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9k. 267. 28.Ms«NtS. 1 Itilnjf hcs ,|«nr iitls" Kcrlim WIIislllM. Dievstag, iL November 1911 Reichstag  * 204. Sitzung Vom Montag, den 13. November, nachmittags 2 Uhr. Lm BundeSratStisch:v. Breitenbach. Auf der Tagesordnung steht die von den Wag. A l b r e ch t und Genossen<Soz.) eingebrachte Interpellation betreffend Entlassung von Arbeitern der Reichseisenbahnen. Sie hat folgenden Wortlaut: .Ist eS dem Reichskanzler bekannt, daß Arbeiter der R e i ch S» eisenbahn nach langjähriger, durchaus zufriedenstellender Arbeit aus ihrer Arbeitsstelle entlassen wurden, weil sie zur Ver- tretung ihrer wirtschaftlichen Interessen im Rahmen der bestehenden Reichsgesetze tätig waren? WaS gedenkt der Reichskanzler zu tun, um solch willkürliches, der Gleichberechtigung der Staatsbürger widersprechendes Vor- gehen der Reichseisenbahnverwallung für die Zukunft unmöglich zu machen?" Nachdem der preußische Eisenbahnminister v. Breitenbach sich zur Beantwortung der Interpellation bereit erklärt hat, erhält zu ihrer Begründung das Wort, Wg. Emme!(Soz.): Im Juli d. I. wurden der Vorsitzende und der Schrift» fllhrer des in Mülhausen   gegründeten Eisenbahnarbeiter» Vereins entlassen und etwas später, am 21. Juli, der Vor- fitzende und Schriftführer des elsatz-lothringischen Eisenbahnarbeiterverbandes und der Redakteur des BerbandsorganS. Sämtliche fünf Personen wurden nicht wegen ihrer Tätigkeit im Arbeitsverhältnis entlassen, sondern weil die Eisenbahn- Verwaltung sich herausnahm, in das außerdienstliche Verhalten ein. zugreifen, und weil diese Personen die wirtschaftlichen Interessen ihrer Kollegen vertreten hatten. Die Organisation, um die es sich handelt, hat diesen Zweck ausdrücklich im Statut festgelegt, während p a r tei p o li t i s ch e Bestrebungen nach dem Statul ausdrücklich ausgeschlossen find. Dazu kommt, daß diese Satzungen von der Eisenbahndirektion genehmigt sind. Die Eisenbahnarbeiter haben die Satzungen ganz überflüssigerweise der Direktion zur Genehmigung eingereicht und mit der Gründung des Vereins so lange gewartet, bis die Statuten genehmigt waren. Trotzdem konnte der Verein nicht in Tätigkeit treten, sondern dem Vorstand des Mühlhauser Vereins wurde von dem Werkstättenvorsteher eröffnet, es würden i« jede Versammlung einige Beamte geschickt werden und eS sei die Tagesordnung zu jeder Versammlung ein- zureichen: würde daS nicht geduldet werden, so hätte der Vorsitzende die Konsequenzen zu tragen.(Hört l hört! bei den Sozialdemo- kraten.) Es wurde ihm also offen gedroht, er persönlich würde den Schaden haben, wenn er sich ein derartiges Vorgehen nicht gefallen ließe. In seiner Beschwerde bei der General- Direktion wies der Vorfitzende auf das Gesetzwidrige dieses Verlangens hin und auf die Aeußerungen des Chefs der Reichseisenbahnverwaltung im ReichSlage und im Wgeordnetenhaus. worin betont war, den Arbeuern würden keine Schwierigkeiten gemacht werden, wenn sie sich vereinigen man verlange von ihnen nur, daß sie nicht das Streikrecht proklamierten und nicht parteipolitisch in sozial- demokratischem Sinne tätig seien. Trotzdem wurde dem Vor- sitzenden vom OberregierungSrat Meyer in Straßburg   erklärt, der Werlstättenvorsteher habe mit Genehmigung der Geueraldirektiou gehandelt und man beharre aus der Durchführung des Verlangens. . Nach langen Verhandlungen erklärte sich aber der Oberregierungsrat Meyer damit einverstanden, daß nur auf der Generalversammlung ein Beamter zugegen sei und daß nur die Tagesordnung der Generalversammlung S Tage vorher eingereicht werden müsie. Da der OberregierungSrat mit Maßregelungen drohte, wenn man dies nicht dulde(Hörtl hörtl bei den Sozialdemokraten.), erklärte man sich schließlich damit einverstanden. Sebr bald aber verlangte man nun dasselbe für alle Versamm- lungen de» Vereins resp. Verbandes. Als die Arbeiter von der An- Wesenheit de« Beamten nun wenigstens etwa« profitieren wollten, und ihn in Sachen, in denen sie zweifelhaft waren, um Rat fragten, erklärte der Vertreter der Generaldireltion. der die Tagesordnung schon acht Tage vorher hatte, er sei Rleines feuülctoir Die Solidarität derLegitimen". Die royalistische Revue .Eorrespondant" veröffentlicht Dokumente zur Geschichte der Ver- Handlungen, die nach dem Sturz des zweiten Kaiserreiche? zwischen dem bourbonischen Prätendenten, dem Grafen von Chambord   und Wilhelm l. eingeleitet wurden. Da ist zunächst ein Brief, den der Bourbone am 1. Oktober 1870 an seinenHerrn Bruder und Vetter" schrieb. Nach ein paar Phrasen patriotischen Schmerzes kommt die Hauptsache, der Appell an die Solidarität der Dynastien:Die demagogischen Leidenschaften finden in unserem unerwarteten Un- glück die günstige Gelegenheit zur Ausführung ihrer schrecklichen stomplotte. Die Geister geraten in Verwirrung und Unruhe. Man beginnt heute zu begreifen, daß dos Prinzip der Erbmonarchie, das ich mit GotteS Gnade fromin in meiner Hut gehalten habe, in dieser entscheidenden Stunde allein einen Rettungshafen darbieten kann." Ein paar nichtssagende Redensarten über das edle Herz des Adressaten, das diesennicht eine Parzelle von der Ehre Frank- reichS" fordern lasten werde, bilden den Abschluß. Der Kern bleibt die nicht mißzuverstehende Bitte an denLandesfeind", dem Grafen zur KönigSwürde zu verhelfen. Dieser Brief wurde Wilhelm I.   in Versailles   von einer fürst- lichen Dame vermutlich der Fürstin von Sayn  -Wittge»stein überreicht. Wilhelm antwortete nicht, wenngleich er offenbar für die Argumente des Bourbonen nicht unzugänglich war. Aber Bismarck  war Realist genug, um sich seine Kreise nicht durch derlei Schnorr- bliese stören zu lassen. Er übernahm eS also, am 11. Okiober der vermittelnden Prinzessin zu schreiben. Der Brief ist sehr liebens- würdig, aber erklärt in vorsichtigen Wendungen, daß der König sich nicht binden könne. Nicht ohne Bosheit wird den Bourbonen unter die Nase gerieben, daßes notwendig wäre, daß Frankreich   sich auS eigenem Antriebe seinem alten KönigSgeschlccht zuwende und daß der geringste Druck von außen ssine.cergung in dieser Richtung nur beirren und nicht begünstigen könne. Wenn Bismarck  , wie man sieht, zu der Intervention nicht zu haben war so glaubte er ihm doch die Pille verküßen zu müsten. indem er anbei bemerkte:Sicher wäre es für S. M. den König eine sehr große Genugtuung, wenn die französische   Nation den»nneren Frieden fände, indem sie sich mit dieseni Prinzip(der Erbinonarchiel erfüllte, das den Ueberzeugungen des deutschen   Volkes ent- spricht." Woher die Herrschaften die deutsche   Volksseele so� gut kennen! ZitieN sei ferner au» dem Brief Bismarcks folgender Satz: Deutschland   wird die Unabhängigkeit Frankreichs   in bezug aus seine inneren Einrichr un gen, die die Nation sich geben wird, mit Sorgfalt respeltieren." Dieser Respekt vor den Entscheidungen der Nation hat aber nur für Frankreich   bestanden. nicht für Deutschland   selbst. Man weiß ja, welche Rolle daS deutsche  Volk bei der Reichsgründung gespielt hat. Tie chinesische Presse. Die vor kurzem erfolgte Proklamierung 5er Preßfreiheit in China   bedeutet einen einschneidenden Wende- punkt in der KulturgeschichteTschung kwo's". deSReiches der Kiltte". Es bleibt nicht ohne Jiitcressc, sich mit diesen Zeitungen zu nur zur Beobachtung da, nicht um Auskunft zu erteilen, und auf eine Bitte an die Direktion, den Beamten zu gestatten, auch Erklärungen abzugeben, wurde dies abgelehnt.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Am 10. Juni d. I. wurde in einer Versammlung nach Er- ledigung der Tagesordnung noch eine ganz interne Sache verhandelt, nämlich ein Ausschlußantrag gegen ein Mitglied. Da die? mit dem Werkstättendienst absolut gar nichts zu tun hatte, und da viele Ar- beiter, so lange der Beamte als Beobachter, als Spitzel da war, mit der Sprache nicht frei herausgehen, Ivurde der Beamte aufgefordert, bei dieser Angelegenheit das Lokal zu verlassen. Da er erklärte, er tue das nicht, wurde ein Antrag an die Versammlung gestellt, und diese beschloß einstimmig, der Beamte habe das Lokal zu verlassen. Erst daraufhin ging er. Etwa zwet Monate später wurde der Vorsitzende und der erste Schriftführer über diesen Vorgang zu Protokoll vernommen und am Tage daraus entlassen.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Auf ihre Beschwerde wurde ihnen erwidert, sie hätten gehetzt und aufgewiegelt, und deshalb entlasten werden miisten. Sie könnten darauf hinweisen, wenn es ihnen darum zu tun gewesen wäre, so hätten sie die stark erregten Arbeiter sehr leicht zur Arbeitsniederlegung ver- anlasten können: aber gerade sie waren es, die Gemaßregelten, welche die Arbeiter gewarnt und zur Ruhe ge- mahnt haben. OberregierungSrat Meier erklärte freilich, wenn die Arbeiter wirklich gestreikt hätten, so hätte man einfach die Werkstätten geschlossen.(Lachen bei den Sozial- demokraten.) In seinem Kopfe scheinen sich die Verhältniste recht eigenartig widerzuspiegeln. In dem Kündißungsschreiben wird der Tatbestand ebenso geschildert, wie ich ihn dargestellt habe, und es wird in dem Verhalten der Arbeiter eine Gehorsamsverweigerung, eine Disziplinwidrigkeit erblickt(Hört! hörtl bei den Sozial- demolraten). da der Auftrag des Beamten sich auf den ganzen Verlaus der Versammlung erstreckt habe. Dies Kündigungs- schreiben beweist klar, daß lediglich die Vereinstätigkeit der Grund zur Kündigung war. Wenn der Arbeiter außerhalb des Dienstes in der Tätigkeit des Vereins zur Wahrung seiner Wirt schaftlichen Interessen nicht daS tut, was die Generaldirektion ver- langt, so soll das eine probe Disziplinwidrigkeit sein. Die Generaldirektion meint, ihre Befugnisse soweit aus das außer- dienstliche Verhalten der Arbeiter erstrecken zu können. Sie hat aber gar kein Recht, derartig in die Privatverhältnisse der einzelnen ein- zugreifen und den Leuten vorzuschreiben, was sie zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen zu tun und zu lassen haben.(Zustimmung b. d. Soz.) In dem Kündigungsschreiben wird noch betont, die Kün- digung sei mit Genehmigung der Generaldirektion in Elsaß-Lothringen   erfolgt, und sehr charalteristisch ist die Aeußerung eines Regierungsrats: Wem»«och das geringste vorkommt, wird der Berein aufgelöst; eS liegt ein direkter Befehl des Ministers vor." DaS letztere möchte' ich noch bezweifeln, da der Minister sich im Reichstage ganz anders ausgesprochen hat. Woher nimmt man aber das Recht zu einer derartigen Drohung. Die Generaldirektion hat ebensowenig ein Recht zur Auflösung deS Vereins, wie sie ein Genehmigungsrecht für die Statuten hatte.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die Einreichung der Statuten war ein durchaus freiwilliger Akt der Arbeiter. Der eine der entlassenen Arbeiter war 11, der andere 8 Jahre bei der Eisenbahn beschäftigt gewesen und sie hatten nie zu dienstlichem Tadel Veranlastung gegeben. Der§ 1 de« ReichsvereinSgesetzeS gesteht allen Reichsangehörigen das Recht zu, Vereine zu bilden. Er statutiert nicht etwa die Rechte der Staatsbürger nur der Polizei gegenüber, sondern er statutiert schlechtweg das Recht aller Reichs- angehörigen, sich in Bereinen zusammen zu schließen und sich zu versammeln. Unter gewisten Umständen hat die Polizeibehörde das Recht der Ueberwachung und der Auflösung, nirgends aber ist dem Arbeitgeber ein solches Recht gegeben, und die Eisenbahnbehörde kommt den Arbeitern gegenüber nur als Arbeitgeber in Betracht. ES wäre doch sehr eigentümlich, wenn eine Reichsbehörde sich auf den Standpunkt stellt, der Grundsatz, der an der Spitze deS Reichs- vereinsgesetzeS steht, braucht von ihr nicht beachtet zu werden. Nirgends sonst wird sich wohl ein Unternehmer herausnehmen, die Versaminlungen seiner Arbeiter zu überwachen und zu verlangen. beschäftigen, die jetzt über Nacht, unter dem Einfluß der Revolu- tion, mit einem Rechte beglückt wurden, das sich die Kulturvölker Europas   spät und nur in schweren Kämpfen errungen haben. Eine rein statistische Uebersicht nimmt nur wenig Raum ein: im ganzen erschienen tn dem etwa vier Millionen Quadratkilometer und wohl vierhundert Millionen Einwohner umfassenden Niesenreiche ganze vierzehn Zeitungen in chinesischer Sprache; davon je fünf in Hang- long und Schanghai   und je eine in Peking  , Kanton, Amoy   und Tientsin. Die älteste chinesische   Zeitung, zugleich die älteste der Welt. ist der King-Pao, derStaatsanzeiger von Peking", der sich aber lediglich auf die Mitteilung von Ernennungen. Eingaben an den Thron, kaiserlichen Erlassen und auf offizielle Aktenstücke beschränkt. Der King-Pao erscheint in einer geschriebenen und einer gedruckten Ausgabe, leidet aber an chronischem Abonnentenschwund, da er sehr langweilig ist und die paar weitere jsreise interessierenden Notizen von einigen Tageszeitungen nachgedruckt werden. Einen erbeblichen Aufschwung nahm das chinesische   Zeitungswesen erst, seit eine Zeitung im europäischen   Sinne von Europäern in den Küstenprovinzen verwirklicht wurde. Das erste täglich erscheinende Blatt war der Shen-pao, derSchanghai-Bcrichterstatter". Er wurde 1870 in Schanghai   begründet und vertritt die fortschritt- lichen Interessen der Partei der Europäer  . Die Zabl der Abonnen- ten hat 300 000 bereits überschritten. Als Oppositions- und Kon- kurrenzunternehmen wurde 1873 von der stets den Europäern feindlichen Mandschu-Partei der Sin-pao,Der neue Bericht- erstatter", gegründet, der aber nur ein paar Jahre bestand und 1881 von dem Hu-pao abgelöst wurde. Er soll es auch auf 60000 ständige Leser gebracht haben. Die Gewährung der Preßfrelhelt kommt natürlich vor allem dem politischen Teile der Zeitungen zugute. Der Chinese verfolgt mit leidenschaftlichem Jntereste das Hin- und Herwogen der schweren Kämpfe, die jetzt das Reich erschüttern. Theater. Münchener Theater. Der fällige Theaterskandal im Schauspielhaus traf diesmal einen wirklichen Dichter, Max Dauthendey  . AIS   der Premiercnsnob im 3. Akt seiner romantischen Tragödie:Der Drache Grauli" ohne Gage mitzuspielen begann, erhob sich der alte Recke   M. G. Conrad und donnerte:Ruhe! Ein Dichter spricht." Sein Landsmann aus Franken ist ein Poet, daS hat er früher schon und auch in den Spielereien einer Kaiserin" bewiesen, aber trotzdem ist in dem nordischen Seestück mit Gespensterglauben, Ehebruch. Vergewalti- gung und Massenmord Unklarheit Trumpf. Der Drache Grauli ist ein Doppelwesen. Einmal ein moderner Baron dieses Namens, den eine ehebrecherische Circe Frau Mildrit von Krake in den Tod trieb. Dann ein Scegespenst, das bei Sturm in den Schären des Skagwak auftaucht und Menschenfleisch fordert zur«sühne für alte Schuld. Leberecht von Braune, schwedischer Aachtbesitzer, ist zurzeit im Netze Mildrits. Aber er hat einst seinem Freunde Pauli Rache geschworen, und so würgt er in derDrachenstube" deS Leuchtturms seine Liebste so lange am Halse, bis sie tot ist daß die Statuten ihrer Vereine ihm zur Genehmigung vorliegen müsien. Nur die Generadirektion der Eisenbahnen in Straßburg  hat sich dieses Recht angemaßt, und dagegen muß mit aller Schärfe protestiert werden. Sie nimmt sich ja viel größere Rechte heraus, als das Gesetz der Polizei einräumt. Das muß entschieden zurück- gewiesen werden.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Ich könnte mich auch aus die Gewerbeordnung berufen. Nun stützt man sich freilich auf§ 6 der Gewerbeordnung, wonach die Betriebe der Eisenbahnverwaltung der Gewerbeordnung nicht unter- stehen. Aber alle Gesetze, welche die Koalierung von Arbeitern verbieten, sind längst ausgehoben, es besteht lein Gesetz, daS die Vereinigung von Eisenbahnarbeitern zur Erreichung Wirt- schaftlicher Vorteile untersagt.(Sehr richtig! bei den Sozial- demolraten.) Der Hinweis auf Z 6 der Gewerbeordnung beweist nichts. Weil kein Reichs- und Landesgesetz besteht, das die Koalierung verbietet, deshalb ist die Koalierung erlaubt. Irgendwelche formelle Be­rechtigung besteht also nicht für die Generaldireltion der Reichs- eisenbahnen, zu verhindern, daß die Eisenba hnarbeitcr sich zu Ver- einen zusammenschließen. Sie sind Reichsangehörige so gut wie jeder andere und haben dieselben Rechte. Es ist daher Mißbrauch der Amtsgewalt, wenn die Generaldirektion den Eisenbahnarbeitern ihre staats­bürgerlichen Rechte zu nehmen bestrebt ist.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) ES ist Unternehmerwillkür, Ausbcuterwillkür, die sich hier breit macht, wenn man den Arbeitern droht, sie entlassen zu wollen, falls sie sich dem nicht fügen, weS ihnen seitens der Generaldirektion zugemutet wird. Der neugcwählte Landtag von Elsaß- Lothringen   wird alle Ursache haben, sich mit diesen Dingen zu be- schäftigen und zwar beim Justizetat. Die Staats- anwaltschaft wird auf die Beamten der Reichsbehörden ein wachsames Auge haben müsten, wenn sie solche Drohungen und Erpressungen gegenüber Arbeitern vornehmen. Am 12. März 1910 hat der Chef der Reichseisenbahnverwaltung hier im Reichstage erklärt, daß die Verwaltung ihren Arbeitern den Anschluß an Ver- eine verbiete, die den Streik propagieren. Davon ist in diesem Fall nicht die Rede. Er sagte ferner,' die Eisenbahn» angestellten dürften sich nicht für die Sozialdemokratie betätigen, im übrigen hätten sie freie Bewegung nach jeder Richtung. Dieser Standpunkt ist unberechtigt, denn es ist das Recht jedes Staatsbürgers sich der politischen Partei an- zuschließen, die ihm zusagt. Aber selbst von diesem Standpunkt des Ministers aus sind die Maßnahmen der Generaldireltion nicht zu billigen, denn sie treffen auch Arbeiter, die ausgesprochenermaßen einer anderen Richtung angehören, als der Sozialdemokratie. Weiter sagte der' Minister damals:Jeder Arbeiter hat die Sicherheit, daß er nur entlasten wird unter denselben Vor- aussetzungen wie der Beamte. Wenn wir auch kein formelles Disziplinarverfahren einleiten, so behandeln wir die Ar- beiter doch nach den gleichen Grundsätzen." In den angeführten Fällen sind aber keineswegs bei der Entlastung der Arbeiter die Rechtsgarantien beobachtet worden, die den Beamten ge- geben sind. Wir sollten doch wenigstens verlangen können, daß die nachgeordneten Beamten sich nach den offiziellen Erklärungen der Chefs der Reichseisenbahnverwaltung richten. Wohin solch unberechtigtes Vorgehen führen kann, hat der traurige Fall des Arbeiters aus der Werlstätte in Mülhausen   be- wiesen, der Selbstmord verübte, weil er als Vorstandsmitglied des betreffenden Vereins die Maß- regelung für sich und seine Familie fürchtete. Seine Hinter» bliebenen mußten, um den rückständigen Lohn dieses Arbeiter? zu bekommen, erst noch eine Erbschaftsbescheinigung bei- bringen.(Hörtl hörtl bei den Sozialdemolraten.) Ein weiterer Fall ist die Maßregelung des Schmiedes Oertel, der 23 Jahre im Dienst der Eisenbahnverwaltung stand. Er hielt in M e tz eine Versammlung des Verbandes ab und soll sich dort nach den Bekundungen des überwachenden Beamten eine Reihe Aeußerungen haben zu schulden kommen lasten, die zu seiner Entlassung führten. Er wurde aufgefordert, seine Aeußerungen vor derselben Ver- samnilung zu widerrufen und in der VerbandSzeitung eine Erklärung abzugeben, die die Generaldirektion ihm entworfen hatte.(Hörtl hört! bei den Sozialdemokraten.) Er erklärte aber: Was mir der Spitzel in den Mund legt, habe ich gar nicht gesagt, deshalb habe ich auch nichts zu wider- rufen. Schließlich hat er sich notgedrungen bereit gefunden, eine Stürzt hinaus in die Nacht und freit ein blondes Goldelfchen. Der Drache Grauli verdirbt ihm nun die Flitterwochen. Er sieht nachts die tote Leiche. Der Schatten Mildrits lockt und lockt ihn an die Stätte der Untat. Aber siehe: dort sitzt die lebendige Mildrit und redet Jbsensch. Er entlastet froh sein Gewisten und bootet sich aus mit dem Lotsen und seiner jungen Frau. Aber aus Furcht, die schöne Dame Mildrit werde die öde Leuchtturmklippe mit verlassen, bohrte der verliebte alte Leuchtturinwächter Hertes Löcher ins Boot. Es versinkt vor den Augen der ihren Mörder Leberecht immer noch liebenden Mildrit. Die ergreift ein Brot» mester und ersticht zwei unbeteiligte Fischerslcute, schlägt mit Steinen den lüsternen Hertes tot und sinkt als Leiche entseelt zu den Steinen der Klippe hin. Bielleicht macht dann der Souffleur: noch die achte Leiche! Dauthendey   weih durch spukhafte Romantik im ersten Akt zu fesseln; der zweite ist konventioneller und fand deshalb stärksten Beifall. Im Schluhakt aber jongliert er mit Ibsen  , Maeterlinck  und Wedekind und wirkt durch Verzerrung des Stils, durch krampfhafte Tragi! erheiternd, wo er doch erschüttern will. rn. Notizen. Opernbor st ellungen zu dolkStümkicheff Preisen. Veranlaßt durch den Erfolg, den die Komische Oper mit LortzingsWaffenschmied" hatte, will die neue Direktorin versuchsweise an Wochentagen gute Spielopern bei bedeutend er- mäßigten Preisen zur Aufführung bringen. Am Freitag, den 17. November, soll eine Wiederholung der SpieloperDer Waffen- schmied" bei niedrigen Preisen stattfinden. Eventuell wird auch der Montag jeder Woche für diese volkstümlichen Vorstellungen rc» serviert. Dehmek als Nomödrendichter. Fm Deutschen  Schauspielhause zu Hamburg   gelangte eine phantastische Komödie von R. Dehmel   zur Uraufführung.  Michel Michael". die Verkörperung des deutschen   Volkes, befreit sich darin von all seinen Bedrängern(zu denen auch die Sozialdemokratie gehört)! und steuert in den Hafen der Idylle ein. Der Versuch, Probleme von heute dramatisch zu verarbeiten, ist dem Lyriker Dehmel   nicht gelungen. Eine Klei st- Stiftung will ein Komitee von Kunst- lern. Verlegern und Bühnenleuten gründen zum Gedächtnis des Dichters, dessen 100. Todestag sich am 2U November jährt. Es soll ein Kapital angesammelt werden, aus dessen Zinsen ringende junge Dichter vor der Not des Lebens bewahrt werden sollen. Ein Satirstückvon Sophokles  , dem jetzt beinahe populär gewordenen griechischen Tragiker, wurde nach einer Mit- teilung aus London   in neu entdeckten Papyri erkannt. Es sind große Bruchstücke dieser bisher unbekannten antiken Posse erhalten geblieben dank den ägyptischen Gräbern, denen wir schon so Vieh verdanken. EinDenkmalZolas wurde in seinem Geburtsort Aiy in der Provence eingeweiht. Der erst vor kurzem gestorbene Schauspieler K a i n z erhielt bereits ein Denkmal in der Nähq seiner früheren Wohnung in Wien  .'