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fein wurde. Der Engpaß der Dardanellen fei keine ausschließlich türkische Verbindung, fondern eine Schiffahrtsstraße des Welt- Verkehrs, die niemand absperren dürfe. Konftantinopel, 25. November. Nach amtlichen Meldungen kreuzt die italienische Flotte in den Gewässern von ChioS . Konftantinopel, 25. November. Die Regierung trifft eifrig Maß- nahmen zur Verteidigung der bedrohten Punkte. Wie verlautet, find nach Smyrna und Dedeaghatsch Maschinengewehre entsendet worden. Die christliche Bevöllerung auf Chios exerziert täglich einige Stunden. Eine größere Truppenkonzentration erfolgte in Gallipoli. Oesterreich und Rußland gegen die Flotteuaktion. Wien , 25. November. Die angekündigte Aktion gegen die Dar- danellen wird hier mit großem Mißbehagen aufgenommen. In der Presse wird verlangt, daß Graf Aehrenthal sofort einen entschiedenen Vorstoß unternehme. Das österreichische Aus- wältige Amt wird sich aber so lange jeder Kundgebunng enthalten, als nicht die Italiener ihre Absichten hier notifizieren oder durch Handlunge» unzweifelhaft nachweisen sollten, daß sie eine Beschießung der Dardanellen beabsichtigen. In diesem Falle dürste Oesterreich sofort Schritte unternehmen, die sich jedoch zunächst in den Grenzen halten werden, die durch das bundesfreundliche Verhältnis zu Italien gegeben sind. Der Schritt werd jedoch keinen Zweifel über die Ab- sichten Oesterreichs lassen. Paris . 25. November. Der Agenee HavaS wird aus PeterS- bürg gemeldet: ES bestätigt sich, daß die russische Regierung in der Frage der Respektierung des Grundsatzes der Neutralität der D a r d a n e l l e n an die Mächte herangetreten ist; sie stützt sich dabei auf den betreffenden Artikel des Londoner Vertrages vom 13. März 1871. Ein österreichisches Schiff von Italiener » beschossen. Wien . 25. November. Die.Neue Freie Presse* meldet über eine angebliche Beschießung des österreichischen Dampfer«.Martha Washington * aus Trieft: Der Kapitän derMartha Washington * teilte nach seiner Ankunft in Palermo einem Journalisten mit. daß sein Schiff nach der Abfahrt von PatraS westlich vom Kap PeloponneS zwischen den Inseln Zante und Kephalonia von einem italienischen Geschwader, bestehend auS 15 bis 20 großen Schiffen, welche nach Süd- osten fuhren, angehalten wurde. Die Schiffe richteten ihre Schein- Werfer auf dieMartha Washington *. Einige Schüsse, welche an dem Bug derMartha Washington " vorbeigeschosien wurden, gaben dem Danipfer das Signal zum Halte». Nach einem kurzen Verhör, woher das Schiff komme und wohin eS fahre, wurde derMartha Washington * die Erlaubnis erteilt, weiter zu fahren. Das italienische Geschwader entfernte sich dann schnell. An Bord derMartha Washington " befanden sich 1500 Passagiere, darunter 400 Kajüten- Passagiere. Die Lage in Tripolis . Tripolis , 25. November. (Meldung der Sgenzia Stefans). Auf der Ostseite der italienischen Front wurden gestern in geringer Entfernung starke Abteilungen von Türken und Arabern gesichtet, es entspann sich ein l e b h a f t e S F e u e r g e f e ch t, das den ganzen Tag über anhielt. Da um 3 Uhr der Wind nachgelassen halte, konnte ein Fesselballon aufsteigen und das KriegsschiffCarlo Alberto * nahm daS Feuer gegen die Oase wieder auf. Gegen 7 Uhr abends machte eine feindliche Abteilung auf die italienische Linie ungefähr in südlicher Richtung von Fort Hamidie einen Angriff, anscheinend in der Absicht, die italienischen Stacheldrähte zu beseitigen, wurde aber zerstreut. Durch Aeroplane wurde festgestellt, daß die Lage des Feindes unverändert ist. AufklärungSstretfzüge, die italienische Truppen im Süden in der Wüste vornahmen, ergaben, daß sich dort kein Feind befand. Fast sämtliche' Feinde scheinen in der Oase und in Ainzara konzentriert zu sein. Kleinere Gruppen Araber gehen zu den Italienern über. Das Schiff.Casstopea " ist heute von einer AufklärungSfahrt an der westlichen Küste zurückgekehrt und Hai eine verdächtige griechische Barke mit eingebracht. Die Lage in H o m s ist unverändert. Europas Schande in Tripolis . Der alte Vorkämpfer der Friedensbewegung SB. T. Stead t gibt in denDaily News* eine Kennzeichnung der englischen Diplo- matie in ihrer Stellung zum italienischen Banditenzuge, die auch für die der übrigen Länder zutrifft. Er stellt fest, daß Sir Edw. G r e y. der, unbekümmert um alle liberalen Grundsätze, im libe. ralen Kabinett das unsaubere Ressort des Auswärtigen Amtes ver- waltet, im Unterhaus hat zugestehen müssen, daß Italien den Pariser Vertrag von 1856 verletzt hat, der, von ihm mitunter. zeichnet, alle Mächte verpflichtet, keinen Streit mit der Türkei vor Anrufung der übrigen Mächte mit den Waffen auszutragen. Freilich sagte er unehrlich, weder die Türkei noch Italien hätten sich vor Beginn des Krieges an die Mächte gewandt. Aber man weiß ja,' daß die Türkei dazu nicht imstande war, weil ihr die Zeit dazu nicht gelassen wurde.«Wenn ein Raubmörder einen Mann überfällt, sagt die Behörde auch nicht, der Ueberfallene habe sich nicht vor dem Angriff an sie gewandt. Jedoch hat die Türkei , trotzdem für sie keine vertragliche Verpflichtung besteht, sich nachher um Vermittelung bemüht-- und mit welchem Erfolge? Die Schutzleute erklärten sich neutral. Sie ließen den Räuber sein Mordgeschäft vollbringen, ungestört von den europäischen Wächtern des Völkerrechts. Nach demselben Pariser Vertrage kann kein Teil des türkischen Reiches ohne Zustimmung sämtlicher Vertragsteilnehmer abgetrennt werden. Trotzdem hat keiner gegen dieAnnexion" des neuen italienisckzen Luftschlosses Protest erhoben. Wohl aber hat der bri- tische Militärattache in Tripolis sich erlaubt, beim Bankett zum Ge burtstag des Königs von Italien von derneuen italienischen Pro- vinz* zu sprechen. Wenn wir fragen, ob es wahr ist. daß die italienischen Truppen drei Tage nach dem Kampfe alle Grundsätze der Zivilisation mit Füßen traten, indem sie kalten Blutes Männer, Frauen und Kinder hinmordeten, dann sagt man unS Wir haben uns neutral erklärt und können daher unserem Militär- attach« oder Generalkonsul nicht gestatteten, zur Information des Parlaments die Tatsachen zu berichten.* Aber am selben Tage hören wir, daß unser Militärattache so wenig durch unsere Neu- tralität gebunden ist, daß er ein Stück des türkischen Reiches alsneue italienische Provinz* anerkennt. DaS ist die britische Neutralität wie Herr Grey sie auslegt. Der Schutzmann erklärt seine Neutralität zwischen dem Uebersallenen und dem Räuber und erkennt dann öffentlich des RäuberS Recht auf die gestohlene Uhr an* Die Revolution in China . Jnanschikais Haltung. Peking , 24. November. (Meldung des Reuterschen BurcauS.) I u a n s ch i k a i hat heute einigen Gesandten mitgeteilt, daß er einen Plan vorbereitet habe, nach dem er der Revolution ein Ende zu tnachen hoffe: ein weiteres Kämpfen wolle er nicht erlauben. Als ein Gesandter nach der Art des Planes fragte, antwortete Juanichi- kai, er könne ihn nicht enthüllen, weil eS nicht sicher sei, ob«r Er- folg haben werde. Nach Berichten auS Hankau haben die Kaiserlichen den Han- fluß überschritten, die Revolutionäre heftig angegriffen und daS Fort auf dem Schildkrötenhügel besetzt. Schantung hat seine Un- abhängigkeitSerklärung widerrufen. Peking , 24. November. (Meldung der Petersburger Telegraphen- Agentur.) Hier geht das Gerücht, daß I u a n s ch i k a i in den nächsten Tagen nach Tientsin abreisen werde. Die Folge davon werde möglicherweise sein, daß der kaiserliche Hof eking verlasse. Schanghai , 24. November. (Meldung deS Reuterschen Bureaus.) Die Revolutionäre, die jüngst in H a n k a u wieder eine feste Stellung gewonnen hatten, haben sich neuerdings nach Hanyang zu- rückgezogen. Obwohl sie einerseits ihre Bereitwilligkeit ausgedrückt haben, über die künftige Regierung des Landes mit Juanschikai zu verhandeln, beharren sie andererseits dabei, daß die Errichtung d e r R e p u b l i k das einzige Mittel sei, einen endlosen Kampf ab- zuwenden. Die fremdenfeindliche Bewegung. London , 26. November.Times* berichten aus Peking : Unter den englischen Angestellten der GrubengesellschaftPeking Syndikat' herrscht lebhaste Unruhe. Sie haben eine Petition an die Regierung gerichtet und um die Entsendung von 150 Mann britischer Truppen zum Schutze gebeten, da sie kein Vertrauen zu den chine­sischen Kulis hätten und auch Zweifel in die Ergebenheit der chine- fischen Soldaten setzten, welche mit dem Schutze der Grube beauf- tragt sind. ES ist im Augenblick unmöglich, dieser Forderung Rech- nung zu tragen, jedoch ist man der festen Ueberzeugung, daß die Regierung alle notwendigen Maßregeln treffen wird, die in ihrer Macht stehen, um daS Leben und Eigentum der Fremden zu schützen. London , 25. November. Aus Peking wird berichtet, daß die Bewegung gegen die Fremden täglich im Wachsen be- griffen ist. Das Piratenwesen greift ebenfalls immer mehr um sich und eine Intervention der Mächte erscheint nun- mehr unvermeidlich zu sein. Man befürchtet jedoch, daß bei einem Eingreifen der letzteren die chinesische Bevölkerung zu Massenmorden der Europäer übergehen werde. Man glaubt, daß augenblicklich Unterhandlungen zwecks einer gemeinschaftlichen Aktion zwischen den Mächten stattfinden. Hus Induftric und F)andcU Opfer des Kapitalismus . Unaufhaltbar verschlingen die kapitalistischen Großbetriebe die noch vorhandenen kleinen unabhängigen Existetigen. In den meisten Fällen vollzieht sich dieser Prozeß in unnrerklicher Weise; Hand- werker und kleine Unternehmer wohnen zu weit auseinander, als daß ihr Verschwinden in den proletarischen Volksschichten anders als durch die Zahlen der Statistik augenfällig wird. Manchmal jedoch, und zwar dort, wo noch eine größere Zahl kleiner selb- ständiger Unternehmer zusamimemvohnt, tritt der kapitalistische Großbetrieb wie ein Erdbeben auf. das die Wirtschaft taufender Menschen wie auf einen Schlag vernichtet. Etwas Aehnliches findet augenblicklich in Schottland statt. Die schottische He- ringsfischerei lag bisher in den Händen von etwa 38 000 Fischevn, die ihre eigenen Segelboote besitzen. Diese Leute stehen nun vor einer K a ta str op he. Der Kapitalismus ist in ihr Gebiet eingefallen und bekämpft die kleinen Segelboote mit großen Dampfschiffen. Schon hat er große Verheerungen angerichtet; die Fischerdörfer entleeren sich, die jungen Leute wandern aus, die Frauen der älteren miiffe» außerhalb des Hauses Arbeit suchen, um die Familien vor dem Verhungern zu schützen. Unter dem Ein- druck ihrer hilflosen Lage kamen vor einigen Tagen 1200 schottische Fischer in der SeemannSkapelle zu Great Uarmouth(England) zu- sammen, um gemeinschaftlich die Regierung zu bitten, ihnen in lhrer Not beizustehen. In einer einstimmig angenommenen Reso- lution verlangten sie.von der Negierung Staatsdarlehon, mit denen sie Motorboote oder Dampfboote kaufen könnten, die es ihnen ermöglichen würden, ihre so hoch geschätzte Unabhängigkeit zu bewahren. Recht ergreifend waren die Reden, die von den Fischern in der Versammlung gehalten wurden. Ein alter Fischer sagte:So sicher, wie die Nacht dem Tage folgt, wird unsere Un- abhängigkeit dahin sein, wenn uns die Regierung nicht Hilst. Die schottischen Fischer sind ein religiöses Geschlecht und wollen den Sabbath hochhalten, aber laßt erst enmal den Kapitalismus seit« Hand im Spiele haben nun, das Gold hat kein Herz, das Gold hat keine Seele. Die Moral ist dahin, die Tugend ist dahin, und der schottische Fischer wird tiefer sinken, als man es für möglich gehalten hat." Ein anderer Veteran, der 60 Jahre die Meere befahren, klagte darüber, daß die Zeiten der Unabhängigkeit vorüber seien; die jungen Leute verließen ihrehrliches" Gewerbe und gingen aufs Land oder nach Glasgow , weil sie nicht zu willen- losen Werkzeugen des Kapitals werden wollten. Wieder ein anderer sprach davon, daß die Frauen der Fischer gezwungen würden. Arbeit zu suchen, weil ihre Männer nicht genug verdienen könnten.Das ist nicht recht!" rief er entrüstet aus.Eine Frau, die Kinder ge- liiert, hat genug zu Hause zu tun." So spielt sich vor unseren Augen in den stillen schottischen Fischerdörfern eine Tragödie ab. wie sie ergreifender in keinem Drama geschildert worden ist. Noch hoffen die Fischer auf Rettung von der Regierung. Aber selbst wenn ihnen die Hilfe der Regierung in ausgedehntestem Maße zuteil würde, würde die wirtschastlick« Vernichtung dieses abgehärteten und unabhängigen Völkchens nicht abgewendet, sondern nur aufgeschoben worden sein. Der Konkur- rerizkamipf wurde dann zu einem ungleichen Ringen zwischen einem Kanonenboot und einem Dreadnought verwandelt werden, in dem der Kapitalismus mit all seinen Hilfsmitteln sicher den Sieg davon- tragen wird._ Sozialca. Neue Beitragsmarken für die Invaliden- und Hinterbliebenen- vcrsichrrung. Am 1. Januar tritt der Teil der Reichsvers, cherungs- ordnung in Kraft, der die Invaliden- und Hinterbliebenen- Versicherung betrifft. Bekanntlich ist vom selben Datum ab die in Gestalt von Klebemarken gegen die Arbeiter eingeführte Neichseinkommensteuer erheblich erhöht. Tie Beitragsmarken betragen pro Woche zurzeit in Lohnklasse I 14 Pf., in Lohn- klaffe II 20 Pf., in Lohnklasse 1l! 24 Pf., in Lohnklasse IV 30 Pf., in Lohnklasse V 36 Ps. Sie betragen künftighin 16, 24. 32. 40, 43 Pf., sind also bis zu ein Drittel erhöht, ohne daß entsprechende hinreichende Erhöhungen der so schmalen Renten" eintraten. Tie Alters- und die Jnvalidcn-Nente" ist ebenso almosenhaft niedrig geblieben wie sie war und das wiewohl ihr Geldwert durch unsere famose Zollpolitik um etwa ein fünftel hcrabgescßt ist. Nur wenn der In- volidenrentner Kinder unter 15 Jahren hat, erhöht sich die Invalidenrente für jedes dieser Kinder um ein Zehntel bis zu dem höchstens anderthalbfachen Betrag. Beträgt also die Invalidenrente 20 M. monatlich, so wird sie. wenn ein Kind unter 15 Jahren vorhanden ist, auf ganze 22 M. erhöht. Durch die erhöhten Beiträge soll ferner daS Geld für die Witwen- und Waisenversicherung aufgebracht werden. Eine Witwenrente sollen nur die völlig erwerbsunfähi- gen Witwen erhalten, und auch nur in einem Betrage von ganzen 20 bis 30 Pf. Wer aber da etwa glaubt, die jetzt lebenden Witwen erhielken nach dem f. Januar 1912 auch nur diese schmaleRente", irrt. Sie verlieren sämtlich den Anspruch, den sie auf Erstattung der für ihren Mann gezahlten Beiträge heute haben, falls dieser, ohne in den Genuß einer Rente gekommen zu sein, verstirbt. Trost alledem sind die Beiträge vom 1. Januar 1912 ab erheblich erhöht. Das Reichsversicherungsamt hat im gestrigen Reichsanzeiger" Bestimmungen darüber erlassen, wie künftig die neuen Marken aussehen sollen. Wir teilen das Wichtigste hieraus entsprechend mit. 1. Von jeder Versicherungsanstalt sind vom 1. Januar 1912 ab in jeder der fünf Lohnklassen Marken für eine Woche, für zweiWochen und für dreizehn Wochen sowie für die freiwillige Zusatzversicherung eine Zusatz- marke auszugeben. Der Geldwert der Marken beträgt: für für für 1 Woche 2 Wochen 13 Wochen in der Lobnklasse I(JahreSarbeits- verdienst bis zu 350 M. einschließlich) 16 Pf. 32 Pf. 2 M. 8 Pf. in der Lohnklasse II(Jabresarbeits- verdienst von mehr als 350 bis zu 550 M. einschließlich)..... 24, 43. S, 12, in der Lohnklasse III(JahresarbeitS- verdienst von mehr als 550 bis zu 850 M. einschließlich)..... 32 64 4, 16 in der Lohnklasse IV(JahresarbeitS- verdienst von mehr als 850 bis zu 1150 M. einschließlich)..... 40 80, 5 20, in der Lohnllasse V(JahreSarbeitS- verdienst von mehr als 1150 M.). 48 96 6 24 Der Geldwert der Zniatzmarle beträgt 1 M. 2. Für die Zeit nach dem 1. Januar 1912 sind ausschließ- lich die neuen Marken zu verwenden. Dagegen sind zum Zwecke der nachträglichen Beitrags- leistung(§ 29 Abs. 1,§§ 1442 bis 1444 der Reichsversiche- rungsordnung) für die vor dem 1. Januar 1912 liegenden Zeiten die alten, auf Grund des§ 130 des Jiwalidenversiche- rungsgesetzes ausgegebenen Marken zu verwenden. Mit Rücksicht hierauf werden entsprechend den Anordnungen der obersten Postbehörden die Postanstalten diese Marken noch bis zum 30. Juni 1912 einschließlich verkaufen. Vom 1. Juli 1912 ab sind alte Marken nur noch von den Versicherungsanstalten zu beziehen. Bis zum 31. Dezember 1913 einschließlich können die alten Marke» bei den Markenverkaufsstellen gegen neue Marken unter Berücksichtigung des veränderten Geldwerts umgetauscht werden.. Es wird dann genau dargelegt, wie die Einwochen-, Zweiwochen-. Dreizehnwochen- und die Zusatzmarken aussehen sollen. Lohnklasse I erhält roten, Lohnklasse II blauen, Lohn- klaffe III grünen, Lohnklasse IV rotbraunen und Lohnklasse V- gelben Druck. Die Zusastmarken sollen ebenso breit sein wie die Einwochenmarken(23.5 Millimeter), aber doppelt so hoch (28 Millimeter statt 14 Millimeter), und sind anders wie die sonstigen Klebemarken ausgestattet. Bon der Fürsorgeerziehung. In die Fürsorgeerziehung werden Kinder und junge Leute ge­bracht, um sie vorsittlichem Verderb" zu bewahren. Gar schnell sind oft die Behörden dabei, Eltern das Erziehungsrecht über ihr« Kinder zu nehmen, diese der Fürsorge zu überweisen, besonders wenn Mädchen in Betracht kommen, damit sie nicht verdorben wer- den sollen. Was aber alles unter den wachsamen Augen der Für- sorge geschehen kann, haben in letzter Zeit die Eltern zweier der Fürsorge überwiesener Mädchen in Luckenwalde und Treuen- brietzen erleben müssen. Die Tochter eines Luckenwalder Arbeiters wurde durch Beschluß des Amtsgerichts der Fürsorgeerziehung über- wiesen. Nachdem das Mädchen einige Zeit in einer Anstalt unter- gebracht war, wurde es bei einem unverheirateten Schmiedenieister auf dem Lande in Dienst gegeben. Vor einigen Monaten ist dieses der Fürsorgeerziehung übenviesene Mädchen Mutter geworden, Bater des Kindes ist der Dienstherr, bei dem es von der Fürsorge in Dienst gegeben worden ist. Der Vater des Mädchens, dem man das Erziehungsrecht über seine Tochter genommen hat, ist nun zum Vormund seines Enkellindes, das er der Fürsorgeerziehung zu ver- danken hat, ernannt worden und kann sehen, wie er die Unterhalts- gelder für fein Enkelkind bekommt. Aehnlich erging es einem Ein- wohner Treuenbrietzens. Seine Tochter sollte ebenfalls durch Für- sorgeerziehung gerettet werden. Auch dieses Mädchen tourde auf das Land in Dienst gegeben, weil nach Ansicht muckerischer Leute die Sittlichkeit auf dem Lande zu Hause sein soll. In oer Mühle. in welcher dieses Mädchen in Dienst ist, kam öfters ein Bäcker- geselle aus einem benachbarten Ort, kam, sah und siegte. Die Folge dieser Fürsorgeerzichung ist, daß das Mädchen demnächst Mutter werden wird. Der Vater des zu erwartenden Kindes will nun das Mädchen heiraten und zu diesem Zweck wurde der Antrag auf Entlassung aus der Fürsorgeerziehung gestellt. Der Antrag ist vom Landesdirektor abgelehnt worden, weil der.Schwängerer noch zu jung sei(er ist 24 Jahre alt und hat seiner Militärpflicht genügt!), und weil seine Einkommensverhältnisse nicht so seien, daß er einen Hausstand gründen könne. Auch dieser Fürsorge- zögling wird also ein uneheliches Kind zur Welt bringen. Es ist doch etwas herrliches um die preußische Fürsorgeerziehung. Ob die Mädchen, wenn sie in der Obhut ihrer Eltern geblieben waren, auch uneheliche Mütter geworden wären, wissen wir nicht, das aber wissen wir, daß eine Fürsorgeerziehung, bei der so etwas vorkommen kann, keinen Pfifferling wert ist. Borficht bei AuslandsengagementS! Trotz aller Mahnungen zur Vorsicht bei AuslandsengagemenkS gibt es immer noch technische Angestellte, die im Vertrauen aus die scheinbar glänzenden Versprechungen ausländischer Firmen ihre Stellung im Jnlande verlassen. Welche Erfahrungen sie indes dann im Auslande oftmals machen, das zeigt wioder einmal der Fall, den derDeutschen Jndustriebeamten-Zeitung" ein Chemiker berichtet, der sich in Berlin nach persönlichen Unterhandlungen mit einem dort anwesenden Chef der Firma Ch. Frenke! aus Schauten lRuss- land, Gouvernement Korno) dorthin verpflichtete, nachdem ihm ein Gehalt von 5809 M.(2600 Rubel) bei freier Wohnung mit elektri - scher Beleuchtung bei den angeblich keineswegs teueren Lebensvcr- Hältnissen dort zugesichert war. Bis zum Eintreffen seiner Möbel wollte der Chef ihm einige Zimmer mit Einrichtung in seiner Villa zur Verfügung stellen. Wie groß war aber das Erstaunen des Chemikers, als sich bei seiner Ankunft die provisorisch möblierte Wohnung als ein, intapeziertes Kellerlokal entpuppte, dessen Ein- richtung in drei Dienerbetten und in zwei aus Holzblöcken zu- sammengenagelten Brettern bestand, die als Ruhestätte seiner Kinder dienen sollten! Die Betten wimmelten obendrein von Un- geziefer. Aus energischen Protest wurde dem Angestellten schließ- lich von dem humanen Chef bis zum Beziehen seiner Wohnung, die waS der Chef verschwiegen hatte noch eine Zeit ander- weitig bewohnt war, cin Zimmer in einem Hotel zweiter Klasse zugestanden. Bald stellte sich auch heraus, daß es in Schaulen weder Wasserleitung noch elektrisches Licht gibt(beides sollte sich in der sofort beziehbaren" Wohnung befinden!), sodass der Vertrauens- selige Mann sich schleunigst eine vollständige Einrichtung für Petroleumbeleuchtung anschaffen mußte. Dazu sind die Schulver- hältniffe in Schaulen überaus mangelhaft, so'daß er seine Kinder nach Riga auf eine deutsche Schule schicken muß, was ihm eine jähr- liche Mehrausgabe von 1000 Rubeln verursacht