Aushebung des Hilkkaisen-flcfctzes.Die Reichsverficheriingsordnung hat bekanntlich diefreien Hilfskassen, soweit sie als Ersatz für Zwangskassen inBetracht komnien, durch ihre Gestaltung als Ersatzkassen ab-gewürgt. Aus blindem Parteihaß gegen die Arbeiterklassehaben die bürgerlichen Parteien der segensreich wirkendenSelbsthilfe des Mittelstandes und der Arbeiter den Todes-stoß versetzt. Der Gesetzentwurf betreffend die Aufhebungdes Hilsskassengesetzes, über den jetzt von der Reichstags-konimission Bericht erstattet worden ist, soll das freie Vereins-recht des Mittelstandes und der Arbeiter auch auf den Ge-bieten, die nach Beschränkung der freien Hilfskassen durch dieReichsversicherungsordnung übrig bleiben, nehmen und vonder diskretionären Befugnis der Aufsichts-be Hörden abhängig machen. Es werden dadurchini wesentlichen Kassen fiir nicht der Krankenversicherungs-Pflicht unterliegenden Personen sowie Zuschußkassenbetroffen. Das soll unter dem Vorwand geschehen, Schwindel-kassen die Existenz unmöglich zu machen. Dies Ziel hättesich, soweit es überhaupt erreicht werden kann, leicht durcheinige Aendernngen des Hilsskassengesetzes und durch Vor-schriften erreichen lassen, die den heutigen Zustand beseitigen,nach dem zunächst die sozialdemokratischen Warner vorSchwindelkassen bestraft sind, weil sie die Wahrheit aus-sprachen. Die Rechtsprechung lehnte es ab, den Schutz derWahrung berechtigter Interessen solchen Warnern zu-zuerkennen. Jahre lang später ging dann, z. B. in den Fällender„Thalia" und„Union", die Staatsanwaltschaft gegen dieSchwindler vor, denen vorher gerichtlicher Schutz gewährtwar. Die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion habenauf wirksameren Schutz gegen Schwindelkassen abzielendeAnregungen in der Kommission gegeben. Sie fanden aberfast durchwegs steinigen Boden. Die bürgerlichen Parteienwollen den für den Mittelstand und die Arbeiter rechtlosenZustand wiederherstellen, der vor 1869 und vor Erlaß desHilsskassengesetzes insbesondere in Preußen geherrscht hat.Früher betonten freisinnige Abgeordnete, daß gerade das be-hördliche Aufsichtsrecht das Aushängeschild für Schwindel-Unternehmungen gewesen ist und verlangten das Hilfskassen-gesetz. Jetzt stimmten auch die Liberalen für Aufhebung desHilfskassengesetzes. Freilich die früheren Liberalen warenLeute wie Schulze-Delitzsch und Bamberger,die heutigen sind die um M u g d a n und Horn(Reuß).Die wesentlichsten Bestimmungen des Gesetzentwurfs gehendahin: das Gesetz über die eingeschriebenenHilfskasfen wird aufgehoben. Die freien Hilfs-kassen werden fortan als„Versicherungsvereine auf Gegen-feitigkeit" dem Reichsgesetz über die privaten Versicherungs-Unternehmungen unterstellt. Jedoch müssen erstens die zugelassenen freien Hilfskassen(Versicherungsvereine) alskleinere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit imSinne des s 53 des Reichsgesetzcs über die privaten Versiche-rnngsunternehmungen anerkannt werden, das heißt: die deinAktien- und Handelsrecht entnommenen oder nachgebildeten(im§ 53 angeführten) Vorschriften des Versicherungsaussichts-gesetzes finden auf diese Versicherungsvereine keine Anwen-dung. Ferner sind noch einige Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes(§§ 11, 12, 115 Abs. 2 und 3) von der Anwendung ausgeschlossen, weil diese Paragraphen des Versiche-rungsaufsichtsgesetzes sich lediglich auf große Lebensversiche-rungsunternehmungen oder Kranken- und Unfallverstche-rungsunternehmungen beziehen, die nach Art der Lebensver-sicherungen unter Zugrundelegung bestimmter Wahrscheinlich-keitstafeln Versicherungsgeschäfte betreiben. Danach findendie in den zitierten Paragraphen gemachten Vorschriften überOffenlegung der Tarife, der Grundsätze für die Prämienbe-rechnung und Prämienreserven sowie über die Bestellung eines.Hauptbevollmächtigten in jedem Bundesgebiete keine Anwen-dung. Für den Reservefonds sollen dieselben Vorschriftengelten, die jetzt für die freien Hilfskassen(Z 25 des Hilsskassengesetzes) bestehen. In Anlehnung an die Vorschriftendes Hülfskassengesetzes ist im Z 5 des Entwurfs auch aus-drücklich das Recht der zugelassenen Verfichernngsvereine, für.bestiimnte Bezirke örtliche Verwaltungsstellen(Abteilungen,Zweigvereine) zu errichten, eingeräumt. Die statutarisch fest-zulegenden Vorschriften über Verfassung und Befugnisse dieserVerwaltungsstellen sind aber dem diskretionärenErmessen der Aufsichtsbehörde unterstellt. Ueberhauptunterliegen die etwa zugelassenen Versicherungsvercine rück-sichtlich ihrer Geschäftsgebarung, ihrer Verwaltung, ihrer Be-aufsichtigung und Auflösung, abgesehen von den eben darge-legten gesetzlichen Einschränkungen, völlig der im Versiche-rungsaufsichtsgesetz der Aufsichtsbehörde eingeräumten Macht-befugnis.Im Gegensatz zum bestehenden Recht haben also die Ver-sicherungslustigen nicht mehr ein gesetzlich garantiertesRecht auf Errichtung eines Versicherungsvereins, sondernsie bedürfen der Erlaubnis der Aufsichtsbehörde.Diese Erlaubnis kann auch versagt werden, wenn nach demGeschäftsplan die Interessen der Versicherten(nach Ansichtder Behörden) nicht hinreichend gewahrt sind, sowie wennTatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß einden guten Sitten entsprechender Geschäfts-betrieb nicht stattfinden wird. Aus denselbenGründen kann die Auflösung erfolgen. Wer die preußischePraxis bis 1876 und die unter dem Sozialistengesetz geübteWillkür kennt, weiß, daß dadurch die Kassen den größtenpolitischen Verationen ausgesetzt sind. Freilich ist es densozialdemokratischen Mitgliedern der Kommission gelungen,allzu grober Betätigung bureaukratischer Willkür und poli-tischen Parteihasses einen kleinen Riegel durch folgende Vor-schrift vorzuschieben:Bei den Versicherungsvereinen des§ 3 gelten die religiöseoder politische Ueberzeugung, ihre Betätigung außerhalb derDienstgeschäfre und die Ausübung des VereinSrechtS seitens derMitglieder, deS Vorstandes oder der Angestellten, soweit nichtgegen die Gesetze verstoßen wird, an sich nicht als Grund zurVersagung der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb nach Z 7 Nr. 3deS Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen.Eine Gefährdung der Interessen der Versicherten oder einWiderspruch des Geschäftsbetriebes mit den guten Sitten imSinne der ZZ 64, 67 des Gesetzes über die privaten Versiehe-rungsunternehmungen darf nicht aus der religiösen oderpolitischen Ueberzeugung, ihrer Betätigung außerhalb derDienstgeschäfte und der Ausübung des Vereinsrechts seitens derMitglieder, des Vorstandes oder der Angestellten, soweit nichtgegen die Gesetze verstoßen wird, gefolgert werden.Indessen ist der Weg politischer Drangsalierung nichtvöllig verrammelt. Denn nicht ein Rechtsweg, sonderndas diskretionäre Ermessen der Aufsichts-behörde und der im Privataufsichtsgesetz vorgesehenenInstanzen entscheidet. Ebenso liegt es mit der Aufsicht.Die Versicherungsvereine unterliegen der unbeschränkten Beaufsichtigung durch die Aufsichts-behörde. Die Aufsicht ist nicht wie im Hilfskassengesetz be-grenzt. Die Aufsichtsbehörde kann den ganzen Geschäftsbe-trieb überwachen, sie ist befugt, alle Anordnungen zu treffen.die ihrer Ansicht nach geeignet sind, den Geschäftsbetrieb mitden gesetzlichen Vorschriften und dem Geschäftsplan im Ein-klänge zu halten oder Mißstände zu beseitigen, durch welchenach Ansicht der Aufsichtsbehörde die Interessender Versicherten gefährdet werden oder der Geschäftsbetriebmit den guten Sitten in Widerspruch gerät? Zur Befol-gungihrerAnordnungenkannsiedurchGeld-st rasen bis zu 1666 M. anhalten. Die Aufsichts-behörde kann jederzeit die Geschäftsführung und Vermögens-läge jicclj allen Richtungen hin prüfen, die Bücher, Belegeund Schriften im Geschäftslokal sich vorlegen lassen, Auskunftjeder Art verlangen und Vertreter in die Versamm-lungen und Sitzungen der Generalversamm-lungen, Mitgliederversammlungen usw. e n t-senden, die jederzeit zu hören sind. Sie kannauch selbst Versammlungen und Sitzungen einberufen, zudenen sie selbst die Tagesordnung feststellen kann. Der Auf-sichtsbehörde ist also die denkbar größte Machtfülle einge-räumt. Gegen Verfügungen oder Entscheidungen des Auf-sichtsamts ist nur in den im Versicherungsaufsichtsgesetz aus-drücklich hervorgehobenen Fällen und auch nur an die imPrivataufsichtsgesetz vorgesehenen Instanzen ein Rechtsmittelzulässig. Es ist also der Verwaltung eine weit größere Macht-fülle eingeräumt, als Zentrum und Freisinnige im Hilfs-kassengesetz zuließen. Der Zentrumsabgeordnete M o u-fang beklagte es bei der Beratung des Hilfskassen-gesetzes, daß man dem Mittelstand und der Arbeiterklassenur unter hoher Staatsbefugnis und zahlreichen Schwierig-keiten gestatte, aus eigenen Mitteln Vorsorge fiir Krankheitzu treffen. Die heutigen Zentrumsabgeordneten T r i m-born, Becker usw. traten dafür ein, daß man weit überdie unter W i n d t h o r st s Führung 1876 mit Erfolg be-kämpften bueaukratischen Drangsalierungen hinausgehe!Als Aufsichtsbehörde fungiert das Aufsichts-amtfurdiePrivatversicherung. Dieses Amt be-steht aus dem Vorsitzenden und ständigen, vom Kaiser er-nannten, sowie nichtständigen, vom Bundesrat gewählten Mit-gliedern. � Zur Mitwirkung bei der Aufsicht wird ein ausSachverständigen des Versicherungswesens bestehender Bei-rat gewählt, dessen Mitglieder auf Vorschlag des Bundes-rats vom Kaiser auf fünf Jahre ernannt werden. Dieser Ver-sicherungsbeirat besteht zurzeit aus Direktoren und Vorfitzen-den der großen Versicherungsgesellschaften und sonstigen Ver-tretern der Großindustrie. So gehören ihm an: der Vor-sitzende mehrerer Versicherungsgesellschaften, Reichstagsabge-ordneter Bassermann, ferner der Generalsekretär desVereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Jnter-essen in Rheinland und Westfalen, der bekannte ScharfmacherDr. B e u m e r, der preußische Kammerherr und Ritterguts-besitzer auf Groß-Pankow in der Priegnitz Gans edler Herrzu Puttlitz, der Landtagsabgeordnete Geh. Reg.-Rat Dr.Böttinger, Direktor der Farbenfabriken vorm. Friede.Bayer u. Eo., Elberfeld usw. Seitens der Sozialdemokratiewar in der Kommission der Antrag gestellt, statt der Versiche-rungsbeiräte aus Lebensversicherungs-, Feuerversicherungs-und anderen Scharfmacherkreisen eventuell Versicherungsbei-räte aus den Vorstandsmitgliedern der Hilfskassen wählen zulassen. Der Antrag wurde in der Kommission abgelehnt.Das Auffichtsamt für Privatversicherung entscheidet inder Besetzung von fünf Mitgliedern(3 Mit-glieder des Aufiichtsrats unter Hinzuziehung von 2 Mitglie-dern des Versicherungsbeirats): über die Erteilung derErlaubnis zum Geschäftsbetriebe, über die Genehmigungeiner Aenderung des Geschäftsplanes, über dieGenehmigung einer Bestandsveränderung, über dieGenehmigung der Auflösung eines Versiche-rungsvereins auf Gegenseitigkeit, über denErlaß einer Anordnung, mit der eine Straf-androhung verbunden ist, über die Ilntersagung desGeschäftsbetriebes, also Auflösung, über dieStellung des Antrages auf Eröffnung deS Konkurfes undüber Ergreifung von Anordnungen zur Abwendung des Kon-kurses. Gegen die auf diesem Gebiet getroffenen Entscheidun-gen gibt eskeingerichtlichesoderverwaltungs-gerichtliches Verfahren. Man kann gegen die Ver-sagung der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb und in denanderen eben angeführten Fällen nur beidemAufsichts-a m t selbst Rekurs einlegen. Ueber den Rekurs entscheidetdas Aufsichtsamt selbst in der Besetzung von siebenMitgliedent, nämlich 3 Mitgliedern des Auflichtsamtes.2 Mitgliedern des Versicherungsbeirats sowie eines richter-lichen Beamten und eines Mitgliedes eines höchsten Ver-waltllngsgerichtshofes. Der Vorsitzende kann in beiden In-stanzen dieselbe Person sein und ist es in der Regel. DieseEinrichtung paßt wie das ganze Versicherungsaufsichtsgesetzfür die Versicherungsunternehmungen, deren Zweck auf Er-w e r b geht und nicht auf Erfüllung sozialer Pflichten, nichtaber für Hilfskassen. Daß die Machtfülle des Aufsichtsamtsden Erwerbsgesellschaften gegenüber nicht zu weitgeht, wird einmal dadurch gewährleistet, daß die Zwecke desAufsichtsamts und der Erwerbsgesellschaften durchaus harmo-nieren und dann dadurch, daß der Versicherungsbeirat aus denVertretern der Interessen der Versicherungsgesellschaften be-steht. Ein nicht aus der Liebertgarde oder sonstigen Gelbenbestehender Arbeiterverein kann vor diesen beiden aus einge-fleischten Bureaukraten und Arbeiterfeinden bestehenden In-stanzen schwerlich Recht erhalten. Schlimmer als diese beidenInstanzen, bei denen es gestattet ist. von Bassermann anBeumer oder Böttinger zu appellieren, kann kein g e g e n d i eArbeiter ausdrücklich zusammengesetztesAusnahmegericht aussehen, es sei denn, daß zur Ent-scheidung über Beschwerden der Arbeiterorganisationen Ar-beitstvillige, Streikbrecher, Gelbe als Sachverständige in denVersicherungsbeirat noch berufen werden. Und daß dies ge-schieht, ist nicht ausgeschlossen. Die Entscheidung der Rekurs»instanz ist endgültig.Die Auslieferung der Kaflen an das diskretionäre Er-meflen der Behörden bedroht auch die Gewerkschaften.Ein Antrag der sozialdemokratischen Mitglieder, dies zu ver-hindern, wurde abgelehnt. Freilich erreichten sie. daß die Re-gierung Erklärungen abgab, daß die Rechtsschutzeinrichtungender Gewerkschaften nicht als Gegenstand der Versicherung be-trachtet werden und daß Arbeitslosenunterstützungen, Kran-kenbeihilfe u. dgl. dem Versicherungsaufsichtsgesetz nicht unter-stehe«, wenn nachdem Gesamtcharakter des Unternehmensder Ausschluß des Hechtsanspruchs dem ernstlichen Willen derBeteiligten entstz�»�>en Einrichtungen der Gewerkschaftenund ähnlicher �BKliingen, die in der Tat nur wahrenUnterstützungsqMVWGer Versicherungszwecken dienten, seienunter der HerrWvftst Aufsichtsgesetzes keinerlei Schwierigkeiten erwachsen." Es sind auch verständige Entscheidungendes Aufsichtsamts und m-.hrerer Gerichtsbehörden angezogen.Aber denen stehen doch indere, wenn auch zu unrecht er-gangene Entscheidungen, nsbesondere von Polizeibehörden,die in vielen Fällen an stelle des Aufsichtsamts treten,gegenüber. Und es steht die �xajchrische Praxis in lebendigerErinnerung, die UnterstützungiMvsi: Gewerkschaftern in Ver-folg eines Ministerialerlasses v�h-Mtober 1872 und währenddes wie nach dem Sozialisten�NG-�auf Grund des Straf-gesetzbuches als„Versicherungei�Mkfvlgte. In der Kom-Mission wurde auch auf die Vorgäiwe verwiesen, die sich an-läßlich des großen Streiks im deuWffl*Buchdruckgewerbe abspielten. Damals wurden dem streikenden Buchdruckerver-bände die Gelder gesperrt, damit sie njMfür den Streik Ver-Wendung fänden, fondern den*tk;Nntüfeimgen erhaltenblieben. Der Wiederholung ähnlicher�Ndrgänge in Zukunfteinen Riegel vorzuschieben, haben beeMegelichen ParteienDer Gesetzentwurf betreffend Anfyvu�'�HZ Hilfskassen-gesetzes ist also eine durch nichts gerechMMMWeschräntungder freien Selbsthilfe durch bureaukratisty�Wttrür und eineBedrohung der Gewerkschaften. Das Zentrum erblickte aberebenso wie Mugdan hinlängliche Garantien ge�en Mißbrauchder behördlichen Befugnisse in der Berrifungsi.nöglichkeit andie Oberscharfmacher Beumer und Genossen. Nach vor Auf-lösung des Reichstags sollen die Rechte der Arbeiter aufdiesem Gebiete diesen Herren ausgeliefert werden.Dss liiarMo-übdommen.Die Budgetkommission des Reichstags begann DflenStagdie Beratung des Marokkoabkommens. Trotz der Einwändeder Rechten setzten Sozialdemokraten. Nationalliberal e undFortschrittler durch, daß zuerst die Frage behandelt mirde,ob die Verträge der Genehmigung des Reichst agöbedürfen oder nicht. Entgegen unserer Auffassung besitanddie Regierung darauf, daß die jetzige Verfassung diese>�c-nehmigung nicht erfordere, ja der Staatssekretär des Jmu'rnsprach sogar von einem Konflikt, den das BestchAi de-Reichstags auf sein Recht herbeiführen könnte. Nun wäre fitder Reichstag durchaus in der Lage, einen solchen Konfliktdurchzufechten. Denn so stark ist die Regierungsautoritätwahrlich nicht, als daß sie einen solchen Kampf erfolgreich durch-führen könnte. Aber es hieße unsere bürgerlichen Parteien schlechtkennen, wenn man nieinte, sie würden den Kampf riskieren.Abgesehen von den konservativen Reichstagsfeinden habenweder Nationalliberale noch Klerikale sonderlich Lust, ernsthaftdas Recht des Reichstags zu behaupten.Merdings muß die Regierung selbst erkennen, daß derjetzige Zustand unhaltbar ist und so erklärt sie sich zueiner Abänderung des bestehenden Rechts-zustandes bereit. Für die Zukunft wenigstens sollbei Veränderungen im Kolonialgebiet die Zu-stimmung der gesetzgebenden Körperschaft erforderlich fein. DieRegierung akzeptiert daher den von dem Zentrum tn diesesRichtung gestellten Antrag.Dieses„Entgegenkommen" der Regierung ist völlig unegenügend. Nach dem klaren Wortlaut, der Entstehungs-geschichte und dem Zweck des Artikels 11 der Verfassung sowieder Stellung des Reichstags als gesetzgebender Körperschaftbedürfen Verträge wie die vorliegenden der Genehmigung desReichstags zu ihrer Gültigkeit. Sie sind ungültig ohneeine solche. Beruft sich eine Regierung darauf, daß früherähnliche Verträge ohne Zustimmung des Reichstags geschlossensind, so übersieht sie, daß zehnmaliges Umwandeln nicht Rechtschaffen kann. Ist ein Dieb straffrei, der im elften Falle desDiebstahls vor Gericht gestellt wird, weil er zehnmal strafftetgeblieben ist? Die früheren Verträge sind überdies— leider—nachträglich durch Bewilligung der zu ihrer Ausführung er-forderlichen Mittel sanktioniert. Ohne solche— wir meinenauch ohne ausdrückliche Sanktion— sind sie ungültig,sind ein Bruch der Reichsverfassung. Die Drohungmit einem Konflikt bedeutet die Ausschaltung des Reichstagsals Gesctzgebungsfaktor. Und wer steht dafür, daß dieRegierung nicht gar später erklärt: Da 1911 nur fürKolonialveräußerungen ein gesetzlicher Zusatz gemacht ist, habeder Reichstag sich mit der Beschränkung der Rechte der Vcfid�Vertretung im übrigen einverstanden erklärt.Sehr bezeichnend ist. daß dem Budgetausschuß offiz tel?die Zuftiedenheit der Gebrüder Mannesmann mit demMarokkoabschluß mitgeteilt wurde. Aus Paris lies nämlichfolgende Nachricht ein:Zwischen den Brüdern Mannesmann und der Uniondes Min es(zu der bekanntlich auch Krupp gehört) ist eineEinigung erfolgt, auf Grund deren beide Teile alle ihrebergbauliche» Anrechte und Ansprüche in Marokko einwerfen,(inder neuen Gesellschaft find die Brüder Mannesman» und dieUnion des Mines je mit 46 Proz. beteiligt. Zur Uebernahme derrestlichen 20 Proz. haben sich französische Banken bereiterklärt. Durch besondere Abmachung ist den deutschen Ab«nehmern ein Vorzugsrecht auf 40 Proz. derEisenerzausbeute gesichert.Der Präsident der Kommission beeilte sich, den Mit-gliedern diese erfreuliche Meldung zu erstatten, in dem Be»wußflein, wie wichtig für die Stellungnahme mancher„Volks-Vertreter" die Haltung der Mannesmänner ist. Uns aber istdies nur eine Bestätigung, daß der große Marokkokonflittnur ein Streit mit einander haderndernderMinenkapitalisten gewesen ist. Nachdem der Ver»trag zwischen den Staaten geschlossen, haben sich die feind»lichen Brüder kartelliert. Die Internationale deSKapitals ist das glorreiche Ergebnis der großen„nationalenBewegung" der wahren Patrioteu.Aus den Verhandlungen der ftanzösischen Kommisstongeht hervor, daß Franfteich sein Vorkaufsrecht auf S p a n i s ch»Guinea an Deutschland abgetreten hat. Wirhaben also noch Aussichten auf weitere Abrundung der GrenzeKameruns.Die Kommisfionsieratung.Die Budgetkommisston des Reichstages trat Dienstag in dl«Beratung deS Marolko- und Kongo-Abkommens mit Franfteich ein.Bassermann forderte, daß die Kommission zuerst die B« r»fassungsfrage behandelt, also feststellt, welche Kompetenzenund Rechte der Reichstag hat und ob die Regierung verpflichtet ishden Marokkovertrag als Gesetz dem Parlament zur Verabschiedungvorzulegen. Abg. Gröber, der im Plenum den Standvunkt ver»trat, daß die Verträge der Genehmigung durch den Reichstag be-dürfen, trat gegen den Antrag Bassermann auf. Er wollte erstüber Inhalt und Bedeuwttg der Verträge diskutieren. Das würde