Einzelbild herunterladen
 

Nr. 276. 28. Jahrgang.

Der Krieg.

1. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sonabend, 25. November 1911.

gesichert, eine hohe Bürgereidgebühr und ein elendes Klassenwahl­system verbürgen ihm die politische Macht. Nichtsdestoweniger werden unsere bremischen Genossen nichts unversucht lassen, den Wird es ernst mit der italienischen Flottenaktion? Ichten sozialdemokratischen Wähler auf die Beine zu bringen. Wien , 24. November. Der Konstantinopeler Korrespondent Am ersten Wahltage haben unsere Genossen das Mandat des der Neuen Freien Breffe" telegraphiert folgendes: Entgegen den Hastadter Bezirks, in dem Genosse Henke kandidierte, mit 269 hier verbreiteten Gerüchten wird mir von unterrichteter Seite Stimmen Majorität wiedererobert. In den übrigen fünf Bezirken versichert, daß Desterreich- Ungarn feinerlei italienische Ankündi- bleibt es wie bisher bei der bürgerlichen Vertretung. Die Wahlen gungen betr. eine Flottenaktion im Aegäischen Meer erhalten werden noch bis zum 29. d. M. fortgesetzt.

hat. Immerhin sei es möglich, fogar wahrscheinlich, daß Bei den Gemeinderatswahlen in Bayreuth wurden nach den die italienische Flotte bie türkische Küste anbisherigen Ergebnissen sieben Sozialdemokraten und Saloniti fommt aber faum in Frage. Für zwölf Liberale gewählt.

greifen werde.

wahrscheinlich gilt hier eine bloße Blokade der Darda­

nellen ohne Landungsversuch, was mit der Blokade Süd- Bei den Stadtverordnetenwahlen in Coswig ( Anhalt ) siegte rußlands gleichbedeutend wäre. Zu einer Friedens. am Freitag die sozialdemokratische Liste mit 714 bis 954 Stimmen. bermittelung sei derzeit feine Aussicht. Auf die bürgerliche Liste fielen 208 bis 235 Stimmen. Der Ge­Saloniti, 24. November. Der Kriegsminister teilte dem Armee - meinderat seht sich wieder, wie seit 1907, zusammen aus 12 Go­inspekteur Hadi Bascha mit, daß nach den Informationen der Re- 3ialdemokraten, sechs Bürgerlichen und 3 Magistratsmit­gierung die verschärfte Flottenaktion nunmehr beginnen dürfte. Der gliedern. Wegen Aussichtslosigkeit auf Erfolg wurde von den In­Bachdienst wurde verschärft. Die Truppenfendungen nach Callidike dustriellen, die den Wahlausschuß bildeten, Wahlenthaltung pro­werden fortgesetzt. Ebenso geht unausgesezt Kriegsmaterial ab. flamiert, allerdings ohne Erfolg. Aus Monastir sind zwei Jägerbataillone eingetroffen.

Ronftantinopel, 24. November. Am 26. November wird Italien den Beginn der Blokade der Dardanellen erklären. Der Großwefir und die Minister hielten gestern eine Beratung ab. Während der Beratung erschienen der österreichische und der russische Botschafter auf der Pforte. Der russische Botschafter bestätigte die Absicht Italiens , über die Dardanellen die Blokade zu berhängen. Ueber das Verhalten der nach der Türkei am meisten an den Dardanellen interessierten Macht, nämlich Ruß­ lands , zu diesem Vorgehen Jtaliens äußerte sich der Botschafter

ausweichend.

Konstantinopel , 24. November. Wie Jfdam meldet, hat die forte nach dem gestrigen Ministerrat ihre Botschafter im Auslande beauftragt, den Mächten mitzuteilen, daß die Regelung der Tripolisfrage von der Anerkennung der effettiven Souveränitätsrechte der Türkei in Tripolis ab­hänge; die Pforte werde die nötigen Maßnahmen gegen jeden An­

griff Italiens auf die türkischen Küsten ergreifen.

London , 24. November. Jm Unterhause richtete Symes an die Regierung die Anfrage, ob ihr Italien irgend eine Mitteilung gemacht habe, daß es die Dardanellen zu blodieren gedente. Barlamentsuntersekretär Acland verneinte die Anfrage.

Die Revolution in China .

Verstärkung der Gesandtschaftswachen. Beling, 24. November. Die Gesandten der fremden Mächte haben sich in einer Besprechung dahin geeinigt, daß es ratsam sei, die Gesandtschaftswachen zu verstärken. Die Stärke der einzelnen Wachen soll bis zu 300 Mann betragen.

Ermordung eines französischen Missionars.

Bei der am Freitag beendeten Stadtverordnetenwahl in Weißenfels wurden von unseren Genossen sechs Mandate erobert. Die Gegner erhielten 990, die Sozialdemokraten 1391 Stimmen. Mit diesem Siege hat die Sozialdemokratie auf dem Weißenfelser Nathause zehn Size inne.

Redakteurfreuden.

Soziales.

Bewußte Täuschung der Gewerbeinspektion durch Unternehmer. Vor einiger Zeit brachte das Hamburger Echo" eine Notiz über den Besuch des Gewerbeinspektors bei der Firma Körner ( Metallwarenfabrik) G. m. b. S. in Stroffen a. d. Oder, ein Filial­betrieb der Firma Gebr. Krüger A.-G. in Köpenick . Bei der Ne­vision des Betriebes in Krossen durch den Gewerbeinspektor mußte ein Schleifer seine Maschine außer Betrieb sehen, damit der Auf­fichtsbeamte in den Glauben versest wurde, daß diese Schleif­maschine, an der die vorgeschriebene Abzugsvorrichtung fehlt, nicht benutzt wird. Auf diese Notiz hin fand am 13. November eine nochmalige Revision statt. Der Meister ordnete auch in diesem alle wieder an, daß die Schleifmaschine außer Betrieb gefekt und der Arbeiter während der Revision das Klosett aufsuchen mußte. Der Arbeiter weigerte sich, diesem Ersuchen nachzukommen. Er mußte sich aber schließlich unter der Androhung der Ente laffung den Anordnungen fügen und die Schleifmaschine wurde außer Betrieb gesetzt. Damit nicht genug. Bei der Revision der Bestoßerei( Abteilung, in der der Metallguß geputzt wird) fragte der Gewerbeinspektor im Beisein des Direktors Bräuer die Ar­beiter, wie denn der zur Absaugung des Staubes angebrachte Er­haustor funktioniere. Aus Furcht, daß es ihnen genau so gehen würde, wie dem Heizer, der nach 15jähriger Tätigkeit entlassen wurde, weil er dem Gewerbeinspektor wahrheitsgemäß Auskunft gegeben hatte, antworteten die Arbeiter, der Exhaustor funktioniere gut. Fest steht, daß dieser Exhaustor überhaupt nicht funktioniert und noch nie funktioniert hat. Der Direktor Bräuer weiß das. Bräuer hat die Frage des Gewerbeinspektors und auch die Antwort der Arbeiter gehört, er wußte, daß die Arbeiter die Unwahrheit sagten, und ließ es geschehen, daß der Aufsichtsbeamte angelogen wurde. Dem Gewerbeinspektor ist von diesem Sachverhalt Mit­teilung gemacht. Man darf gespannt sein, welche gerichtlichen Schritte gegen den Schuldigen eingeleitet werden.

Streifarbeit ist sittenwidrig.

Am Donnerstag hat Genosse Be bold von der Tribüne" in Erfurt eine viermonatige Gefängnisstrafe ange­treten. Ein Monat davon entfällt auf eine Verurteilung, die sich Behold auf Grund des§ 153 der Gewerbeordnung zuzog, während die anderen drei Monate wegen angeblicher Beleidigung der Er­Ursache beider Bestrafungen ist auf angebliche Beleidigung von Ar- arbeiter F. auf 21,60 Mr. Schadenersab. furter Strafkammer über ihn verhängt wurden. Die eigentliche Der Steindruckereibefizer Schlesinger flagte gegen den Hilfs beitswilligen zurückzuführen, die ihrerseits wieder erst durch be- auf§ 124b der Gewerbeordnung, wonach die Arbeitgeber für den Die Klage stüßt sich fondere Vorladung zur Stellung eines Strafantrages veranlaßt wurden; sie selbst fühlten sich vorher durch das Er- Fall des Kontraktbruchs des Arbeiters den ortsüblichen Tagelohn scheinen der Notizen nicht teleidigt. Dem Genossen Behold wurde für eine Woche als Schadenersatz fordern kann, ohne dabei an den Nachweis des Schadens gebunden zu sein. von vornherein Selbstbeschäftigung gewährt.

Totenliste der Partei.

Nach

Auch eine Luftbarkeit."

Der Beklagte erhob Widerklage wegen 7,60 Mk. rückständigen Lohnes und machte geltend, daß er mit Recht die Arbeit verlassen hätte, weil er, obwohl er nur Hilfsarbeiter sei, die Arbeit der aus­Hermann Stolpe+. Wieder hat der Schnitter Tod einen von ständigen Steindrucker machen sollte. Das Gewerbegericht erklärte den Alten aus der Zeit des Sozialistengefeßes dahingerafft. Am die Verweigerung der Streifarbeit für durchaus berechtigt. Da Mittwoch starb in Görlig der Parteisekretär für den Görliger der Beklagte aber nicht die ihm zugemutete Streifarbeit zurück­Agitationsbezirt, Genosse Hermann Stolpe im Alter von gewiesen, sondern kurzerhand das Arbeitsverhältnis fristlos gelöst 53 Jahren an den Folgen eines Leberleidens. Von Beruf Tischler, habe, so liege allerdings Kontraktbruch vor. Beklagter wurde ber­hatte Genoffe Stolpe schon frühzeitig die hohe Bedeutung des So- urteilt an den Kläger die Entschädigung zu zahlen, während dieser zialismus erkannt. Er gehörte mit zu denen, die auch unter der an den Beklagten und Widerkläger den rückständigen Lohn mit Bismardschen Verfolgungsära immer an erster Stelle zu finden 7,60 mt. herauszahlen muß. bis auch ihn das Schidsal der Ausweisung erreichte. waren, wenn es galt, wichtige Parteiarbeiten zu berrichten, feiner Rückkehr aus der Schweiz nach Deutschland suchte er In Breslau veranstaltet gegenwärtig die Deutsche Gesellschaft fich als fleiner Handwerksmeister in den verschiedensten Drten der zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten eine Ausstellung, um Provinz Schlesien niederzulassen. Aber nirgends gelang es ihm, fic in weite Boltstreise Aufklärung über die außerordentlich hohen eine Eristenz zu gründen, weil ihm, dem überzeugungstreuen Sozia Ansteckungsgefahren der Geschlechtskrankheiten und ihrer verderb listen, die Kundschaft immer wieder abgetrieben wurde. Als dann lichen Folgen zu verbreiten. Jekt find die Veranstalter der Aus­die Bezirksfefretariate geschaffen wurden, da konnten die Görliger lichen Folgen zu verbreiten. Jekt find die Veranstalter der Aus­Genoffen feinen befferen finden, der diesem Bosten gewachsen war. Unter stellung man lache nicht zur Austbarkeitssteue= feiner Leitung gelang es, Drganisationen in den entferntesten Winkeln herangezogen worden, obwohl der Magistrat die wohltätige und zu gründen und die Agitation planmäßig zu betreiben. Dbgleich gemeinnüßige Veranstaltung" mit 300 Mark aus dem Stadtsädel er trotz seiner robusten Figur nicht der Gesundeste war, widmete er unterstützen will. Nach einer für Breslau bestehenden Lustbarkeits­fich mit Eifer der Agitation. Und noch vor 14 Tagen, als die steuerordnung sind alle Veranstaltungen, bei denen ein höheres und Görlizer Genoffen ihren so überaus glänzenden Stadtverordneten wissenschaftliches Interesse bortvaltet, von der Lustbarkeitssteuer Wahlsieg feststellen konnten, sprach Stolpe als einer ber neu befreit. Ein wissenschaftliches und höheres Interesse scheint hier gewählten Stadtverordneten den Görlizer Genoffen in begeisternden Worten feinen und der anderen Neugewählten Dant aus. Genosse also nach Ansicht des Magistrats nicht vorzuliegen. Stolpe war auch Reichstagslandidat für deu Wahlkreis Grünberg . Freistabt; 1907 stand er der mit den Konservativen in der Am Donnerstag haben die Wahlen aur halbschichtigen Er- Stichwahl. Die schlesischen Parteigenoffen trauern mit den Genossen neuerung des bremischen Achttíaffenparlamente be- in Görlig um den Verlust eines der besten, der in gawes Leben gonnen. Die Wahl der Bürgerschaftsmitglieder erfolgt auf sechs in den Dienst der Partei stellte. Jahre. In dreijährigen Perioden scheidet die Hälfte der Vertreter Gegen den Ansturm der Sozialdemokratie hat sich der han­seatische Liberalismus durch die Errichtung eines Stachelzauns"

London , 24. November. Daily Telegraph " meldet aus Sanghai: Nachrichten aus chinesischer Quelle besagen, daß ein franzöfifcher Priester im Süden Chinas ermordet worden ist. Einzelheiten fehlen.

Aus der Partei.

Kommunalwahlfiege.

Die Stadtverordnetenwahlen in Schweibniz brachten unseren Genoffen einen schönen Erfolg. Ihre Stimmenzahl stieg von 246 im Jahre 1909 auf über 500 bei der diesmaligen Wahl. Zwei Sozialdemokraten kommen in eine aussichtsvolle Stichwahl.

aus.

Kleines feuilleton.

Hugo von Tschudi , der Organisator der Nationalgalerie, ist im 61. Lebensjahre in einem Sanatorium bei Cannstatt gestorben. Die Kunde wird manchem überraschend kommen, denn die frische, zugreifende Tätigkeit, die Tichudi in München entfaltete, ließ an alles andere, denn ans Sterben denken. Und doch war er seit langem schon am Lupus leidend; in den letzten Wochen machte die Krankheit schnelle Fortschritte und warf ihn aufs Bett. Eine Herzschwäche bereitete ihm den Tod.

-

Drei Tage zuvor starb in Görlls der Genoffe Karl am Ende, Expedient unieres dortigen Bruderblattes im Alter von 48 Jahren an der Proletarierkrankheit. Am Ende war ebenso wie Genosse Stolpe erst vor 14 Tagen zum Stadtverordneten gewählt.

-

Gerichts- Zeitung.

Die Lichtenrader Erprefer- Affäre hatte gestern ihr gerichtliches Nachspiel vor der 2. Straffammer des Landgerichts II unter Vorsiz des Landgerichtsrats v. d. Hagen . Wegen versuchter Erpressung durch anonyme Briefe, die gleich zeitig eine Bedrohung mit einem Verbrechen enthalten, sind der Schuhmachermeister Theodor Kempen und dessen Ehefrau aus Lichy­

Die

Wenn man den Spielplan der Berliner Bühnen für diese Woche mustert, wird man diesen Klagen nur zuviel Recht zugestehen müssen. Die obstursten Vereine haben Kränze an Kleists Grab niedergelegt, die Familie hat etwas spät ihren deklassiertesten Sohn für ihren größten erklärt, Kleist- Feiern und Reden und nicht zu vergessen Kleist- Artikel fielen wie ein Landregen hernieder. Aber von unseren Theatern gedachte nur das Deutsche ( Benthefilea), das Charlotten burger Schiller- Theater( Käthchen) und das Königliche Schauspiel­haus des größten und gänzlich tantiemefreien preußischen Dramatiters. In allen anderen, auch in denen mit dem literarischen Aushänge­schild und in den volkstümlichen machte sich die Forderung des Tages breit: das Repertoireſtück( zumeist die Bosse). Herr Brahm, der angeblich das beste Buch über kleift geschrieben hat, fand im Lessing - Theater kein Asyl für seinen Helden, begeisterte sich aber für ein Kleist- Dentmal. Das Kgl. Schauspielhaus hat zur Benthefilea" und zum Prinz bon Homburg", die sie bereits im Repertoire hat, am Donnerstag wenigstens noch das grandiose Guiskard- Fragment hinzugefügt und den Berbrochenen Strug" wieder hervorgeholt. Die Kleistbüsten­eine neue war zwischen Goethe und Schiller hinzugekommen waren bekränzt und es wurde eine angemessene Darstellung geboten. Aber es war feine Feststimmung im Hause. In diesem Hoftheater, in dem

Wilhelm Jensen ist am Freitag in München gestorben. Er Dichter und Dramatiker, erhoben. Aber als guter Kenner der Wirk gehörte nicht zu den Dichtern, in deren Schaffen dem sozialen Geist lichkeit hatte er hinzugefügt: Unsere Theater werden flüchtig, soweit dieser Zeit freie Bahn gegeben ist. Wohl kaum einer seiner Ro- die Kasse und der Spielplan es verstatten, seiner gedenken. mane mag den Arbeiterlesern vertraut geworden sein. Jensen, ein Kunst ist bei uns Deutschen keine öffentliche Angelegenheit. Sie wird engerer Landsmann von Theodor Storm , Detlev Liliencron und lediglich geduldet, kaum oder schlecht geschü¸t." selaus Groth, war am 15. Februar 1837 zu Heiligenhafen ( Holstein) geboren. Er gedachte sich zum Medizinmann und Naturforscher vorzubereiten. Allein der Dichter in ihm war der Stärkere. Nun famen literarische Lehr- und Wanderjahre. In Stuttgart sprang Jensen auch auf den Seffel des Zeitungsredakteurs. Das Blatt, dem er sich verschrieben hatte, sollte in großdeutscher, richtiger groß preußischer Politik machen; es stand also offenbar im Sold des welfischen Reptilienfonds. Jensen brachte nur eben bloß die ver­Eine blöde Heze, an der der Generaldirektor unserer Museen, schwommene großdeutsche Phrase mit, das heißt, er fühlte sich als Bode, Tichudis Konkurrent, nicht unbeteiligt war, hat Tichudi vor neupreußischer Patriot, ein Gebaren, das ihm rasch die Gegner. zwei Jahren aus Berlin vertrieben. Die Dinge sind noch frisch in schaft der schwäbischen Demokratie auf den Hals lud. Es dauerte Erinnerung, und es mutet daher schamlos an, daß der Lokal- Anz.", nicht lange, und er lag in einer heftigen Preßfehde. Wahrheits­eben das widerliche Reptil, das Tschudi aus dem offiziösen Hinter- gemäß war von einem Blatte behauptet worden, daß im preußischen halt begeiferte, heute den Verstorbenen feiert und sein eigenes Buben- Heer die Soldaten geprügelt werden. Jensen bestritt das und ftüd züchtig verschiveigt. nannte den betreffenden Redakteur einen Lügner. Dafür kriegte In Berlin wurzelt Tschudis Werk. Mit 31 Jahren war er als er vier Tage Festung auf dem Hohenasperg . Dann war er Assistent an die Berliner Mujeen gekommen.( Er war als Sohn einige Jahre Redakteur in Flensburg . Hernach verlebte er über eines Schweizer Naturforschers in Niederösterreich geboren und hatte ein Dußend Jahre in Kiel und Freiburg i. B., die längste Beit in nach beendigtem Studium Reisen in ganz Europa unternommen.) München . 1896 wurde er ziemlich unvermutet Direktor der National Wilhelm Jensen hat erstaunlich viel geschrieben: an die 160 galerie. Und hier fand er, der mehr Stenner und Organisator denn Bücher. Man hat ihm die Fähigkeit, sich überall, wo er lebte, hei­Gelehrter war, sein Arbeitsfeld. Aus einem Sammeljurium von misch zu fühlen und das Geschaute in Novellen und Romanen nie­Mittelmäßigkeiten gestaltete er im Laufe der Jahre eine moderne derzulegen, zum Vorwurf gemacht. In der Tat spielen diese teils in das Volk nicht verkehrt, herrscht die beschränkte Galerie, die ein Bild der deutschen Malerei des vergangenen Jahr- Holstein, teils in Baden, Italien , Bayern und anderwärts. Luv sphäre. Keine Begeisterung, kein lauter Beifall kommt auf. Die hunderts geben fonnte. Vor allem brachte er Menzel, den einzigen und lee" gilt mit Recht als eine der tiefsten und reifsten Schöpfun- Hoflogen waren gänzlich leer. Die jüdische Gesellschaft, von der großen preußischen Maler, zu Ehren. Dann aber auch Böcklin , gen der nachklassischen Dichtung. Seine Muſe tummelt sich am Kleist schreibt, daß sie ihm noch am liebsten wäre, wenn sie nur Leibl und die Modernen: Liebermann, Klinger, Leistitow. liebsten in kleinstädtischen oder dörfischen Bezirken. Seine Men- nicht mit ihrer Bildung so pretiös täte, schien kaum vertreten. In der Jahrhundertausstellung von 1906 gab er ein Resumé seiner schen sind weniger realistisch geschaut als mit träumender Seele Ein paar Kadetten, einige Offiziere, denen Kleist aus seiner Bots­Bestrebungen, die zum Teil vergessenen Vorläufer moderner Malerei erfaßt. Er ist ein feiner Stimmungspoet und Landschaftsschilderer, damer Zeit her noch immer den Steckbrief hätte anheften aus dem Beginn und der Mitte des 19. Jahrhunderts in ihrer aleich Storm. Diese Art spiegelt sich auch in seiner Lyrik. Als können, höhere Töchter und ledernes Mittelgut, bas zur historischen und fünstlerischen Bedeutung ans Licht zu bringen. Die Dramatiker fehlt Jensen der Nerb; doch ist er einmal in Freiburg Kenntnisnahme fommt das war das Stleistpublikum. Gamaschenmaler, die für sich als die allein echten preußischen anläßlich der Aufführung seiner historischen Tragödie: Der Kampf vor ihm spielte man des Toten fühnstes, genialites Wert, womit Künstler die Nationalgalerie beanspruchten, fühlten sich durch diese fürs Reich" mit einer regelrechten Stazenmusit von katholischen er Goethe den Kranz von der Stirne reißen wollte, den in feiner nationale Tat bedroht und begannen zu intrigieren. Daß Tichudi Studenten und Gefellenvereinen bedankt worden. Jensen war eben Berstümmelung noch so grandiosen Guiskard. Kleist hat die auch die große ausländische, besonders die französische Kunst heranzog Freidenker, Hädelianer; überhaupt ein steifnadiger Friese, Feind Tragödie selbst vernichtet, in der sich nach Wielands Aeußerung die ( Manet , Monet , Cézanne ), wurde als Vorwand benutzt, um ihn zu aller Streberei, jedes Hochmuts, aller Renommiersucht und Thran- Geister des Aeschylus , Sophokles und Shakespeares vereinigten. verdrängen. Als ob ein Museum deutscher Kunst im internationalſten neitrozdem, daß er durch die Verheiratung seiner Tochter mit Weil sie nach dreimaligem Anlauf seinem Titanendrang nicht ge­Beitalter ohne die ausländische Kunst, die zum Teil früher entwickelt einem Prinzen von Meiningen morganatischer Hof- Schwiegervater nügte. Was uns geblieben, zeigt die Prante des Löwen. Der und wegweisend war, denkbar wäre! großen Vollsszene, die wie ein Meer schwillt und ebbt, dem Kampf Theater. des Helden mit der Best, die in seinen Gliedern wütet, hat das deutsche Drama kaum etwas an die Seite zu stellen. Würdig und Königliches Schauspielhaus: Kleistabend. groß gestalteten die Herren Kraußned und Ledebur( ein Unsere Schaubühnen müßten eine Woche lang nichts anderes als neuer Mann) Armin, den Sprecher des Volkes, und Guiskard, den leist spielen, und zwar von Staatswegen und ohne Eintritt zu er- totumwitterten Reden. Die Regie des Herrn Lindau entfesselte heben, für das ganze Volt foſtenlos". Diese utopistische Forderung nicht die ganze Aktivität ber brandenden Masse, aber sie wer hatte zum kleift- Gedenktag Herbert Eulenberg , auch ein deutscher geschit.

Tichudi ging nach München , wo er die Zeitung der bayerischen Staatsgalerien übernahm. Er hat in der furzen Spanne, die ihm hier vergönnt war, belebend und anregend gewirkt. Die alte Binakothek hat er neugeordnet und tros bescheidener Mittel in vielem bereichert und ergänzt. Leider hat er sein Hauptziel, den Münchenern auch ein wirkliches Museum moderner Malerei zu schaffen, nicht vollenden können.

geworden war.

-

Untertanenatmo­