immer dichteren GnHpen und schließlich ln ununterbrochenem Strom ergoß sich die nach Tausenden zählende Menge in den riesenhaften Raum des Saales und füllte ihn samt den Galerien bis in den äußersten Winkel. Nicht alle, die an der Demonstration teilnehmen wollten, fanden Platz im Saale. Sie blieben im Garten Und warteten dort das Ende der Versammlung ab. Pünktlich eröffnete Genosse S ch w e m k e die Versammlung Und erteilte dem Abgeordneten Richard Fischer das Wort. An idie Marokkodebatten im Reichstage knüpfte Fischer seine AuS- führungen an. Die Abfertigung des Herrn v. Heydebrand durch den Reichskanzler schilderte er in treffender Weise. Was wir seit Iahren gesagt haben über die Politik der Junker, deren«wahrer Patriotismus" nur darauf bedacht ist. sich auf Kosten des VolkeS die Taschen zu füllen, das hat nun auch der Reichskanzler aus« gesprochen. Doch wir bauen nicht auf diese» Auftreten des Reich»« kanzlers, denn wir wissen: Wer mit dem preußischen System nicht brechen will, der kann nicht gegen die preußischen Junker regieren. Uns gelten die bedeutungsvollen Worte des Reichskanzler» nicht als eine Weltwende.— Der Beifall, mit dem der Kronprinz die Rede des Herrn v. Hehdebrand begleitete, ist die Kundgebung eines zungen Mannes, der nichts zu sagen hat. sich aber den Anschein geben mochte, als ob er etwas zu sagen hätte. Mag der Kronprinz seine Meinung zum Ausdruck bringen; aber wir verbitten es uns, daß er eine Demonstration veranstaltet, die Folgen haben könnte. welche mit dem Gut und Blut des Volkes bezahlt werden müssen. (Lebhafter Beifall.) Sorgen wir für demokratische StaatSemrich. tungen, die dem Volke da» Recht geben, fein Geschick selbst zu bestimmen, ohne daß ein König dareinreden kann.(Stürmischer Beifall.) Hier unterbrach Fischer seine Rede. Der inzwischen erschienene Genosse Thomas aus Paris erhielt das Wort. — Ein Beifalls- stürm begrüßte den Vertreter der französischen Parteigenossen.— F' s. w e r teilte mit, daß der Polizeipräsident von Rixdorf auf die vereinsgesetzliche Bestimmung hingewiesen habe, daß die VerHand- lungen nur in deutscher Sprache(1) stattfinden dürfen. Das werde natürlich geschehen, sagte Fischer, denn die französische Ansprache des Genossen Thomas werde sofort ins Deutsche übersetzt. Mit Bezug hierauf bemerkte Genosse Thomas in deutscher Sprache: Ob wir in Berlin oder Paris , ob wir deutsch oder fran- zösisch sprechen, immer reden wir sozialistisch, immer reden wir die Sprache des Proletariats, und werden deshalb von den Proletariern sowohl in Berlin wie in Paris verstanden.(Lebhafter Beifall.) Bierauf bediente sich Thomas, wie auf dem Tempelhofe? Berg. seiner Muttersprache. Die mit stürmischem Beifall aufgenommenen Ausführungen klängen in den Ruf auS: Nieder mit dem Kriege I Wir wollen keinen Krieg I Genosse Fischer sehte hierauf seine Rede fort. Er zeigte, daß eS lediglich kapitalistische Interessen sind, welche zu kriegerischen Konflikten der Nationen führen, und daß e» die Aufgabe der Sozialdemokratie ist, nationale Interessen auf internationaler Grundlage zu vertreten, eine Aufgabe, die uns auch bei dem Wahlkamvf am 12. Januar leiten wird. Fischer schloß seine mit großem Beifall aufgenommene Rede mit einem Hoch auf die inter» nationale Sozialdemokratie, in das die Versammlung begeistert einstimmte.— Die Protestresalution wurde einstimmig an- genommen. Der Vorsitzende Schwemke gab eine Depesche aus der Heil- statte Crabowsee bekannt:«Wir protestieren mit Euchl* Im Südosten. Im Gewerkschaftshaus vermochte der große Saal die zahlreichen Bersammlungsbesucher nur zum Teil auf- zunehmen. Schon eine Stunde vor der angesetzten Zeit begann sich der Saal zu füllen. Die unmittelbar vor Versammlungsbeginn Erschienenen mußten, selbst wenn sie sich mit Stehplätzen begnügt hätten, wieder abziehen und versuchen, in einer der anderen Protestversammlungen teilnehmen zu können. Von der Versammlung lebhaft begrüßt, erhielt zunächst da» Wort:' Rcichsrats» und niedcrösterreichischer Landtagsabgeordneter Dr. Karl Renner -Wien : Verehrte Genossinnen und Genossen! Ich bin von der Parteivertretung der Deutschen Sozialdemokra» tie in Oe st erreich beauftragt, Sie anläßlich Ihrer Friedensdemonstration auf das herzlichste zu begrüßen und ku beglückwünschen. Die Proletarier Deutschlands chaben in brüderlicher Solidarität mit der Arbeiterschaft Frankreichs während der schweren Krisis, die durch die Marokko -An» gelegenheit hervorgerufen wurde, durch den festen Ent- schluß, für den Frieden einzutreten und sich von den Kriegs- Hetzern nicht mitreißen zu lassen, dem Frieden Europas einen großen Dienst geleistet. Ter Abschluß des Marokkoab- kommens, die friedliche Beilegung dieses Streitfalles wäre unmöglich gewesen, wenn nicht die Arbeiterschaft beider Länder sich den wahnwitzigen Kriegshetzern diesseits und jen- feits der Vogesen entgegengestellt hätte. Sie sind zu diesem Erfolg zu beglückwünschen. Mögen sich auch heute die Staats- männer und Staatsoberhäupter mit dem Mantel des Friedens bekleiden, mögen sie auch der Welt einreden wollen, daß s ie den Frieden verbürgt haben: sicher ist doch, daß ohne die brüderliche Solidarität der Arbeiter der Weltsriede nicht erhalten geblieben wäre.(Beifall.) Es geht ein konvulsivisches, krankhaftes, nervöses Zucken durch die ganze Welt. Wir haben von 1870 bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts im großen und ganzen auf dem Welttheater Frieden gehabt. Seitdem aber ist die ganze Welt in ständiger Aufregung, an allen Orten droht Kriegsgefahr. eine mächtige Erregung durchzittert die Bevölkerung sowohl der halbzivilisierten Länder, als auch jene Nationen, die man als„geschichtslose" bezeichnet, die den historischen Schlaf des Orients durch Jahrtausende geschlafen haben. Der K a p i- t a l i s m u s und der Imperialismus sind es, die die Welt neuerdings in Aufregung setzen und die größten Ge- fahren für den Friedn, für die Zivilisation und Kultur Eu- ropas heraufbeschwören. Die Kapitalistenklasse aller Länder weiß sich nicht zu fassen vor ungeheuren Profiten.(Sehr wahr!) Aus der Arbeiterschaft Europas werden jährlich Milliarden von Mehrwert herausgeschunden. Die Kapita- listen suchen nach neuer Anlagenmöglichkeit. Die Profite sind an dem Tage keine Profite mehr, wo es nicht mehr ge- länge, neue Proletariermassen in Bewegung zu setzen und auszubeuten. Dem Kapitalismus werden die alten Länder zu enge, er strebt hinaus über das Weltmeer, um überall da, wo friedlich halbzivilisierte Völker wohnen, Bahnen. Hafen- anlagen zu erbauen. Plantagen zu errichten, die ganze Welt unter die Knute des Kapitalismus zu beugen. Die Kon- kurrenz der anlagesuchenden Kapitalisten durchwühlt heute ganz Afrika , hat das chinesische Reich in Bewegung gesetzt. hat Südamerika , ja den ganzen Erdball aufgeregt. Da stoßen nun die in den Kartellen vereinigten Kapitalisten jedes Landes aufeinander und dem wütenden Wetteifer um das Absatzgebiet, das Gebiet für die An- läge des Kapitals, suchen sie die Macht des Vaterlandes dienstbar zu machen und die hun- gernden, verelendeten Arbeitermassen Europas sollen auch noch den Schießprügel aufnehmen und das Schlachtschiff be- steigen, um, nachdem sie das Leben in den Dienst des Kapitals gestellt, sich auch noch dem Tode zu weihen im Inter- esie der Kapitalistenklasse.(Stürmische Zustimmung.) Der Kapitalismus greift über in die ältesten Staaten, von denen wir bis vor kurzem nicht viel anderes gehört haben, als was unS in dem Märchen aus., 10(10 und eine Nacht" erzählt wird. Die Folgen dieser imperialistischen Politik aber sind osfen- sichtlich. Zunächst hat sich Japan rasch der kapitalistischen Produktionsweise bemächtigt, der russisch -japanische Krieg war die erste Folge. England und Rußland suchen die Türkei zu teilen, die türkische Revolution ist die Folge. Deutschland und Frankreich wetteisern um Marokko , der Sultan wird gestürzt, ein neuer tritt an seine Stelle; das ganze musel manische Gebiet wird allmählich von revolutionärem Geiste er füllt. Selbst das alte Indien wird in Aufruhr versetzt, kurz — die ganze Welt des Ostens gerät in Bewegung. Aber wie immer der Krieg notwendigerweise die Volksmassen er- regt, so haben wir auch als unmittelbare Folge des russisch - japanischen Krieges die Revolution in Rußland und nachher die türkische und persische Revolution. Wir stehen vor einer Revolution in Indien — kurz, die revolutionäre Bewegung in der ganzen Welt und mitten drein der Wetteifer der europäischen Nationen, Stücke des Erdballs an sich zu reißen! In diesem Kamps um die Absatzgebiete nun. in dem die Arbeiterklasse Europas das Kanonenfutter hergeben soll, droht unsere ganze K u l>t u ra vbei t der Jahr- hunderte und Jahrtausende unterzugehen. Man braucht nur wieder einmal anzusehen, wie der Krieg in der Praxis aussieht, braucht nur die Berichte über Tripolis zu lesen, über die Greuel, die sich dort abspielen(stürmische Zustimmung), auf einem kleinen und engen Kriegstheater. um sich einen Begriff zu machen, wie Kriege erst dann wirken würden, wenn nicht einige Zehntausende kämpfen, sondern die Millionenheere Europas sich gegenüberstehen würden! (Sehr richtig!) Vor dieser Barbarei sich zu be- hüten, die ExpansionSb'e strebungen des Ka- pitalismus einzudämmen, ihm die Flucht in die Kolonien zu verlegen, ihm in seinem Mutterlande, in Europa die Schlacht anzu- bieten und ihn niederzuwerfen, ist die ge- meinsame Aufgabe des Proletariats aller Länder!(Stürmische Beifallskundgebungen.) Diese Ausgabe hat das Proletariat begriffen und beginnt sie durchzuführen. In neuester Zeit sind auch wir Oester- teicher, ist auch unser armeS und armseliges Land in den Imperialismus hineingezogen worden. Bei den vielen Schwierigkeiten, die wir zuhause haben, sollte es uns wahrlich nicht gelüsten, auf Eroberungen auszugehen: aber trotzdem ist die jüngste Phase des Imperialismus von Oesterreich aus- gegangen. Wir haben uns im österreichischen Parlament mit aller Macht gegen die Annexion Bosniens gewehrt. wir haben auch da unsere internationale Pflicht erfüllt, nicht nur gegenüber dem Westen, sondern auch gegenüber Serbien . (Bravo !) Wir haben eigentlich keine Monarchie, sondern eine D i a r chi e. denn es regiert nicht der alte Kaiser allein von Schönbrunn aus, sondern auch der Kronprinz vom Wiener Belvedere -Schloß aus.(Heiterkeit und Ahalrufe.) Das hat bei uns eine Art Anarchie hervorgerufen; man pricht von einer Kriegspartei des Kronprin- zen. Auch wir hatten unsere 5kriegshetzer und Panzer- Plattenpatrioten. Den stärksten Beweggrund zum Kriege mit Serbien bot es bei uns, daß sich die Serben weigerten, die Kanonen, mit denen sie Oesterreich bekämpfen wollten, von !>en österreichischen Skoda -Werken zu kaufen.(Große Heiter- "eit.) Darüber gerieten natürlich die Skoda -Aktienbesitzer im Herrenhause in die höchste patriotische Entrüstung.(Er- neute Heiterkeit.) Es gelang damals unserem Genossen Adler(Bravorufe), das österreichische Parlament dafür zu gewinnen, daß es sich einstimmig für die Erhaltung des Friedens aussprach, und im serbischen Parlament trat Genosse Kazlerowitsch der Kriegshetze als Einziger entgegen.(Beifall.) Wir haben unseren Minister des Aeußeren, den Grafen Aehrenthal , unter schärfstem Protest gegen den Bruch inter - nationaler Verträge aufmerksam gemacht, daß niemand wissen iänn, wohin die Aufrollung der Balkanfrage durch die An- nexion führen wird. Was wir vorausgesagt, ist heute be- tätigt. Frankreich nimmt Marokko , Italien fällt ohne Rück- icht auf die öffentliche Meinung Europas und auf die Verträge mitten im Frieden über den schwächeren Gegner her, um ihm ein Land zu rauben. Wir verurteilen diese Annexion von Tripolis in genau derselben Weise, wie seinerzeit die von Bosnien. (Beifall.) Die Proletarier Italiens stehen an unserer Seite und auch die jungen Organisationen des türkischen Proletariats. !>ie jüngst in Saloniki demonstrierten gegen den kriegerischen Imperialismus. Wir protestieren aber auch gegen die Kriegshetze zwischen Oesterreich und Italien . Sie wissen, wir haben den Drei- Hund. Die Freundschaft Oesterreichs und Italiens befestigt man bei uns. indem der Kriegsminister die Grenzfestungen gegen Italien inspiziert.(Große Heiterkeit.) Wir senden brüderliche Grüße über das Adriatische Meer, indem wir vier Dreadnaughts zunächst und weitere 12 Dreadnaughts in drei Perioden erbauen(hört, hört!) und indem unsere Chauvi- nisten, namentlich die Katholisch-Klerikalen, genau so übrigens wie die italienischen Chauvinisten, bei jeder Gelegenheit die „verbündete" Macht beschimpfen. Die Lsterreichisch-italienische Kriegshetze ist eine der größten Gefahren für >en Frieden Europas. (Sehr wahr I) Wir haben )as seit langen Jahren erkannt und den Herrschenden bei jeder Gelegenheit gesagt, daß wir den Krieg mit Italien nicht wollen und den Proletariern, daß sie den Frieden Mitteleuropas sichern müssen.(Bravo !) Wiederholt haben wir uns in gemeinsamen Tagungen mit dem italienischen Proletariat vereint und nur die österreichischen Neuwahlen haben den Aufschub der für den letzten Sommer geplanten Zusammenkunst in Cremona erforderlich gemacht; aber wir iverden die nächste Gelegenheit benutzen, um wieder gemein- 'am mit unseren italienischen Brüdern gegen die Kriegshetze zu manifestieren.(Beifall.) So lastet auf dem Proletariat jedes Landes eine außer- ordentlich schwere Pflicht, die weit über den Tageskampf, über sie tägliche Abwehr der kapitalistischen Angriffe durch Gewerk- 'chaft, Genossenschaft und politische Partei hinausgeht. Bis- her war jede Sozialdemokratie in ihrem Lande ganz und gar mit den Problemen ihres Landes beschäftigt. Wir hatten und haben zu kämpfen gegen Nationale und Klerikale, Sie gegen das I u n k e r t u m. die R ü ck w ä r t s e r e i und einen mehr oder weniger unzuverlässigen Freisinn.(Sehr richtig!) Sie haben den wirtschaftlichen Kampf zu führen gegen eine der mächtigsten Kapitalistenklassen der Welt. Aber alle diese Kämpfe werden in der nächsten Zeit zurücktreten gegen die große, entscheidende Aufgabe. Weltpolitikzu machen. (Sehr gut!) Das Proletariat, das in fast allen zivilisierten Ländern zur stärksten Partei geworden ist(sehr richtig!), mutz den Blick üb?? bi« Grenzen richten und sich darum kummern, was auf dem Äslttheater vorgeht. Denn heute ist nicht nur das italienische Proletariat gefährdet durch den Krieg, son- dern bedroht ist durch die ständige Kriegsgefahr jedes einzelne Proletariat in seiner Lebenshaltung, seinem Ringen� um besseres Dasein; denn wenn es möglich sein sollte, daß wieder statt der friedlichen Kulturarbeit in der Welt das Mordwerk- zeug des Kriegers die Oberhand gewinnt, dann kann in kurzer Zeit alles das. was wir mühsam aufgebaut haben, be- graben werden unter einem ungeheuren Turm von Leichen. (Bewegung.) Gerade wir. die den Boden jenes alten Deut- scheu Reiches bewohnen, das im Mittelalter der Schauplntz aller Kriege war. haben die Aufgabe, gemeinsam darüber zu wachen, daß nicht mehr, so wie einst im siebzehnten Jahrhundert, die ganze Kultur niedergetrampelt werde von den Rössehufen einer zügellosen Soldateska. Bedenken Sie wohl: wenn Krieg wird, dann wird Mitteleuropa das Kriegstheatec werden, und dann könnte es wieder so kommen, wie im dreißig- fährigen Krieg, wo die Bevölkerung des Landes zusammen- schmolz auf ein Minimum, wo die Betriebsstätten verödeten. wo ganze Dörfer volklos wurden und die verzweifelte. n Massen sich dem Räuberhandwerk ergaben, weil sie sonst rnci'zt das zum Leben Nötige erwerben konnten.„Ein furchtbar Schrecknis ist der Krieg", sagt unser Schiller, das müssen w«r abwehren aus Kulturinteresse, im Interesse des Sozialismus. Aber nicht nur in dem selbstischen Interesse unseres Landes allein, sondern wir sehen vor uns das Bild dieser ganzen Menschheit, welche sich seit der französischen Revolution immer höher und höher emporgearbeitet und Mauer um Mauer ab- getragen hat von der Zwingburg der Feudalität. Diese Menschheit, welche die geistige Finsternis des Klerikalismus immer mehr abgewälzt hat, welche in unbeschreiblicher und unermüdlicher Arbeit die ganze moderne Kultur aufgebaut hat, diese großen Städte mit ihren Verkehrsmitteln, die Bahnen, die großen Handelsflotten � diese Menschheit sieht ihr Kulturwerki gefährdet und sieht wieder vor sich das Herein- brechen der Barbarei des Krieges, welche die ganze Zivili» sation begraben kann.(Bewegung.) So sind wir vereint, wir, das Proletariat der ganzen Welt, in dem Bestreben, die Menschheit von der Kriegsgeißel zu befreien und den friedlichen Bund aller Völker auf dieser Erde wieder herzustellen.(Stürmischer Beifall.) In brüder- licher Eintracht mit den Proletariern aller Nationen müssen wir unser Sinnen und Trachten darauf richten, jene Form zu finden, in der die Völker die Erde so bewohnen, wie die Bewohner einer Stadt ihre Gemeinde— jede Nation ihr Haus, aber die ganze Welt eine einzige große Stadt. Dahin müssen wir unser altes Programm:„Proletarier aller Länder. vereinigt Euch!" erweitern.(Jubelnder Beifall.) Gelingt uns dieses große Werk, dann ist die Zivilisation und jhiltur des Abendlandes gerettet, dann wird der Sozialismus zur lebendigen Wahrheit, dann wird der schöne Schlußvers eines unserer schönsten Kampflieder zur Wirklichkeit werden: „Die Internationale Wird die Menschheit sein." (Brausender, sich mehrfach wiederholender Beifall.) AIS zweiter Redner knüpfte Landtagsabgeordnetcr f. Ströbel an die Ausführungen seine» Vorredners mit der onstatierung der Tatsache an, dag alles, was dieser über Kriegs- Hetzerei und Eroberungspolitik gesagt habe, auch auf Deutschland in verstärktem Maße zutreffe. Unsere Ausgaben für Heer und Marine steigen ins Ungemessene, dieses Wettrüsten müsse zum Ruin deS Volkes führen. Aber auch andere Parallelen bieten sich zwischc�r den politischen Zuständen Deutschlands und Oesterreichs . Wie dort der Thronfolger mache auch bei uns der Kronprinz seine besondere Politik, habe aber durch seine jüngsten Taten alles was etwa in Oesterreich vorkam, in den Schatten gestellt, indem er öffentlich gegen die Politik seines gekrönten Vaters Front machte. Bei seiner Anwesenheit im Reichstage habe der deutsche Kronprinz die Aus- führungen Heydebrands und der anderen Kriegshetzer durch lauten Beifall unterstützt und so seine Gegnerschaft dem Reichskanzler gegenüber zum Ausdruck gebracht. Die Sozialdemokratie sei, wenn auch nur für einen Augenblick,.Regierungspartei" geworden, nach- dem alle slaatserhaltcnden Parteien den Kanzler im Stiche gelassen hatten, denn ei ist ja unsere Politik, wenn Herr v. Bethmann Holl- weg dem Junker Hehdebrand gegenüber erklären mußte, es sei un- verantwortlicher Unfug, sortgesetzt mit dem Schwert im Munde zu drohen. T»aS hätte jedoch der Reichskanzler schon früher erkennen sollen, an diesen Zuständen trage man in den oberen Regionen selbit ein gerütteltes Maß Schuld. Heute sei Wilhelm II. üher das SV. Lebensjahr hinaus und ruhiger im Temperament und Denken geworden, während er es doch war. der die Saat ausstreute, die jetzt in den Köpfen der um Hehdebrand aufgegangen ist; Herr v. Seth- mann Hollweg ernte nur, was Wilhelm II. in der Vergangenheit gesät hat. Die Regierung wird sich daran erinnern müssen, daß die Sozial- demolratie eine Großmacht darstellt und dem Volke ihren Dank ab- statten müssen, indem sie die Arbeiter nicht länger wie Heloten be- handelt, sondern diesen die politische Gleichberechtigung gewährt und da» von Bismarck schon als das elendeste aller Wahlgesetze be- zeichnete LandtagSwahlrecht gemäß den berechtigten Wünschen der. selben umgestaltet.(Beifall.) In längeren Ausführungen verweilt Redner bei der Entwicke- lung des Imperialismus, zeigend, welche Interessen gewisse einfluß- reiche Kreise von dem Wettrüsten, von den Lieferungen für Heer und Marine, an den Panzerplatten, Kanonen, an dem Bau von Kriegsschiffen und schließlich an dem Krieg selbst haben. Dann er- läutert er die Forderung der Sozialdemokratie auf Schaffung«in«S VolkSheereS. Das arbeitende Volk wolle sich nicht im Interesse der besitzenden Klassen in einen Krieg drängen und dort sein Blut ver- gießen lassen. eS wolle auch sein Vaterland nicht wehrlos machen. sondern Vorkehrungen treffen, um seine kulturellen Güter auch nach außen hin. beispielsweise gegen einen von.Väterchen" kommen. den Angriff zu verteidigen. Einer solchen VollSbewafsnung aller- dingS widerstreben die Junker, denn sie werde ihre Flinten nicht gegen den sogenannten inneren Feind richten. In großen Zügen besaßt sich Redner mit der wirtschaftlichen EntWickelung. Die Konzentration des Reichtums sei ungeheuer an- gewachsen, die Kluft zwischen Arbeit und Besitz so. daß auf der einen Seit« der größte LuxuS herrsche, während die Arveiter, trotz aller in heißen Kämpfen erzielten wirtschaftlichen Errungenschaften. es wegen der ihnen auferlegten Lasten keinen Schritt vorwärts brachten.., Außerordentlich wirkungsvoll schilderte Redner die Greuel eines modernen Kriege», von denen man sich schon an unseren Kolo- nialkriegen einige Vorstellungen machen könne. Lebhafte Ent- rüstungsrufe begleiten die Ausfuhrungen des Redners, als dieser die von den Italienern in Tripolis an wehrlosen Einwohnern be» gangenen Greueltaten schudert. Wir hätten jedoch keinen Anlaß. auf dies alle» mit Verachtung herabzusehen, denn im Kriege mit dcw HereroS habe der deutsch « General von Trotha die Eingeborenen in die unwirtlichste Gegend zuruckgeiagt. auf welche Weise dann Männer, Greise, Kinder und Frauen mit Säuglingen an der Brust verhungerten, verdursteten und in großer Zahl so elend zugrunde gehen mußten. �._ Wer solche Bestiali tat en w i ll die ja jeder Krieg entfesseln werde, der müsse die Politik des Herrn v. Hehdebrand unterstützen. wer aber den frieden juhern. einen Krieg wie den� der uns wegen Marofto mit Frankreich bevorstand, oder wie er gegen England erhrtzt werden soll und jetzt von Italien gegen die Türkei geführt
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