Abg. Dr. Zehnter(Z.) bezeichnet die Ausführungen deS Vor«redners als eine Wahlrede. Bei der Nachwahl in Konstanz sinddie Wähler in der fürchterlichsten Weise angelogen worden. iZurufelinks: Nur das Zentrum lügt nie! Stürmische Heiterkeit.) HerrSchmid, der sich in seinen Aufrufen als„wahren Volismann"bezeichnet, sollte beim nächsten Mal dafür sorgen, daß die Statistiknicht wieder so mißhandelt und daß das Boll nicht wieder indieser Weise angelogen wird. sLebhaste Zustimmung rechts und imZentrum. Zurufe links.)Abg. Dr. Naumann(Vp.): Wenn das Zentrum für die Ver-breitung objektiver statistischer Kenntnisse sorgen will, wird essich wirklich einmal Dank verdienen. sHeiterkeit und Sehr gut llinks.)— Es ist mehrfach aus die abweichende Stellunghingewiesen worden, die die württembergischenMitglieder unserer Partei in dieser Frage einnehmen. Mandarf aber nicht vergessen, daß es sich bei dieser Frage nicht sowohlum Meinungs- als vielmehr um Jntcreffcnfragen handelt. Ich ver-stehe durchaus den Standpunkt von Mainz und Mannheim;aber wir können auch verlangen, daß der Standpunkt der An-lieger des Neckars gewürdigt wird. Gewiß hätten wir dieVorteile, die die Borlage bringt, gern ohne die Schiffahrtsabgabengehabt; aber die Nachteile der Abgaben erscheinen uns nichtgroß genug, um darum die Vorteile abzulehnen.Die von Dr. Frank angeschnittene Entschädigungsfrage ist jetztnoch nicht spruchreif. Sie kann erst nach Bollendung derRegulierung geregelt werden und wird dann Sache der betreffendenEinzellandtage sein.Abg. Hlldenbrand sSoz):Herr Dr. Zehnter sollte seine Mahnung zur Wahrhaftigkeitan die eigene Partei richten. In dem Wahlkreise K o n st ä n zhat das Zentrum soviel gelogen, wie in allen anderen 396 Wahl-kreisen Deutschlands nicht gelogen worden ist.(Lebhafte Zustimmunglinks, Zuruf im Zentrum.)Die Rede des Abg. Naumann war verständlich vom Stand-Punkt eines Abgeordneten von Heilbronn. Wir unserer-seitS können in dieser Vorlage nicht genügende Garantien gegenPreußens Bundesfreundschaft �Heiterkeit) erblicken. Daß Preußen sichmit aller Macht dagegen wehrt, die Moselkanalisierung in das Gesetzaufzunehmen, bestärkt uns in unserem Mißtrauen.(Sehr wahr!links.) Wir lassen uns durch keine partikularen Borteile in unserergrundsätzlichen Ablehnung der Schiffahrts-abgaben wankend machen, was uns natürlich nicht hindert, ander Verbesserung der Borlage mitzuarbeiten und so viele Aeguivalentefür die Schiffahrtsabgaben herauszuschlagen, als möglich ist.Wir haben seinerzeit die Abgaben für die Weserkanalisierungbewilligt, aber das Opfer, das hier von uns verlangt wird,können wir nicht bringen. Zum allermindesten müssen wirfür Württemberg verlangen, daß die Kanalisierung des Neckarbis Eßlingen kein Phantom bleibt, sondern unter die Streckenaufgenommen wird, die gebaut werden müssen. Deshalb bitte ichSie, unserem Antrag zuzustimmen.(Bravo I bei den Sozialdemo-kraten.)Damit schließt die Debatte. Die Anträge A l b r e ch t(Soz.)betr. die Main-, Neckar- und Lahn- Kanalisierung werdenabgelehnt.Die Abstimmung über die Anträge Alb recht(Soz.) undB a s s e r nr a n n(natl.) auf Einfügung der Mosel- undSaar- Kanalisierung ist eine namentliche. Sie ergibt dieAblehnung der Anträge mit 183 gegen 106 Stimmen bei vierEnthaltungen.ß 7 handelt von den Stromveiräten.Abg. Sachse(Soz.)begründet einen Antrag, wonach nicht nur Handel, Industrie, Land-Wirtschaft, die Hafenstädte und die Organisationen der Schiffahrt-treibenden in den Strombeiräten vertreten sein sollen, sondern auchdas Gewerbe, und daß auch ferner die Strombeiräte bei denEntschließungen der Verwaltungsausschüsse nicht nur mit beratender,sondern in jedem Falle mit beschließender Stimme mitzu-wirken haben.— Unter Industrie wird im allgemeinen nur dieGroßindustrie verstanden, wir wollen aber, daß auch dasGewerbe»nd insbesondere auch die Arbeiter in denStrombeirätcn vertreten sind. In der Kommission ist dieFrage an die Regierung gerichtet worden, wie der Strom-beirat nach ihrer Absicht zusammengesetzt werden soll und eSist uns versprochen, daß bei der zweiten Lesung eine Uebersichtdarüber dem Plenum vorgelegt werden solle. Das ist bisheraber nicht geschehen. Große Arbeiterkategorien wie dieHafenarbeiter, Transportarbeiter, Bergarbeiterhaben ein lebhaftes Interesse daran, in den Strombeiräten vertretenzu sein, ebenso wie in den Landeseisenbahnräten. Es ist z. B. tiefzu beklagen, daß wir im Ruherevier stets im Bergbau über un«geheuren Wagenmangel zu klagen haben, wodurchFeierschichtennotwendig werden. Infolge dieses Wagenmangels konnten im Sep-tember und Oktober eine Million Tonnen Kohlen weniger gefördertwerden, was einen Produktisusverlust von 12 Millionen undeinen Lohuverlust von 5—6 Millionen bedeutet.(Hört I hört! beiden Sozialdcinokraten.) Wie sehr sich die Arbeiter für diese Dingeinteressieren, beweist, daß sich der Arbeiterausschuß einer Zeche miteinem P r o t e st gegen diesen Wagenmangel an den Eisenbahn-minister gewandt hat. Wir bitten Sie also, dafür zu sorgen, daßauch die Arbeiter Gelegenheit erhalten, in den Strombeirätenihre Interessen wahrzunehmen und daß den Strombeiräten einegrößere Macht gegeben wird.(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)Ministerialdirektor Peters wendet sich(im Zusammenhang aufder Tribüne unverständlich) gegen die sozialdemokratischen Anträge,er bestreitet, daß ein Versprechen abgegeben sei, die geplanteZusammensetzung der Strombeiräte dem Reichstage bekannt zu geben.Abg. Sachse(Soz.)hält seine gegenteilige Behauptung unter Hinweis auf den Kom-missionsbericht aufrecht. Hätte man das Arbeitskammergesetz zu-stände gebracht, so würde man Organisationen haben, aus denenman Arbeiter in die Strombeiräte nehmen könnte. Wie inWürttemberg in den Landeseisenbahnräten Arbeiter fitzen,sollten sie auch Zutritt zu den Strombeiräten haben.(Zustimmungbei den Sozialdemokraten.)Damit schließt die Debatte. Unter Ablehnung der sozial-demokratische» Anträge wird§? in der Fassung der Kommissiona n g e u o»> m e n.Hierauf vertagt sich das HauS auf Sonnabend 11 Uhr.(Kleiu-Aktien, Fortsetzung der Schiffahrtsabgaben. Hausarbeitsgesetz.)Schluß Ö'/i Uhr._parlamcntanfcbcö,Versicherungsgesetz für Angestellte.(Abendsitzung vom Donnerstag, den 16. November.)Der Kommission wurde eine Anzahl Anträge unterbreitet, dievon den bürgerlichen Parteien mit der Regierung vereinbart waren.Die Anträge zeigen, daß die Kritik unserer Parteigenossen nichtohne Erfolg gewesen ist, denn die Angestellten erhalten einengrößeren Einfluß auf die Verwaltung.Der 8 101 der Vorlage, der ein Direktorium der Reichsversiche-rungsanstalt aus Beamten zusammensetzen will, wird wie folgtgeändert:„Das Direktorium besteht aus einem Präsidenten undder erforderlichen Anzahl von beamteten Mitgliedern sowie aus jezwei Vertretern der versicherten Angestellten und ihrer Arbeitgeber."Im Absatz 2 wird hinzugefügt:„Bei der Beschlußfassungscheiden soviel nichtbeamtete Mitglieder aus, daß die beamtetenin der Mehrzahl sind. Bis zur Wahl der nichtbcnmteten Mit-glieder ist das Direktorium auch ohne diese beschlußfähig."Unsere Genossen beantragten, im Absatz 2 den nichtbeamtetenMitgliedern die Majorität zu sichern, Der Antrag wird gb»Selehnt.Die Geschäftsordnung für das Direktorium sollnach Anhören des Verwaltungsrates vom Reichskanzler erlassenwerden. Ueber die Anstellung der Beamten wird in H 102 folgendeAenderung vorgenommen:„Präsident und Mitglieder des Direk-toriums sowie die höheren etatsmäßigen Beamten werden auf denVorschlag des Bundesrats vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt. So-weit die Ernennung von Mitgliedern und höheren etatsmäßigenBeamten nach Bildung des Verwaltungsrats erfolgt, ist derselbevorher zu hören."Abg. P o t t h o f f beantragt, daß auch bei der Ernennung desPräsidenten und der Mitglieder des Direktoriums der Verwaltungs-rat gehört wird. Der Antrag wird abgelehnt, dafür stimmtdie Volkspartei und die Sozialdemokratie.Der Verwaltungsrat besteht aus dem Präsidenten desDirektoriums und je zwölf Beisitzern der Angestellten und derPrinzipale. Diese Einrichtung bleibt unverändert. Die nicht-beamteten Mitglieder des Direktoriums wählt der Verwaltungsratauf sechs Jahre. Ferner soll die Dienstordnung für die Beamtenvon dem Direktorium mit Zustimmung des VerwaltungsrateS er-lassen werden.Von unseren Parteigenossen wurde zu§ 108 beantragt, daß derVerwaltungsrat bei der Anlage des Vermögens und bei der Ver-Äußerung und Erwerbung von Grundstücken mitwirken soll. DerAntrag findet von keiner bürgerlichen Partei Unter-stützung. Die übrigen Paragraphen werden ohne erhebliche Aende-rungen angenommen. Damit ist die Arbeit der Kommission be-endet,_Huö der partcüKommunalwahlsiege.Bei den Stadtverordnetenwahlen in Spremberg(Lausitz)eroberten unsere Genossen drei neue Mandate, so daß jetztsechs sozialdemokratische Vertreter im Stadtparlament sitzen. DerStimmenzuwachs der Sozialdemokratie ist sehr beträchtlich.In Guben wurden die vier sozialdemokratischen Kandidatenmit 2067 bis 2085 Stimmen gewählt; die Bürgerlichen brachten eSnur auf 1835 bis 1891 Stimmen. Die sozialdemokratische Fraktionim Stadtparlament ist jetzt 7 Mann stark.Bei den am Mittwoch und Donnerstag in W a l d bei Solingenstattgefundenen Stadtverordnetenwahlen behauptetenunsere Genossen die vier zu verteidigenden Sitze der dritten Ab-teilung und gewannen noch ein Mandat der zweitenAbteilung. Von 24 Mandaten haben die Sozialdemokratennunmehr 10 in ihrem Besitz, nämlich 3 der dritten und 2 der zweitenAbteilung.In Remscheid eroberten unsere Genossen nach zweitägigemKampfe 3 weitere Mandate der dritten Abteilung. Auf die sozial-demokratischen Kandidaten entfielen je 4390 Stimmen, auf denbürgerlichen Kuddelmuddel fielen 2453 Stimmen. Damit wächstdie Zahl der Sozialdemokraten in der Stadtverordnetenversamm-lung von 7 auf 10, so daß die der dritten Klasse zustehenden Man-date sich nunmehr sämtlich in sozialdemokratischem Besitz befinden.In Brambauer bei Dortmund siegten unsere Genossenzum ersten Male über die vereinigten gegnerischen Parteien underoberten drei Mandate.In Lütgendortmund siegten unsere Genossen mit 478Stimmen über unsere vereinigten Gegner, die 365 Stimmen er-hielten.In Oberraden siegten unsere Genossen in der zweiten unddritten Abteilung.Weiter eroberten wir neue Mandate in Südkamen undOderberge.Bei der Stadtverordnetenwahl in Zeitz eroberten die Sozial-demokraten in der dritten Abteilung zu ihren sechs Sitzen nochvier hinzu, so daß sie jetzt die ganze dritte Abteilung inne haben.Das Stimmenverhältnis ist: 1763 gegen 861. Bei der Wahl vorvier Jahren gelang eS mit knapper Mehrheit� sozialdemokratischeVertreter durchzubringen.Friedensdemonstrationen in Finnlanv.Unser finnländischer Mitarbeiter schreibt unS:Auf Grund des Rundschreibens des Internationalen Sozialisti-schen Bureaus hat unsere Partei im ganzen Lande Protestversamm-lungen gegen den Krieg veranstaltet. Diese Versammlungen, dienicht nur in den Städten, sondern auch in fast allen Landorten, woArbeiterorganisationen vorhanden sind, stattfanden, waren sehrzahlreich besucht und weckten das lebhafteste Interesse der Bevölke-rung. In allen Protestversammlungen wurde eine gleichlautendeResolution angenommen, die die allgemeinen Ursachen der kolonialenExpansion der modernen Staaten und der jetzt heraufbeschworenenakuten Kriegsgefahr darlegt.In den Ortschaften, wo keine besonderen Protestversammlungengegen die Klassenjustizurteile des HofgerichteS zu Abo stattgefundenharten, wurden die Protestversammlungen gegen den Krieg auchzu einem wuchtigen Protest gegen die Klassenjustiz in Finnlandbenutzt._Die römische Parteisektion für die Parteidiszipliu.Rom, 14. November.(Eig. Ber.) Dieser Tage hat die römischeParteisektion den Rechenschaftsbericht der Delegierten zumParteitag von Modena entgegengenommen. E» gelangtedarauf eine Tagesordnung zur Annahme, rn der erklärt wird, daßdie Parteispaltnna nur durch den Bruch mit dem MinisterialismuSverhütet worden sei; weiter wird koustatiert, daß die Diskussionenvon Modeua die Entartung eines Teils der Sozialisten zum bürger-lichen Radikalismus dargetan haben und schließlich wird betont, daßdie Sektion entschlossen sei, jede Uebertretung der Parteidisziplinvon feiten ihrer Mitglieder durch sofortigen Ausschluß zu ahnden.Diese Resolution richtet sich vor allem gegen mögliche«Extratouren"der Genossen Bissolati, Bonomi und Podrecca, diesämtlich in Rom organisiert sind.Der Gemeindesozialismus von Milwankee im Bilde. Eine nach-ahmensiverte Methode der Anstlüruiig wenden unsere Genosse» inMilwautee an durch Veranstaltung einer Reihe von Vorträgen mitLichtbildern, in denen durch aktuelle Abbildungen, Karten undstatistische Darstellnngen die Leistungen der sozialdemolratischen Ge-meindeverwaltung dargestellt werden. Ueber 200 Bilder, darunterein Teil in Farben, werden die Vorträge erläutern.polfceUicbes, Gerichtliches ufw.Drei Privatklagen wegen Beleidigung durch die Presseführten den verantwortlichen Redakteur der„MülhauserB o l k s z e i t u n g", Genossen Gustav Hammer, am Dienstagvor das Schöffengericht in M ü l h a u s e n i. E. Die eine Sachewurde unter Anordnung der gerichtlichen Vorführung des Privat-klägers vertagt; die andere hatte wegen Anwendung des Ausdrucks„gekränkte Leberwurst" aus eine bürgerliche Genwindegröße inHüningen, die dieserhalb zum Kadi lief, die Verurteilung zu10 M. Geldstrafe zur Folge, und die dritte Sache endigte nachmehrstündiger Verhandlung wegen Beleidigung der Firma Marti-not u. Galland in Bitschweiler durch drei Artikel, in welchen dieFabrikzustände bei dieser Firina kritisiert waren, mit der Ver-urteilung des angeklagten Redakteurs zu 300 M. Geldstrafe(der Vertreter der Privatkläger hatte sogar einen Monat Gefängnisbeantragt). Die Beweiserhebung hatte sich hier auf die von dieserFirma erbauten Arbcitcrwohnungen erstreckt, die von einem gc-ladenen Sachverständigen als elende Baracken gekennzeichnet wur-den, während der von den Privatklägern geladene Fabrikinspektorderen Ehre glänzend rejjeie.Eine verpuffte Staatsaktion.Bei einem Streik der Holzarbeiter der Firma Blüthner inLeipzig(Pianofortefabrik) waren die organisierten TischlerB a r t h e l und T e u s ch e r stehengeblieben, hatten also Streik-bruch begangen. Da sie auch im Sozialdemokratischen Verein or-ganisiert waren, schloß sie der Leipziger Bezirksvorstand auf Antragder betreffenden Ortsvereine aus der Partei aus. Zu der Ver-Handlung— dem Ausschlutzverfahren— waren sie trotz der Auf-forderung nicht erschienen. Anstatt nun, wie es das Organisations-statut vorsieht, gegen das Urteil Berufung einzulegen, gingen sie— wahrscheinlich nicht aus eigenem Antriebe— zur---Staatsanwaltschaft und stellten gegen den Leipziger BezirksvorstandStrafantrag wegen gemeinschaftlich verübter— Beleidigung!—Schon einige Tage daraus— die Justiz kann unter Umständen sehrschnell arbeiten— erhielten die Genossen Lipinski, Nüchtern,Orbel, Seger und Parteisekretär Schrörs eine Vorladungvor den Oberamtsrichter Trietschler, der die„Missetäter" zuProtokoll vernahm. Dabei hatte es die Justiz so eilig gehabt, daßsie sich nicht einmal die Zeit genommen hatte, das den Akten bei-liegende Organisationsstatut zu lesen, und nun sehr verwundertwar, als ihr die Beschuldigten nachwiesen, daß sie nach dem Statutnur ihre Pflicht getan hätten. Jetzt erhielt nun der Bezirksvorstandein Schreiben der Beschlußkammer des Leipziger Landgerichts, wo-nach die Einleitung des Hauptverfahrens abge-lehnt werde und die entstandenen Kosten die Staatskasseübernehme. In dem Beschluß heißt es:„Durch ihren Eintritt in einen Ortsverein des Sozialdemokra-tischen Vereins für den 13. sächsischen Wahlkreis sind die Anzeige-erstatter B a r t h e l und T e u s ch e r Mitglieder der sozialdemo-kratischen Partei geworden. Damit haben sie sich zu den Grund-sähen des Parteiprogramms bekannt und sich dem Organisations-statut der sozialdemokratischen Partei Deutschlands und demStatut des Sozialdemokratischen Vereins für den 13. sächsischenReichstagswahlkreis unterworfen(zu vergl. Mitgliedsbuch BarthelsS. 13 fg., 23 fg. im Umschlage Bl. 2).Nach 8 23 Abs. 1 des Organisationsstatuts kann zur Parteinicht gehören, wer sich eineZ groben Verstoßes gegen die Grundsätzedes Parteiprogramms oder einer ehrlosen Handlung schuldig macht,und der Vorstand des Ortsvereins ist nach§ 6 Abs. 3 des Vereins-statut» verpflichtet, gegen Mitglieder, die gegen den§ 23 des Organi-sationsstatuts verstoßen, in einer Mitgliederversammlung das inden 8§ 23— 26 des Organisationsstatuts geordnete Ausschlußver-fahren zu beantragen..... Die Anzeigeerstatter waren bis zu ihrer Ausschließung Mit-glieder der erwähnten Sozialdemokratischen Vereine. Ob sie sichmit ihrem Beitritt hinsichtlich der Beurteilung ihres Verhaltensinnerhalb der Partei bedingungslos dem Ehrenkodex der sozial--demokratischen Partei unterwarfen, kann dahingestellt bleiben.Jedenfalls hielten aber die Angeschuldigten sich für berechtigt undverpflichtet, auf den an sie gerichteten Antrag darüber zu be-schließen, ob sich die Handlungsweise der Anzeigeerstatter als eineehrlose im Sinne der Partei darstellt. Die Angeschuldigtenkamen auch— das wird ihnen nicht zu widerlegen sein—, zumalim Hinblick auf das ablehnende Verhalten der Anzeigeerstatter, sichzu verteidigen, zu der Ueberzeugung, daß diese wegen ihrer Hand-lungSweise nicht mehr würdig seien, der sozialdemokratischen Parteianzugehören, weil in den Augen der Parteigenossen ihr Verhaltenals ehrlos angesehen werden müsse, und daß dementsprechend derAusschluß der Anzeigeerstatter aus dem angegebenen Grunde zuerfolgen habe(vergl. 8 6 des Statuts).Mehr aber, als daß sich nach ihrem Dafürhalten auf Grundder ihnen gegebenen Darstellung die Handlung der Anzeigeerstatterals eine eines Parteigenossen unwürdige erweise, haben die Ange-schuldigten nicht bekunden wollen, insbesondere nicht, daß auchaußerhalb der Partei Stehende derselben Meinung sein müßtenoder gar, daß die Anzeigeerstatter ehrlose Männer seien.Es wird daher den Angeschuldigten nicht nachzuweisen sein, daßsie mit dem Bewußtsein der Ehrenkränkung undihrer Rechtswidrigkeit handelten. Es wird vielmehrdavon auszugehen sein, daß sie ein— mindestens vermeintliches—Recht den Vereinsgenossen gegenüber wahrnehmen wollten.Da weder aus der Form der Aeußerung, noch aus den Um,ständen, unter welchen sie geschah, das Vorhandensein einer Be-leidigung hervorgeht, so ist die Aeußerung der Angeschuldigten nach8 193 des Strafgesetzbuchs nicht strafbar. Wollten die Anzeige-erstatter sich dem Urteil des Bezirksvorstandes entziehen, so mußtensie vorher aus dem Sozialdemokratischen Verein austrete»."Jugendbewegung.Die Polizei auf dem KricgSpfade.Die Polizei in Lichtenberg bei Berlin will im Kampfegegen die Arbeiterjugend unbedingt Lorbeeren erringen. In diesemSommer wurde eine ganze Zeitlang das Jugendheim von Gestaltender bekannten Art bewacht, die, um ihre Neugierde zu befriedigen,zum Gelächter der nicht geahnten Beobachter das Ohr von Zeit zuZeit an die offenen Fenster legten, um hier dann wenigstens etwaszu ergattern.>Nach nicht allzu langer Zeit bekam dann ein Jugendlicher eineVorladung nach dem Polizeirevier. Dort wurde er beschuldigt,abends, allerdings vor 10 Uhr, gesungen zu haben. Den größtenSpielraum nahmen die Fragen ein, was im Jugendheim geschehe.Ebenso wurden Angaben über die ausgelegten Bücher gewünscht,alles Fragen, die mit dem sogenannten„S t r a f d e l i k t" inkeinem Zusammenhange standen.Am Dienstag, den 7. d. M., war im Lokal von Pickenhageneine unpolitische Versammlung einberufen, in welcher Herr Hoernleüber:„Die Geschichte des Mittelalters" sprechen sollte. Lange vorBeginn der Versammlung hatten sich uniformierte Schutzleute aufdem Hof des Lokals, zwischen, unter und in Steinwagen ein-quartiert und erwarteten den„Feind". Die Jugend war aberschlauer und suchte sich ein anderes Lokal. Nur 6 Versammlungs-besucher blieben in dem ersten Lokal, um die verdutzten Gesichterder Beamten beim Betreten des leeren Saales anzusehen. Nachlangem Suchen entdeckte die Polizei endlich die Versammlung andem anderen Orte, aber hier hatte die Lichtenberger Polizei nichtszu sagen und mutzte unverrichteter Sache wieder abziehen.Acht Tage später fand wieder eine Versammlung statt, die sehrstark besucht war. Die Polizei hatte stundenlang mehrere Lokalebeobachtet und fand endlich das richtige. Aber zu spät. Denn alsdie Schutzleute den Saal betraten, war der Vortrag zu Ende unddie Jugendlichen klatschten Beifall. Die Beamten, diesmal warenes solche der Berliner Polizei, erklärten, dem Vortrage bei-wohnen zu wollen. Unter dem Gelächter der Jugendlichen mußtensie aber erfahren, daß die Versammlung schon zu Ende war. DieBeamten, die eine schriftliche Verfügung nicht vorlegen konnten, er-klärten, daß die KönigL Regierung den Vortrag verbiete. EineAufforderung, die schriftliche Verfügung vorzulegen, wurde mit denWorten abgetan:„Meine Uniform bürgt Ihnen doch dafür."Srbließlich wurden die Personalien von vier jungen Leuten fest-gestellt, wobei es nicht ohne wörtliche und tätliche Liebenswürdig-leiten abging.Wenn die Behörden meinen, mit solchen Mitteln junge Leutefür die staatliche Jugendpflege zu gewinnen, so irren sie sich ge-waltig. Derartige polizeiliche Drangsalierungen treiben die ar-bettende Jugend erst recht der proletarischen Jugendbewegung zu.Huö Industrie und Kandel.Ausfuhrprämie.Wie zu erwarten war, hat mit der Verbesserung der Schiffahrts-Verhältnisse die Ausfuhr von Getreide kräftig zugenommen. In derZeit vom 1. August bis 20. Oktober d. I. ist besonders die Ausfuhrvon Roggen stark gesteigert worden. Der außerordentlich großeAusfuhrüberschuß deS Borjahres wird nun wieder erreicht. DieMehrausfuhr von Roggen stellt sich für die angegebene kurze Zeitauf 143736 Tonnen Roggen und auf 74 824 Tonnen Roggen«