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it. 270. Z8.?llhrgllas. 1. Sfilnjt Ks Jotwils"{ittlintt Ssllislilatt. Freitag, 17. Nsvember 1911. k<eiä)stag. 207. Sitzung vom Donnerstag, den 15. November nachmittags 1 Uhr. 8m BundeSratStisch: Dr. Delbrück, v. Breitenbach. Die zweite Beratung des Gesetzentwurfes über den Ausbau deutscher Wasserstraßen und die Erhebung von Schiffahrtsabgabe» wird fortgesetzt. Abg. Dr. Heintze snatl.) erNärt sich namens eines Teiles seiner Freunde gegen d a s G e s e y. Nachher ganzen Entstehung des Gesetzes wird in weiten Kreisen der Bevölkerung die Ueberzeugung nicht zu beseitigen sein, daß es sich hier um einen agrarischen Bor- stoß handelt. Gerade mit dem freien Verkehr auf den Strömen hat sich das Wirtschaftsleben so mächtig entwickelt. Der Ausbau der Wasserstraßen ist gewiß nötig, aber er kann wie bisher auf allgemeine Staatskosten erfolgen. Die Schiffahrtsabgaben müssen wirken wie indirekte Steuern, sie werden also»ine Bcrteucrunz der Massengüter herbeiführen. Trägt sie der Konsument, so ist eine solche Verteuerung, die nicht notwendig ist, abzuweisen. Trägt die Abgaben, wie andere meinen, der Produzent, so werden bestimmte Produktionszweige eingehen. Wahrscheinlich wird aber die Abgaben der Schiffer tragen; infolgedessen werden manche Transportbetriebe zugrunde gehen und im Endresultat kommt doch wieder eine Verteuerung der Frachten heraus, die den Massenkonsum belastet. Wir haben aber allen Anlaß, nachdem wir so lange und entschieden den Produzentenstandpunkt wahrgenommen haben, auch endlich einmal dem Konsumenten st andpunkt Rechnung zu tragen.(Sehr richtig I links.) AlS ein Hauptergebnis des Gesetzes wird die Ver« tiesung der Elbe hingestellt. Eine solche ist aber wirtschaftlich un« nötig und technisch unmöglich, oder doch nur auf Kosten der Breite. Wir brauchen aber nicht eine Verengerung, sondern eine Ver- breiterung der Elbe . Es sind Gerückte im Umlauf, daß wegen des außerordentlich ungünstigen Wasserstandes der Elbe in diesem Jahre die Meinung der Sachsen sich über die Notwendigkeit der Vertiefung der Elbe geändert haben. Das ist nicht der Fall; niemand in Sachsen , weder in Industrie noch Landwirtschast, hat ein Interesse an der Vertiefung der Elbe , die man uns als Geschenk für unsere Zustimmung zu den Schiffahrtsabgaben anbietet. Man bewahre uns vor den Schiffahrtsabgaben, und man bewahre uns vor dem Geschenk der Vertiefung der Elbe.(Bravo l bei den sächsischen Nationalliberalen.) Abg. Günther(Vp.): Unleugbar hat die Kommisston an dem Entwurf einige Verbefferungen angebracht. Aber annehmbar ist er dadurch doch nicht geworden. Es ist bedauerlich, daß das Material, welckeS der Kommission vorlag, vor allem die Denk- schriflen der einzelstaatlichen Regierungen, nicht veröffentlicht ist. Die Sachverständigen hätten sich dann noch ganz anders mit dem Entwurf befassen und an.ihm Kritik üben können. An der grundsätzlichen Stellung der Gegner des Entwurfs hat sich nichts geändert. Herr v. G a m p meinte auch gestern wieder, die Schiffahrtsabgaben verstoßen nicht gegen Artikel S4 der Reichsverfassung. Diese Auffassung ist grundfalsch. (Lebhafte Zustimmung.) Abg. Zehnter meinte, die Kommission habe dem Entwurf jeden fiskaliichen Charakter genommen. Auch das ist eine durchaus irrige Auffassung. Der Elbstrom ist als Haupt- wasserzufuhrstratze für das Königreich Sachsen von ganz hervor- ..-.ragender Bedeutung für die sächsische Bevölkerung. Auf diesem Strom hat fich auch die Klcinschiffahrt außerordentlich entwickelt, und dieser Kleinschiffohrt wird durch den Gesetzentwurf e i n sehr empfindlicher Schlag versetzt. Die Einführung der Abgabenfreibeit auf den preußischen Strömen war seinerzeit ein Triumph einer großzügigen weitausschauenden Verkehrspolitik, und es ist ganz falsch, daß der preußische Minister gestern von der Abgabensreiheit als einem überlebten System sprach, das au« unserem Wirtschaftsleben eliminiert werden müsse. Man darf die Vorlage auch keineswegs als reine Meliorationsvorlage hinstellen, wie es hier geschehen ist; die notwendigen Meliorationen müssen auch ohne die Bcfahrungsabgaben im all- gemeinen Kulturinteresse ausgesührt werden. l Sehr richstg l links.) Der Minister berief sich auf die öffentliche Meinung und meinte damit die Mehrheit des preußischen Ab« gcordnetenhauses. Diese Mehrheit vertritt aber nur die Minder- kleines feiiilleton. Karl Marx in Hyndmans Memoiren. Die Zeit einer sozialisti- schen Memoirenliteratur beginnt. Eine Generation steht am Ende ihres Schaffens. Und ihre Führer, die im jahrzehntelangen Kampf ergraut sind, halten einen Rückblick, aus dem die zweiten und dritten Generationen, die jetzt ins Vordertreffen rücken, vieles lernen lönnen: Sachliches und Menschliches. Was uns die Geschichte der sozialistischen Internationale und ihrer Kämpfe nie geben kann: den Einblick in das Leben des einzelnen Sozialisten und in die zahllosen kleinen, verborgenen Gänge, das kann uns eine ernste Memoirenliteratur verschaffen. Deshalb müssen wir August Bebel dankbar sein, daß er jetzt schon zwei Bände herausgegeben hat deshalb dürfen wir den Beschluß des Jnnsbruckcr Kongresses der österreichischen Genossen begrüßen, in dem Viktor Adler aufgefor- dert wird, seine Memoiren zu schreiben. Deshalb dürfen wir uns freuen, daß der englische Genoffe Hyndman soeben einen dicken Band herausgegeben hat, den erErinnerungen an ein Leben voller Abenteuer" betitelt. Hyndman erzählt, wie er in den 8l>er Jahren dieJustice"(Gerechtigkeit) gründete, die ihn im Laufe der Jahre sein ganzes Vermögen kostete. William Morris , Bernard Shaw , Hubert Bland und andere gehörten zu den Herausgebern. Wenn man jetzt liest, wie das neue sozialistische Blattins Publikum gebracht" wurde, dann versteht man vieles, was einem in der sozialistischen Bewegung Englands sonst ziemlich unverständlich bleibt... Eines schönen Mittags im Jahre 1884 wurdet! die zahl- losen Pasfanten desStrand" und der Hauptstraßen in der City plötzlich von wohlgcklcideten Herren und ebenso eleganten Damen angesprochen, die sie mit der liebenswürdigsten Aufdringlichkeit einluden, die erste Nummer eines Blattes zu kaufen, das sie unter dem Arm trugen. Die Zeitungsverkäufer waren die Redakteure selbst. Und der Hauptschreier war ein 4(3jähriger Advokat: Henrv Hyndman, der sich unter dem direkten Einfluß von� Karl Marx entschlossen hatte, seine Zeit und sein Geldder Sache" zu widmen. Er hatte schon ganz Europa gesehen, kannte viele derführenden Persönlichkeiten" und durfte sich rühmen, unter Garibaldi gekämpft zu haben. Den größten und tiefsten Eindruck von allen Personen, die Hyndman begegneten, machte jedoch Karl Marx auf ihn. In einem sehr langen Kapitel gibt er ein ausgezeichnetes Bild von Marx : Als ich Marx zum erstenmal sah. hatte ich den Eindruck eines mächtigen, unbezähmbaren älteren Mannes, der immer bereit ist, in den Kampf zu treten und selbst stets einen Angriff erwartet... Während er mir mit einer leidenschaftlichen Empörung von der Politik unsererliberalen" Partei sprach, namentlich in bezug auf Irland , leuchteten die kleinen, tiefliegenden Augen des alten Kämpfers; seine schwere Stirn legte sich in Falten, die breite Nase bebte vor Erregung und über seine schmalen Lippen strömte ein Eturzbach glühender Anklagen, die zu gleicher Zeit das herrliche Feuer seines Temperaments bezeugten und die außerordentliche Leichtigkeit, mit der er unsere Sprache beherrschte. Es kann nichts Seltsameres geben als den Gegensatz zwischen seinen Manieren heitde? preußischen Volkes und keineswegs die öffentliche Meinung.(Sehr wahr l links.) Abg. Winklcr(k.): Die beiden Vorredner lassen sich augenschein- lich bei ihrer Gegnerschaft gegen das Gesetz von sächsischem Partikularis- mus leiten. In wohltuendem Gegensatz dazu stand die großzügige Art, wie gestern der württembergische Minister v. Pischel für die Vorlage eintrat. Redner tritt für Annahme des Antrages Zehnter auf Streichung des von der Kommission eingefügten Artikel lila ein, welcher festsetzen will, daß unter künstlichen Wasserstraßen im Sinne dieses Gesetzes nur Kanäle im eigentlichen Sinn, nicht auch kanalisierte Flüsse usw. zu verstehen sind. Ferner wendet sich Redner gegen die Angriffe des Abg. G o t h ein auf den Ministerial- direklor PeterS. Dieser fleißige, tüchtige, unverdrossene, königs- treue, ausgezeichnete Beamte steht turmhoch über solchen Angriffen. (Bravo I rechts.) Ministerialdirektor PeterS(Große Heiterkeit, fast ganz unver- ständlich) polemisiert gegen die Ausführungen der sächsischen Abgg. Günther und H e i n z e und stellt die verteuernde Wirkung der Schiffsabgaben in Abrede. Bayerischer Ministerialrat Ritter v. Graßmann(ebenfalls schwer verständlich) tritt für die Vorlage ein, bestreitet, daß von einem schwächlichen Nachgeben Bayerns geredet werden könne und bezeichnet das Gesetz als eine bedeutsame Förderung der Fluß- schiffahrt, an der das von allen deutschen Staaten am weitesten vom Meere entfernte Bayern nicht zum wenigsten interessiert sei. Abg. Stolle(Soz.): Wir erblicken in den Schiffahnsabgaben eine schwere Ge fährdung von Handel und Verkehr, ein großer Teil der Binnenschiffahrt wird dadurch dem Ruin entgegen- g e f ü h r t werden.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) In der Zeit der Schiffahrtsabgabenfreiheit hat sich die Binnenschiffahrt, haben sich Handel und Verkehr so entwickelt, daß uns das Ausland darum beneidet. Insbesondere an den oberen und mittleren Läufen der Ströme hat sich unter den Segnungen der Abgabefreihcit der inländische Handel und die Industrie kolossal entwickelt. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß die preußische Regierung durch die Agrarier geradezu gezwungen worden ist, die Schiff- fahrtSabgabcn in die Kanalvorlage hineinzubringen. An dem Charakter des Entwurfs ist auch durch die Arbeit in der Kam- Mission nichts geändert worden. Daß die preußische Regierung nur der Marschroute folgt, die ihr die preußischen Junker vorschreiben, hat der Mini st er der öffentlichen Arbeiten selbst bewiesen, indem er erklärte, die preußische Regierung sei in der Folge außerstande, so lange nicht die Frage der Schiffahrtsabgaben geregelt sei, große Meliorationen vorzunehmen, sie würde sonst beim preußischen Landtage die größten Schwierigkeiten haben, wenn fie die Strombaulasten anfordern wollte. Also der preußische Minister erklärt einfach: ich darf und kann nicht weitere Strom- baukosten anfordern, der Landtag würde mir das nicht bewilligen. Wenn es sich um neue Kanonen oder Schiffe handelte, so würde der Minister nickt so sprechen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Eine Regierung, der solche Einnahmequellen zur Verfügung stehen wie die preußische, erklärt, daß sie das nicht leisten könne, was kleinere Staaten leisten. Im Gegensatz dazu wird in der sächsisch- badischen Denkschrift ausgeführt, daß. selbst, wenn über kurz oder lang die Notwendigkeit weiterer Kostenbewilligungen für Strom- Verbesserungen eintreten würde, nicht zu besorgen sei, daß die hierfür erforderlichen Mittel nicht aufzubringen seien. Die preußische Re- gierung aber stellt sich auf den Standpunkt: wir sind sozusagen bankrott, wir haben keinen Pfennig mehr für solche Zwecke. In der Tat ist es also so, daß daS preußische Jnnkerparlament entscheidet über dir Abgabenfreiheit auf de» deutschen Strömen. (Sehr wahr! bei den Soziald.) Im sächsischen Wassergesetz ist übrigens in den Paragraphen 93 und 94 ausdrücklich bestimmt, daß die Unter- Haltung des Elbstrombettes und seine Verbesserungen, die lediglich den Zweck haben, die Schiffahrt auf der Elbe zu erhalten und zu fördern, auf alleinige Kosten des Staates auszuführen seien. Wie denkt sich der Ministerialdirektor Dr. Peters, der sich hier so als Fachmann aufgespielt hat, die Vereinbarung dieser Bestimmung des sächsischen Gesetzes mit der Vorlage. Wenn sich die Regierung darauf beruft, baß die Vorlage im Bundesrat einstimmig angenommen sei. so vergißt man dabei ganz, daß der Widerstand der opponierenden Staaten nicht frei- willig aufgegeben worden ist, sondern nur unter dem Druck der preußischen Regierung. Wenn ich vor die Wahl gestellt werde, und seiner ganzen Sprechweise, wenn er vom Zorn aufgewühlt war und seinem Benehmen, wenn er seine theoretischen Ansichten auseinandersetzte. Ohne den Schatten einer Selbstüberwindung verwandelte sich der aufgeregte Prophet und Arckläger in einen ruhigen Philosophen, der sich überaus beherrschte, und als er die ersten Worte, die sein System betrafen, gesprochen hatte, wußte ich, daß viele Jahre vergehen würden, ehe ich aufhörte, ein Schüler zu sein angesichts eines solchen Meisters... Mit seiner mächtigen Stirn und der stark ausladenden Augenbrauenwölbung, mit seinen wildglänzenden Augen, seiner breiten Nase und dem beweglichen Mund, das alles umgeben von einem unentwirrbaren Durcheinander von Haar und Bart, schien mir dieser Mensch in seiner Person die heilige Begeisterung der Seher seiner Rasse mit dem kalten, analy- siercnden Genie eines Averroes oder eines Spinoza zu vereinigen." Afrikanische Majestäten. Das Kongoabkommen hat über große Gebietsstreckcn verfügt, ohne sich auch nur darum zu kümmern, daß in manchen dieser Länder Herrscher regieren, die in ihrem Kreise eine gewaltige Machtvollkommenheit haben. Solche exotischen Ma- jestäten behandelt die internationale Politik , als ob sie nicht existierten. Aber der kühne Forschungsreisende, der ganz allein ein afrikanisches Negerreich betritt, muß gar sehr mit diesen Königen rechnen. In einem Aufsatz von 5««am(out wird daran erinnert, wie geschickt Savorgnan de Brazza , dem Frankreich die eigentliche Eroberung seines Kongogebietcs verdankt, mit dem nichtigen Ma- lamine verhandelt hat, so daß der Fürst die Fremden freundlich aufnahm. Zu diesem Zwecke mußte Brazza allerdings mit ge- heucheltem Entzücken ein Gericht weißer Ameisen verspeisen und sich den wunderlichsten Zeremonien unterwerfen. Eine gewisse Popularität erlangte unter den Franzosen König Bchangin von Dahome mit seinem Amazonenheer. Er gewährte seinen wckißen Freunden ein ebenso einzigartiges wie grausames Schauspiel, indem er eine Reihe von Kriegerinnen durch Elefanten löten ließ, um die Kraft dieser Tiere recht anschaulich vorzuführen. Eine wunderliche Sphäre ist die Welt dieser exotischen Ma- jestäten, von der uns die Reisenden in Zentralafrika gar nicht genug zu erzählen wissen. In der prunkvollsten Weise wurde der Engländer Speke von König Mtesa, dem Herrscher eines bedeutenden Reiches am Viktoriasee, empfangen. Die Menge jubelte ihm zu und ein Hofbeamtcr trat auf Speke, um ihm mitzuteilen, er möge sich beeilen:Majestät hat heute noch nichts zu sich genommen. Der König will nicht essen, bevor er Sie nicht gesehen hat." Auf einem Heu- bündel vor dem Thron des Herrschers wird der Engländer placiert. Niemals, so versichert man ihm, habe bisher ein Sterbliccher so hoch über der Erde vor Mtesa gesessen. Als Geschenk erhält er vier Kühe und der Herrscher fügt hinzu:Sie sind Dein. Aber ich niöchte gern sehen, wie Du sie niit Deiner schönen Flinte tötest." Speke muß dem Wunsch Folge leisten, er bietet darauf dem schwarzen Monarchen das Gewehr zum Geschenk und Mtesa reicht es einem Läufer seiner Umgebung und befiehlt:Geh und versuche dieses Gewehr an einem Deines Stammes." Der Junge geht, tötet seinen Onkel und kehrt ruhig in die Versammlung zurück, wobei er mit Befriedigung erklärt:Sehr gutes Gelvehr." Niemand beachtet weiter diese alltägliche Geschichte, i ob mir der größte Teil meines Geldes genommen wird oder das ganze Geld, so gebe ich natürlich den größten Teil her.(Heiterkeit.) Wenn Minister v. P i s ch e k darauf hinwies, daß Preußen den süd- deutschen Staaten freundlich entgegengekommen sei, so lag das ein- fach daran, weil Preußen die Stimmen der Süddeutschen brauchte, und auf Württemberg trifft offenbar das Wort zu:Halb zog sie ihn, halb sank er hin."(Heiterkeit.) In einer Versammlung, die vor wenigen Monaten in Dreß den stattfand und mehrere Hundert Teilnehmer hatte, wurde auch ausgeführt, daß viele Schiffs- eigentümer der kleinen Schiffahrt durch Einführung der Schiffahrtsabgaben zur Einstellung ihres Betriebes gezwungen werden würden.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) An ekiier Vertiefung des Strombettes der Elbe haben diese kleinen Schiffer kein Jntereffe. Das Urteil dieser sachverständigen Kreise scheint mir denn doch wertvoller, als die Meinung des Herrn Ministerial- direktors Dr. Peters. Auch ein Prokurist der Hamburg -Amerila- Linie hat die schwere Gefährdung der Binnen- schiffahrt durch die Vorlage zugegeben. Die Vorlage wird einen Teil des deutschen ExpoikhandelS von H».m bürg nach Trieft scheuchen; Waren, die bisher elb- aufwärts nach Böhnien gingen, werden jetzt den Weg über Trieft nehmen. Das ist in der Kommission unwiderleglich dargelegt worden. Aber was hilft's? Es hilft so wenig, wie die Eingaben deS Zentralvereins für Binnenschiffahrt, des Bundes der Industriellen und zahlreicher anderer Körperschaften. Bedauerlicherweise haben sich auch wllrttembergische Abgeordnete der Linken für die Vorlage ge- Winnen lassen. Herr Haußmann sucht sein Gewissen zu beschwichtigen, indem er auf dieVerbesserungen" hinweist, die die Kommission vorgenommen hat. Aber erstens in man ja jetzt schon dabei im Plenum, diese Verbefferungen zu beseitig e n. Und zweitens sollten freiheitlich gesinnte Leute sich doch wirklich nicht durch partikulare Vorteile ihrer engeren Heimat bewegen lassen, eine reaktionäre Verschlechterung an der Rcichsverfassnng vorzunehmen. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Es scheint wirklich nicht, als ob die beteiligten auswärtigen Staaten sich mit der Stromzöllnerci einverstanden erklären werden. Wenigstens die Erklärungen der österreichischen Minister lassen nicht gerade auf Zuftimmung schließen. Der österreichische Ministerpräsident und der österreichische Handelsmini st er haben unzweideutig er- klärt, daß sie an der durch die Elbverträge international garantierten Abgabenfreiheit festhalten.(Lebhaftes Hört I hört I links.) Die deutsche Regierung sagt allerdings: Machen wir es wie bei den Handelsverträgen. Handelsverträge werden auch oft abgeschlossen, nachdem das Tarifgesetz gemacht ist. Also regeln wir zunächst einmal die Frage der Schiffahrtsabgaben im Jnlande und sehen wir dann zu, uns international zu ver- ständigen. Die weisen Männer, die so kalkulieren, vergessen nur die eine Kleinigkeit, daß die Handelsverträge ans Zeit abgeschlossen werden und von selb st erlöschen, wenn sie nach Ablauf der Zeit, für die sie abgeschlossen sind, nicht erneuert werden, während es sich bei den Rhein - und Elbverträgen um dauernde internationale Verträge handelt.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Jetzt soll nun gar die Vertiefung der Wasserrinne der Elbe als Kompensation" ausgegeben werden, die Sachsen für die schweren Schädigungen erhält, die ihm durch die Schiffahrtsabgabcn zugefügt wird. Sckon mehrere Vorredner haben ausgeführt, daß Sachsen von dieser Vertiefung keine Borteile, sondern nur Nachteile zu erwarten hat.(Sehr wahr I links.) Wie die Anlieger, wie die Interessenten und Sachverständigen über diese eigenartigeKom- pensation" denken, beweisen die Gutachten der Handels- kammern von Dresden und Magdeburg. (Hört! hört I links.) In Sachsen ist alles, Industrielle und Arbeite� in dieser Frage einig. Einstimmig verlangt Sachsen die Ablehnung dieser Borlage, die mit rauher Hand in die blühende Flußschiffahrt hineingreift, die zahlreiche andere mit ihr im Znsammenhang stehende Gewerbe be- droht und schädigt, die den Konsum der breiten Massen des Industrie- landes noch weiter belastet.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) Ein gewisser Bismarck sah in der Abgabenfreiheit der deutschen Ströme ein wichtiges Merkmal der deutschen Einheit. Musik. Raoul v. KocxalSki Hennen wir von seinen erfolgreichen Bemühungen her, an das Klavicrspiel Chopins anzuknüpfen. Nun gibt er wieder im Blüthnersaal eine Reihe von Konzerten; das dritte hörten wir am Mittwoch. Es galt jetzt hauptsächlich, ihn als Lieder- komponisten kennen zu lernen. Das musikalische Lied hat seit unseren Klassikern tatsächlich Fortschritte gemacht, auch wenn man sie nur in einer intimeren An- Passung der Musik an die Dichtung erkennen will, und auch wenn die Anpassung manchmal in kleinliche Ausmalung geht. Davon blei>bt Kocxalski fern; er scheut sich auch nicht, z. B. in einem Vers Der Liebe Lust ist still und mild" dasstill" hoch und stark zu nehmen. Und nun ist es interessant, wie er zu solchen Hervor- Hebungen gelangt. Sein Sang bewegt sich gern lang auf einem Ton oder auch in ganz kleinen Intervallen bis dann, häufig erst bei der Pointe des Älflusses, ein um so wirksamerer Sprung nach oben oder nach unten kommt. Beachtenswert ist auch seine Auswahl der Liedertexte. Es sind keine abgebrauchten, und er nimmt sie aus verschiedenen National- literaturcn, einschließlich der japanischen, aus der ein LiedDie vier Jahreszeiten" besonders gefiel. Daß sich der Komponist dabei gerne der Uebersetzungcn eines so speziellen Kenners und Könners bedient, wie es Otto Hauser ist, verdient noch eigens bemerkt zu werden. Die Klavierbegleitung ist zugleich reich und bescheiden. Wo sie üppige Ornamente bringt, dort sind sie keine bloße Schmuckspielerei. In solcher Weise sind ja auch Beethovensche Sonaten reich an spezifischen Klavierfiguren mit einem übers Ornament hinaus- gehenden Sinn. Und das machte mich der Vortrag von Beethovens sogenannter Waldsteinsonate durch Kocxalski deutlich. Wir kennen sein Klavicrspiel als eines, das nicht den Himmel stürmt. Aber was man klar und rein, echt und effektlos nennt, das ist ihm eigen. Er malträtiert das Klavier nicht, auch Ivenn immerhin sein Anschlag im Piano noch erfreulicher klingt, als im Forte. Er ist ein getreuer Juterpret im besten Sinne des Wortes, auch wenn man sich auf so solider Grundlage einen noch gcstaltungskräftigeren Aufbau denken möchte._ sz Notkzrn. Eine K l e i st f e i e r veranstaltet die Freie Stu- dentenschaft am 18. November um 3 Uhr im Deutschen Theater. Es wirken mit Paul Wegencr, Arthur Eloesser (Gedenk- rede), Karl Ebert , Friedrich Kayßler und Elisabeth Ohlhoff. Der Schleißheimer Vilderdieb stahl stellt sich. bei Lichte betrachtet, als weniger schlimm dar. als es zuerst den Anschein hatte. Die 22 Bilder sind nicht aus der großen Galerie in Schleißhcim, sondern aus dem kleinen Schlößchen Lustheim, das tief im großen Schleißheimer Park liegt, entwendet worden. Es ist zumeist nur Schulgut, was dort aufbo'.vahrt wird, und die Diebe haben nicht einmal das beste erwischt. Die Beauffichtigung dieser bayerischen Galerie scheint sehr patriarchalisch zu feint