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Der Krieg. Tie erste Phase des Krieges. Genosse P a r v u S schreibt uns aus Konsiantinopel: Die erste Phase des Krieges ist zu Ende. Sie begann mit dem Einfall der italienischen Armee in Tripolis und die Cyrcnaika. Weiter kamen die Italiener nicht, und das bildet auch den Ab- schluß der ersten Phase des Krieges. Denn bis zum Ablauf der Regenzeit, also bis zum Frühling, lassen sich in jenen Gegenden keine grötzeren militärischen Aktionen mehr unternehmen. Das ist das Ergebnis des Widerstandes, den die Italiener gefunden haben. Es gehört der ganze Eigendünkel eines berussmätzigen Militärs dazu, um sich einzubilden, dieser Widerstand sei von der türkischen Armee geleistet worden. Er rührt nicht von gedrillten Soldaten- korps, sondern von den ungeschulten Massen der eingeborenen Be völkerung her. Dies aber ist nicht nur eine militärische, es ist eine wichtige politische Tatsache. Denn eine Armee läßt sich nötigenfalls abkommandieren, eine aufständische Bevölkerung aber nicht. Ich will damit sagen, daß die italienischen Imperialisten und die europäische Diplomatie einen Zustand geschaffen haben, aus dem sie selbst keinen Ausweg mehr wissen. Die Ereignisse nehmen ihren Lauf, und niemand mehr kann helfen. Am allerwenigsten die türkische Regierung. Selbst wenn diese sich noch so nachgiebig zeigen und nunmehr alle Forderungen Italiens annehmen würde so würde sie doch die arabischen Stämme nicht mehr zum Frieden zwingen können. Wie wenig die türkische Regierung dieser einge borenen Bevölkerung Meister ist, hat man ja soeben wieder in Jemen gesehen. Soviel werden doch wohl auch die italienischen Imperialisten nicht verlangen, als daj} ihnen die türkische Armee hilft, Tripolitanien und die Cyrenaika zu erobern. Italien hat einen langwierigen und kostspieligen Kolonialkrieg zu führen. Me Versuche der italienischen Imperialisten, durch eine Pression auf die türkische Regierung sich dieser vollendeten Tat- fache zu entziehen, beweisen nur die Verlegenheit, in die sie gc- raten sind. Me Operationen der italienischen Kriegsflotte, von denen jeden Tag aufs neue die Rede ist. die Okkupation von Inseln im Aegäischen Meere, die Blockade von Smyrna usw., sie würden den Widerstand, den die italienische Armee in Afrika findet, kaum beeinflussen, die muselmanische Bevölkerung Asiens und Nord- afrikas vielmehr nur noch in eine größere Aufregung versetzen Diese maritimen Aktionen Italiens würden den Friedcnsabschluß nicht beschleunigen, sie würden nur den Konflikt erweitern. Wenn diese Flottenaktionen irgendeinen Wert haben könnten, dann nur den. den italienisch-türkischen Krieg zu einem allgemein euro- päischen sich auswachsen zu lassen. Das ist die Gefahr, vor der die Völker Europas stehen. Ich will nicht die diplomatischen Verwickelungen erörtern, die auZ der Erweiterung der Kriegsoperationen entstehen können. Ich will nur noch die Stimmungen wiedergeben, wie sie als Folge des Krieges im Orient sich entwickelt haben. Man hat in diesen Tagen den Türken wegen ihres, im Unter schied zu den italienischen Imperialisten, zivilisierten Betragens viel Lob gespendet denselben Türken, die man schon oft der Grausamkeit und der Barbarei bezichtigte. Doch wie jede Tugend ist auch die diesmalige Sanftmut der Türken der Not entsprungen. In Wirklichkeit ist selbst die dünne Schicht der euro - Päisch Gebildeten von Rachegelüsten erfüllt, die sie nur mit größter Mühe zurückhält. Das ist meine Wahrnehmung von den ersten Tagen des Krieges an. Es ist aber schwer, den geistigen Zusammen- hang mit der europäischen Zivilisation aufrechtzuerhalten, wenn diese in der Gestalt von gezogenen Kanonen sich geltend macht Andererseits hat der Krieg den Zusammenhang dieser jungtürlischen Elemente mit den muselmanischen Massen aufgefrischt, und das gibt unter den gegenwärtigen Verhältnissen einen Zug nach rückwärts. Der gewaltigen Unzufriedenheit der muselmanischen Massen dient der Krieg als Ventil, und die Losung ist der Kampf gegen die Fremden. Hier in Konstantinopel ist unter der türkischen Bevölkerung größere Armut, als unter allen anderen. Was hat sich da nicht alles zusammengehäuft! Mangel an Verdienstgelegenheit; die Le- bcnsmittelteuerung. die hier noch furchtbarere Dimensionen an nimmt als in den Großstädten Europas ;, die Wohnungsnot; der große Brand und mehrere weniger große; die Cholera; der Krieg. Die Bevölkerung leidet und wird erbittert. Da sie aber nicht, wie in Europa , die Möglichkeit hat, ihrem Unwillen in der Presse, in den Organisationen, in Versammlungen Luft zu machen, und auch nicht aufgeklärt genug ist. um dies zu tun, so sammelt sich der In- grimm an, um desto furchtbarer zu werden, wenn es einmal zu einer Explosion kommt. Es droht die Gefahr einer Revolte, wenn der Krieg zu allgemeinen Verwickelungen führen sollte, und diese Revolte könnte leicht den Charakter einer Christenverfolgung annehmen. ES scheint, daß den italienischen Imperialisten eine solche Wen- dung der Dinge nicht unwillkommen wäre. Sie brauchen innere Unruhen in der Türkei . Und sie beweisen das unter anderem damit, daß sie sich alle Mühe geben, in Mazedonien eine neue Bandenbewegung aufkommen zu lassen, worüber die türkischen Zeitungen täglich zu berichten wissen. Vom tripolitanischen Kriegsschauplatze. (Italienische D a r st e l l u n g.) Tripolis , 20. November. (Meldung der Agenzia Stefani.) In der vergangenen Nacht hat sich nichts neues ereignet. Es herrscht schönes Wetter. Gestern erfolgten an der östlichen Front die ge- wohnten kleinen Angriffe, diesmal aber mit weniger Nachdruck. Die Italiener hatten zwei Leichtverletzte. Zwei Er- kundungen wurden sieben Kilometer vor der südlichen Front auS- geführt; dabei wurden nur kleine Patrouillen von Arabern ange- troffen. Die Beobachtungen zweier Flugzeuge bestätigten die schon bekannten Bewegungen des Feindes. Mehrere Kundschafter berich- ten neuerdings, daß ein Teil der Araber des Kampfes müde sei, und sehen einen nahe bevorstehenden bedeutenden Ilbfall voraus. Einer von ihnen erzählte, gestern hätten die Türken in Ainzara sich olle Mühe geben müssen, um etwa 1000 Araber zurückzuhalten, die abziehen wollten, um das Land zu bestellen. Andererseits melden die Türken, daß demnächst Verstärkungen von der Syrte her ein- treffen werden. Ferner wird gemeldet, die französischen Behörden verhinderten seit einigen Tagen, daß Kriegskonterbandc über die tunesische Grenze gebracht werde. Auch wird bestätigt, daß die Ein- geborenen von Tunis für wenig Geld Gewehre von den tripoli- janischen Stämmen an der Grenze kauften. Aus Homs , wo hier und da ein geringfügiger Angriff erfolgte, kommen gute Nach- richten. Die Italiener vollenden die Einrichtungen für die Ver- teidigung. Der Gesundheitszustände und der Geist der Truppen sind gut. Wie aus Tobruk vom 16. d. M. gemeldet wird, zer- störte eine italienische Abteilung einen Teil der Telegraphenlinie nach dem Golf von Solum, wobei ihr die Araber unter Führung türkischer Offiziere Widerstand leisteten. Die Italiener hatten drei Verwundete, der Feind hatte zahlreiche Verluste. Zlachrichten aus Derna bestätigen, daß die italienischen Stellungen in der Rächt zum 17. d. M. heftig angegriffen wurden, daß aber der An- griff zurückgeschlagen wurde. Auf italienischer Seite wurden vier Mann kampfunfähig. Der Feind hatte, wie durch Nachforschungen bestätigt wurde, viele Tote unp Verwundete. (Türkische Darstellung.) Konstantinopel , 19. November. Aus Tripolis wird unter dem 16. November amtlich gemeldet:Gestern nachmittag verließ die feindliche Flotte den Hafen. Unsere Truppen benutzten die Ge- legenheit, die jüngst von den Italienern wegen der Ueberschwem- mung gewählte Position Elhajati bei Bumiliana plötzlich anzu- greifen. Die Italiener wurden im Bajonettkampf zurückgeworfen. Sie hatten über 400 Tote und Verwundete. 23 Soldaten und ein Offizier wurden gefangen genommen. Wir verloren 130 Mann und erbeuteten 70 Gewehre und Munition, schoben unsere Linie derart vor, daß wir hoffen, die Stadt zu erobern, wenn das schlechte Wetter die Flotte andauernd fernhält. Der Stamm Elzeritsch ist heute eingetroffen. Das ermöglicht uns, die fast gänzlich zernicrle Stadt von allen Seiten gleichzeitig anzugreifen." Türkische Maßnahmen gegen einen italienischen Flottenangriff. Konstantinopel , 20. November. Der türkische Minister des Aeußern sandte an die Großmächte eine bedeutsame Note. Ihr Inhalt läßt sich wie folgt zusammenfassen: Angesichts der eminenten Gefahr der Aktion der italienischen Flotte, welche die Gesamtbevölkerung des türkischen Kontinents und des Archipels in die größte Unruhe versetzt, hat die Pforte nicht nur militärische Schutzmatzrcgeln getroffen, um zu Lande sich wirksam zu verteidigen, sie sieht sich bei der Fortdauer dieses Zustandes auch genötigt, durch die Versenkung von See- mincn und Absperrung der Schiffahrtsstraßen gegen die sie bedrohenden Angriffe sich ausgiebiger zu schützen. Seit 14 Tagen hat das Kriegsministerium durch unaufhaltsame Arbeit der nach den Dardanellen abgesandten Pionierkompagnien auch die Landseite der Meerenge gegen die Ueberraschung eines Angriffes gestärkt. 100 Kanonen von 24 30 Zentimeterkaliber bewachen die Durchfahrt. Man versichert, daß sich die Artilleriescite der dortigen Position in tadellosem Zustande befindet. Ein Bombardement im Roten Meere. Konstantinopel , 20. November. Nach einer beim Kriegs- Ministerium eingetroffenen Depesche haben gestern Vormittag zwei italienische Kriegsschiffe Akabah am Roten Meer bombardiert. Einige Teile der Stadt wurden zerstört. Die lüevoltilion in China . Finanzsorgeu der Regierung. Peking , 20. November. Da? chinesische Kabinett unter der Füh rung JuanschikaiS kann noch nicht als fertig gelten, da verschiedene Minister die ihnen angebotenen Posten ausgeschlagen haben. Juan schikai hat sich den fremden Ministern gegenüber ausgedrückt, daß er nicht sicher sei, ob er die Situation noch werde retten können. In den nächsten Tagen werden die Verhandlungen wegen einer größeren Anleihe von zirka 100 Millionen Taels beginnen. Die Banken haben sich bisher sehr reserviert ver halten und eine abwartende Haltung gegenüber den chinesischen Anleihewünschen beobachtet. Es muß sich aber jetzt entscheiden, ob man die gegenwärtige Regierung halten oder fallen lassen will Die Regierung bedarf unbedingt einer größeren Anleihe, da die Zu- schüsse der Provinzen an die Zentralregierung längst aufgehört haben. Der Finanzminkfter konnte den gesteigerten Anforderungen nur dadurch gerecht werden, daß der Thron aus seiner Privat- schatulle bisher 10 Millionen Taels hergab. Die Zentralregierung verfügt zurzeit noch über ein Vermögen von 2 Millionen Taels Silber, die im Finanzministerium liegen. Der Kampf um Naukiog. Londou, 20. November..Times" berichten aus Peking : Die Lage in Nanking ist wenige befriedigend. General Tschang mit S000 Mann Truppen besetzt die Stadt in Genreinschaft mit dem Tatarengeneral, welcher über 2000 Mann mandschurische Truppen verfügt. Sämtliche rebellische Soldaten, sowie die aufrührerischen Beamten, welche sich zugunsten der Aufständischen erklärt haben, sind massakriert worden. Diese Hinrichtung hat eine große Eni- rüstung hervorgerufen. Die Revolutionäre versuchen jetzt, in den Besitz der Stadt zu gelangen. Man glaubt allgemein, daß dieser Versuch von Erfolg gekrönt sein werde. Die Haltung JapauS. Tokio , IS. November.(Meldung des Reuterschen BureauS .) Die Presse begrüßt das Kabinett JunfchikaiS, ist aber der Anficht, daß feine Zusammensetzung keine Gewähr biete für eine dauernde Harmonie. Sie hofft, daß die ersten Bemühungen auf die Wieder« Herstellung der Ordnung und des Verkehrs in den Hanptstädten ge- richtet fein werden. Wenn diese Bemühungen aufrichtig seien, sei die Unterstützung der Mächte zu erwarten. Sonst sei eine I n t e r- vention unvermeidlich. Die Presse mißbilligt aber jede englisch. nissische Vermittelung, so lange die Möglichkeit einer Beilegung durch die Chinesen selbst bestehe. Amtlich wird gemeldet, daß Japan eine Abteilung in Tschifu gelandet hat. Peking , 20. November. (Meldung deS Reuterschen Bureaus.) Die hiesige japanische Gesandtschaft glaubt, daß die Japaner in Futschau gelandet sind. um das dortige Konsulat zu chützen. Dagegen weiß die hiesige Gesandtschaft nichts von einer Landung in Tschifu . Zwischen Vorposten der Aufständischen, die auf Nanking vorrücken, und der Streitmacht der Verteidiger hat ein Schannützel tattgefunden, das unentschieden geblieben ist. Man glaubt, daß eine Schlacht bevorsteht. Amerikanische Truppeusendunge» nach China . Washington , 19. November. Das Staatsdepartement bestätigt nunmehr die Depesche, daß amerikanische Truppen von Manila nach China abgehen sollen. General Bell, der Kommandant der Truppen auf den Philippinen , hat 2200 Mann auserlesene Truppen, auS Infanterie, Kavallerie. Artillerie und SanitätSmannfchasten be- tehend, auSerwählt. die nach China abgehen sollen. Die Truppen ind so ausgerüstet worden, daß sie einen Winterfeldzug machen können. Ermordung einer französischen Mission in Südchina. Paris , 19. November. Nach einem den, Koloniabninisterium zugegangenen Telegramm sind der französische Militärarzt Dr. Legendre und zwei Offiziere namenS Noiret und Dsisirier. die eit einem Jahre auf einer mit Unterstützung der französischen Re- gierung unternommenen Forschungsreise im südlichen China be- griffen waren, ini Lologebiet niedergemetzelt worden. Paris , 19. November. Von der französischen Gesandtschast in Peking ist ein Gerücht übermittelt worden, wonach französische Missionare in Jonnan-Sen ermordet worden seien..Siöcle" ver- langt, daß schleunigst energische Maßregeln zum Schutze der ranzösischen Staatsangehörigen in China ergriffen werden. Paris , 20. November. Die Frau des Militärarztes Dr. Legendre ist vom Kolonialministerium amtlich verständigt worden, daß ihr Gatte in Dünnan von Eingeborenen getötetsworden ist. Lcut- nant Dessirier dürfte sein Schicksal geteilt haben, während Hauptnumn Noiret. der sich vor dem Ueberfgll von der Kolonne getrennt hatte, gerettet ist. Der llnwllle der unteren Beamten im Reichs- und Staatsdienste und im Dienste der Kommunen über ihre Lohn- und Arbeitsverhältnisse ist offenbar so stark geworden, daß sie sich durch nichts abhalten lassen von dem Versuch, mittels einer starken Organisation ihren Forderungen oder Wünschen Geltung zu verschaffen, wenn auch ihre vor- gesetztenKollegen" bis hinauf zu den Ministern sich noch so sehr bemühen, ihnen klar zu machen, daß dergleichen für einen Beamten höchst unstatthaft und verwerflich sei. Daß die unteren Beamten sich nicht abschrecken lassen, ihre Forderungen in der Oeffentlichkeit zu vertreten, bewies eine am Sonntag nach derNeuen Welt" unter dem Namen Deutscher Unterbeamtentag einberufene Massenversammlung. Nicht nur der Riesensaal war samt den Galerien bis auf den letzten Platz gefüllt, man hatte auch noch eine zweite Versammlung in dem etwas kleineren Saale des- selben Etablissements veranstaltet, und wenn die Besucher- zahl schließlich auf 10000 geschätzt wurde, ist das kaum als Uebertreibung anzusehen. Der größte Teil der Versammelten war natürlich in Zivilkleidung, man sah aber auch eine Menge in Dienstkleidung unter ihnen, allerdings keine Schutzleute, die ja eigentlich auch zu den eingeladenen Beamten gehörten. Aber vor den Toren der Neuen Welt, da war ein ziemlich starkes Aufgebot von ihnen in der bei Massenversammlungen üblichen Weise mit umgeschnalltem Revolvertätig", und diese Schutzleute hatten augenscheinlich die Aufgabe, sich die Versammlnngsbesncher genau anzusehsn, vielleicht daraufhin, ob nicht gar einige ihrer Spezialkollegcn es wagen sollten, in Zivil und außerdienstlich an der Ver- anstaltung teilzunehmen. Das wäre nämlich ein verwerf- liches Beginnen, wie jeder königstreue Beamte einsehen wird, wenn er den nachstehenden Jagow-Erlaß liest: . Kg l. Polizeipräsidium 18. November 1911. 7237 P.J./l911. Ich halte jeden Versuch der Politisierung desUnter» b e a m t e n st a n d e S als Standes für verwerflich, da er dem Stande und insbesondere dem Staude selbst nur schaden kann. Ein Znsammenschluß von Beamten, um vom Staate wirtschaftliche Vorteile zu erzwingen, ist mit dem Beamteneide unvereinbar. Ein Zusammenschluß gegenüber den Erwerbs- ständen in der laut Nr. 18 derDeutschen Unterbeamten- zeitung" geplanten Art widerspricht dem öffentlichen Interesse. Daher lehne ich eS ab, der Einladung zu einem»Allgemeinen Deutschen Unlerbeamtentage" zu folgen. An gez.: v. I a g o w. den Obmann deS NeunerauSschuffeS Herrn Freudenreich in Spandau ." Außerdem hatten auch am Tage vor der Veranstaltung alle Minister und Staatssekretäre, mit Ausnahme des Staats- sekretärs vom Reichspostamt, an die ihnen unterstellten Be- Hörden eine Verfügung erlassen, die, wie dasBerliner Tage- blatt" gestern mitteilen konnte, folgenden Wortlaut hat: NamenS eines sogenannten Neunerausschusses sind die Unter« beaniten aller Reichs-. Staats- und Kommunalbehörden an laß- lich der jetzigen Teuerungsverhältnisse zu einem am Sonntag, den 19. diese» MonatS, in derNeuen Welt", Hasen- Heide 103114, siattfindendenAllgemeinen Deutschen Unier« beamtentag" einberufen worden. AuS disziplinaren Gründen scheint cS angezeigt, auf die Unterbeamten in Berlin und seinen Vororten in geeigneter Weise dahin zu wirken, daß sie sich vondieserVersa mm- lung fernhalten. Es dürfte ihnen unter anderem besonders vorzuhalten fein, daß gerade für die Unterbeamten durch die vor zwei Jahren abgeschlossene Besoldungsausbesierung recht erhebliche Mehrleistungen des Reiches oder des Staates dar» gereicht seien, und daß die Preissteigerung wichtiger Nahrungs« mittel inzwischen erheblich gewichen sei. Die Beamten müßlen auch bedenken, daß sie msofern günstiger gestellt seien als die An« gehörigen anderer Berufsstände, als ihnen im Falle wirklicher?kot durch Unterstützungen ans staatlichen Fonds geholfen werde. Schließlich müßte es den Unterbeamten auch einleuchten, daß es dem Vertrauensverhältnisse zu ihren Vorgesetzten nicht förderlich sein könne, wenn sie durch Teilnahme an Massenkundgebungen wie der geplanten die öffentliche Meinung zu beeinflussen suchten. Zur rechtzeitigen Belannigabe sind die erforderlichen Neben« exemplare beigefügt." Diese Verfügung ist, wie dasselbe Blatt erfährt, in ver- schlossener Mappe von Hand zu Hand an die mit der Ver- Warnung beauftragten Vorgesetzten»oeitergegeben worden; sie hat aber offenbar die gewünschte Wirkung verfehlt. Auf der Tagesordnung der Versammlung stand als 1. Punkt: Teuerung und Einkommen der unteren Beaniten, als 2. Die gemeinsamen Wünsche der unteren Beamten und als 3. Ansprachen der Parlamentarier. Daß sozialdemokratische Ab­geordnete sich nicht daran beteiligten, ist ja aus den unseren Lesern hinreichend bekannten Gründen und Erfahrungen leicht begreiflich. Uebrigens war es nur der freisinnige Landtags- abgeordnete Dr. R u n z e, der eine Ansprache hielt und der damit, daß er die Einmütigkeit der Unterbeamten und die Besonnenheit, mit der sie ihre Sache zu vertreten suchen, in höchsten Tönen pries, mächtigen Beifall erregte, aber lebhaften Widerspruch hervorrief, als er erklärte. daß die Beamten nun drei Jahre warten müßten. ehe an eine Gehaltserhöhung zu denken sei. Allerdings beruhigte die Stimmung sich wieder, als der Redner darauf hinwies, daß man ja jederzeit für Teuerungszitlagen eintreten könne. Wenn der Redner dann stürmischen Beifall fand, als er schließlich erklärte� daß man im Landtage nichts oder doch sehr wenig für die Sache tun könne, so lange das herrschende Wahlunrecht noch bestehe, war das eben nur ein Beweis dafür, daß auch die unteren Beamten bereits begriffen haben, worin die Grundursache ihrer mißlichen Lage zu suchen ist. Was den ersten Punkt der Tagesordnung anbetrifft, so hat ja derVorwärts" schon im voraus seine Leser hinreichend über diese Fragen unterrichtet. Diegemeinsamen Wünsche der unteren Beamten" sind in der folgenden Resolution dar» gelegt, die einstimmig angenommen wurde: Die allgemeine GehaltSaufbessenmg der Beamten hat trotz der dazu im ganzen aufgewendeten erheblichen Mittel den unteren Beamten keine ausreichende Hilfe gebracht. Einmal sind bei Erhöhung der Gehälter die bis dahin ge- währten Stellen- und Teuerungszulagen usw. bei den unteren Beamten in Fortfall gekommen, während andererseits die immer stärker anwachsende Teuerung die Wirkung der BesoldungZresorm vollständig aufgehoben und einen Notstand erzeugt hat, der eins geordnete WirnchaftSführung nicht mehr ermöglicht. Der am 19. November in der Reuen Welt tagende, ton un­gefähr 10 000 unteren Beamten besuchte Erste Deutsche Unterbcamtentag richtet daher an die Regierungen, Parlamente und Verwaltungen die dringende Bitte, baldigst eine ausreichende Erhöhung der Gc- Haltsbezüge der unteren Beamten zur Durchführung zu bringen, den augenblicklich bestehenden besonderen Notstand durch Lewilli- gung einer