aus einverstanden feien. Ebenso seien sie einverstanden mit dem Verhalten gegenüber England. Slbg. Basserman»: Die Frage bleibe offen, ob die En tsendung von Kriegsschiffen nach Agadir ein Mittel war. welches dem Zweck adäquat war. Nach Ansicht seiner politischen Freunde sei daS nicht der Fall. Redner betont weiter, dab die schweren Vorwürfe, die bis beute gegen die Leitung der auswärtigen Politik erhoben seien, angesichts der Tatsache, daff durch Frankreich ver- anlatzt, England sich in die Verhandlungen eindränge» wollte, nicht erhoben worden wären, wenn das tatsächliche Vorgehen Deutsch lands in der O e f f e n t l i ch k e i t bekannt geworden wäre und wenn man nicht leider die Oeffentlichkeit gänzlich über die Stellung gegenüber England im Unklaren gelaisen hätte. Ans der Ans- südrung des Staatssekretärs gehe hervor, dajz wir dicht an der Kriegsgefahr vorbeigegangen sind, und eS frage sich wiederholt, ob daS starke Mittel der Entsendung des Kriegsschiffes nach Agadir im Einklang stehe mit dem, was wir erreicht haben und mit dem Einflüsse auf die allgemeine deutsche Politik, insbesondere unsere Orienipolitik. Es jjeige sich eben, dag man auswärtige Politik nicht machen könne m vollständiger Entfernung vom Empsindes de» Volkes, dies habe die Leitung unserer auswärtigen Politik verkannt und darin liege die Erklärung für die berechtigte Mißstimmung in, Volke. Abg. v. Naumann sHeilbronn): Auch seine Freunde hätten ernsthafte Bedenken gehabt, die auch noch nicht ganz überwunden seien, ob jenes starke Mittel notwendig war, um eine Fortsetzung der Verhandlungen zu erreichen. Abg. Gras' v.' Westarp: Auch er könne sich in wesentlichen Punkten den Ausführungen des Abg. Bassermann anschließen, wenn er auch nicht einen Tadel über die Entsendung des.Panther" aussprechen wolle. Staatssekretär des Auswärtigen AmteS v. Kiderlen-Waechter bestätigt dem Abgeordneten Grafen v. Westarp, daß keine An- frage von der englischen Regierung an die deutsche Regierung ge> richtet worden sei, die die deutsche Regierung nicht beantwortet hätte. Was die deutsche Jslampolitik anbelange, die jetzt umge- stoßen sein solle, so glaube er, daß die Zusammengehörigkeit der Marokkaner mit der Türkei überschätzt werde. Nun sei behauptet worden, die deutsche Regierung hätte über die Entsendung des„Panther" nach Agadir die öffentliche Meinung nicht genügend aufgeklärt. Er verweise darauf, daß in der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" ausdrück» lich erklärt worden sei, daß der„Panther" zum Schutze unserer Untertanen nach Agadir geschickt worden sei. Auch sei gesagt worden, daß, wenn die Franzosen nach Fez gehen und sich dort weiter fest» setzen würden, wir unsere Aktionssreiheit uns wiedernehmen würden. Ferner sei behauptet worden, er habe eine Aeußerung getan, wir wollten einen oder drei Häfen von Marokko nehmen. DaS fei unwahr. Einer der Hauptgründe, warum der Gedanke sich verbreitete, in Marokko festen Fuß zu faffen, liege in der Broschüre des Dr. El aß. Diese Broschüre sei ihm bekannt gewesen, bevor sie in der Oeffentlichkeit erschienen sei. Dies heiße aber doch nicht, daß er ihr zugestimmt habe. Er habe vielmehr dem Herrn, der sie ihm im Entwurf gezeigt habe,„ausdrücklich vom Druck ab- geraten". Die Broschüre würde übrigens anders beurteilt worden sein, wenn sie vollständig erschienen wäre, denn weiter habe darin z. B. gestanden, wir sollten nicht nur Marokko , sondern auch das Rhone -Departement uns friedlich aneignen. Abg. Ledebour: Er glaube gern, daß der Staatssekretär seine » Auffassung England gegenüber mit hinreichender Deutlichkeit zum ' Ausdruck gebracht habe. Der Fehler sei nur der gewesen, daß diese Auffassung nicht sofort nach der Entsendung des„Panthers" in autoritativer Weise in die Oeffentlichkeit gekommen sei. Redner wendet sich weiter dagegen, daß die Aufklärung Englands durch den deutschen Botschafter so spät erfolgt sei, daßLlohd George für fe»neRede nicht mehr andxrs instruiert werden konnte. Jene Rede Llhod Georges sei in der Kommission falsch ausgelegt worden. Nach Auffassung der englischen Regierung sei England, als Llyod George seine Rede hielt, von Deutfchland behandelt worden,„als ob es im Rate der Nationen nicht mehr mitzählte". Er könne es nicht billigen, daß der deutsche Botschafter mit dem englischen Minister des Aeußeren, der übrigens kein Wort d e u t sch verstehe, mündlich gemäß der erhaltenen Instruktion verhandelt habe. Richtiger wäre, daß in solchen wichtigen Fällen die deutsche Regierung sich direkt auf telegraphischem Wege mit der englischen in Verbindung setzte. Wenn die deutsche Regierung ihre Auffassung von Anfang an in der Oeffentlichkeit vertreten hätte, wären jene offenbaren Mißverständnisse zwischen Eng- land und Deutschland nicht möglich gewesen. Englische konservative Preßstimmen. London , 23. November t91I. Die Veröffentlichungen der deut- schen Regierung über die deutsch -englischen Beziehungen während der Marokkofrage haben naturgemäß das größte Aufsehen in Eng- land erregt und scharfe Angriffe, namentlich von feiten der kon- servativen Organe, gegen Teutschland herausgefordert. Ter „Daily Telegraph " schreibt: Während man überall in ganz Europa aus die Rede Sir Edward G r e y S über Englands Rolle in der Marokkoaffäre wartet, fühlt sich die deutsche Regierung ver- anlaßt, mit Veröffentlichungen hervorzutreten, die nicht dazu an- getan sind, die zwischen Deutschland und England bestehenden Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, sondern sie im Gegen- teil noch vergrößern müssen." Ter„Daily Graphic" schreibt:„Ob die deutsche Regie- rung in Agadir bleiben wollte oder nicht, darauf kommt eS nicht an. Die Entsendung des„Panther" jedoch beweist, daß Deutschland die Absicht hatte, sich in Marokko festzusetzen. Dadurch wurde der Frieden außerordentlich gefährdet und Deutschland hat mit seiner .Handlung in die Marokkoaffäre eine Rakete entsandt, die dem Weltfrieden bei ihrer Exiplosion gefährlich zu nzerden drohte." Die„Daily Mail" führt aus: Der deutsche Minister hat durch seine Veröffentlichung uns einen guten Teil dessen vorweg. genommen, das wir im englisch -deutschen Konflikt zu veröffent- lichen beabsichtigen. Ter Botschafter Graf Metternich ist in seiner Unterredung mit Sir Edward Grey von außerordentlicher UnHöflichkeit gewesen. Zu«'(Reichstagswal)!. Der schwarzblaue Eickhoff-Block. Bekanntlich wurde der FortschrittSvertreter für Remscheid , der bekannte Flottenprofeffor Eickhoff, vor einigen Monaten vom Vorstand der rheinischen Bezirksorganisation seiner Partei öffent- lich an den Pranger gestellt, weil er mit Zentrum, Christlich - sozialen und Freilonservativen zu techtelmcchteln sucht und von dem Kampf gegen den schwarzblauen Block nichts wissen will, alles zu dem höheren Zweck, um auf den Krücken der reaktionären Par- teien wieder in den Reichstag humpeln zu können. Der jetzt auf den gleichen Pfaden ertappte fortschrittliche Parteiführer Kopsch wußte den HinauSwurf seines Busenfreundes Eickhoff aus der Fortschrittlichen Volkspartei damals durch eine salomonische Eni- scheidung deS Zentralvorstandes zu verhindern. DaS hat die Eick- hoff-Mannen im Remscheider Kreise ermutigt, ihre Techtelmechtel- Politik mit den Schwarzblauen lustig fortzusetzen. Bei den Stadtverordnetenwahle n in den wichtigsten Orten des Kreises, so in Remscheid , Wermelskirchen , Cronenberg , Velbert usw., haben Fortschrittliche Volkspartei , Nationalliberale Partei , ZentrumSpartei uwd Chrijtlichsoziale in der dritten Wählerklosse überall gemeinsame Kandidaten, und zwar meist Ehr ist- lichsoziale und Zentrumsleute.aufgestellt, um der So- zialdemokratie die Mandate streitig zu machen— allerbingZ ohne den gewünschten Erfolg. Aus der ganzen Taktik der Fortschrittler bei diesen Kommunalwahlen und ihren Aeußerungen in der Presse erhellt deutlich, daß es ihnen darum zu tun ist, sich die Stich- wahlhilfe der Christlichsozialen und des Zen- trums bei der Reichstagswahl zu sichern. Besonders drastisch wird das zum Ausdruck gebracht in einem Eingesandt des „Remscheider Generalanzeiger", in dem die lokalen Eickhoff- Freunde sich auszutoben pflegen, allerdings meist— wie das ja bei den Freisinnigen üblich— nur anonym; aber man erkennt den Vogel bekanntlich an den Federn. Dieses„Viele liberale Wähler" unterzeichnete Eingesandt behandelt eine Stadtverord- netenstichwahl in der zweiten Klasse in Remscheid , bei der einer der von den Fortschrittlern und den NcUionalliberalen aufgestellten Kandidaten ausgefallen ist. Es wird darin in aller Form versucht, die Liberalen zu bewegen, einen der vom Zentrum und den Christlichsozialen aufge st eilten Kandidaten z u w ä h l e n, damit Zentrum und Christlichsoziale bei der Reichs- tagSwahl für Eickhojf stimmen. In dem schönen Erguß einer „liberalen" Seele, der von Eickhoff selbst nicht herzzerbrechender abgefaßt sei» könnte, kommen u. a. folgende Stellen vor: „.... so müssen wir doch auch jetzt, wo die ReichStagswahlen derart nahe vor der Tür stehen, unS darüber klar sein, mit welcher Unter st ützung wir es möglich machen können, Herrn Professor Rich. Eickhoff wiederum als den berufensten Ver- treter des hiesigen Wahlkreises nach Berlin zu senden. Wir wollen keinen Pessimismus treiben, aber wir brauchen anderer- feits auch nicht zu leugnen, daß wir dies angesichts der rapid anwachsenden roten Flut nicht mehr aus eigen erKraft fertigbringen. Es wäre widersinnig, und auch nicht im Interesse des Herrn Eickhoff, wenn wir hierauf nicht im geringsten Rücksicht nehmen würden. Die sozialdemo. kratische Presse schreit schon heute in jubelnden Tönen und spricht vom„Fall Eickhoffs". Wir würden allerdings selbst hieran mit- arbeiten, wenn wir demnächst nicht einem der in Frage stehenden Kandidaten unsere Stimme geben.... dessenWahl fürdie R e ich s t a g s w a h l wohl aus- schlaggebend sein wird.... Darum gibt cS f ü r a l l e Anhänger eines Herrn Eickhoff, für alle diejenigen, welche nicht wollen, daß auf den Bergen unserer engeren Heimat die rote Flagge weht, nur die eine Parole: mit allen Kräften die Kandidatur des Herrn Oskar Matthey zu unter- stützen. Herr Mattheh ist von den verschiedensten Seiten aufge- stellt; er vertritt also keine Sonderinteressen und er wird unter- stützt von den Christlichsozialen und der Zen- trumsparte i. Sollen wir uns letztere zu dauernden Feinden machen? Wir haben unter diesen noch viele, sehr viele Freunde unseres Herrn Eick- hoff; aber wir werden sie zur Umkehr zwingen, wenn wir kleinlich handeln. ES mutz Ehrensache sein der übrigen drei Herren, wenn der eine oder andere vor Eickhoff zurück- tritt. Parteifreunde, bedenkt daSI Wählt Matthey! Zeigt. daß Ihr jedem gerecht werden wollt. Sattelt Euch zur ReichStagswahl! Kurzsichtig erscheint der- jenige, der die ernste Lage mit persönlichen Sachen verquickt! Kurzsichtig und undankbar deshalb, weil er seinen bisheri- gen hervorragenden Abgeordneten im Reichs. tag der Sozialdemokratie dadurch preisgibt." Man darf gespannt sein, ob das hier empfohlene Wahltechtelmechtel wirklich zustande kommt. Es würde durchaus in den Rahmen der Eickhofsschcn Mandatspolitik hineinpassen. Zwischen den Machern der Eickliosf-Liberalen und der Schwarzblauen im Rem- lcheider Kreise sollen übrigen? bereits Abmachungen getroffen sein, sich bei einer eventuellen ReichstagSstichwahl gegenseitig zu unterstützen. Die Schwarzblauen haben sich näm- lich auf eine gemeinsame Kandidatur, die des ch r i st l i ch s oz i a- len Pastor Stuhrmann in Barmen, geeinigt, den daS Zentrum schon im ersten W a h l g a n g unterstützt. Da die Eickhoff-Liberalen bei der letzten Wahl 16 600 und Christ- lichsoziale(7000) und Zentrum(6000) zusammen 13 000 Stimmen aufbrachten, rechnen die Schwarzblauen jetzt damit, ihren Kuddel- muddelkandidaten mit dem der Sozialdemokratie, die 1907 rund 21 400 Stimmen erhielt, in die Stichwahl bringen zu können. Daher ihr Entgegenkommen gegenüber dem Eickhoffschen LiebeSwerben . Herr Eickhoff aber ist und bleibt eine ZrerdederFortschritt- lichen Volkspartek, die sein Verhalten durch» au» billigt l « �» Da» badische Zentrum gegen die Sozialdemokratie. Am Mittwoch hat die Telegiertenversammlung der badischen Zenirumspartei stattgefunden und in einer Resolution ihre Stellung zur Sozialdemokratie wie folgt festgelegt: Die Vertretung der Zentrumspartei erblickt in dem stetigen Anwachsen der Sozialdemokratie eine dringende Gefahr für Staat und Gesellschaft. Die Bekämpfung der Sozialdemokratie bei Wahlen und sonst im öffentlichen Leben gehört nach der An- schauung der Zentrumspartei zu den wichtigsten und dringend- sten Aufgaben einer bürgerlichen Partei und der Regierung. Die Vertretung der Zentrumspartei findet eS darum höchst verwerflich und tief beklagenswert, daß die Partei in Baden, welche jähr- zehntelang der Regierung nahegestanden hat. die Nationallibe- raten, sich in ein Bündnis mit der Sozialdemokratie eingelassen hat und entschlossen ist, dieses Bündnis zu erneuern. Diese Partei hat dadurch verschuldet, daß nicht nur die Sozialdemo. kratie ständig steigt und die Zahl ihrer Mandate gewachsen ist, sondern daß auch der Einfluß des sozialdemokratische» Geistes in allen Schichten der Gesellschaft und auf allen Gebieten deS öffentlichen Lebens zugenommen hat. Die Vertretung der Zen- trumspartei hätte es mit Freuden begrüßt, wenn eine«ammlung aller bürgerlichen Parteien zur gemeinsamen Bekämpfung der Sozialdemokratie erreichbar gewesen wäre. Sie betrachtet es noch jetzt als wünschenswert, daß ein Zusammenarbeiten mit allen Parteien und Kreisen erstrebt werden siill, wenn es heißt, zu gemeinsamer Kampfarbeit wider die Sozialdemokratie bereit sein, und ist der Meinung, daß die Parteileitung ein Entgegen- kommen im weitesten Maße beweisen solle. In der Resolution wird dann noch die Verhetzung des Volkes infolge der Finanzreform, die in außerordentlich wahrheitswidriger Weise zu Agitationsywecken ausgebeutet worden sei, bedauert. Die Zentrumspartei spricht ihre Entrüstung aus, daß bei dem Wahl- kämpf in Konstanz die Finanzreform in der unrühmlichsten Weise zu Agitationszwecken benutzt worden ist. Die sächsischen Reformer und die ReichStligschahlen. Am 21. November beschäftigte sich in Pirna eine Vorstands- sitzung des sächsischen Landesvereins der Deutschen Reformpartei mit den ReichStagswahlen. Man beschloß, außer in den Kreisen Bautzen . Dresden-Neustadt und Meißen keinen reformerischen Kan- didaten aufzustellen. Im 20. Wahlkreise, Marienberg -Zschopau , soll der konservative Kandidat Dr. Mangler und im 21. Wahlkreise, Annaberg , der konservative Gegenkandidat des Dr. Streseniann, Hauptmann a. D. Meinhold, unterstützt werden. Die Stellung- nähme der Partei zu den Stichwahlen soll erst in der auf den IS. Januar anberaumten Vorstandssitzung festgelegt werden. '.» Magistrat und Wahlurnen. Der fortschrittliche Wahlverein im Kreise Stralsund -Franz- burg-Rügen hatte sich in einer Eingabe an den Bürgermeister und Rat der Stadt Stralsund gewendet mit dem Ersuchen, dafür Sorge tragen zu wollen, daß bei der künftigen Reichstagswahl in den ländlichen Wahlbezirken, deren Wahlorte auf städtischem oder Klosterbesitz sich definden, würdige und das Wahlgeheimnis sichernde Wahlurnen verwandt werden. Darauf ging vom Ma- gistrat die Antwort ein, daß er es ablehne, in dem gewünschten Sinne tätig zu werden,„zumal uns auch die Pachtverträge gar nicht einmal die Möglichkeit eines Einflusses auf die Art und Gestalt der zu verwendenden Wahlgefäße gewähren." Der Stralsunder Magistrat hat offenbar nicht den Willen, ans Sicherung des Wahlgeheimnisses bedacht zu sein. Daß die Pacht- vertrage nichts über die Beschaffenheit von Wahlurne» enthalten, kann sich jedes Kind denken. Aber dieser Pachtverträge bedarf cS auch für den beregten Zweck nicht. »• • Massenversammlung in Bochum . Mit einer von etwa 12 000 Personen besuchten Massenversamm- lung auf dem Bochumer Schützenhof, in der Genosse Dr. Frank- Mannheim sprach, ist der Wahlkampf im Kreise Bochum , der aller Voraussicht nach ein sehr erbitterter sein wird, eingeleitet. Da stundenlang vorher die räumlichen Hallen des Saales schon gefüllt waren, so mußte eine Nebenversammlung unter freiem Himmel arrangiert werden, in der zunächst Genosse Scheibe und dann später Genosse Frank referierte. »* • Neue ReichstagSkandidatur in Lübeck . Das Zentrum, die Land- bündler und die Antisemiten, alles kleine Grüppchen in Lübeck , stellten gemeinsam als Kandidaten den gegenwärtigen Reichstags- abgeordneten„Gewerkschaftschristen" Franz Behrens auf. Nun- mehr stehen sich in Lübeck gegenüber S ch w a r tz(Sog.), Klein (liberal-reaktionärer Mischmasch und Reichsverband) und Behrens. potttiscke(leberNckt. Berlin / den 23. November 1911. Das Wahlcommnnique der bayerischen Regierung. Die bayerische Regierung hat, um den Verdrehungen der Zentrumspresse und der geistlichen Zentrumsagitatoren ent- gegenzuwirken, zu dem ungewöhnlichen Mittel der Veröffent- lichung einer offiziellen Regierungsmitteilung, eines Wahl- communiqu6, gegriffen, in dem nochmals die Gründe und Vor- gänge dargelegt werden, die die Podewilssche Regierung zur Auflösung der bayerischen Abgeordnetenkammer und zur An» setzung von Neuwahlen bestimmt haben. In dieser von der Korrespondenz Hoffmann, dem offiziösen Mitteilungsorgan der bayerischen Regierung, und von dem Wolffschen Tele- graphenburean weiterverbreiteten Tarstellung heißt es: „Ueber die Gründe, welche zur Auflösung deS Landtags geführt haben, sind in der Oeffentlichkeit vielfach unzutreffende, je nach dem Parteistandpunkt voneinander abweichende Darstellungen gegeben worden. Das Gleich? gilt von dem an das Staats- Ministerium gerichteten Allerhöchsten Handschreiben vom 10. No- vember des laufenden JahreS. Es besteht deshalb Veranlassung, den Sachverhalt in beiden Richtungen nachstehend klarzustellen. Der Grund der Auflösung des Landtags lag auSschlie-ßlich in der Triläru ng bei A bg« c r'd- neten D r. Pichler, in dem daraufhin gefaxten Beschlüsse des Finanzausschusses vom S. unb�in der namens der Mehrheitspartei in der Plenär- sitzungderKammerderAbgeordnetenvomll. No» vember abgegebenen Erklärug des Abgeord- neten Lerno. Die Mehrheit der Abgeordnetenkammer hat damit hinsichtlich der Finanzausschußverhandlungen gegenüber dem hierzu besonders eingeladenen Verkehrsminister, wie sich die Presse ausdrückte,„vom HauSrechte deS Landtags Gebrauch ge- macht". Ein solches Recht st ehtdemLandtaggegenüber einem Minister nicht zu. Der Landtag hat die ver- sassuii©»mäßige Verpflichtung, mit den von der Krone bestellten Miwistern zu verhandeln. Er darf eS nicht ablehne», mit eincnr Minister, fei es im Plenum, fei eS in einem Ausschusse, in Bc- raiung zu treten. Bei dem Vorgehen der Mehrheitspartei handelt eS sich nicht mehr um eine im Ermessen des Parlaments liegende Anwendung der Geschäftsordnung. Die Stellungnahme der Mehr- heitSpartei kann vielmehr nur als Abbruch der Berhandlunaci, im Finanzausschüsse mit dem Verkehrsmimster auf unbestimmt: Zeit aufgefaßt werden. Hiernach wollte die Zentrumsfraktion die Verhandlungen im Finanzausschusse mit dem Verkehrsmimster erst dann wieder aufnehmen, wenn die EtaatSregierung sich zu einer Erklärung verstanden haben würde, die ihr zumal noch dem für den Verkehrsmimster schwer verletzenden Vorgang im Finanz- auSschusse vom 8. November nicht angesonnen werden konnte. Die Verhältnisse lagen mithin so, daß die Mehrheitspartei die Fortsetzung der Finangausschußverhandlungen mit dem Verkehr?. minister bis zur Erfüllung einer Bedingung verweigerte, die von vornherein als unerfüllbar angesehen werden mutzte. So wenig nach der Verfassung die Bewilligung des Budgets an eine Bedin- gung geknüpft werden kann, ebensowenig darf die Er- füllung dem Landtage von der Verfassung un» eingeschränkt auferlegten Verpflichtung, das Budget zu beraten, von einer Bedingung abhän- gig gemacht werden. Eine solche Bedingung mußte des- halb als mit der Verfassung nicht im Einklang stehend mit allem Nachdruck zurückgewiesen werden, schon um einem derartigen un- zulässigen Vorgehen nicht den Weg zu öffnen. Aus der Geschichte deS bayerischen Landtages ist kein Fall bekannt, in dem ein solches parlamentarisches Kampfmittel angewendet worden wäre, selbst in Zeiten, in denen die politischen Gegensätze zwischen der Ne- gierung und der Volksvertretung aufs höchste gesteigert waren, wurde zu diesem Mittel nicht gegriffen. Die StaatSregierung. die sich ihrer vollen Verantwortung wohl bewußt war, hat die gewich- tigen Bedenken, die gegen die Auflösung des Landtages sprachen. reiflich erwogen, sie hat sich nur schwer und erst dann zu diesem Schritte entschloffen, als nach der Erklärung des Abgeordneten Lerno vom 11. November eine Verständigung und damit citie ge- deihliche Fortführung der Geschäfte ausgeschlossen erscheinen mußte. Die Wahrung der StaatSautorität, die Wahrung der ver- fassungsmäßigen Stellung und Rechte der Staatsregierung zwan- gen die StaatSregierung, daS einzige Mittel zu ergreifen, das die Verfassung dem Parlament gegenüber solche Falle an die Hand gibt. Von irgendeiner politischen Parteiströmung war die Staats- regierung bei ihrer Entscheidung in keiner Weise beeinflußt. Die notwendig gewordene Auflösung des Landtages steht demnach keineswegs, wie dies in der Oeffentlichkeit behauptet worden, m i t der angeblich geänderten Stellung der Regie- rung zur Sozialdemokratie in Zusammenhang. In der Beurteilung der Bestrebungen dieser Partei geht vielmehr die StaatSregierung selb st ver st änd- lich nach wie vor mit der überwiegenden Mehr- heit der Volksvertretung und des bayerische, i Volkes pflichtgemäß Hand in Hand,