Gewerhfchaftlicbes. Berlin und Umgegend. HuafpetTinig in der Berliner jMetalUnduftrie! Die gestrige außerordentliche Hauptversammlung des Berbandes Berliner Metallindnstrieller hat im Interesse der seit sechs Wochen vom Streik betroffenen Gießereibetriebe ein- stimmig beschlossen, wegen der vom Metallarbeiterverband veranlaßten Sympathiestreiks, sowie wegen Mangels an Guß am 30. November 1911 nach Schluß der Arbeitszeit KV Proz- ihrer Arbeiterschaft zu entlassen. Eine unsägliche Albernheit leistet sich die„Berliner Morgenpost " in ihrem gestrigen Feuilleton. Sie veröffentlicht dort eine„Novelle":„Die Scheidung." Daß diese Arbeit nicht gerade ein literarisches Musterprodukt ist, wollen wir hingehen lassen. In dieser Hinsicht hat sich die Redaktion selbst mit ihrem Lesepublikum abzufinden. Wenn sie glaubt, dieses mit dem Gebotenen geistig befriedigen zu können— uns geht das nichts an! Im Namen der organisierten, schwer um ihre Existenz und die selbstverständlichsten Menschenrechte ringenden Arbeiterschaft aber müssen wir dagegen protestieren, daß die Redaktion eines leider in Arbeiterkreisen weit verbreiteten Blattes einer für ihre Erzählung vergeblich nach einer glaubhaften Fabel suchenden„Dichterin" die Möglichkeit gibt, sich durch eine Beschimpfung des modernen Prole- tariats aus der durch unzulängliche literarische Versuche selbst be- leiteten Verlegenheit zu helfen. Die Verfasserin der Novelle schildert uns ein Ehepaar, das im vorgeschrittensten Alter nach langer Liebesehe plötzlich an„unüber- windlicher Abneigung" zu leiden beginnt. Wie nun die beiden komischen Alten versöhnen? Da müssen die„streikenden und angetrunken umherstrolchenden Fabrikarbeiter" helfen,„deren boshafte, tückische Zerstörungslust sich wahllos gegen jeden Wohlhabenden richtete." (Seite 3 des Feuilletons, 2. Spalte unten.) Sie zerstören dann auch den Hühnerhof der Gnädigen. Und wie! „DaS war nur noch ein wüstes Gewirr halbzertrümmerter Bretter und Latten, war eine stumme Mordstätte, auf der blutbefleckte Hühnerfedern büschelweise umherflatterten und in kleinen Blutlachen schwammen.— wo die abgeschnittenen und abgerissenen Köpfe von Dutzenden von Hühnern umhergestreut lagen, deren Leiber samt und sonders fehlten,— wo eine Anzahl kaum ausgeschlüpfter Küken aus roher Zerstörungslust erwürgt und dann zu Spott und Hohn in Reih und Glied vornean gelegt war, daß die gebrochenen Aeuglein gar schaurig den Her- zertreten war!"(Seite 4, 2. Spalte oben.) Aber auch das Rosenbeet ist der Zerstörungswut dieser Bande zum Opfer gefallen: ......— da war jetzt wie auf einem entsetzlichen Schlachtfeld alles verwüstet, getötet, vernichtet— von scharfen Messern zerschnitten, von rohen Fäusten zerknickt und zerbrochen, von schweren Stiefeln zerstampft und in den Boden ge- treten—"(Seite 4, 1. Spalte unten.) „— da waren sie über das Gitter geklettert, die wahn- sinnigen Zerstörer, um� von Branntwein und giftigem Neid erhitzt, einem harmlosen Mann seine harmlose F. r e u d e zu morden bis aufs letzte! Kein Stämmchen, �das nicht abgeknickt, kein Büschelchen, das nicht getreten war!"(Seite 4, 2. Spalte oben.) Eine Phantasie in der Tarstellung Streikender also, die an Blutrünstigkeit die eines L e b i u s übertrifft. Aber die„Dichterin", die so ganz nebenher auch noch eine alte Köchin des Ehepaares als habgierig und unwahrhaftig beschimpft, erreicht ihren Zweck. Die beiden Alten fallen sich in die Arme: „Gustav— Deine Rosen....!" „Minchen— Deine Hühner....!" Wir sind nun ganz gewiß nicht der Meinung, daß alle streiken- den Arbeiter Engel sind, die nie und nimmer sich verleiten lassen, Handlungen zu begehen, die sie bei ruhiger Ueberlegung bedauern. Freilich so herzlich albern, wie bei uns Terrorismusmärchen er- sonnen und in amtliche Denkschriften übernommen werden, geht es im wirklichen Leben nicht zu. Aber dieses wirkliche Leben bringt Konflikte des Menschen mit sich selbst und seiner Umgebung, mit dem Herkommen und dem Gesetz so furchtbarer Art, daß sie der Schilderung eines'wirklichen Dichters würdig wären. Wilhelm Tell legte den Pfeil auf die Armbrust, um seinen Bedränger, der der Bedränger seines Volkes war, niederzuschießen. Gerhard Haupt- mann schildert uns, wie die zur Verzweiflung getriebenen Weber in die Behausung ihres Ausbeuters eindringen. Wir können uns vorstellen, daß einmal ein Arbeiter in höchster seelischer Erregung seine Faust, ja eine Waffe gegen einen Bedränger oder gegen einen Verräter erhebt. Die gewerkschaftliche, die politische Schulung der Arbeiter sagt ihnen warnend: Tut's nicht!— Aber ein sinnloses Wüten gegen Eigentum von Unbeteiligten, ein wüstes Morden um des Mordens willen haben ihre schlimmsten Feinde den organisierten Arbeitern bisher nicht vorzuwerfen vermocht. Dazu mußte erst die „Berliner Morgenpost " herkommen! Wenn man nicht zur Entschuldigung annehmen will, daß ein auf seinem Bureau„angetrunken umherstrolchender" Redakteur das „boshafte, tückische" Machwerk in das Feuillewn der„Morgenpost" gegeben hat, dann bleibt nur die eine Erklärung, daß die Redaktion dieses Blattes den Bestrebungen der modernen Arbeiterschaft so weltenfern, so ohne jedes Verständnis gegenüber steht, daß sie un- fähig ist, sich in das Gefühlsleben derselben hineinzuversetzen. Das muß natürlich immer wieder zu Konflikten zwischen der Redaktions- führung und den Interessen jenes Teiles der Leserschaft führe», der dem Arbeiterstande angehört.-Für denkende Arbeiter sollte damit ihre Stellungnahme gegeben sein: ein solches Blatt gehört nicht in ihr Haus. Wem es aber Vergnügen macht, sich und seine Klassengenossen von dem Blatt besehimpfen zu lassen, zu dessen Unterhaltung er mit seinem Abonnementsgelde beiträgt, dem ist freilich nicht zu helfen. Der verdient die Kübel Kot, die dort über ihn ausgegossen werden!_ Zur Tarifbewegung in der Damenkonfektion. Wie wir erfahren, hat am Donnerstag eine gemeinsame Sitzung der vereinigten Kommissionen der Zwischenmeister und Arbeit- nehmer in der Damenkonfektion stattgefunden, um Stellung nehmen zu der ablehnenden Haltung der Konfektionäre gegenüber der Forderung auf tarifliche Regelung der Lohnverhältniffe. Die Sitzung kam einstimmig. zu dem Beschluß, an der Tarstforderung festzuhalten und von den Konfektionären die bestimmte Erklärung zu verlangen, ob sie über die Tarifvorlage verhandeln.wollen o d er nicht. Die Antwort auf diese Frage wird bis späte st ens Dienstag- mittag 12 Uhr erwartet. Verhalten die Konfektionäre sich ab- lehnend wie bisher, so find die ganzen Verhandlungen als gescheitert anzusehen, denn mit irgendwelchen anderen Zugeständnissen als die tarifliche Regelung wird man sich aus seilen der Zwischenmeister und Arbeitnehmer nicht zufrieden geben. Zum Mitnoochvormittag ist eine allgemeine Versammlung für die Damenkonfektion ein- berufen, die dann über die weiteren Schritte zu beschließen hat. Soweit lvir die Sachlage beurteilen können, wird, wenn eS zum Kampfe kommt, der Hauptangriff gegen das Unternehmertum darin bestehen, daß man die Anfertigung der Mustersachen ver- weigert Die Zahl der in dieser Weise Streikenden würde dann sehr gering sein.-desto größer aber wäre der Schaden der Unternehmer. Es ist jetzt die Zeit, wo die Vorarbeiten im Gange sind, die Reisenden auf die Tour zu schicken, um Geschäfte abzuschließen, und die Konfektionäre, die ihre Muster nicht fertig gestellt erhalten, Verantw. Redakt.: Richard Barth , Berlin . Inseratenteil verantw.: haben damit zu rechnen, daß ihnen für die kommende Saison das ganze Geschäft verdorben wird._ Zur Zigarrenarbeiterbewegung in Groß-Berlia. Mit welchen Mitteln man in gewissen Kreisen sich einer klaren Stellungnahme zur Zigarrenarbenerbewegung entzieht, sowie den Aushang der grünen Beioilligungsplakate zu vermeiden sacht, zeigt der Unistand, daß hier und dort die Liste der Tarisfirmen gewisser- maßen als Ersatz des grünen Plakats vorgewiesen wird. Dergleichen Manöver sind lediglich auf Täuschung berechnet, der Versuch zu solcher muß aufs strengste zurückgewiesen werden. Nur die grünen Plakate, die mit Alwin Schulze unterzeichnet sind, haben Geltung. Es sei dies nochmals aufs nachdrucklichste hiermit betont. Arbeiter, Raucher! Beachtet die Veröffentlichungen im „Vorwärts". Fragt nach den grünen Plakaten! Der Vertrauensmann der Tabakarbeiter. Eine Versammlung für taubstumme Schuhmacher, Zwicker usw. findet am Sonntag, den lg. November, nachmittags 2 Uhr, bei Boeker, Weberstr. 17, statt. Die� Kollegen und Parteigenoffen werden gebeten, die taubstummen Schuhmacher auf diese Versamm- lung aufmerksam zu machen. Zentralverband der Schuhmacher. Achtung, Friseurgehilfen! Für Verbandsmitglieder gesperrt: In Rixdorf: Sauerwald, Bürknerstr. 1, Rausch, Walterstr. 30. Lichtenberg : Fuchs, Kreutzigerstr. 17. Charlottenburg : König. Helm- holtzstr. 28.' Verband der Friseurgehilsen. Deutsches Reich . „Positive Arbeit" der Christen. Die christlichen Organisationen spielen sich bei allen Gelegenheiten mit Vorliebe als diejenigen auf, die für die Arbeiter positive Arbeit leisten, und sie behaupten, daß im Gegensatz dazu die freien Gswerkschaften nur Hetzen, um„Sozialdemokraten zu züchten". Wie solche positive Christemätigkeit beschaffen ist, dafür hier einen neuen Beleg. Der christliche Gärtnerverband hat jetzt seine Stellenvermittelung „ausgebaut"; er erläßt nämlich in gärtnerischen Fachblättern und in Tageszeitungen Inserate mit fingiertenStellenangeboten und chiffrierl diese, damit die Bewerber zunächst nicht wissen, daß sie sich mit ihrer Bewerbung an den christlicken Verband wenden. Auf der anderen Seite erbettelt er von Gärtnergehilfen, die durch Inserat Stellung suchen, diejenigen Angebole, die diese Gärtnergehilfen ab- gelehnt haben. Auch gibt der christliche Verband Chiffre-Jnserate auf, in denen Gehilfen ihre Arbeitskraft anbieten. Die auf diesen Wegen nun erreichten Angebote offener Stellen werden„vermittelt". Die durch die erstgenannten Inserate angelockten stellensuchenden Gehilfen erhalten zunächst eine Mitteilung, in der sie„aufgeklärt" werden, wie segensreich der Verband für die Gehilfen wirke, und in der gesagt wird, daß die Mitglieder selbstverständlich ein Vorzugs- recht genießen. Eine der erlangten„Stellen", die wahrschein- lich verschiedenen Bewerbern mitgeteilt wird, und auf deren Qualität es nicht weiter ankommt, erhält auch der Bedachte gleich„zugewiesen", dazu aber auch die dringliche Einladung. Mit- glied des christlichen Verbandes zu werden.- Der„christliche" Charakter wird aber schämig verschwiegen; manchmal wird auch statt Verband Verein geschrieben, weil der Verband bei den Gärtner- gehilfen schon allzu sehr in Mißkredit geraten ist. Verlangt wird Eintrittsgeld und für 3, 6, 12 Wochen Beiträge. Einer der Be- glückten wurde ersucht, sofort einzusenden: 50 Pf. Eintrittsgeld, 4,80 M. Beitrag, 10 Pf. Delegierten- und 10 Pf. Kartellbeitrag, zu- sammen 5,50 M. Und das. um an der zweifelhaften„Stellen- vermittelung" teilzuhaben, die nur in seltenen Fällen und dann ebenfalls nur solchen Erfolg haben kann, für den kaum jemand dank- bar sein kann. Die Arbeitslosigkeit im Gärtnereiberuf ist jetzt sehr groß, sie wird im Winter noch größer; daher werden viele Stellesuchenden leicht auf solchen Leim kriechen. Dem christlichen Gärtnerverbande aber ist eS ganz und gar nicht um die damit zu erreichenden Geld- mittel und den Mitgliederfang zu tun— beileibe nicht I Aus Vor- Haltungen und Zurechtweisungen durch den freigewerkschaftlichen Allgemeinen deutschen Gärmerverein macht der christliche Verband in höchster„sittlicher" Entrüstung und erklärt allen Ernstes, die Einrich- tung sei eine gut gewerkschaftliche und dazu geschaffen,„die Arbeits- losigkeit im Beruf zu mindern", man vollführe also damit eine wirklich positive Tätigkeit im Arbeiterinteresse. Eine waschecht christliche Logik oder vielmehr Entschuldigung I Man sucht lediglich das unfaire Gewerbe des Mitgliederfanges durch die Leichtgläubigkeit Arbeitsloser pharisäerhaft zu verhüllen und ihm nach außen hin sogar den Anschein einer achtungs- und lobenswerten Wohlfahrts- einrichtung zu geben.— Das ist aber keine positive Arbeit, sondern positiver Schwindel, der hart mit den Strafparagraphen des Stellenvermittelungsgesetzes kollidiert._ Kein Schadeneiffatz Degen Ausübung des Koalitionsrechtes. Hamburg , 17. November. (Privattelegramm des„Vorwärts". Ein für die gewerkschaftliche Bewegung wichtiger, über mehrere Jahre sich ausdehnender Prozeß, der des Schlächtermeisters Kotfch in Hamburg gegen den Vorsitzenden der Ortsgruppe Hamburg des FieischerverbandeS Max Fiedler und gegen die sozialdemokratische Buchdruckerei Auer u. Co. gelangte am Freitag in der Berufungs - instanz vor dem hanseatischen Oberlandesgericht zur Entscheidung. Kotsch weigerte sich seinerzeit, die Lohnforderungen seiner Gesellen zu erfüllen. Er strengte gegen Fiedler und gegen Auer u. Co.. die in der Presse die Interessen der Schlächtergesellen vertrat, eine Ent- schädigungSklage an und verlangte einen Schadenersatz von 5680 M. Das Landgericht gab der gegen den Schlächterverband gerichteten Klage dem Grunde nach statt und erließ auch eine auf Unterlassung des Annoncierens gerichtete einstweilige Verfügung. DaS hanseatische Oberlandesgericht hob gestern das Urteil auf, wies den Kläger mir seiner Klage und Anschlutzbernfung ab und ver- urteilte ihn, die sämtlichen Kosten des Rechts- streits zu tragen. In der Spitzenweberei„Balencienne" in Dresden haben Donnerstag die Arbeiter die Arbeit niedergelegt. Es handelt sich um 40 Mann. Zuzug ist fernzuhalten. Husland. Die Niederlage der Streikende» von Elba . Rom , den 12. November 1911.(Eig. Ber.) Der große Streik in den Eisenbergwerlen und Hochöfen von Elba hat am 8. d. M. mit einer Niederlage geendet. Nach 130 tägi- gern Ausstand, der alle ihre Ersparnisse ausgezehrt hat und geradezu namenlose Opfer gefordert, haben die Streikenden, deren Zahl 2000 überstieg, die Arbeit fast bedingungslos wieder aufgenommen. Es ist dies eine der traurigsten Niederlagen, die die italienische Arbeiterbewegung im letzten Jahrzehnt aufzuweisen hat. Die Ar- beiter haben sich tapfer, ja heldenmütig gehalten, und besondere Ehre gebührt den Bergleuten, die schon vor Monaten den Streik zu ihrem Vorteil beilegen konnten, dies aber nicht getan haben, um nicht die Lage der Hochöfenarbeiter zu verschlechtern. Dem Trust lag wohl daran, die Arbeit in den Bergwerken wieder aufzunehmen, aber er hatte alles Interesse an einem weitersn Stillstand der Hochöfen. Um ihre Kampfgenossen nicht wehrlos dem Unternehmer- tum preiszugeben, haben die Bergarbeiter im Streik ausgehalten, leider ohne anderen Erfolg als den, mit den Gefährten die Nieder- läge zu teilen. Einige 300 der Streikenden dürften gcmaßrcgelt werden. Nun diese große Bewgung zu Ende ist, mag eS nicht unange- bracht fem, ein Wort über ihre Inszenierung und Durchführung zu Th. Glocke, Berlin . Druck u. Verlag:VorwärtSBuchdr.u. LerlagSanstäls' sagen. Die Streikenden, die außerhalb der Konföderation der Ar- beit standen, haben sich von den Syndikalisten beraten lassen. Das ist gewiß kein Einwand; aber es fragt sich nur, ob sie gut beraten waren. Und da will es uns doch scheinen, daß der Streik zu einer Zeit ausgebrochen ist, wo ihn die Unternehmer dringend wünschten. Der italienische Eisentrust, der vor weniger als einem Jahr ge- gründet wurde, wünschte eine zeitweilige Einstellung der Pro- duktion und hatte Interesse an ilw, was ganz deutlich durch die Tatsache bewiesen ist, daß er während des Streiks zwei seiner Eisenwerke in Ligurien schließen ließ. Für die'Hochöfen auf Elba und in Piombino wollte der Trust neue Formen der Bearbeitung einführen und vor allem neue Maschinen, die einen Teil des Per- sonals entbehrlich machen sollten. Daher der Plan, einige 300 der ältesten Arbeiter zu entlassen. Der Streik hat nun dem Trust das Odium abgenommen, seine alten Arbeiter aufs Pflaster zu werfen: er stellt sie einfach nicht wieder ein. Vieles spricht dafür, daß die Unternehmer den Streik gewünscht haben und, vielleicht mit einziger Ausnahme der letzten Streikwochen, Vorteil aus ihm gezogen. Die Arbeiter sollten aus diesem tieftraurigen Fall lernen, daß zum Streik nicht eine gute Sache und Opfermut genügen, sondern daß auch eine Kenntnis der Konjunktur und der Absicht des Unter- nehmertums unerläßlich ist. Die Regierung hat sich natürlich in allem in den Dienst der Kapitalisten gestellt. Es scheint sogar, daß die Behörden ein Auge zugedrückt haben, als das berühmte Attentat gegen den General- direktor der Eisenwerke inszeniert wurde. Dieses war offenbar auf Stimmungsmache berechnet, war bestellte Arbeit und hat nur zu Verhaftungen geführt, die nicht aufrechterhalten werden konnten. Auch hat sich die Regierung ganz und gar parteiisch gezeigt, indem sie davon Abstand genommen hat, die Betriebskonzession der Gesell- schaft zu widerrufen, wozu sie nach dreimonatlicher Einstellung der Arbeiten in den staatlichen Bergwerken berechtigt war. Sie hat eben den Streik als höhere Gewalt gelten lassen! Die Behörden haben auch öffentliches Waffentragen der Streikbrecher und ähn- tiche Ungesetzlichkeiten ruhig geduldet. Was wunder, daß die Ar- beiter der doppelten Uebermacht der Regierung und der Kapitalisten erliegen mußten! Einer so kampftüchtigen und opferfähigen Schar wie die es ist, die nach als viermonatlichem Streik besiegt zur Arbeit zurückkehrt, wird es nicht an Gelegenheit fehlen,, die heutige Scharte auszuwetzen, Letzte Wachrichten. Die Landtagsftichwahlen in Heffe». Därmstadt, 17. November. Bei den heutigen Stich- wahlen in Gießen siegte U r st a d t(Fortschrittliche Volkspartei ) über den Nationalliberalen, in Vilbel der Sozialdemokrat Busold über den Nationalliberalen, in Darmstadt Henrich(Fortschrittliche Volkspartei ) über den Sozialdemokraten. Darmstadt , 17. November. (Privattelegramm des„Vor- wärts".) Bei den heutigen Stichwahlen sinh fünf Nationalliberale, drei Mitglieder des Banernbundes, zwei Mitglieder der Fortschrittlichen Volkspartei und zwei Sozial- demokraten gewählt worden. Vilbel , 17. November. (Privattelegramm des„Vor- wärts".) Bei der beutigen Landtagsstichwahl im Wahlkreis Vilbel erhielt Reichstagsabgeordneter Busold(Soz.) 2448 und der Bauernbündler Will 2212 Stimmen. Busold ist somit mit einer Majorität von 236 Stimmen gewählt. Mastnahmen gegen die Teuerung. Dresden , 17. November. (Pr. C.) In der S t a d t v e r o r d- netenversammlung wurde eine Ratsvorlage ange- nommen, nach der 3500 Mk. zur Vermehrung der kleinen Wohnungen in Dresden , 100 000 Mk. zur Linderung der Not dürftiger Fami- lien, 50 000 Mk. zur Speisung armer Schulkinder und 75 000 Mk. Teuerungszulagen für kinderreiche Beamte, die nicht mehr als 2500 Mk. jährliches Einkommen haben, bewilligt werden, Das Kongoabkommen. Paris , 17. November. (W. T. B.) Die Kammerkom- Mission für auswärtige Angelegenheiten beriet heute über das Kongoabkomme». Sie beschloß, um genauere Auskunft über Ar- tikel 1 zu bitten, um zu erfahren, welche Ortschaften französisch blieben, sowie über die auf die Schiffahrt und den freien Durchzug bezüglichen Artikel. Eine lange Debatte entspann sich über die Frage der Konzessionen. Die � Kommission schien der Ansicht zu fein, daß die Konzessionsgesellschaftten in derselben Lage seien wie ein Mieter, dessen Hauswirt gewechselt habe. In bezug auf das Vorkaufsrecht Frankreichs auf den belgischen Kongo verlangten Millerand. Andrienx und Ehailley Aufklärung darüber, was aus diesem Rechte werde. Die Kom- Mission gab ihre Ansicht kund, daß in dem von dem Deputierten Long zu erstattenden Kommissionsbericht die einmütige Auffassung der Kommission über die Achtung der Rechte Belgiens und Über die Notwendigkeit der Anrufung des Haager Schiedsgerichts zum Aus- druck kommen solle. Eine Interpellation über die Lustere Politik. Paris , 17. November. (W. T. B.) Der Deputierte EScu- d i e r hat eine Interpellation angekündigt über die Maß- nahmen, welche die Regierung zur Sicherung der Stetigkeit der äußeren Politik zu ergreifen gedenke. Er beabsichtigt bei diesem Anlaß die Errichtmig eines höheren Rats für auswärtige Angss- legenheiten zu beantragen. Nachklänge zur Libertökatastrophe. Paris , 17. November. (W. T. B.) General Mercier-Milon, der vom Kriegsminister mit der Untersuchung der beim Leichen- begängnis der Opfer der„Liberte" katastrophe ausgebrochenen Panik beauftragt war, hat vier Artilleristen und mehrere Jnfan- teristen mit 8- bis 10tägigem Arrest bestraft, weil sie während dieser Panik ihre Waffen im Stichs gelassen und hierdurch ihre Feigheit(!) qn den Tag gelegt hätten. Väterchen will neue Mordinstrumente. Petersburg, 17. Novemher. Der Finanzminister hat in der Reichsdnma eine Gesetzvorlage betr. Bereitstellung von 10 500 000 Rubel aus dem freien Barbestand zum Bau der Schwarzmeerflotte eingebracht. Ein drakonisches Urteil. RcimS, 17. November. Der Gefreite De Scham PS. der angeklagt war. ein Maschinengewehr gestöhlen und an Teutschland verkauft zu haben, wurde heute vom Schwurgericht zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Paul Singer i So,, Vcrlin S\V. Hierzu 1 Beilagen u.UnterhaltuugsPll
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