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Mr. 274. 28. Jahrgang.

3. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Mittwoch, 2. November 1911.

Gerichts- Zeitung.

Streifbrecherschuh.

Im April wurden in den Bergmannschen Elektrizitätswerken die Löhne der Arbeiterinnen bedeutend herabgefekt. Durch An­schlag wurde bekannt gemacht, daß die Akkordlöhne der Mitterinnen von 25 auf 16 bis 18 Pf. und die Akkordlöhne der Glüherinnen von 80 auf 60 Pf. erniedrigt werden sollten. Dadurch wäre der Wochenverdienst der Arbeiterinnen von mehr als 20 M. auf 16 M. pro Woche bei täglich neunstündiger Arbeitszeit herabgejunten. Auch den Schreiberinnen des Betriebes wurde der Wochenlohn, der bis dahin 12,50 bis 21,50 m. betrug, auf 12,50 bis 16,50 m. herabgesetzt. Die Arbeiterinnen konnten sich diese horrende Lohn­herabsetzung natürlich nicht gefallen lassen. Sie legten die Arbeit nieder und verlangten, daß die bisherigen Löhne weitergezahlt

werden.

Bu den Streitenden gehörte auch Die Arbeiterin Tschitschmann. Nachdem sie einen Tag mitgestreift hatte, nahm fic die Arbeit wieder auf. Als sie am Abend aus der Fabrik kam, wurde sie von der draußen stehenden Menge unter der sich auch Streikende befanden, mit unwilligen Be­merkungen empfangen. Auch einen Stoß erhielt sie. Drei der streifenden Arbeiterinnen, die an diesem Vorgang beteiligt ge­ivesen sein sollen, wurden vom Schöffengericht zu Gefängnisstrafen verurteilt, und zwar eine, die Streifbrecher" gerufen und ge­stoßzen haben soll, zu zwei Tagen, die beiden anderen, die nur Streitbrecher" gerufen haben sollen, zu je einem Tage. Das Urteil ist aus§ 153 der Gewerbeordnung ergangen.

In der Berufungsinstanz, die sich gestern mit der Angelegen heit beschäftigte, wurden die Angeklagten in der Hauptsache nur durch die Arbeitswillige Tschitschmann belastet, während andere Zeuginnen nicht recht bestimmte Angaben machen konnten.

Der Staatsanwalt hielt die Anklage aus§ 153 aufrecht und beantragte, die Strafen für die erste Angeklagte auf eine Woche, für die beiden anderen auf je fünf Tage zu erhöhen.

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ständen hier in feinem Verhältnis, um so mehr, als es sich um bei Durchführung einer Beschwerde an den Minister. G. wurde eine gerade für weibliche Personen im höchsten Grade gesundheits- später freigelassen. schädliche Arbeit handele. Die Arbeiterin, die ihre Arbeitskraft Ueber die polizeiliche Verfügung, die dem Bankfach ent­verkaufen muß, wenn sie überhaupt die Möglichkeit der Eristenz nommenen Sachen herauszugeben, beschwerte sich Rechtsanwalt haben solle, befinde sich ohne Zweifel in einer Notlage, die der Dr. Oskar Cohn   vergeblich beim Oberprääsidenten. Dieser sagte Unternehmer dadurch wucherisch ausbeute, daß er einen Lohn biete, im Beschwerdebescheide unter anderem: Es habe die Möglichkeit der weit unter der Grenze des üblichen bleibe. Hier liege also bestanden, daß sich in dem Bankfach Papiere befanden, welche ent­eine Lohnvereinbarung vor, die als Wucher im Sinne des Bürger- weder als Beweisstücke für die G. zur Last gelegte Straftat dienen lichen Gesetzbuches angesehen werden müsse und deshalb nichtig oder aus anderen Gesichtspunkten für die Frage der Anwendbar­sei. Ein Lohnvertrag habe demnach nicht vorgelegen. Die Arbeite- keit des preußisch- russischen Auslieferungsvertrages vom 13. Januar rinnen hätten deshalb einen gefeßlichen Anspruch auf einen an- 1885 von Bedeutung sein könnten. Die Aufgabe der Polizeibehörde, gemessenen Lohn, und das sei wie unter Beweis gestellt werde sich die Verwertung dieser Beweisstücke zu sichern, ergebe sich aus der Lohn, den die Arbeiterinnen vor dem Streik erhielten. Eine den im§ 10 II 17 des Allgemeinen Landrechts umschriebenen all­Verabredung zur Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeits- gemeinen Aufgaben der Polizei, da die Bestimmungen der Straf­bedingungen sei dieser Streit also nicht und§ 153 treffe deshalb prozeßordnung für ein im Auslande begangenes, im Inlande nicht nicht zu. Abgesehen hiervon, müsse den Angeklagten zugute ge- berfolgbares Vergehen nicht in Betracht tämen. Insbesondere halten werden, daß sie unmöglich das subjektive Empfinden haben würde es im sicherheitspolizeilichen Interesse geboten erscheinen, fonnten, sie hätten, indem sie die Aufrechterhaltung der bisherigen einen jenes Vergehens schuldigen Ausländer im Inlande nicht Löhne verlangten, bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen erstrebt. weiter zu bulden. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, daß die An- Rechtsanwalt Cohn klagte gegen den Oberpräsidenten beim geklagten sich der ihnen zur Last gelegten Handlungen schuldig ge- Oberverwaltungsgericht, vor dem gestern in der Sache Termin macht hätten und der§ 153 hierauf anzuwenden sei. Denn es anstand. Rechtsanwalt Dr. Karl Liebknecht vertrat den Kläger. fei den Angeklagten darauf angekommen, die Zeugin Tschitschmann Er betonte, daß dieser Fall so recht zeige, zu was allem§ 10 11 17 zur Teilnahme am Streit zu bewegen. Nachdem die Arbeiterinnen des Allgemeinen Landrechts dienen solle. Die Polizei sehe ihn so mit der Lohnherabsehung nicht einverstanden waren und die Arbeit an, daß ihrer Tätigkeit beinahe keine Schranken gesetzt seien. Ind  niedergelegt hatten, habe kein Arbeitsvertrag vorgelegen, der Streit hier kompliziere sich die Sache noch besonders, indem die Polizei habe sich also nicht um Aufrechterhaltung von Vertragsbestim- für sich auch die Befugnis in Anspruch nehme, gegen bevollmächtigte mungen gedreht. Von Wucher könne gar keine Rede sein. Die Anwälte mit ihren Maßnahmen vorzugehen. Die Rechtssicherheit Fabrikleitung sei berechtigt, ihre Löhne festzusehen wie sie wolle, fordere es geradezu, daß diesem Verfahren des Polizeipräsidenten und die Angeklagten seien nicht verpflichtet gewesen, die Be- energisch entgegengetreten werde. Der Anwalt beleuchtete noch dingungen anzunehmen. Wucher im Sinne des Gesezes liege die Rechtslage und legte dar, daß das Vorgehen des Polizei­nicht vor. Das Gericht verwarf die Berufung, die sowohl von präsidenten gegen Dr. Cohn, der mit vollem Recht als beauftragter den Angeklagten wie von der Staatsanwaltschaft eingelegt war, Anwalt in den Besitz der Dokumente gekommen, absolut ungerecht­

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und bestätigte das Urteil der ersten Instanz.

Die Polizei als Beauftragte des Auslandes.

Der Zahnarzt Goldenberger war vom Berliner Polizei präsidenten in haft genommen worden, nachdem die russische   Re­gierung seine Auslieferung wegen eines angeblich in Rußland   be­gangenen Vergehens( Fälschung von Papieren) berlangt hatte. Goldenberger bevollmächtigte den Rechtsanwalt Dr. Oskar Cohn mit der Wahrnehmung seiner Interessen und dehnte die Vollmacht auch dahin aus, daß der Anwalt der Stahlkammer einer Bank Papiere entnehmen solle. Diese Papiere sollten namentlich dazu dienen, nachzuweisen, daß G. die ottomanische Staatszugehörigkeit besitze und eine Auslieferung nach Rußland   somit ohne weiteres ausscheide. Nachdem Dr. Cohn die Papiere dem Bankfach ent­nommen hatte, ließ der Polizeipräsident es sperren. Beim Rechts­anwalt erschien dann der Kriminalkommissar Fritsche und verlangte namens des Dirigenten der Kriminalpolizei die Herausgabe der dem Bankfache entnommenen Sachen. Er solle sie eventuell be schlagnahmen. Der Beamte berief sich auf§ 10 II 17 des All­gemeinen Landrechts, wonach die Polizei unter anderem Vor­fehrungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu treffen hat.

Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Heinemann, beantragte Freisprechung und führte aus: Schon die tatsächlichen Feststellungen würden zu einer Verurteilung nicht ausreichen. Selbst aber wenn man annehmen wollte, daß die Angeklagten Streifbrecher gerufen haben, so hätten sie sich nicht im Sinne des§ 153 schuldig gemacht, denn durch diesen Ruf wollten die Angeklagten ihrer Verachtung gegen die Streifbrecher Ausdruck geben, nicht aber dieselben zur Arbeitsniederlegung veranlassen. Obgleich durch den Streit feine Verbesserung, sondern die Erhaltung der bisherigen Löhne erreicht irerden sollte, gelte ein solcher Streit nach der herrschenden Recht­sprechung als eine Verabredung zur Erlangung günstigerer Lohn­und Arbeitsbedingungen, weil die Arbeiter, welche keine Kündigungs­frist haben, nach herrschender Rechtsprechung feinen rechtlichen An­spruch darauf haben, daß ihnen der heut vereinbarte Lohn auch morgen noch gewährt werde. Nach dieser Deduktion könne ja im borliegenden Falle§ 153 angewandt werden. Die Anwendung sei aber aus anderen Gründen ausgeschlossen. Eine Lohnherab­setzung auf wöchentlich 16 M. bei täglich neunstündiger Arbeitszeit fei eine wucherische Ausbeutung der Notlage eines anderen im Der Anwalt gab die Papiere nicht heraus, sondern benutzte sie Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches  . Leistung und Gegenleistung bei Wahrnehmung der Interessen Goldenbergers, zum Beispiel

fertigt fei.

Das Oberverwaltungsgericht vertagte die Sache. Es soll ein neuer Termin anberaumt werden, um dem Minister Gelegenheit zu geben, sich zu äußern.

Der Zusammenbruch der Niederdeutschen Bank vor Gericht. Dortmunder   Straffammer begonnenen Prozesses wegen Zusammen­Am 29. Oktober berichteten wir über den Inhalt des vor der bruchs der Niederdeutschen Bant. Der Prozeß endete gestern nach 17tägiger Verhandlung mit der Verurteilung des früheren In­habers der Niederdeutschen Bank Ohm wegen Bergehens gegen das Depotgesetz, Urkundenfälschung und Untreue zu acht Monaten Ge­fängnis und 2100 M. Geldstrafe, der Prokuristen Schmitt und Benner wegen Beihilfe zu vier Monaten beziehungsweise einem Monat Gefängnis; die letzteren beiden Strafen wurden durch die Untersuchungshaft für verbüßt erachtet.

Marktpreise von Berliu am 20. November 1911, nach Ermittelung des Königl. Polizeipräsidiums. Marttballenpreise.( Sleinbandel), 100 Kilogramm Erbsen, gelbe, zum Kochen 36,00-50,00. Speiſebohnen gramm Rindfleisch, von der Steule 1,60-2,40. Rindfleisch, Bauchfleisch 1,30 weiße, 40,00-60,00. Linfen   40,00-80,00. Startoffeln 7,00-10,00. 1 Stilo. bis 1,70. Schweinefleisch 1,20-1,80. Stalbficifch 1,40-2,40. Hammelfleisch 1,20-2,20. Butter 2,60-3,20. 60 Stüd Gier 3,80-6,40. 1 Silogramm 2,60. Barsche 0,80-2,00. Schleie 1,40-3,20. Bleie 0,80-1,60. 60 Stüd Karpfen 1,20-2,40. Male 1,20-2,80. Bander 1,40-3,60. Hechte 1,20 bis Streble 2,40-24.00.

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