihandel aufzugeben, und wir haben alles Interesse, zu wünschen, daß diese Bestrebungen in England nicht zur Ausführung gelangen.(Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten. Zurufe bei den Nationalliberalen.) Die Herren Stresemann   und Genossen sind freilich die besten Agitatoren dafür, daß England den Schutzzoll einführt.(Sehr richtig- bei den Sozialdemokraten.) Das heißt dann, im deutschen   Interesse arbeiten. Die Herren Hautzmann und Erzberger   haben die Erörterung der Haltung meiner Partei in der Marokkofrage angeregt. Wir haben uns von Anfang an energisch dagegen er- klärt, daß die Marokkoangclegcnheit Veranlassung zu einem großen europäischen   Krieg werde. Wir haben uns gesagt, das Objekt ist insbesondere in bezug auf unsere Handelsbeziehungen in Marokko  so herzlich unbedeutend, daß auch nur ein vierwöchent- licher Krieg für Deutschland   hundertmal mehr Opfer erfordern würde, als alle Vorteile, die wir auf dem Haudelsgebiet herausschlagen können.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) Unser Handel dort ist so herzlich unbedeutend, er beläuft sich, wenn ich nicht irre, aus rund 11 Millionen Mark. Was bedeuten diese gegen die 1100 Millionen Mark unseres Handels mit England.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Was bedeutet unser ganzer Handel in de» Kolonien, der seit 2'/j Jahrzehnten unendliche Opfer gekoste: hat, gegen den Handel mit England.(Sehr gut! bei den Sozial- demokraten.) Nicht das geringste. Es ist gerade, als wenn unsere maßgebenden Parteien vor den Kopf geschlagen seien, daß sie fort- gesetzt nach der einen Richtung sehen und Katastrophen hrrbeizlifiihren trachten, während doch die ruhige, vernünftige Entwickelung Deutschland   zu dem gemacht hat, was es ist.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- traten.) Wir haben uns also mit aller Macht dagegen gewehrt, daß wir wegen Marokko   Krieg führen sollen. Wir haben in der Presse und in Versammlungen dieser Meinung Ausdruck gegeben, wir haben öffentlich dafür agitiert und Demonstrationen dafür gemacht. Das ist u n s e r gutes Recht, und wenn man es uns verwehrt, so ist das eine Niederträchtigkeit, die man gegen uns ausübt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Unsere Demonstrationen richteten sich ausschließlich auf die Erhaltung des Friedens. Als ich im Auslände die Nachricht empfing, daß die Berliner   Parteigenossen eine große Demonstration zugunsten des Friedens machen wollten, sagte ich: Na, da werden wir schön ankommen, da wird man euch das Hand- werk legen. Zu meiner eigenen Ucberraschung hat man uns das Handwerk nicht gelegt, obgleich gehetzt wurde, man solle es uns legen. Die ganze alldeutsche Presse hat der Regierung die bittersten Vorwürfe deswegen gemacht. Nun sollen wir nut den Demonstrationen das Gegenteil er­reicht haben.(Zurufe.) Nein, Herr Kollege Stresemann, wir haben die Uebcrzeugung, daß die Friedensdemonstration der Regierung außer. ordentlich gelegen kam, daß sie froh war, daß sie kam, damit sie eine Stütze fand gegen die allgemeine Hetze, die von einigen großen Parteien getrieben wurde.(Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) Damit war alles erledigt, was gesagt worden ist.(Zurufe.) Nein, meine Herren, dagegen müssen wir uns wirklich wehren. Sie werden nicht glauben, daß wir für die Demonstrationen die Erlaubnis der Negierung erst einholen.(Heiterkeit und Glocke des Präsidenten. Zurufe.) Dann war das ein Beweis, daß die Ne- gicrung vernünftig war(Heiterkeit), das kommt selten genug vor.(Wiederholte Heiterkeit.) Sie hat aber in diesem Augen- blick erklärt, daß sie von der Sozialdemokratie nichts wissen will, wie auch wir von ihr nichts wissen wollen. Wenn durch Zufall einmal unsere Wege zusammenlaufen, so lassen wir uns dies Nebeneinandcrlaufen gefallen, da handeln wir ganz recht und vernünftig. Daß Sie auf nationalliberaler Seite ganz fürch- terlich geärgert sind, nachdem Sie ganz beiseite geschoben sind, ist erklärlich.(Heiterkeit.) Nun hat man weiter gesagt, die Sozialdemokratie habe die Soldaten aufgefordert, der Einberufungßorder nicht zu folgen, indem sie Massenstreiks für den Fall des Krieges au- gedroht habe, und insbesondere hat Kollege H a u ß m a n n die Worte seines Parteifreundes Wiemer dahin ausgelegt, obwohl Wicmer kein Wort davon gesagt hat.(Zurufe: Doch, doch, Massen- streik!) Sie brauchen nicht stolz darauf zu sein, Herr Kollege Wiemer!(Heiterkeit.) Es ist nicht wahr, daß die Rede des Re­dakteurs Säumig vomVorwärts" nachher in Artikeln begünstigt sei und daß derVorwärts" dazu aufgefordert habe, man solle im Falle der Einberufung der Order nicht folgen; das ist eine leichtfertige Behauptung des Abgeordneten Erzberger  . DerVorwärts" hat sich in dieser Sache durchaus reserviert gehalten, er w.ußte ganz genau, daß die angebliche Anschauung DäumigS in dieser Frage nicht die Ansicht der Partei war.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Es ist auch nicht wahr, daß die Treptower Resolution irgend etwas enthalten hat. was der Däumigschen Rede auch nur entfernt ähnlich war. Diese Resolution hat vielmehr genau auf dem Boden gestanden, den die Partei seit langen Jahren in dieser Frage eingenommen hat.(Sehr richtig! bei den Sozial- demotralen.) Wenn Herr Erzberger sich darauf bezogen hat, daß der Ausschutz der christlichsozialen Partei, der eine viertel Million Mitglieder hinter sich habe, das Verhalten der sozialdemo- kratischen Partei als Verrat an unserem Vatcrlande gebrandmarkt habe, so war das ein Lufthieb. Hätte der..Vorwärts" getan, was Herr Erzberger   ihm vorwirft, so wäre 112 des Strafgesetz­buches in Auwendung gekommen:Wer eine Person des Soldaten- standes nuffordert oder anreizt, dem Befehl der Oberen nicht Folge zu leisten, wer insbesondere eine Person des Beurlaubtenstandes auffordert oder anreizt, der Einberufung zum Di-nste nicht zu folgen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft." Diese Bestimmung ist klar und deutlich. Unrettbar wäre man gegen den ..Vorwärts eingeschritten, andernfalls hätte die Staatsanwaltschaft sich eine Pslichtvergesscnbeit zuschulden kommen lassen, und unser Kriegsministerium würde sie zur Ordnung gerufen haben. (Zwischenruf.) Jawohl, vom Standpunkt des heutigen Staates wäre es eine Pflichtvergessenheit der Staatsanwaltschaft gewesen, und sie wäre sicher eingeschritten, wenn es wahr gewesen wäre. Nun komme ich zur Frage des Massenstreiks. Nichtig ist, daß Herr Daum ig in einer Rede über die Marokko  - angelegen heit in einer Versammlung ungefähr ausgeführt hat, es ginge nicht mcbr mit bloßen Reden, man müsse, wenn es zum Ernstfall käme, zum Massenstreik greifen. Eine Opposition dagegen war nach der Natur der ganzen Versammlung nicht möglich, sie ist dem Redner aber sehr bald privatim entgegengetreten. Di« Rede D ä u m i g s hat neben der Aufmerksamkeit der StaatZantvaltschaft a auch die der bürgerlichen Presse hervorgerufen, und es hat eine große Hetze gegen die gesamte sozialdemokra- tische Partei stattgefunden. Naturgemäß mußte ich auf dem Jenaer   Parteitag, wo ich das Referat über die Marokko  - jrage hatte, darauf eingehen. Erzberger meinte, ich hätte mich mit außerordentlicher Geschicklichkeit um die Stellungnahme zu dieser Frage herumgedrückt. Das kann er nur sagen, wenn er den Verhandlungen des Jenaer   Parteitages nicht gefolgt ist und das Protokoll nicht kennt, denn sonst wäre die Behauptung wider besseres Wissen gemacht. Ich habe mich nicht um die Frage herumgedrückt, sondern, wenn der Ausdruck erlaubt ist, den Ochsen bei den Hörnern genommen. Ich habe gesagt, man hat die Rede eines Genossen von uns, der sich für den Massenstreik im Kriegs- fall ausgesprochen hat, in der Presse benutzt, um gegen die Partei zu hetzen und es so darzustellen, als wenn die Partei entschlossen und bereits darüber einig sei, im Falle eines Krieges zum Massen- streik zu greifen. Ich habe weiter erklärt, wir halten es gar nicht für not- wendig, uns auf diese Frage einzulassen, da die Stellung der Partei zur Frage des Massenstreiks im Kriegsfall längst festliegt. Aber nachdem einmal die Sache zur öffentlichen Erörterung ge- kommen ist, wollen wir aussprechen, was wir seinerzeit getan und festgelegt haben, und das ist auf dem internationalen Sozia- lsitenkongreß im August 1907 zum so und so dielten Male ge- schchen. Ich will bemerken, die Frage des Massenstreiks, des Militärstreiks im Kriege ist seit 1392 auf den verschiedenen inter  -- nationalen Kongressen behandelt worden. Bei den ersten Gelegen- Helten waren es namentlich holländische Vertreter, die den Militär- und Massenstreik bei Kriegsausbruch verlangten. Nun, vom Jahre 1892 an bis zum Jahre 1907 war es die deutsche Sozialdemokratie, die durch ihre Vertreter in der klarsten Weise erklärt hat: darauf lassen wir uns nicht ein, und die gegen die Resolution, die in dem Sinne vorgeschlagen war, regelmäßig einstimmig gestimmt hat.. Nun kam die Frage wieder auf dem internationalen Kongreß in S t u t t- gart. Die Franzosen  , die Engländer und die meisten Nationen, die dort Vertreter hatten, waren dafür, daß in der Resolution, die zur Militär- und Kriegsfrage beschlossen werden sollte, mich ein Satz aufgenommen würde, daß im Falle des Krieges die Ar- bester mit dem Massenstreik antworten müßten. Darauf habe ich im Namen meiner Parteifreunde und zwar im einstim- migen Auftrage derselben erklärt: die Resolution nehmen wir nicht an; wollt Ihr sie annehmen, gut, Hann werden wir aber dagegen protestieren. Darauf sagte man sich, ja, wenn die Deutschen   als die am stärksten vertretene Nation gegen eine derartige Resolution protestieren, dann können wir natürlich sie nicht vorsckilagen. Darauf wurde eine Kommission eingesetzt, und von dieser nach langen Verhandlungen eine Snbkommission, die aus drei Deutschen   bestand, von Volkmar, Haase und mir. Wir haben daraufhin eine Resolution vorgeschlagen, in der der entscheidende Satz lautet:Daß jede Nationalität im ge- gebenen Falle mit den ihr am wirksamsten erscheinenden Mitteln sich gegen den Ausbruch eines Krieges erklären soll." Mit den ihr am wirksamsten erscheinenden Mitteln. Damit ist also gesagt: Wenn Ihr Deutsche   das nicht mitmachen könnt oder wollt, seid Ihr eben nicht darunter verstanden. Das war der Weg, der betreten worden ist, den wir akzeptiert haben, und dieser bedeutet, daß die Partei von einem Massenstreik im Kriegsfall absieht, daß sie nichts damit zu tun hat. Das habe ich für notwendig erachtet, hier einmal klarzu- stellen. Denn ich habe es nicht für möglich gehalten, daß ein sonst mit den Verhältnissen der sozialdemokratischen Partei, ihren Beschlüssen usiv. so bekannter Mann, wie der Abgeordnete Erz- b e r g e r von ocn Abgeordneten Wiemer und Hautzmann wundert es mich nicht(Heiterkeit), denen sind die deutschen   sozial- demokratischen Parteiverhältnisse böhmische Dörfer(Große Heiter- keit), der dort(nach dem Zentrum zeigend) weiß etwas mehr (Stürmische Heiterkeit; Zuruf von der Volkspartei, das macht die frühere Bnndesgenosscnschaft). Ach, Ihr habt 19 Jahre lang mit dem Zentrum gemogelt(Stürmische Heiter- keit, Zurufe links), mit Ihren Vorwürfen kommen Sie mir vor» wie die Auguren in Rom  , die lächelten, wenn sie einander begegneten und ansahen. Nachdem das also in der Weise heute hier vorgebracht und wiederholt worden ist. und nachdem zu befürchten ist, ja sehr wahrsclzeinlich ist, daß diese lügenhaften Behauptungen anders kann ich sie nicht nennen draußen im Wahlkampf gegen meine Partei ausgenutzt werden, habe ich mich veranlaßt: gesehen, die Sache richtigzustellen, und nachdem ich nunmehr die Sache hier vor dem Reichstag   und vor der Nation richtiggestellt habe, ist der, der diese Behauptung wiederum aufstellt, ein Verleumder, er handelt wider besseres Wissen und Gewissen, und meine Parteigenossen werden ihm, hoffe ich, in der rechten Weise für seine Verleumdung zu züchtigen wissen.(Lebhaftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Mngda»(Vp.): Die Mitteilungen des Abg. Bebel sind für mich in keiner Weise beweiskräftig. Das ist selbstverständlich, daß die sozialdemokratische Partei als solche den Massenstreik ver- wirft. Aber deshalb bleibt es bestehen, daß in einer Zeit, in der tatsächlich Deutschland   und Frankreich   sich in schwierigen Verhält- nissen befanden, die Sozialdemokratie durch Protest- resolutionen die Stellung Deutschlands   ver- schlcchtert hat. Jetzt ist es leicht, über Herrn D ä u m i g den Stab zu brechen. Aber damals schrieb das sozialdemokratische Blatt in Görlitz  , die Morgenröte der politischen Freiheit breche an. Damals wurden alle diese Torheiten als Meisterstücke politischer Klugheit angesprochen. Daß Bebel klug genug ist, einzusehen, daß das seiner Partei schaden mußte, ist selbswcrständlich, und in Jena   mußte dann die Erklärung abgegeben werden, die dort ab- gegeben worden ist(Zurufe bei den Sozialdemokraten), daß die sozialdemokratische Partei nicht für den Massenstreik ist, l>c- �lveisle ich nicht.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Dann ist cS ja gut!) Nein, Herr S ü d e k u m, es ist nicht gut, denni es bleibt bestehen, daß Sie in unverantwortlichen Versammlungen den Schein erweckt haben in den Massen, daß Sie im Falle des Krieges für den Massen st reiteintreten.(Stürmische Zurufe bei den Sozialdemokraten: Unwahr! Lüge!) In all den Versammlungen kam das geheimnisvolle Wort vor, das Proletariat würde wohl schon wissen, den Frieden zu wahren und den Krieg zu verhindern. Selbstverständlich sagen Herr Bebel und S übe tum, das ist keine Aufforderung zum Massenstreik; die Versammelten aber mußten überzeugt sein, daß das Proletariat im Falle des Krieges in der Lage sei. den Krieg durch den Massenstreik zu verhindern. (Stürmische Unterbrechungen bei den Sozialdemokraten. Abg. Südekum: Die Konservativen stimmen in Görlitz   ja doch für Sie!) Ich habe von all den Versammlungen nicht viel gehalten. Aber das Ausland hat anders über sie geurteilt, französisch- Zei- tu ngen haben erklärt, in Deutschland   gibt es eine Partei von 31l.. Millionen, der Marokko   nichts wert ist. und die selbst erklärt, sie würde den Krieg zu verhindern wissen; aus Teutschland brauchen wir also keine Rücksicht zu nehmen. Dadurch ist der Frieden gestört worden, denn wäre die französische   Regierung auch so dumm gewesen und hatte den Versammlungen einen so hoben Wert beigemessen, so wäre der Krieg dadurch wicht herbei- geführt worden. Ueber solche Redensart, das Proletariat werde den Krieg zu verhiüdern wissen, kann man, nachdem der italienisch- türkische Krieg unter dem jubelnden Beifall des Proletariats aus- gebrochen ist, nur lächeln.(Zustimmung bei der Volkspartei.) Das Wort hall: ich aber genommen, um dem Staats- s e k r e t ä r d es Auswärtigen zu sagen, nicht der vorliegende Vertrag ist die Ursache der großen Erregung, fondern das seit Monaten in Deutschland   herrschende mangelnde Vertrauen zu der Geschicklichkeit der Unterhändler. Und dies