9k. 267. 28.Ms«NtS.1 Itilnjf hcs ,|«nr iitls" Kcrlim WIIislllM.Dievstag, iL November 1911Reichstag*204. Sitzung Vom Montag, den 13. November,nachmittags 2 Uhr.Lm BundeSratStisch:v. Breitenbach.Auf der Tagesordnung steht die von den Wag. A l b r e ch t undGenossen<Soz.) eingebrachte Interpellation betreffendEntlassung von Arbeitern der Reichseisenbahnen.Sie hat folgenden Wortlaut:.Ist eS dem Reichskanzler bekannt, daß Arbeiter der R e i ch S»eisenbahn nach langjähriger, durchaus zufriedenstellender Arbeitaus ihrer Arbeitsstelle entlassen wurden, weil sie zur Ver-tretung ihrer wirtschaftlichen Interessen im Rahmen der bestehendenReichsgesetze tätig waren?WaS gedenkt der Reichskanzler zu tun, um solch willkürliches,der Gleichberechtigung der Staatsbürger widersprechendes Vor-gehen der Reichseisenbahnverwallung für die Zukunft unmöglichzu machen?"Nachdem der preußische Eisenbahnminister v. Breitenbach sich zurBeantwortung der Interpellation bereit erklärt hat, erhält zu ihrerBegründung das Wort,Wg. Emme!(Soz.):Im Juli d. I. wurden der Vorsitzende und der Schrift»fllhrer des in Mülhausen gegründeten Eisenbahnarbeiter»Vereins entlassen und etwas später, am 21. Juli, der Vor-fitzende und Schriftführer des elsatz-lothringischenEisenbahnarbeiterverbandes und der Redakteur desBerbandsorganS. Sämtliche fünf Personen wurden nicht wegen ihrerTätigkeit im Arbeitsverhältnis entlassen, sondern weil die Eisenbahn-Verwaltung sich herausnahm, in das außerdienstliche Verhalten ein.zugreifen, und weil diese Personen die wirtschaftlichenInteressen ihrer Kollegen vertreten hatten. DieOrganisation, um die es sich handelt, hat diesen Zweck ausdrücklichim Statut festgelegt, während p a r tei p o li t i s ch e Bestrebungennach dem Statul ausdrücklich ausgeschlossen find. Dazukommt, daß diese Satzungen von der Eisenbahndirektiongenehmigt sind. Die Eisenbahnarbeiter haben die Satzungenganz überflüssigerweise der Direktion zur Genehmigung eingereichtund mit der Gründung des Vereins so lange gewartet, bis dieStatuten genehmigt waren. Trotzdem konnte der Vereinnicht in Tätigkeit treten, sondern dem Vorstand des MühlhauserVereins wurde von dem Werkstättenvorsteher eröffnet, es würdeni« jede Versammlung einige Beamte geschicktwerden und eS sei die Tagesordnung zu jeder Versammlung ein-zureichen: würde daS nicht geduldet werden, so hätte der Vorsitzendedie Konsequenzen zu tragen.(Hört l hört! bei den Sozialdemo-kraten.)Es wurde ihm also offen gedroht, er persönlich würde denSchaden haben, wenn er sich ein derartiges Vorgehen nichtgefallen ließe. In seiner Beschwerde bei der General-Direktion wies der Vorfitzende auf das Gesetzwidrigedieses Verlangens hin und auf die Aeußerungen desChefs der Reichseisenbahnverwaltung im ReichSlage und imWgeordnetenhaus. worin betont war, den Arbeuern würdenkeine Schwierigkeiten gemacht werden, wenn sie sich vereinigenman verlange von ihnen nur, daß sie nicht das Streikrechtproklamierten und nicht parteipolitisch in sozial-demokratischem Sinne tätig seien. Trotzdem wurde dem Vor-sitzenden vom OberregierungSrat Meyer in Straßburg erklärt, derWerlstättenvorsteher habe mit Genehmigung der Geueraldirektiougehandelt und man beharre aus der Durchführung des Verlangens.. Nach langen Verhandlungen erklärte sich aber der OberregierungsratMeyer damit einverstanden, daß nur auf der Generalversammlungein Beamter zugegen sei und daß nur die Tagesordnung derGeneralversammlung S Tage vorher eingereicht werden müsie.Da der OberregierungSrat mit Maßregelungen drohte, wenn mandies nicht dulde(Hörtl hörtl bei den Sozialdemokraten.), erklärteman sich schließlich damit einverstanden.Sebr bald aber verlangte man nun dasselbe für alle Versamm-lungen de» Vereins resp. Verbandes. Als die Arbeiter von der An-Wesenheit de« Beamten nun wenigstens etwa« profitieren wollten,und ihn in Sachen, in denen sie zweifelhaft waren, um Rat fragten,erklärte der Vertreter der Generaldireltion. der die Tagesordnungschon acht Tage vorher hatte, er seiRleines feuülctoirDie Solidarität der„Legitimen". Die royalistische Revue.Eorrespondant" veröffentlicht Dokumente zur Geschichte der Ver-Handlungen, die nach dem Sturz des zweiten Kaiserreiche? zwischendem bourbonischen Prätendenten, dem Grafen von Chambord undWilhelm l. eingeleitet wurden. Da ist zunächst ein Brief, den derBourbone am 1. Oktober 1870 an seinen„Herrn Bruder und Vetter"schrieb. Nach ein paar Phrasen patriotischen Schmerzes kommt dieHauptsache, der Appell an die Solidarität der Dynastien:„Diedemagogischen Leidenschaften finden in unserem unerwarteten Un-glück die günstige Gelegenheit zur Ausführung ihrer schrecklichenstomplotte. Die Geister geraten in Verwirrung und Unruhe. Manbeginnt heute zu begreifen, daß dos Prinzip der Erbmonarchie, dasich mit GotteS Gnade fromin in meiner Hut gehalten habe,in dieser entscheidenden Stunde allein einen Rettungshafen darbietenkann." Ein paar nichtssagende Redensarten über das edle Herzdes Adressaten, das diesen„nicht eine Parzelle von der Ehre Frank-reichS" fordern lasten werde, bilden den Abschluß. Der Kern bleibtdie nicht mißzuverstehende Bitte an den„Landesfeind", dem Grafenzur KönigSwürde zu verhelfen.Dieser Brief wurde Wilhelm I. in Versailles von einer fürst-lichen Dame— vermutlich der Fürstin von Sayn-Wittge»stein—überreicht. Wilhelm antwortete nicht, wenngleich er offenbar für dieArgumente des Bourbonen nicht unzugänglich war. Aber Bismarckwar Realist genug, um sich seine Kreise nicht durch derlei Schnorr-bliese stören zu lassen. Er übernahm eS also, am 11. Okiober dervermittelnden Prinzessin zu schreiben. Der Brief ist sehr liebens-würdig, aber erklärt in vorsichtigen Wendungen, daß der König sichnicht binden könne. Nicht ohne Bosheit wird den Bourbonen unterdie Nase gerieben, daß„es notwendig wäre, daß Frankreich sichauS eigenem Antriebe seinem alten KönigSgeschlccht zuwende unddaß der geringste Druck von außen ssine.cergung indieser Richtung nur beirren und nicht begünstigen könne. WennBismarck, wie man sieht, zu der Intervention nicht zu haben war soglaubte er ihm doch die Pille verküßen zu müsten. indem er anbeibemerkte:„Sicher wäre es für S. M. den König eine sehr großeGenugtuung, wenn die französische Nation den»nneren Friedenfände, indem sie sich mit dieseni Prinzip(der Erbinonarchiel erfüllte,das den Ueberzeugungen des deutschen Volkes ent-spricht." Woher die Herrschaften die deutsche Volksseele so� gutkennen! ZitieN sei ferner au» dem Brief Bismarcks folgender Satz:„Deutschland wird die Unabhängigkeit Frankreichs in bezug ausseine inneren Einrichr un gen, die die Nation sichgeben wird, mit Sorgfalt respeltieren." Dieser Respekt vor denEntscheidungen der Nation hat aber nur für Frankreich bestanden.nicht für Deutschland selbst. Man weiß ja, welche Rolle daS deutscheVolk bei der Reichsgründung gespielt hat.Tie chinesische Presse. Die vor kurzem erfolgte Proklamierung5er Preßfreiheit in China bedeutet einen einschneidenden Wende-punkt in der Kulturgeschichte„Tschung kwo's". deS„Reiches derKiltte". Es bleibt nicht ohne Jiitcressc, sich mit diesen Zeitungen zunur zur Beobachtung da,nicht um Auskunft zu erteilen, und auf eine Bitte an die Direktion,den Beamten zu gestatten, auch Erklärungen abzugeben, wurde diesabgelehnt.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.)Am 10. Juni d. I. wurde in einer Versammlung nach Er-ledigung der Tagesordnung noch eine ganz interne Sache verhandelt,nämlich ein Ausschlußantrag gegen ein Mitglied. Da die? mit demWerkstättendienst absolut gar nichts zu tun hatte, und da viele Ar-beiter, so lange der Beamte als Beobachter, als Spitzel dawar, mit der Sprache nicht frei herausgehen, Ivurde der Beamteaufgefordert, bei dieser Angelegenheit das Lokal zu verlassen. Daer erklärte, er tue das nicht, wurde ein Antrag an die Versammlunggestellt, und diese beschloß einstimmig, der Beamte habedas Lokal zu verlassen. Erst daraufhin ging er.Etwa zwet Monate später wurde der Vorsitzende und der ersteSchriftführer über diesen Vorgang zu Protokoll vernommenund am Tage daraus entlassen.(Hört! hört I bei denSozialdemokraten.) Auf ihre Beschwerde wurde ihnen erwidert, siehättengehetzt und aufgewiegelt,und deshalb entlasten werden miisten. Sie könnten darauf hinweisen,wenn es ihnen darum zu tun gewesen wäre, so hätten sie die starkerregten Arbeiter sehr leicht zur Arbeitsniederlegung ver-anlasten können: aber gerade sie waren es, die Gemaßregelten,welche die Arbeiter gewarnt und zur Ruhe ge-mahnt haben. OberregierungSrat Meier erklärte freilich,wenn die Arbeiter wirklich gestreikt hätten, so hätte man einfachdie Werkstätten geschlossen.(Lachen bei den Sozial-demokraten.) In seinem Kopfe scheinen sich die Verhältniste rechteigenartig widerzuspiegeln.In dem Kündißungsschreiben wird der Tatbestand ebensogeschildert, wie ich ihn dargestellt habe, und eswird in dem Verhalten der Arbeiter eineGehorsamsverweigerung,eine Disziplinwidrigkeit erblickt(Hört! hörtl bei den Sozial-demolraten). da der Auftrag des Beamten sich auf den ganzenVerlaus der Versammlung erstreckt habe. Dies Kündigungs-schreiben beweist klar, daß lediglich die Vereinstätigkeit derGrund zur Kündigung war. Wenn der Arbeiter außerhalb desDienstes in der Tätigkeit des Vereins zur Wahrung seiner Wirtschaftlichen Interessen nicht daS tut, was die Generaldirektion ver-langt, so soll das eine probe Disziplinwidrigkeit sein.Die Generaldirektion meint, ihre Befugnisse soweit aus das außer-dienstliche Verhalten der Arbeiter erstrecken zu können. Sie hat abergar kein Recht, derartig in die Privatverhältnisse der einzelnen ein-zugreifen und den Leuten vorzuschreiben, was sie zur Wahrung ihrerwirtschaftlichen Interessen zu tun und zu lassen haben.(Zustimmungb. d. Soz.) In dem Kündigungsschreiben wird noch betont, die Kün-digung sei mit Genehmigung der Generaldirektion inElsaß-Lothringen erfolgt, und sehr charalteristisch ist dieAeußerung eines Regierungsrats:„Wem»«och das geringste vorkommt, wird der Berein aufgelöst; eSliegt ein direkter Befehl des Ministers vor."DaS letztere möchte' ich noch bezweifeln, da der Minister sichim Reichstage ganz anders ausgesprochen hat. Woher nimmt manaber das Recht zu einer derartigen Drohung. Die Generaldirektionhat ebensowenig ein Recht zur Auflösung deS Vereins, wie sie einGenehmigungsrecht für die Statuten hatte.(Sehr richtig! bei denSozialdemokraten.) Die Einreichung der Statuten war ein durchausfreiwilliger Akt der Arbeiter.Der eine der entlassenen Arbeiter war 11, der andere 8 Jahrebei der Eisenbahn beschäftigt gewesen und sie hatten nie zu dienstlichemTadel Veranlastung gegeben. Der§ 1 de« ReichsvereinSgesetzeS gestehtallen Reichsangehörigen das Recht zu, Vereine zu bilden.Er statutiert nicht etwa die Rechte der Staatsbürger nur der Polizeigegenüber, sondern er statutiert schlechtweg das Recht aller Reichs-angehörigen, sich in Bereinen zusammen zu schließen und sich zuversammeln. Unter gewisten Umständen hat die Polizeibehörde dasRecht der Ueberwachung und der Auflösung, nirgends aber ist demArbeitgeber ein solches Recht gegeben, und die Eisenbahnbehördekommt den Arbeitern gegenüber nur als Arbeitgeber in Betracht.ES wäre doch sehr eigentümlich, wenn eine Reichsbehörde sich aufden Standpunkt stellt, der Grundsatz, der an der Spitze deS Reichs-vereinsgesetzeS steht, braucht von ihr nicht beachtet zu werden.Nirgends sonst wird sich wohl ein Unternehmer herausnehmen, dieVersaminlungen seiner Arbeiter zu überwachen und zu verlangen.beschäftigen, die jetzt über Nacht, unter dem Einfluß der Revolu-tion, mit einem Rechte beglückt wurden, das sich die KulturvölkerEuropas spät und nur in schweren Kämpfen errungen haben. Einerein statistische Uebersicht nimmt nur wenig Raum ein: im ganzenerschienen tn dem etwa vier Millionen Quadratkilometer und wohlvierhundert Millionen Einwohner umfassenden Niesenreiche ganzevierzehn Zeitungen in chinesischer Sprache; davon je fünf in Hang-long und Schanghai und je eine in Peking, Kanton, Amoy undTientsin.Die älteste chinesische Zeitung, zugleich die älteste der Welt.ist der King-Pao, der„Staatsanzeiger von Peking", der sich aberlediglich auf die Mitteilung von Ernennungen. Eingaben an denThron, kaiserlichen Erlassen und auf offizielle Aktenstücke beschränkt.Der King-Pao erscheint in einer geschriebenen und einer gedrucktenAusgabe, leidet aber an chronischem Abonnentenschwund, da ersehr langweilig ist und die paar weitere jsreise interessierendenNotizen von einigen Tageszeitungen nachgedruckt werden. Einenerbeblichen Aufschwung nahm das chinesische Zeitungswesen erst,seit eine Zeitung im europäischen Sinne von Europäern in denKüstenprovinzen verwirklicht wurde. Das erste täglich erscheinendeBlatt war der Shen-pao, der„Schanghai-Bcrichterstatter". Erwurde 1870 in Schanghai begründet und vertritt die fortschritt-lichen Interessen der Partei der Europäer. Die Zabl der Abonnen-ten hat 300 000 bereits überschritten. Als Oppositions- und Kon-kurrenzunternehmen wurde 1873 von der stets den Europäernfeindlichen Mandschu-Partei der Sin-pao,„Der neue Bericht-erstatter", gegründet, der aber nur ein paar Jahre bestand und1881 von dem Hu-pao abgelöst wurde. Er soll es auch auf 60000ständige Leser gebracht haben.Die Gewährung der Preßfrelhelt kommt natürlich vor allemdem politischen Teile der Zeitungen zugute. Der Chinese verfolgtmit leidenschaftlichem Jntereste das Hin- und Herwogen derschweren Kämpfe, die jetzt das Reich erschüttern.Theater.Münchener Theater. Der fällige Theaterskandal imSchauspielhaus traf diesmal einen wirklichen Dichter, MaxDauthendey. AIS der Premiercnsnob im 3. Akt seinerromantischen Tragödie:„Der Drache Grauli" ohne Gagemitzuspielen begann, erhob sich der alte Recke M. G. Conrad unddonnerte:„Ruhe! Ein Dichter spricht." Sein Landsmann ausFranken ist ein Poet, daS hat er früher schon und auch in den„Spielereien einer Kaiserin" bewiesen, aber trotzdem ist in demnordischen Seestück mit Gespensterglauben, Ehebruch. Vergewalti-gung und Massenmord Unklarheit Trumpf. Der Drache Grauliist ein Doppelwesen. Einmal ein moderner Baron dieses Namens,den eine ehebrecherische Circe Frau Mildrit von Krake in den Todtrieb. Dann ein Scegespenst, das bei Sturm in den Schärendes Skagwak auftaucht und Menschenfleisch fordert zur«sühne füralte Schuld. Leberecht von Braune, schwedischer Aachtbesitzer, istzurzeit im Netze Mildrits. Aber er hat einst seinem FreundePauli Rache geschworen, und so würgt er in der„Drachenstube"deS Leuchtturms seine Liebste so lange am Halse, bis sie tot istdaß die Statuten ihrer Vereine ihm zur Genehmigung vorliegenmüsien. Nur die Generadirektion der Eisenbahnen in Straßburghat sich dieses Recht angemaßt, und dagegen muß mit aller Schärfeprotestiert werden. Sie nimmt sich ja viel größere Rechte heraus,als das Gesetz der Polizei einräumt. Das muß entschieden zurück-gewiesen werden.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)Ich könnte mich auch aus die Gewerbeordnung berufen.Nun stützt man sich freilich auf§ 6 der Gewerbeordnung, wonach dieBetriebe der Eisenbahnverwaltung der Gewerbeordnung nicht unter-stehen. Aber alle Gesetze, welche die Koalierung von Arbeiternverbieten, sind längst ausgehoben, es besteht lein Gesetz, daSdie Vereinigung von Eisenbahnarbeitern zur Erreichung Wirt-schaftlicher Vorteile untersagt.(Sehr richtig! bei den Sozial-demolraten.)Der Hinweis auf Z 6 der Gewerbeordnung beweist nichts. Weilkein Reichs- und Landesgesetz besteht, das die Koalierung verbietet,deshalb ist die Koalierung erlaubt. Irgendwelche formelle Berechtigung besteht also nicht für die Generaldireltion der Reichs-eisenbahnen, zu verhindern, daß die Eisenba hnarbeitcr sich zu Ver-einen zusammenschließen. Sie sind Reichsangehörige so gutwie jeder andere und haben dieselben Rechte. Es istdaherMißbrauch der Amtsgewalt,wenn die Generaldirektion den Eisenbahnarbeitern ihre staatsbürgerlichen Rechte zu nehmen bestrebt ist.(Sehr richtig! bei denSozialdemokraten.) ES ist Unternehmerwillkür, Ausbcuterwillkür,die sich hier breit macht, wenn man den Arbeitern droht, sie entlassenzu wollen, falls sie sich dem nicht fügen, weS ihnen seitens derGeneraldirektion zugemutet wird. Der neugcwählte Landtag von Elsaß-Lothringen wird alle Ursache haben, sich mit diesen Dingen zu be-schäftigen und zwar beim Justizetat. Die Staats-anwaltschaft wird auf die Beamten der Reichsbehörden einwachsames Auge haben müsten, wenn sie solche Drohungenund Erpressungen gegenüber Arbeitern vornehmen. Am 12. März1910 hat der Chef der Reichseisenbahnverwaltung hier im Reichstageerklärt, daß die Verwaltung ihren Arbeitern den Anschluß an Ver-eine verbiete, die den Streik propagieren. Davon ist in diesemFall nicht die Rede. Er sagte ferner,' die Eisenbahn»angestellten dürften sich nicht für die Sozialdemokratiebetätigen, im übrigen hätten sie freie Bewegung nach jederRichtung. Dieser Standpunkt ist unberechtigt, dennes ist das Recht jedes Staatsbürgers sich der politischen Partei an-zuschließen, die ihm zusagt. Aber selbst von diesem Standpunkt desMinisters aus sind die Maßnahmen der Generaldireltion nicht zubilligen, denn sie treffen auch Arbeiter, die ausgesprochenermaßeneiner anderen Richtung angehören, als der Sozialdemokratie.Weiter sagte der' Minister damals:„Jeder Arbeiter hat dieSicherheit, daß er nur entlasten wird unter denselben Vor-aussetzungen wie der Beamte. Wenn wir auch keinformelles Disziplinarverfahren einleiten, so behandeln wir die Ar-beiter doch nach den gleichen Grundsätzen." In den angeführtenFällen sind aber keineswegs bei der Entlastung der Arbeiterdie Rechtsgarantien beobachtet worden, die den Beamten ge-geben sind. Wir sollten doch wenigstens verlangen können,daß die nachgeordneten Beamten sich nach den offiziellenErklärungen der Chefs der Reichseisenbahnverwaltung richten.Wohin solch unberechtigtes Vorgehen führen kann, hat der traurigeFall des Arbeiters aus der Werlstätte in Mülhausen be-wiesen, derSelbstmord verübte,weil er als Vorstandsmitglied des betreffenden Vereins die Maß-regelung für sich und seine Familie fürchtete. Seine Hinter»bliebenen mußten, um den rückständigen Lohn dieses Arbeiter? zubekommen, erst noch eine Erbschaftsbescheinigung bei-bringen.(Hörtl hörtl bei den Sozialdemolraten.)Ein weiterer Fall ist die Maßregelung des SchmiedesOertel, der 23 Jahre im Dienst der Eisenbahnverwaltung stand.Er hielt in M e tz eine Versammlung des Verbandes ab und soll sichdort nach den Bekundungen des überwachenden Beamten eine ReiheAeußerungen haben zu schulden kommen lasten, die zu seiner Entlassungführten. Er wurde aufgefordert, seine Aeußerungen vor derselben Ver-samnilung zu widerrufen und in der VerbandSzeitung eineErklärung abzugeben, die die Generaldirektion ihmentworfen hatte.(Hörtl hört! bei den Sozialdemokraten.)Er erklärte aber: Was mir der Spitzel in den Mund legt, habe ichgar nicht gesagt, deshalb habe ich auch nichts zu wider-rufen. Schließlich hat er sich notgedrungen bereit gefunden, eineStürzt hinaus in die Nacht und freit ein blondes Goldelfchen.Der Drache Grauli verdirbt ihm nun die Flitterwochen. Er siehtnachts die tote Leiche. Der Schatten Mildrits lockt und lockt ihnan die Stätte der Untat. Aber siehe: dort sitzt die lebendigeMildrit und redet Jbsensch. Er entlastet froh sein Gewisten undbootet sich aus mit dem Lotsen und seiner jungen Frau. Aber ausFurcht, die schöne Dame Mildrit werde die öde Leuchtturmklippemit verlassen, bohrte der verliebte alte Leuchtturinwächter HertesLöcher ins Boot. Es versinkt vor den Augen der ihren MörderLeberecht immer noch liebenden Mildrit. Die ergreift ein Brot»mester und ersticht zwei unbeteiligte Fischerslcute, schlägt mitSteinen den lüsternen Hertes tot und sinkt als Leiche entseelt zuden Steinen der Klippe hin. Bielleicht macht dann der Souffleur:noch die achte Leiche!Dauthendey weih durch spukhafte Romantik im ersten Akt zufesseln; der zweite ist konventioneller und fand deshalb stärkstenBeifall. Im Schluhakt aber jongliert er mit Ibsen, Maeterlinckund Wedekind und wirkt durch Verzerrung des Stils, durchkrampfhafte Tragi! erheiternd, wo er doch erschüttern will. rn.Notizen.Opernbor st ellungen zu dolkStümkicheffPreisen. Veranlaßt durch den Erfolg, den die Komische Opermit Lortzings„Waffenschmied" hatte, will die neue Direktorinversuchsweise an Wochentagen gute Spielopern bei bedeutend er-mäßigten Preisen zur Aufführung bringen. Am Freitag, den17. November, soll eine Wiederholung der Spieloper„Der Waffen-schmied" bei niedrigen Preisen stattfinden. Eventuell wird auch derMontag jeder Woche für diese volkstümlichen Vorstellungen rc»serviert.— Dehmek als Nomödrendichter. Fm DeutschenSchauspielhause zu Hamburg gelangte eine phantastischeKomödie von R. Dehmel zur Uraufführung.„Michel Michael".die Verkörperung des deutschen Volkes, befreit sich darin von allseinen Bedrängern(zu denen auch die Sozialdemokratie gehört)!und steuert in den Hafen der Idylle ein.— Der Versuch, Problemevon heute dramatisch zu verarbeiten, ist dem Lyriker Dehmel nichtgelungen.— Eine Klei st- Stiftung will ein Komitee von Kunst-lern. Verlegern und Bühnenleuten gründen— zum Gedächtnis desDichters, dessen 100. Todestag sich am 2U November jährt. Es sollein Kapital angesammelt werden, aus dessen Zinsen ringende jungeDichter vor der Not des Lebens bewahrt werden sollen.— Ein Satirstückvon Sophokles, dem jetzt beinahepopulär gewordenen griechischen Tragiker, wurde nach einer Mit-teilung aus London in neu entdeckten Papyri erkannt. Es sindgroße Bruchstücke dieser bisher unbekannten antiken Posse erhaltengeblieben— dank den ägyptischen Gräbern, denen wir schon so Viehverdanken.— EinDenkmalZolas wurde in seinem Geburtsort Aiyin der Provence eingeweiht.— Der erst vor kurzem gestorbeneSchauspieler K a i n z erhielt bereits ein Denkmal in der Nähqseiner früheren Wohnung in Wien.'