Lerkrauen zu heben � hat weder der Kanzler, noch der Staatssekretärverstanden. Leugnen Sie etwa, daß unsere Diplomatie nichts vondem russisch-japanischen Krieg gewußt hat, daß sie von demitalienisch-türkischen Krieg überrascht ist, daß der Botschafter inLondon die Geschäfte recht merkwürdig geführt hat? Hätte dieenglische Regierung wirklich gewußt, was wir in Marokko beab-sichtigen, so wäre die Rede von Lloyd George absolut un-verständlich.(Sehr richtig bei der Volkspartei.) Der Reichs-kanzlcr sagt freilich, ,.an ihrem Beifall ist mir nichts gelegen, ichwohne in den Wolken." Es kann aber sehr wohl eine Zeit kommen,wo es ihm und dem Staatssekretär sehr angenehm wäre, sich auf«ine Gruppe im Reichstag zu stützen. Der Staats-sekretär hat auch keine Auskunft gegeben auf die Frage, ob wirklicheiner Versammlung von Journalisten im Auswärtigen Amt dieMitteilung gemacht ist, wir wollten uns in Marokko festsetzen. Wirverlangen aber Auskunft darüber.(Zustimmung bei der Volks-Partei.)Staatssekretär v. Kiderlen-Waechter: Es ist kein Wort da-Von wahr, daß das Auswärtige Amt Pressevertreter dahin in-struiert hat, wir wollten in Marokko Land erwerben. Wedervon mir noch von einem Beamten des Auswärtigen Amts ist weder■einem einzelnen Pressevertreter, noch einer Versammlung von Presse-Vertretern etwas Derartiges gesagt. Schon Herr Bebel hat dasGerücht erwähnt; ich habe ihm nicht geantwortet, weil ich der Ur-fache des Gerüchts erst nachgehen wollte. Im Auswärtigen Amt hat-eine Versammlung von Pressevertretern nicht stattgefunden, wirhalten dort keine Preßkongresse ab. Aber tatsächlich hat eine Ver-sammlung von 60 Pressevertretern der alldeutschenRichtung stattgefunden, und die haben unter sich die Annexionvon Marokko beschloffen(Stürmische Heiterkeit), ich gebe zu, in-unverbindlicher Weise.(Erneute Heiterkeit.) Wir haben daseinzige getan, was wir tun konnten, und haben einen Beamtenzu den Hauptmatadoren geschickt und ihnen sagen lassen: Seien Sievorsichtig, allein werden Sie die Sache nicht machen können unddie Regierung st e h t n i ch t h i n t e r I h n e n.(Große Heiterkeit.)�ch hoffe, damit ist die Sache genügend aufgeklärt.Abg. Erzberger(Z.): Der Herr Abg. Bebel hat mir denschweren Vorwurf gemacht, ich hätte eine leichtfertige Behauptungaufgestellt. Demgegenüber muß ich den vollen Beweis für meineBehauptung antreten. Der Redner verliest aus dem Bericht des»Vorwärts" vom 22. August in Nr. 196 über eine Rede desReferenten Däumig folgende Stelle:„Es ist erfreulich, daßKundgebungen der Arbeiterschaft gegen den Krieg schon in vielen-Orten stattgefunden haben. Man hört bei dieser Gelegenheit auchsagen, das Proletariat werde zu entscheiden haben, ob es sich umeinen Angriff- oder Abwehrkrieg handele. Die Zeiten sind vorbei,»vo Völker durch fremde Horden überfallen wurden. Bei den heu-tigen Kriegen und der heutigen Militärtechnik kann man nicht mehrunterscheiden, wer der Angegriffene und wer der Angreifer ist.Sollte die gewissenlose und verbrecherische Kriegshetze der groß-kapitalistischen und alldeutschen Kreise Erfolg haben, dann dürfte esnicht bei Protesten und Worten bleiben."(Hört! hört! im Zentrum.)Er schildert dann die Wirkungen des Krieges und fährt fort:»Wirhaben in Deutschland über zwei Millionen gewerkschaftlich undpolitisch organisierte Arbeiter, davon würden etwa 500 000 derMobilmachungsorder zu folgen haben. Sind unsere Anhänger ge-schult genug, um in diesem Fall die richtige Lösung zu finden."(Hört! hört! im Zentrum.)„1870 haben unsere Genossen nachSedan einen mutigen Protest erhoben, aber was unter den da-maligen Verhältnissen als eine mutige Tat gelten konnte, daswürde heute Feigheit, politischer Selbstmord sein."(Hört! hört!im Zentrum.)„Mit platonischen Erklärungen kommen wir nichtdavon, wenn die Kriegsheyer das Heft in die Hand bekommen.Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint die Frage desMassenstreiks in neuer Beleuchtung. Wir müssenimmer mit der Möglichkeit rechnen, daß die letzten Fragen derPolitik auf einem anderen Gebiete als an der Wahlurne entschiedenwerden."(Aha! im Zentrum.)„Wenn wir das unseren Genossenklarmachen, wird ihr Geist ein anderer werden. Die Kleinigkeitenwerden dann nicht mehr die Rolle, wie jetzt manchmal, spielen;man wird sich klar darüber sein müssen, daß uns Situationen auf-gezwungen werden können, die uns nötigen, außerordentliche Kampf-mittel anzuwenden, wie das auch in bürgerlichen Revolutionen derFall gewesen ist, natürlich mit anderen Mitteln und mit andererTaktik."(Hört! hört! im Zentrum. Rufe bei den Sozialdemo-kraten: Wer sagt das?) Däumig!(Erneute Unterbrechung beiden Sozialdemokraten.) Warten Sie doch ab, ich verlese jetzt auchdie Resolution, die in der Versammlung gefaßt worden ist,und in der heißt es: Die Versammlung erklärt im Namen dergesamten Berliner Arbeiterschaft, daß sie allen v e r b r e ch e r i-s ch e n Versuchen, die darauf hinauslaufen, Krieg, Blut-vergießen und Vernichtung des Nationalwohl-standes über die Nation zu bringen, mit allen zuGebote stehenden Mitteln entgegengetreten wird.(Hört! hört! im Zentrum. Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten.)Was das für Mittel sind?) In der Resolution werden sie freilichnicht genannt, wohl aber in der Rede des einzigen Mannes, dersie begründet hat. in der Rede des Redakteurs Däumig. Und der„Vorwärts" sagt ausdrücklich:„Was die Berliner Arbeiterschaftbesprochen hat, das ist die Meinung der deutschen Sozialdemokratie."(Hört! hört! im Zentrum.) Ich habe all das natürlich nur resü-mierend zuerst wiedergegeben, aber ich bin durchaus loyal ver-fahren. Wie kommt Herr Bebel dazu, meine Aeußerung eineleichtfertige Behauptung zu nennen.(Zuruf bei den Sozialdemo-kraten: Das bleibt sie auch.) Herr Bebel sollte künftig vorsichtigersein, und ich stehe in der Auffassung der Dinge nicht allein. Wasdie Sozialdemokratie in jenen Tagen getan hat, ist von der ge-samten bürgerlichen Presse verurteilt worden. Dasbeweist der Aufruf des Ausschusses der christlichnationalen Arbeiter-bewegung. Mir wird auch mitgeteilt, daß es damals infolge jenersozialdemokratischen Versammlung in den einzelnen Werkstätten undFabriken geheißen hat: Ihr könnt alle beruhigt sein, es gibt keinenKrieg. Wenn er erklärt wird, dann machen wir einen Massenstreik.Auf die mannhafte Erklärung einer Viertclmillon christlicher Ar-beiter hatte der„Vorwärts" keine andere Erklärung, als den Aus-druck Schwefelbande.(Hört! hört! im Zentrum.) Ich habevorher schon gesagt, daß Herr Bebel in Jena anders gesprochen hatals Herr D a u m i g in Berlin, aber immerhin lautet der Schluß-sah in der Jenaer Resolution, daß die Sozialdemokratiejedes Mittel anwenden soll, um den Weltkrieg zuverhindern. Das Mittel wird nicht genannt, aber die Reso-lution der Konferenz des Internationalen S o z i a l i st i-s ch e ii Bureaus wird bald darauf noch deutlicher. Sie sagt, daßdie Arbeiterschaft einen Krieg dazu ausnützen müsse, um die kapi-t a l i st i s ch e Klassenherrschaft zu stürzen, und HerrDäumig fordert nicht Demonstrationen, sondern Taten.(Zurufbei den Sozialdemokraten: Welche?) Das weiß ich ja nicht.Jedenfalls: Wenn Ihnen nachher die Sache brenzlich ge-Jedenfalls: Wenn Ihnen nachher die Sache nachher brenzlich ge-worden ist. dann ist das mit zu danken dem mutigen Protest derchristlichen Arbeiterschaft gegen volksvcrräterisches Treiben.(Bravo!im Zentrum.)Abg. Fischer(Soz.):Es ist eine interessante Erscheinung, daß hier ein Vertretereiner Parte, die das Christentum zu oertreten vorgibt, auf-tritt, eine Anklage zu erheben gegen eine Partei, die für denFrieden eintritt. lSchr richtig! bei den Sozialdemokraten—Lachen der übrigen Parteien.) Lachen ist kein Beweis. Sie müssenfragen, ob das wahr ist oder nicht. Wenn wir Sozialdemokratengegen den Krieg in der Weise Protest erheben, wie sie unterden bestehenden Gesetzen möglich ist, dann müßtenSie, wenn Ihre Worte Ihren Gedanken entsprächen, auf unsererSeite stehen, dann dürften nicht der Gefangene im Äatikan undseine Bischöfe jetzt die Armee segnen, die nach Afrika gegangen ist.lieber ein Gedicht von d'Annunzio hat der Papst geweint,aber nicht darüber, das? Tnusendc um elende Finanzinteressen ge-Opfert werden.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)_ Das ist Ihr Christentum!__Verantwortlicher Redakteur Richard Barth, Berlin. Für denWir find stolz darauf, auch dann als Vaterlandsfeindehingestellt zu werden, wenn wir gegen einen Krieg demonstrieren.den niemand hier im Hause zu rechtfertigen denMut gehabt hätte. Sie leugnen alle und stehen doch alleunter dem Eindruck der sozialdemokratischen Massendemonstra-tionen und der sozialistischen Bewegung, deren Bekämpfung IhrTun von morgens bis abends gilt.(Sehr richtig! bei den Sozial-demokraten.) Es ist eine Ironie der Geschichte, daß die Regierung,die alle ihre Machtmittel gegen die Sozialdemokratie verwendenwill, sich auf die große deutsche Sozialdemokratie stützen mußte,um den Frieden zu bewahren.(Sehr gut! bei den Sozialdemo-kraten.) Als Bebel erklärte, nach seiner Klarstellung dürfe nie-mand mehr jene unwahren Behauptungen erheben, wunderte ichmich über seinen Optimismus und sagre ihm: Na, August, derReichsverband wird nicht ein Flugblatt weniger heraus-bringen. Der freisinnige Gönner des Reichsverbandes, Abgeord-neter Mugdan, hat die alten Verleumdungen gleich wieder auf-genommen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)Vizepräsident Schultz: Sie dürfen einem Abgeordneten nichtVerleumdung vorwerfen.Abg. Fischer(fortfahrend):O, das darf ich schon; aber ich darf bloß nicht sagen,daß er es mit Bewußtsein getan hat.(Große Heiterkeit.)Vizepräsident Schultz: In Ihrer Aeußerung lag der ckoluseventualis der Bewußtheit.(Stürmische Heiterkeit im ganzenHause.)Abg. Fischer(fortfahrend):Herr Mugdan hat gesagt, Bebel habe ihn nicht überzeugt.Nichts leichter, als gegenüber der Wahrheit zu sagen: Du hast michnicht überzeugt. Dann hat man nach wie vor das Recht aufdie Unwahrheit.Herr Erzberger hat hier eine angebliche Rede eineseinzelnen Sozialdemokraten(Widerspruch im Zentrum) angeführt,in der dieser die Sozialdemokraten aufgefordert haben soll, beiErlaß eines Mobilmachungsbefehls diesem Befehl keine Folge zuleisten, sondern mit dem Generalstreik im Augenblick der Kriegs-erklärung zu antworten. Und diese Auffassung und Erklärung eineseinzelnen Sozialdemokraten ist vom»Vorwärts" mitgeteiltworden und nach dem„Vorwärts" von einem großen Teil derParteipresse. Das ist die Behauptung, die Herr Erzberger hieraufgestellt hat.— Zunächst stelle ich fest, daß Däumig das, wasErzberger als seine Aeußerung hinstellt, nicht gesagt haben kann,weil ihn sonst der Staatsanwalt beim Krawattchen gepackt hätte.(Heiterkeit und Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) Zweitenshat kein Blatt überhaupt diese Behauptung in der positivenForm wie Herr Erzberger aufgestellt. Was Herr Erzberger alsBeweis aus dem„Vorwärts" verlesen hat, beweist nur, wieleichtfertig er in diesem Falle Behauptungen aufgestellt hat.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.)Vizepräsident Dr. Schultz: Der Ausdruck leichtfertig ist schonmehrfach gebraucht und nicht gerügt worden, aber ich bitte Siedoch, etwas liebenswürdigere Formen zu wählen.Abg. Fischer(fortfahrend):Dann will ich sagen: leichten Herzens.(Heiterkeit.) HerrErzberger hat sich dann auf die Resolution bezogen, die der„Vorwärts" vom 22. August 1911 wiedergegeben hat. Dort heißt es:„Die Versammlung erklärt im Namen der gesamten Berliner Ar-beiterschaft, daß sie alle verbrecherischen Versuche, die daraushinauslaufen, Krieg, Blutvergießen und Vernichtung des National-Wohlstandes über die Arbeiter zu bringen, mit allen zu Gebotestehenden Mitteln entgegentreten wird." Ich frage: Wie kann manaus diesem Wortlaut das herauslesen, was Herr Erzbergerherausgelesen hat.(Zuruf rechts: Welche Mittel denn?) Ja derMittel gibt es verschiedene, und wenn Sie die sozial-demokratische Literatur gelesen haben, würden Sie es wissen. Daßaber das Mittel, welches Herr Erzberger angegeben hat, nach denErklärungen Bebels nicht darunter verstanden werden kann, istzweifellos. Freilich in einer Minute kann ein Narr mehrfragen, als zehn Weife beantworten können.iHeiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Herr Erzberger hatdann denIndizienbeweisangetreten und gesagt, cS hieße in der Resolution, daß jederParteigenosse mit seiner Person dafür eintreten müsse. Jeder, derdie Geschichte der Sozialdemokratie in den letzten 25 Jahren kennt,weiß, daß sich unsere Partei dadurch von anderen Parteien unter-scheidet, daß wir mit unserer Person für dir Sache eintreten, wäh-rend es bei anderen Parteien mitdem Säbel im Mauleabgetan ist.— Herr Erzberger meinte, unsere Parteigenossensind geschult genug, um zu wissen, was gemeint war. Gewiß sindsie geschult. Wenn Herr Erzberger aber meinte, einzelne Arbeitrhätten in Fabriken gesagt: Wenn ein Krieg kommt, so machen wireinen Generalstreik, so bestreite ich nicht, daß das einzelne Per-sonen gesagt haben mögen. Schließlich werden Sie doch nicht ver-langen, daß alle Esel bei Ihnen organisiert sind!(Große Heiter-keit.— Unruhe und Zurufe rechts und im Zentrum.) Warum hatErzberger, der den ,.Vorwärts"-Artikel hier auf die Tribünebringt, nicht auch zitiert, daß die„anderen Mittel", von denenDäumig gesprochen hat, für uns eine Frage des Studiums ist,weil wir genug geschult sind, um über solche Fragen nachdenken zukönnen. Gleich danach aber steht in demselben Artikel des„Vor-wärtS",„daß eS sich um einzelne Probleme handelt, die durchgeführtwerden müssen".Wenn man diesen Satz überschlägt, dann allerdings kann mansagen: Er(Erzberger) hat die Behauptung aufgestellt widerbesseres Wissen.(Zurufe vom Zentrum.)Selbst wenn der Redakteur Däumig alles, was Herr Erz-berZer ihm unterstellt, wirklich gesagt hätte, wenn er die Forde-rungen erhoben hätte, daß man bei der Mobilmachung der Ein»berufung keine Folge leisten solle, daß beim Ausbruch des Kriegesder Generalstreik von der Partei inszeniert werden müsse, selbstwenn das ein einzelner Genosse gesagt hätte, was beweist das gegenParteibeschlüsse, die auf internationalen Kongressen, ausdem Parteitag in Jena und früher gefaßt worden sind? In welcherStellung befindet sich denn da das Zentrum? Der Herr Abg.Erzberger ist noch nicht der nächste beste im Zentrum, er istein Mann, auf den Sic alle stolz sein können wegen seines Fleißes.seiner Belescnheit, seiner Rcgistraturkünste.(Heiterkeit.) Siemüßten sich ihn kaufen, wenn sie ihn nicht hätten.(ErneuteHeiterkeit.) Wenn nun ein solcher Mann, wie er, bei Auflöiungdes letzten Reichstages Erklärungen abgibt über die künftigeSteuerpolitik des Zentrums, müßten Sie sich da nichtverpflichtet fühlen, die Worte des Herrn Erzberger einzulösen?Aber Sie haben dieseWahlversprechen des Herrn Erzberger,die Sie in Tausenden von Exemplaren in die Welt geschickt haben.elend desavouiert und haben die Finanzreform so gemacht.wie sie vorliegt. Und dieser so desavouierte Herr Erzbergerwill uns auf die Worte eines einzelnen Mannes festlegen, aufWorte, die gar nicht protokolliert sind und nichtgenau feststehen!Für eine Versammlung maßgebend ist die Resolution.die gefaßt worden ist. Die Rede, die dazu gehalten worden ist.kann gut oder schlecht sein, sie hat mit der Resolution nichts zutun. Die allgemeine Haltung der Partei ist maßgebend; nichtdas einzelne Wort oder der einzelne Artikel eines einzelnenMannes. Was eine Versammlung in Gestalt von Resolutionenangenommen hat, nur damit hat sie ihr Einverständnis erklärt.Was hat nun in der Resolution gestanden? Daß man denverbrecherischen Versuchen mit allen Mitteln, die zuGebote ständen, entgegentreten werde. Das istZnscratenteil verantw.: Th. Glocke, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärtsja eigentlich etwas SelbstverstänVlichcS. Und waS War Sa«für eine Versammlung? Eine Versammlung der inneren Partei-organifation, wo neben der Erledigung anderer Vereinsgeschästeauch diese Frage erörtert wurde. Was die Meinung der Berliner:Parteigenossen war, das Hobe« sie acht oder vierzehn Tage späterin der großen Demonstration in Treptow ausgedrückt.Da haben sie Stellung genommen zur Frage des Krieges oderFriedens, da haben sie ihren Beschluß in einer Resolution nieder--gelegt, und dafür ist die Sozialdemokratie verantwortlich, nicht fürdas, was irgendein bürgerliches Berliner BlattDäumig hat reden lassen.(Sehr richtig! bei denSozialdemokraten.)Nun beruft sich Herr Erzberger auf den„Vorwärts";aber kein Wort von der Mobilmachung steht in der Resolution,die er vorgelesen hat, kein Wort vom Generalstreik steht in den»Artikel, auf den er seine Anklage aufbaut. Was Berlin wollte,hat sich gezeigt bei der großen Demonstration im Treptower Park.von der die„Norddeutsche Allgemeine" selbst sagt, daß 200 00 0Teilnehmer zugegen waren.(Zuruf im Zentrum: Sovielwaren es ja nicht!) Und wenn es zehnmal mehr gewesen wären,Sie hätten doch gesagt, es waren leine 20 000, und wenn imTreptower Park bloß 20 000 zur Stelle gewesen wären, dann hättenSie überhaupt nichts gesehen in der Millionenstadt. Alles warschwarz von Demonstranten.(Zwischenrufe: Rot! rot! Heiterkeit.)Herr Mugdan konnte mit nicht genug Verachtung von derBedeutungslosigkeit solcher Demonstration sprechen. Das hat michallerdings ganz wunderbar berührt bei einem Mitgliedder Fortschrittlichen Volkspartei, die ihre ganze Existenz, ihreganze Propaganda, ihre Zukunft auf die Zustimmung des Volkesaufbaut, die bei allen Wahlversammlungen vom Volke spricht.Aber Sie meinen wahrscheinlich, daß nur die Abgeordnetenund die Gemeindebevollmächtigten und die Bezirks-Vorsteher das Volk seien, das allein mitzureden habe.Man braucht bloß die Miene des Herrn Mugdan sich zu ver-gegenwärtigen, mit der er von den Demonstranten sprach. Unddoch ist alles nur Neid, weil Sie(zu den Freisinnigen) Ihre An-Hänger hier in Berlinin einer einzigen Droschke spazieren fahren können.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Es ist die alte Geschichtevom Kuhhirten von Ulm, der, als man ihn nicht wiederwählte,sagte, er pfiffe auf das Amt.(Heiterkeit.)Man muß scharf unterscheiden zwischen einer Agitation, dievor Ausbruch eines Krieges zur Verhütung des Krie-ges geführt wird, und einer Agitation, die nach Ausbrucheines Krieges einsetzt. Wir haben vor Ausbruch des Krieges,der um eines soelenden, frivolen Zweckes,wie er hier in Frage kommt, geführt worden wäre, alles zu tunversucht, und jeder hat seine Person eingesetzt, um den Ausbrucheines Krieges zu verhindern, und nicht eine Frage des� Willens,sondern eine Frage der Macht, eine Frage des Könnensmuß es sein, die Mittel anzuwenden, die wir für geeignethalten.(Zuruf aus der Mitte: Jedes Mitteil) Jedes Mittel, dasein so schweres Unglück von einer Nation abwenden kann.Etwas anderes ist es, wenn ein Krieg ausgebrochen ist.Das ist aber auch die Meinung der Sozialdemokratie in allenLändern, und wenn Sie sagen, wir in Deutschland haben dieAktion der Regierung durch unsere Friedensdemonstrationen ge-hindert— et, haben den die französischen Friedens-demonstrationen die Aktion ihrer Regierung nicht gchin-dert? Und die englischen Friedensdemon st rationen?(Abg. Erzberger: Die kamen viel später!) Ach, Herr Erz»b e r g e r, Sie sprechen schon wieder etwas aus, wovon Siedas Gegenteil wissen. Sie kennen genau den Streitin unserer Partei darüber, ob das Internationale Bureau vierWochen früher oder später zusammentreten soll, und Sie wissen.daß wir Deutsche auf dem Standpunkt der Vertagung dieserKonferenz standen, weil wir sie ini gegebenen Augenblick nochnicht für notwendig hielten, und Sie wissen, daß die Franzosenauf dem umgekehrten Standpunkt stnnocn und daßdie Franzosen bereits am 4. August ihre großen Friedensdemon-strationen in dem Zirkus von Paris hatten. Die Engländerhaben ebenfalls gleichzeitig demonstriert, und die Demonstrationenwaren so, daß wechselseitig die Redner in den einzelnen Ländernwaren, um den Einfluß ihrer eigenen Bewegung mit in die Wag-schale zu werfen, um zu zeigen, daß es sich hier nicht um das Ge-Winnen einer einzelnen Klasse handelt, fondernum de« große« mächtige« Willen der Arbcitersvlidaritötin allen Ländern.Wenn die Franzosen, die Engländer, die anderen ausländischenSozialdemokraten für ihre Regierungen eingetre-ten wären, um Deutschland mit Krieg zu� überziehen, undwir dann allein gekommen wären, so hätten Sie vielleicht recht.Aber gegenüber der Tatsache, daß die Sozialdemokraten aller Län-der von dem gleichen Gedanken begeistert waren, daßüberall dieselben Mittel angewendet wurden, daß sie überall ihrganzes Sein auf das Spiel sehten, um den verbrecherischen Kriegzu verhindern, können Sie bloß noch Dummköpfen mit demArgumente kommen, daß wir landesverräterische Zwecke verfolgtenund der Regierung in den Friedensbestrebungen in den Arm ge-fallen sind.Ich weiß nicht, ob die Regierung von Anfang an Frieden?.bestrebungen gehabt hat Nach ihren Erklärungen muß man eSglauben. Wenn die Regierung aber von Anfang an die Marokkofragefriedlich lösen wollte, dann waren unsere Versammlungen diewirksam st e Unter st ützung gegen daS verbrecherische Treiben der Alldeutschen, der„Post" und dasleider auch Sie(nach der Mitte) getrieben haben, weil Sie glaub-ten, daßdaS nationale Pferdziehen würde.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Stür-mische Zurufe im Zentrum. Glocke des Präsidenten.)Vizepräsident Schultz: Ich nehme an. daß die Worte„verbreche-risches Treiben" sich nicht auf den Abg. Erzberger beziehen.Abg. Fischer(Soz.):Ich stehe nicht an, zu sagen, daß die Worte„verbrecherische»Treiben" sich auf die anderen Parteien außerhalb des Hauses bezogen haben, und daß ich dann in dem Gedankengang der natio-nalen Hetze Herrn Erzberger und seine Partei miteinbezogen habe.(Heiterkeit.) Was ist in Treptow ge-schehen? Dieselbe Rede in ihrem Gedankengang, die Bebel aufdem Jenaer Parteitag in bezug auf den Massenstreik gehalten bat.dieselben Gedankengänge sind auch in Treptow ausgeführtworden, weil sie die alten Gedankengänge der Partei sind, dieWiedergabe der in früheren Parieikoiigressen niedergelegten Partei-anschauuiigen. Wenn nach den Resolutionen der Berliner, desJenaer Parteitages, des Stuttgarter Parteitages und endlich nachden Erklärungen, die hier in autoritativer Weise abgegeben wordensind, noch jemand kommt— und es werden Leute kommen—,der dem widerspricht, dann haben wir das Recht, das zu sagen,was der Abg. Bebel bereits gesagt hat, daß man solche Leuteeinfach als Verleumder abtun kann.(Lebhaftes Bravo! bei denSozialdemokraten.)Vizepräsident Dr. Schultz: Ich mache darauf aufmerksam.daß das Marokkoabkommen zur Debatte steht(Heiterkeit,Zurufe bei den Soz.: Mugdan!l Ihre Redner sind gewiß n'chlbeschränkt worden, ich bitte aber die Herren, die noch auf diesenGegenstand zurückkommen, sich nun wirklich kurz zu fassen.Abg. Erzberger lZ.): Bei den Ausführungen des AbgeordnetenFischer mußte ich an das Wort denken, das in Jena fiel: DaSist Fischer, wie er leibt und lebt, der mit eine«- großen Rückzugskanonade eine verlorene Schlacht maskiert.(Lachen bei den Soz.)An meinen Behauptungen halte ich fest. Die Beweisführungdes Herrn Fischer ging daraus hinaus: es gibt keinen Däumig, esgibt keinen„Vorwärts", es gibt keinen Bericht, es gibt nichts alsFischer.(Lachen bei den Soz.)_(Schluß in der 2. Beilage.)__Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer u. Co., Berlin SVt»