Kr. 269. 28. Zahrglmg.> Keilte des Amick" Kerlim WslilRAo««erstag, t6. Kovmbtt l91t.Keil�stag.808. Eitzu«s vom Mittwoch, den 18. November,nachmittags 1 Uhr.Lm BundeSratstisch: v. Breitenbach.Auf der Tagesordnung steht die zweite Beratung des Gesetz-entwurfs betr.Erhebung von Schiffahrtsabgabe«.Abg. Dr. Zehnter(Z.): Der Artikel 1 unterliegt von meinerFraktion keiner Beanstandung. Ueberhaupt hat der Entwurf solcheVerbesserungen erfahren, daß auch diejenigen meiner Freunde,die früher Bedenken hatten, dem Entwurf zustimmen werden. Alshauptsächlichste Berbefferungen bewachten wir die Erweiterungdes Interessengebietes der Strombauverbände; ferner, daßdie Fortführung der Regulierung und Kanalisierung deS Ober«rheinS von Straßburg bis Konstanz in die Borlage aufgenommenist; für eine sehr wesentliche Verbesserung halten wir die Be«seitigung jedes fiskalischen Interesses aus dem Gesetze, indem dieAbgaben nur für künftige Verbesserungen verwendet werden dürfen,nicht auch, wie die Regierungsvorlage wollte, zur Unterhaltungälterer Anstalten. Eine Verbesserung ist auch im§ 7 enthaltendurch Erweiterung der Interessentenkreise, aus denen die Strom«beträte genommen werden sollen; die Sozialdemokraten beantragen,unter diesen Jmeressentenkreisen noch.da» Gewerbe" besonders zunennen. Ich persönlich hätte nichts dagegen, doch scheint es mirüberflüsfig.Meine Freunde können also dem Gesetz zustimmen, abernur, wenn es nicht etwa noch wesentltche Lenderungenerfährt. Eir halten eS nicht für angängig, durch einen einfachenReichStagSbeschlutz ganz neue Regulierungsprojekte, wie eS die Anträge der Sozialdemokraten zu Artikel 2 wollen, in dieses Besetzaufzunehmen. sBravo l im Zentrum.)Abg. kreth(l): Meine Freunde werden mit Ausnahme unsererParteigenossen auS Sachsen für die Borlage stimmen.Unsere sächttschen Freunde fürchten, daß die Borlage geeignet ist, dieInteressen ihres Landes zu schädigen. Aber auch meine Freundekönnen der Borlage nur zustimmen, wenn da» Schifflein dieser Bor-läge, das schon bis zur Tiestadelinie bepackt ist, nicht nochWetter beschwert wird. sZustimmung bei den Konservativen.)Abg. Dr. David<Soz.):Die Annahme deS Artikel 1 dieser Vorlage würde eine wertvolleErrungenschaft für die deutsche FreiheitS« und Einheitsbewegung nichlsein; daS Palladium der freien Schiffahrt auf den deutschen Strömen,das der Artikel 54 der Reichsverfassung in seiner heutigen Formdarstellt, würde dadurch vernichtet werden. Man hat zwar beider ersten Lesung sowie in der Kommission e« so dargestellt, alssollte die Vorlage die Schiffahrt fördern und man hat sogar natio-nale Interessen für diesen Entwurf angerufen. Diese schöneMaske will ich der Borlage wegreißen. Welchesist denn der Zweck und die eigentliche Absicht des Gesetzes:»Willst Du den Dichter recht versteh'«, mutzt Du in Dichter» Landegehn." Um den Zweck der Vorlage zu erkennen, müssen wir dahingehen, wo sie ihren Ursprung genommen hat. in den preutzt«schen Landtag.<Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) DerPlan, Schiffahrtsabgaben einzuführen, ist im Verlaus der berühmtenKanastampagne entstanden,seine Bäter find Kanalfrondeure,die Herren, die das Kanalprojekt der preußischen Regiemng, für dasauch der König von Preuße» fich eingesetzt hatte, zum Scheiternbrachten, und die Einführung der Schiffahrtsabgaben ist die Kom«pensation— um dieses neuerding» berühmt gewordene Wort zu ge-brauchen— die die preußische Regierung für die Zustiinmung derKanalopposition nicht zu dem ganzen Kanal, aber zu dem Kanal-t o r s o geben mutzte.DaS allein genügt schon, um die eigentliche Absicht, den eigent«lichen Charakter der Vorlage zu enthüllen. Aber er lätzt sich nochschärfer zeigen, wenn man auf die Verhandlungen in der preutzischenKanalkommission zurückblickt. Dort tauchte zuerst ein Antrag auf,SchiffahrtSabgaben als Bedingung für die Zustimmung zum Kanal-torso zu verlangen. Dieser Antrag ging von Herrn v. H e y d e-brand aus, und in der Begründung wurde gesagt: die Erhebungkleines feuiUeton-h®feIe ist e». die da spielt." Unter diesem Motto der-offentl,cht der bekannte Heldenspieler Friedrich Kahtzlerin dem bei Oesterheld u. Co. erscheinenden Theaterkalender aufdas Jahr 1St2.Unpraktische Gedanken über die Bühne",>n denen er einen tiefen Einblick in die künstlerischen Ideale deSSchauspielers gewahrt..Ich bin Dualist", bekennt Kayßler,.javiel mehr noch: ich glaube an die vielfältige Zusammcngcsetztheitder Seele, die mir ebenso selbstverständlich bewiesen erscheint, wiedie de» Zellengemeinwesens, da« wir Körper nennen. Wenn dieSeele fich des Körperlichen bedient, um Kunst zu übermitteln, sotut fie es nur. um wieder Seele zu werden, d. h. Eindruck. Er-»nnerung zu werden rn der Seele des Genietzenden und alssolche kürzer oder länger weit« zu leben. stumpf verharrend.schlummernd oder zeugend und Fruchte tragend." Luch im Kunstwerkder Bühne, da» doch mehr als jedes andere an das Körperlichegebunden ist, mutz nach KaytzlerS Meinung die Seele da« wichttgstesein..Wie plump ist im Grunde das Theater als Kunstform. Wieroh, wie barbarisch. Wie unendlich selten besinnt man sich in diesemwilden kreisenden ChaoS au« jäher Momentwirkung, von Staub.Schminke und Schweiß triefendem TageSruhm, und auf lärmenderBühne vollzogene», an uralte grausame Mhsterienopfer gemahnenden- seetischen Selbstentschleierungen— in diesem Cbaos. das mit demWorte.Theater" täglich' so leicht über vergnügnngsdurstigeLippen gebt— wie unendlich selten denkt dabei einer an_ dieSeele. Und doch: die Seele allein ist es, die da spielt. Ich ver«stehe dabei unter Seele das zu höherer Swie bereits Entwickelteheiße e«.sittliche Krast". heitze e« Persönlichkeit, kurz etwas, dasdurch die Art, wie es sich zur Außenwelt äußert, gute und Früchtetragende Werte schafft."Die Macht der großen Persönlichkeit ist eS, in der sich die beidensonst getrennten Riesenreiche in Kunst und Leben berühren, das.was man.Sittlichkeit" nennen könnte und da« Kayßler mit denWorten definiert:»Da« Element de« Guten, de« in Wahrheit Frucht-baren in der Welt." Dieses Gute, wahrhaft Fruchtbare mutzunter allen Umständen der Gewinn sein, den wir aus dem Theatermit nach Hause nehmen. Dieses wahrhaft Fruchtbare kamt uns diedüstere Gewalt eines Macbeth oder Richard M. ebenso schenken wiedie Menschenliebe eines Gregers Werle oder Rosmer. fie kann unsaus Gretchen oder dem Heilbronner Kälhchen ebenso anleuchten wieaus Lady Macbeth oder Rebekka West. Nur mutz es überall eineSeele sein, die uns die Gestalt schenkt.......E« wird immer darauf ankommen, daß der GeluhlSumfangeiner Gestalt voll gegeben wird, nicht so sehr auf die mnncherleiRealitäten, die an der Rolle hängen. Der brutalste wird sicherlichnicht der beste Macbeth und Richard sein sondern der, der die un-geheure seelische Spannweite hat. Wird jemals der jüdischste ShylockShakespeares Geist deshalb näher kommen, weil er so unnachahm-lich jüdisch ist?— Ich möchte Lady Macbeth aus der süßesten, lieb-lichsten Weiblichkeit hcrvorstarren sehen— Ich glaube an keineGretchen und Käthche» deshalb, weil sie so süß und jugendlichwirken und vor der Mutter GotteS herzbrechend weinenkönnen. Ich glaube nur an das Gretchen, daS inWahrheit in ihrer Frauenseele den stillen Kinderfriedenvon Schiffahrtsabgaben sei ganz besonders notwendigauf dem R h e i n, der ein Einfallstor Kat' exochen(in hervorragendem Matze) bilde, dessen Gefährlichkeit durch denauszubauenden Kanal noch erhöht würde.(Hört Ihört l b. d. Sozialdem.) Ein Mitantragsteller führte aus, durch dieSchiffahrtSabgaben müsse die Regierungder heimische» Landwirtschaft zu Hilfe kommen,weil die Frachten auf den Strömen so gesunken seien, daß die Zölleillusorisch gemacht seien.(Hörtl hörtl bei den Sozialdemokraten.)In demselben Sinne äußerte sich der Berichterstatter, und dasist interessant, nachdem das Zentrum hier eben den Versuchmacht, den eigentlichen Charakter des Gesetzes zu maskieren.Der Bericht im preußischen Abgeordnetenhause rührt nämlich vondem Kollegen Dr. Lm Zehnhoff her. und dieser sagt über dieTendenzen deS Gesetzes: der einheimischen Landwirtschaftbringen die großen Ströme durchweg Nachteile, indem fie den ausländischen Produkten alS EinfallStordienen, wodurch die Schutzzollpolitik durchkreuzt wird.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Den Interessender heimischen Landwirschaft und Industrie werde am besten gedientdadurch, daß die von der Industrie benötigten Materialien möglichstvon Abgaben verschont, dagegendas ausländische Getteide mit um so höhereu Abgaben belegt würde."(Hörtl hört! bei den Sozialdemokraten.) Sie erkennen, um was essich handelt. ES ist ein neue« Glied in der agrarischenBrotverteuerungspolitik.(Sehr richtig I bei den Sozial-demokraten.) Und die Bemerkungen des Vorredners haben das nochunterstrichen. In der Kommissionsvorlage finden Sie eine Be-ftimmung, daß Eisen und Erze in den niedrigsten Tarifklassen seinsollen. Dieser Anttag stammt von dem Kollegen Am Zehnhoff.Wir fügten diesem Antrage hinzu, daß auch Butter, Eier u. a.Nahrungsmittel in den niedrigsten Tarifklassen seinsollten, und sofort machte der Vertreter des Zentrums dagegenFront.(Lebhaftes Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.)Daraus erkennen Sie also das eigentliche Gesicht dieser Bor-läge. ES genügt, diesen agrarischen Pferdefutz vorauSzu-stellen, um alle die schönen Worte, als handle es sich um eine ver-kehrSfreundliche Borlage, als daS zu charakterisieren, was sie find.Verschleierungen, Behauptungen, die den Tatsachen in» Gesichtschlagen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.)WaS hat nun damals die preußische Regierung getan, als ihreZustimmung zu den SchiffahrtSabgaben als Kompensation für denKanaltorso verlangt wurde? Sie befand sich in einer schwierigenSituation, gleichsam zwischen zwei Mühlsteinen. Der König vonPreußen hatte erklärt, er bestehe aus der Kanalvorlage; der ge-schästsführende Ausschuß.der wackeren Patrioten", die Kanal«frondeure erklärten, fie dächten nicht daran. Aus dieser Klemmemutzte man heraus. Man wollte sich nicht länger nach dem schönenAusspruch des früheren Landwirtschaftsministers v. Podbielski.von dem Lauseianal vor den Bauch stoßen lassen"und daher willigte die preußische Regierung ein, sie akzeptierte denAnttag und gab ihre Zustimmung zu seiner Aufnahme in dasKanalgesetz.Der Wechsel, den die preußische Regierung damit unterschriebenhatte, war aber nicht so leicht einzulösen. Zuerst wurde der Versuchunternommen, die Bestimmung des Artikels S4, wonach die Erhebungvon Abgaben auf den natürlichen Wasserstratzen verboten ist, durcheine geistvolle Interpretation auS der Welt zu schaffen. Die Re-gierung mutzte sich aber von anerkannten Staatsrechtslehrern sagenlassen, datz das ein sehr bedenklicher und vom Standpnntt derWissenschastein glitt) aussichtsloser versuchsei. Die preutzische Regierung lietz sich jedoch dadurch nicht abschrecken und auch dadurch nicht, datz sie sich durch ihrenJnterpretationSversuch in schroffen Gegensatz stellte zu derErklärung, die der preußische Ministerpräsident, der ja imRebenamt auch Reichskanzler ist, hier abgegeben hatte, wonach dieEinführung von SchiffahrtSabgaben nur möglich sei, wenn dieseBestimmung auS der Reichsverfassung entfernt werde. Die Regie-rung hat sich auch nicht abschrecken lassen durch die Verträge mitOesterreich und Holland und die jahrzehntelange Praxis,datz gemäß den Verträgen und der Reichsverfassung keine Schiffahrts-abgaben erhoben wurden. Durch all da? lietz sich die preußischeRegierung nicht von dem Auslegungsversuch abhalten, um aus dermitbringt. Diese Kinderseele mutz ich haben, gleichviel, ob die dazugehörige Erscheinung mehr oder weniger jugendlich ist."Kayßler glaubt selbst, datz für die meisten, besonder« aber fürdie theatergeübten Ohren, diese Auslassungen vielleicht lächerlich.jedenfalls recht unpraktisch klingen mögen. Aber ich bleibe dabei:die Seele ist eS, die da spielt, und die seltenen Augenblicke, die sieunS von der Bühne herunter schenkt, sind nach meiner Ueberzeugungüberhaupt das Einzige, um dessentwillen man dem Theater eineZukunft wünschen kann. Und einmal wird e« auch eine höhere Artder Bühne geben, in der die Seele herrschen wird und—' derGeist."Der„Bandifte". Nicht weit von der altehrwürdigen Notredamo-Kathedrale, fast im Herzen von Paris, existiert noch einViertel, das sich aus winkligen, engen Gassen mit Jahrhundertealten Häusern zusammensetzt. Wer sich, zumal an einem Wmter-abend, in diese Gegend verirrt, glauibt sich in das mittelalterlicheParis zurückversetzt. In einer dieser Gassen, der Rue de Bicvre,lebt, hungert, vegetiert eine der seltsamsten Typen, welche dieuntersten Sprossen der sozialen Stufenleiter bilden— der„dan-diste". Das alte wurmstichige Haus Nr. 11, mit dem total ver-witterten Dach und der abbröckelnden, grauen Fassade ist seineZuflucht, sein schützendes Asyl, sein Fveudenort trotz Fron undElend der dunklen Tage. Im Quartier wird Nr. 11. über dessenHaustür ein Schild prangt:„Gemüse O kr 10". kurz:»Da Bibine"genannt.� jgftinj- verkehren die armen Teufel, die in dengroßen Sck>relbstuben die Streifbänder(bände) und Firmcnkuvertsmit Adressen versehen. Bei dieser Arbeit verdient der Bandiste(so ist sein offizieller Name) pro Tag 1,25—1.80 Frank, voraus-gesetzt, daß er tausend Adressen fertig bringt. Nur sehr wenigengelingt das, und wer diese Rekordziffer gar regelmäßig erreicht.wird für ein Weltwunder angesehen. Sein Mittagessen, das ausBrot und Wurstabföllen. für je zwei Sous, besteht, verzehrt derBandiste auf der Arbeitsstelle. Des Abends begibt man sich all-gemein zum Stammlokal, zur Bibine. Charakteristisch für das..Etablissement" ist, daß man sehr wenig Wein oder Branntweindort trinkt.E» kommt mitunter vor. datz der Bandiste. der über besondersflinke Finger und gute Augen(beides ist nötig zu seinem„Beruf")verfügt, eine Woche lang Rekordarbeit leistet; dann gestattet ersich eine Sonntagsmahlzeit in irgendeiner Arbeiterherberge. Dortkostet jede Platte 20 Centimes, also das Doppelte der gewohntenAusgabe. Zahlreicher als die Sonntage mit solchen bescheidenenExtravaganzen sind die Tage, wo der Bandiste nur einmal, nämlichabends, speist oder wo er Hunger leidet. Im Sommer gibt es fastniemals Arbeit.Während des Winters wohnt der Bandiste in den ältesten,schmutzigsten Vierteln von Paris, im Quartier des Halles oder imQuartier Maubert. Eins der besdicidensten„Hotels", in der RueSaint-Victor ist ousschlietzlick) von Bandiften bewohnt. DerZimmerpreis beträgt 50 Centimes pro Nacht; oft nehmen sie diekleine Kammer zu zweien, um zu sparen. Diese äutzerste Oeko-nomie erstreckt sich auch auf die Kleidung. Der Bandiste ist nicht„reich" genug, um sie beim Althändler zu erstehen. Darum kaufter sie zu„konkurrenzlosen Spottpreisen" bei den Trödlern, dieSchlinge, die die preutzische Kanaloppofition ihr um den Hol» gelegthatte, herauszukommen. Dann kam aber eine Entscheidung,die zwang die preußische Regierung doch auf die Knie.ES war daS ein Gutachten des Reichsjustiz-amtS, daS auf Veranlassung einzelner Bundesstaatenüber die Auslegung des Artikels 54 vom Reichskanzler eingeholtwurde und das den Auslegungsversuchen Preußens ein für allemalden Riegel vorschob. Der Inhalt dieses Gutachtens ist offiziell nichtbekannt gemacht worden, aber es hieß im.Dresdner Journal"darüber:.Alle Winkelzüge nützen nichts, eS wird immer offen-kundiger, daß die sämtlichen preußischen Minister unter ein Gesetzihre Namen gesetzt haben, welches mit der Rcichsverfassung in Wider-spruch steht.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.)...Davon konnte sich die preußische Regierung auch überzeugen au» demGutachten, welches der frühere Reichskanzler Fürst Bülowvor wenigen Jahren vom Reichsjustizamt eingefordert hat.In diesem Gutachten ist einwandfrei die Auffasiuna aus-gesprochen, daß daS am 1. April 1S05 veröffentlichtepreußische Gesetz, welches in seinem Z IS die Einführungder SchiffahrtSabgaben vorsieht, mit Artikel 54 der Reichsverfassungnicht vereinbar ist.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)reilich ist die? Gutachten des ReichSjustizamtS von der preußischenRegierung streng geheim gehalten worden."(Hört! hört!bei den Sozialdemokraten.) So schreibt kein sozialdemottattscheSBlatt, sondern da» sächsische Regierungsorgan.Aucki in der Kommission ist jeder Versuch, dies Gutachten deSReichSjustizamtS vorgelegt zu erhalten, von der preußischen Regiemngmit den Zeichen äußersten Schreckens zurückgewiesen wordenmit der Behauptung, daS sei eine diskrete Angelegenheit innerhalbdes Bundesrats, dies Aktenstück könne auch nicht diskret mit-geteilt werden.(Hörtl hört! bei den Sozialdemokraten.) Da? istdie beste Bestätigung dafür, datz das Gutachten wirklich den Inhalt hat,wie er in dem Dresdener Blatt mitgeteilt ist. Nachdem nun dies Gut-achten erschienen war, entschloß man sich endlich den Weg zu gehen, den dieVersassung vorschreibt und die anderen Regierungen für eine Ver-fassungsänderung zu gewinnen. DaS war nun keine leichte Sache,aber' was bringt die preutzische Regiemng nicht fertig, wenn eS ihrdarauf ankommt, andere Bundesregierungen mürbe zu machen.Einige gewannst« durch Zuckerbrot, bei anderendrohte sie mit derPeitsche. Bayern gewann fie durchdie Mainkanalisation. Württemberg durch daS Ver-sprechen eines großen Zuschusses zu der geplanten Neckar-kanalisation. Der Speck roch so gut, datz die württembergischeRegiemng und ein Teil der württembergischen Vertreter auch in diesemHause in die Falle hineingingen. Weniger Glück hatte Preußenmit Baden, Hessen und Sachsen. Auch da wurdenmancherlei Versprechungen gemacht, aber diese Bundesstaaten hattendoch das Gefühl, datz durch die Beseitigung der Abgabenfreiheitdie Interessen ihrer Länder allzuschwcr geschädigt würden, als daßes die Regierungen hätten wagen können, nachzugeben. Baden,Hessen und Sachsen blieben also aufrecht auch gegenüber derDrohung, die von Preutzen kam(Hörtl hört! bei den Sozialdemo-kraten), und die darauf hinauslief, die preutzische Regierungwürde nichts mehr aufwenden für die In st and-Haltung und Verbesserung der unteren Strom»äufe.(Hörtl hört! bei den Sozialdemokraten.)Der Minister v. Breitenbach erklärte am 18. April 1S07 impreußischen Abgeordnetenhaus:.Diese Sistierung der Bauten, die aufVerbesserung der Schiffahrtsstraßen abzielt, halte ich von meinemStandpunkt aus für ein erlaubtes und durchaus konse-quenteS Mittel, um dies Ziel zu erreichen."(Hört I hört l beiden Sozialdemokraten.) DaS war die Drohung mit der Peitsche. daSwar die bundeSfreundliche Meth ode, um den Widerstand der opponierendenBundesstaaten zu brechen. Trotzdem hat man es gewagt, nachhervom RegierungStisch darauf hinzuweilen, daß im Bundesrat dieVorlage einstimmig angenommen worden sei.(Hörtl hört! bei denSozialdemolraten.) Man hat diese Haltung deS Bundesrats alseine nationale Tat hier hinstellen wollen. Dabei hat wohlselten eine Vorlage solche Kämpfe im Schöße deS Bundesrats zurFolge gehabt wie diese, wohl selten hat man sich in einer Rechebon Bundesstaaten so verzweifelt gegen Preußen gewehrt. Habendoch schließlich Baden und Sachsendie Flucht in die Oeffentlichkeitantreten müssen, indem sie gemeinsam ein Memorandum im.Dresdner Journal" und in der.Karlsruher Zeitung" veröffent-speziell für die Klienten der Bibine in dieser Schenke ihre Warenseilbieten. So ersteht er einen Hut für 15 Centimes, einen Paletotoder ein Beinkleid für höchstens 50 Centimes. Ist der Preis einesHeindes für den Moment unerschwinglich, so begnügt sich der Ban-diste mit einem großen Papierkragen, den er unter der Weste fest-näht. Von den Strümpfen lohnt es sich nicht zu sprechen, dennmeistens trägt er keine.Der„Beruf" des Bandiste» bildet die letzte Zufluchtsstättealler Deklassierten und der vielen anderen Unglücklichen, die trotzmonatelanger, verzweifelter Anstrengung keine Stellung finden.Man trifft unter ihnen alle Berufskreise, alle Altersstufen; nebendem jungen Arbeiter und dem Bureaugehilfen den Steuer»kontrolleur und den Unterpräfekten, neben dem ewigen BruderStudio und dem genial verbummelten Künstler den ehemaligenNotar, Buchhalter, Unternehmer, Großhändler usw.-- Vielleicht wird eines Tages ein Maler kommen und ein-mal diese seltsamen Type» auf seine Leinwand bannen— wie sie,so verschiedenartig zusammengewürfelt aus allen Ländern, Klassenund Altersstufen doch den einen Zug auf ihren frühgefurchtenStirnen oder um die welken, gekniffenen Lippen tragen: den Zugdes Elends, wie wir ihn in den dunklen Winkeln unserer Weltstädteals charakteristische Grimasse des Lebens wiederfinden,Notizen.— Kunstabend. Am Donnerstagabend 8 Uhr veranstaltetder Verein zur Förderung der Kunst den 3, Volkskunstabend im Fest-saale des Charlottenburger Ralhauses, Berliner Str. 72. HermannK i e n z l wird nach einem kurzen Vortrage über R o s e g g e r ausdessen Werken rezitieren.— Kunstchronik. In Wilmersdorf wurde am Mitt-woch in der neubegründeten Kunsthalle die erste Ausstellungeröffnet.»-Das große musikalische Ereignis: die Auf»führung von StraußenS.Rosenkavalier" ist am Diens-lag in Berlin vor sich gegangen. Zu kolossal erhöhten Preisen undunter sonstigen Erschwerungen. Mit Recht hat man sich in derProvinzpresse(die Berliner Presse kuscht durch die Bank vor derGencralintendanz) darüber lustig gemacht, daß die Kgl. Oper zehnMonate nach Dresden und verschiedene Monate nach einer Reihe vonProvinzstädten mit dieser.Neuigkeil" daherkommt und dieselben Ein-triitSpceise verlangt, die die Hochkonjunktur der Dresdener Premiereerpreßle. Trotzdem: eS war eine Sensation(sagt der f... euillc-tonistische Detekliv des„Lokal-Anz." und zählt ein halbes Dutzendvon Namen auf. die außerhalb ihres Stammtisches niemand kennt).Das in Text und in der Musik wesentlich dekadente Werk ist vonuns bei der Dresdener Uraufführung ausführlich gewürdigt worden.Die Berliner Aufführung zu besprechen war uns unmöglich, da dieIntendanz sich seit Jahr und Tag weigert, uns(für unser gutesGeld versteht sich) einen Platz zu reservieren. Durch welche(anti-chambrierenden!) Künste die übrige Berliner Presse in den ZirkuSHülsen gelangt, ist uns unbelaniit.— In, Bellealliance-Theater findet am Donnerstag,abends 8'/, Uhr. eine einmalige Aufführung der Serbischen Oper.Troubadour" statt. Die Besetzung der Hauptrollen besteht ausfrüheren Mitgliedern der Berliner Volksoper.