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Nr. 278. 28. Jahrgeng.

Reichstag  .

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Dienstag, 28. November 1911

210. Gigang bom Montag, ben 27. November. Am Bundesratstisch: Staatssekretär Dr. Bermuth, Staats­fekretär Dr. Solf. Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung des Gefeßent­wurfs, betr. Eisenbahnbauten im Ostafrikanischen Schuhgebiet.

gefaßt. Das einzige Neue und unerwartete ist, daß die Strecke bis dafür vorhanden wären. Nach dem mir vorliegenden Material Tabora   verhältnismäßig früh fertig geworden ist. Bei der Bahn beginnt der Standal schon bei der Anwerbung der farbigen handelt es sich um eine werbende Anlage und deshalb ist zur Be- Bahnarbeiter. Ich richte an die Kolonialverwaltung die bes fchaffung der Mittel der Weg der Anleihe zulässig, den stimmte Frage, ob es richtig ist, daß auch deutsche Schutz­wir Ihnen vorschlagen. Ob die Aufwendungen für die Bahn fich truppenoffiziere und farbige Soldaten zur Anwerbung von gleich in den ersten Jahren verzinsen werden, ist zweifelhaft; aber Bahnarbeitern in Kamerung Verwendung gefunden haben. Die An­das ist doch kein Grund, die Bahn nicht bis zu ihrem natürlichen werbung geschieht in der Weise, daß die Leute bedroht werden und Ende fortzuführen. daß man ihre Weiber gefangen nimmt, wenn fie nicht frei­Stellvertretender Staatssekretär Dr. Solf: Die einzelnen von willig zum Bahnbau sich melden. Dft fliehen die Leute Es find zwar Herrn Erzberger erhobenen Bedenken werden wir in der Budget- aus Angst vor den Werbern in den Busch. fommission zerstreuen. Aber schon jetzt möchte ich den gegen die Firma Bo- schriften über die Behandlung der Arbeiter erlaffen worden, Die Vorlage enthält einen einzigen Paragraphen, durch den der Holzmann in Frankfurt   a. M. erhobenen Vorwurf zurückweisen. aber sie stehen nur auf dem Papier. Die Sterblichkeit Reichstanzler ermächtigt wird, die zur Fortführung der Abg. Erzberger  ( 3.): Ich habe keinen Namen genannt.) Aber die unter den Arbeitern der Bahn in Kamerun   beträgt etwa 20 Prozent Usambarabahn und zum Ausbau des Hafens in Firma ist deutlich bezeichnet worden. Anfangs war die Bahn wie alle und die Krankheitsziffer ist außerordentlich groß. Die Lazarette Tanga bereitgestellten Mittel auch zu Ergänzungs- und Neubauten Kolonialbahnen, nur Stichbahnen; jetzt muß dagegen der Unterbau werden aber von der Bahnbauverwaltung unterhalten und diese auf der Stammstrede Tanga Mombo, sowie zur Gewährung ein ganz anderer sein, und daraus ergeben sich die Mehrschickt die franken Lente oft gegen den Widerspruch der eines Darlehns an die Dst afritanische Eisenbahn- forderungen der Firma. Aerzte wieder zur Arbeit.( Hört! hört!) Eine Ver­gesellschaft zur Fortführung der Eisenbahn Daressalam  - Abg. Dr. Wagner- Sachsen( f.): Es könnte zweifelhaft er fügung des stellvertretenden Ingenieurs weist darauf hin, daß Morogoro   bis an den Tanganjitasee, sowie zu Erscheinen, ob der Reichstag   jezt noch vor seinem Ende einen Beschluß die Bahnverwaltung endlich noch einen weiteren Arzt anstellen gänzungs- und Umbauten an der Stammstrede Daressalam  - faffen foll, der wenigstens moralisch auch eine Belastung möge, weil die Krankheitsziffer so außerordentli hoch sei. Morogoro   zu verwenden. ber Bukunft bedeutet.( Sehr richtig! bei den Sozial- Die Arbeit herangetriebenen Farbigen werden in ge Staatssekretär Dr. Solf begründet die Vorlage: Die Vorlage demokraten.) Aber es handelt sich um die Fortführung eines Pro- wisser Beziehung tatsächlich wie Hunde behandelt. ist nur ein Baustein zu dem Gebäude, zu dem mit Zustimmung gramms, dem auch der Reichstag   zugestimmt hat, und deshalb kann Es wird feiner mit Namen angeredet, sondern die Leute find des Reichstags im Jahre 1908 der Grundstein gelegt wurde. von diesem Bedenten abgesehen werden. In einer Hurrastimmung im amtlichen Verkehr nur Nummern. Jedem wird mit einer Diese erste Vorlage, die ich vor dem Reichstage zu vertreten habe, find wir nicht; wir erblicken aber in der Vorlage ein wesentliches festen Blombe ist auf die ureigene Arbeit meines Vorgängers, des Herrn Staats- Mittel für die wirtschaftliche Entwickelung bes Schutzgebietes. eine derartige Hundemarke um den Hals gelegt. sekretärs v. Lindequist, zurückzuführen, der dieser Angelegenheit seine( Bravo  ! rechts.) ganz besondere Aufmerksamkeit zugewendet hat. Bei Annahme der Abg. Noste( Soz.): ( Hört! hört! Der Redner zeigt eine runde Blechmarke.) Die Leute Vorlage würde die Bahn den Tanganjitasee erreichen und das wäre werden auch sonst ganz unmenschlich behandelt. Die aller. ein wesentlicher Vorteil; denn wenn die belgische Kongokolonie mit es sich die Ottavibahn aufschwagen ließ, wird bei der nächsten Etats- und Beschwerden menschlich fühlender Weißen werden von der Bau­Ueber das glänzende Geschäft, das das Reich gemacht hat, als gröblichsten Mißhandlungen sind an der Tagesordnung ihren Bahnbauten vor uns diesen See erreichen würde, so würde sie beratung beffer ausführlich zu sprechen sein als bei dieser Vorlage. leitung glatt abgewiesen. Auf eine solche Beschwerde erging wört­einen großen Teil des Handels von dem natürlichen Einflußgebiet Die gegenwärtige Vorlage ist um so überraschender, als lich folgender Bescheid der Bauverwaltung:" Wenn ein Mann von unferes Schutzgebietes nach Westen zum Atlantischen Ozean ableiten. wohl feiner im Reichstag geglaubt hat, es solle noch eine Vorlage einem Schachtmeister blutig geprügelt wird, so haben Sie den Der dringend notwendige Um- und Ergänzungsbau der Usambara  - von so bedeutender finanzieller Tragweite erledigt werden. Die Beit Mann einfach verbinden zu lassen, alles andere bahn würde einen Kostenaufwand von 1 800 000 m. erfordern. Der ist so furz, daß man Zweifel hegen kann, ob es möglich sein wird, geht Sie nichts an!"( hört! hört!) Betrag ist bei den etatsmäßig bereitstehenden Mitteln verfügbar, da sie mit der notwendigen Muße zu erledigen.( Sehr richtig! bei den bei dem Weiterbau bis Moschi Ersparnisse in dieser Höhe erzielt Sozialdemokraten.) Freilich, daß die Vorlage einmal tommen nis gebracht worden. Alle diese Tatsachen sind der Kolonialverwaltung zur Rennt Ein schwarzer Arbeiter wurde von worden sind. Abg. Erzberger( 8.): Der Weg, der mit dieser Vorlage wieder würde, stand lange fest; insofern gilt, daß, wer A gesagt hat, auch einem Schachtmeister mit dem Hammer am Schienbein blutig ge­fagen muß. Unmöglich fonnte man die Bahn mitten im Lande schlagen. beschritten wird, ist für das Budgetrecht des Reichstages sehr ge bei Tabora steden laffen. Die Vorlage ist aber viel rascher ge- verboten, davon der Aufsichtsbehörde Mitteilung zu machen. Als der Arzt der Bauleitung dies mitteilte, wurde ihm fährlich, und die Budgetkommission, an die ich die Vorlage zu kommen, als in Aussicht genommen war. Wenn die wirtschaftliche Von den Revisionen beim Bau und in den Lazaretten ist die Ver­berweisen beantrage, wird eingehend prüfen müssen, ob der Reichs Lage des Schutzgebiets und der Eingeborenen sich durch die Bahn waltung vorher unterrichtet und sie zeigt den revidierenden Beamten tag in solcher Form Nachtragsetats bewilligen kann. Die Ausgaben, auch heben wird, so ist es doch fraglich, ob wir dann gleich von den dann Botemfinsche Dörfer. Die Heilgehilfen in den Lazaretten die für Bahnbauten hier gefordert werden, betragen 52 Millionen Mart, denn wenn die gegenwärtige Vorlage angenommen wird, Eingeborenen mehr Steuern werden erheben können. Bei der Erschließung neuer Gebiete durch die Bahn sollte mit so tann man später die Bahnbauten nicht liegen lassen, wenn das schwunghaften Handel mit den Köpfen der schwarzen Arbeiter außerordentlicher Vorsicht vorgegangen werden, denn es Geld ausgegangen ist. Die früheren Vorlagen und Vorarbeiten für liegt eine außerordentliche Gefahr darin, wenn die Steuererhebung getrieben, die fie den dort Berstorbenen abschnitten.( hört! hört 1) die Bahnbauten waren offenbar ganz ungenügend, wenn so stark von in dem Ugandagebiete dazu führen sollte, daß die Millionen streitbarer Der menschenfreundliche Arzt Dr. Beyer teilte in einem Schreiben den Plänen abgewichen wird, wie es der Fall ist. Daß Männer in jenem Gebiet in Bewegung gesezt würden. Wie weit die den Heilgehilfen mit, daß er ihnen zu seinem Bedauern dem Reichstage ungenügendes Material seinerzeit vorgelegt wurde, in der Denkschrift gemachten Zahlenangaben zutreffen, tönnen wir das weitere Abschneiden der Köpfe verbieten müſſe. Die Behand geht auch aus dem hochwichtigen Dokument hervor, das Kollege hier nicht nachprüfen. Wir schließen uns deshalb dem Antrag an, lung der farbigen Arbeiter ist derartig, daß man sich direkt wundern Südetum am 4. November im" Plutus veröffentlicht hat, näm die Vorlage der Kommission zu überweisen. Die an muß, daß nicht ein Aufstand eine unmittelbare Folge davon lich das Gutachten einer anerkannten kolonialen Autorität über die fich nicht unerfreuliche Feststellung der Ersparnisse bei dem Bahnbau gewesen ist. Farbige Arbeiter find durch die Schacht­Bertlosigkeit der Ottavibahn, die 1909 verstaatlicht wurde. Hätte beweist, wie mangelhaft der Voranschlag gewesen ist. Die Dent- meister direkt zu Boden geschlagen worden. Vorher hat dieses Gutachten dem Reichstage damals borgelegen, schrift ist vorsichtiger, als die unverantwortlichen Befürworter man sie allerdings halb berhungern laffen. Die Schacht so hätte der Reichstag   trotz aller Beredsamkeit Dernburgs dem An- der Bahn in der Breffe gewesen sind. Ohne Eisenbahnen kann meister haben einfach den Arbeitern die Beköstigung tauf der Ottavibahn nicht zugestimmt. Der Reichstag   hat also natürlich Afrika   nicht der Kultur erschlossen werden. Das erkennen gestohlen und die Leute dann durch Prügel gezwungen, die Koft alle Veranlassung, die Vorlage nicht in einer Hurraſtimmung an- wir auch an. Der Teil der Presse, der sich besonders für diesen von ihnen wieder zurückzukaufen. Unter diesen Schachtmeistern be­zunehmen, sondern sie ernstlich in der Kommission zu prüfen. finden sich die schwersten Verbrecher. Wenn der Aufsichts­Daß die Bahnbauten den Kolonialgebieten nügen werden, ist ja Bahnbau ins Beug gelegt hat, hat aber ganz unnötige, beamte zur Revision fam, haben die Schachtmeister die Leute mit anzunehmen; aber einen Teil der Kosten wird man doch offensichtlichen Mißhandlungsmerkmalen einfach in den Busch wohl von den Eingeborenen erheben können, denen es wirt gefchickt.( hört! hört!) Ein Schachtmeister, Kaiser   heißt fchaftlich jetzt erheblich besser geht als früher. dieser Kulturträger hat einen farbigen Arbeiter buchstäblich mit den Füßen totgetreten.

Ueber die voraussichtliche Rentabilität der Bahnen gestattet die uns zugegangene Denkschrift gar kein Urteil, Ueberschüsse werden ja nur da erzielt, wo Baumaterial transportiert wird. An Ueberschüsse ist jedenfalls nicht bald nach Fertigstellung der Bahn zu denken. Im allgemeinen stehen meine Freunde der Weiter führung der Bahn bis zum Tanganjitasee freundlich gegenüber; aber über die finanzielle Seite müssen wir noch nähere Aufklärungen be­tommen.( Bravo  ! im Zentrum.)

Staatssekretär Dr. Wermuth: In der Ermächtigungsvorlage, die Ihnen vorliegt, ist allerdings ein Nachtragsetat enthalten. Aber von Anfang an war angenommen, daß die Bahn nicht bei Tabora endigen, sondern bis zum Tanganjitafee fortgeführt werden sollte. Das haben sowohl wir wie der Reichstag von Anfang an ins Auge

Kleines feuilleton.

Theater.

Neues Voltstheater:" Die lebendige Leiche" von Tolstoi  . Die Neue Freie Voltsbühne führte ihren Mit­gliedern das in Tolstois Nachlaß gefundene Stüd, über dessen In­halt der Vorwärts" schon furz berichtete, vor. Das Publikum folgte mit williger Aufmerksamkeit und wurde von den abschließen. den Gerichtsszenen ergriffen. Prolassows Ausbruch vor dem schnüffelnden Untersuchungsrichter, dieser empörte Aufschrei mensch lichen Empfindens, rief stürmisch- demonstrativen Applaus bei offener Szene hervor.

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geradezu gemeingefährliche chauvinistische Argumente dafür ins Feld geführt. Es scheint, daß ohne hurrapatrischen Tamtam in Deutschland   überhaupt nichts mehr gemacht werden kann.( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) In der Deutschen Tages­zeitung" wird dafür Stimmung gemacht, die Vorlage ohne nennenswerte Debatte deswegen anzunehmen, weil in einer der- Dafür wurde er zu der niedrigen Strafe von zwei Jahren artigen überhafteten Beschlußfassung eine Demonstration drei Monaten Gefängnis verurteilt. Alle diese Vorgänge gegenüber England läge. Bu einer folchen hurra sind erst vor ganz kurzer Zeit paffiert. Sie spielten sich bei patriotischen Kundgebung ist doch wahrlich dieser Bahnbau absolut Kameruner Bahnbauten ab, aber es ist notwendig, daß fein Anlaß. Es handelt sich um eine rein wirtschaftspolitische Maß gegen derartige Schändlichkeiten so schnell als möglich eingeschritten nahme, die der Reichstag   nüchtern prüfen soll. wird. Wir haben nicht die geringste Garantie, daß diese Schandwirtschaft,

Vor allem sollte man dafür sorgen, daß bei den Bahnbauten in den Schutzgebieten es auch einigermaßen menschlich zugeht. Mir ist eine Menge Material über einen der Bahn- die in Kamerun   mehrere Jahre dauern konnte, sich nicht auch bei den bauten zugegangen, das derartig entfeßlich ist, daß ich es Bahnbauten wiederholt, die uns jetzt beschäftigen. Wir werden uns nicht glauben würde, wenn nicht die amtlichen Unterlagen sehr gründlich überlegen, ob wir der Regierung Geld bewilligen für

und wüster Zerfahrenheit in Prolafsows Figur anschaulich charakte­ristisch heraus Maria Mayer repräsentierte eindrucksvoll und würdig die duldende, bei allem Leid in stiller Liebe ausharrende Frau. Die übermäßig vielen Bausen, die der Szenenwechsel er­fordert, hatte die Regie nach Möglichkeit gekürzt, indem sie die Dekorationen durch einfache Leinwandvorhänge im Hintergrunde ersetzte.

dt.

falische Geschlossenheit dieses mächtigen Stimmkörpers sichert seinen Konzerten um deswillen eine ungewöhnliche Anziehung. In be­zug auf das Programm hielten sich indes beide Veranstalter die Wage. Beethovens Ouverture zu" Coriolan  ", das Andante aus der C- moll- Sinfonie, desgleichen seine unsterbliche Groika", sowie Werte von Weber und Saint- Saëns   machten den instrumentalen Teil aus, den dort das Neue Sinfonie- Orchester", hier das Ber­liner Sinfonie- Orchester" vornehm durchführte. Für die Vorträge lyrischer und episch- dramatischer Solo- wie Chorgesänge waren bes währte Künstler aufgeboten.

Es war gewiß ein eigenes Busammentreffen, daß die Typo­graphia und die Kreuzberger Harmonie gleichzeitig May Bruch 3 bedeutendes Oratorium Frithjof" aufführten. Wäre dies Wert dort z. B. an den Anfang des Programms gestellt, hier für den Schluß vorgesehen gewesen oder auch umgekehrt, so hätte sich für den Referenten ein Abwägen beider Leistungen ermöglichen lassen. Jezt verbleibt ihm nur die Pflicht, einige Worte über die Aufführung bei der Kreuzberger   Harmonie zu sagen. Hier hörten wir Frau Hertha Geipelt( Ingeborg) und Karl Nach é ( Frithjof). Der Vertreter dieser letteren Rolle, der über einen veritablen Baßbaryton gebietet, sprach sehr an; indeffen ließe sich gewiß aus beiden Rollen eine tiefer hinreißende dramatische Wucht herausholen. Chor und Orchester hielten sich im ganzen tadellos auf der Höhe ihrer zum Teil schwierigen Aufgabe. Der Schlußfat wurde zu grandioser Wirkung gesteigert. Bei der Typographia hatten Hermann Weißenborn und Paula Weinbaum die Soliparts. Die Sängerin hörten wir nur in einigen Liedern, geradezu prachtvoll sang sie Judiths Siegeslied",

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Notizen.

e. k.

Simson, Tragödie in fünf Atten von Herbert Gulen­berg. Uraufführung im Düsseldorfer   Stadttheater. Es ist nicht uninteressant, in den Tagen der Kleistfeiern den Erfolg eines Dichters zu sehen, der sehr viel Verwandtes mit dem jezt von den Patrioten Gefeierten hat. Herbert Eulenberg   ging zwar noch nicht wie der Dichter des Prinzen von Homburg am Preußentum zugrunde, aber dafür hat ers mit den deutschen   Philistern zu tun. Ein Drama freilich wird man diese Arbeit kaum nennen Auch bei der Uraufführung des Simson wußten die Philister des dürfen. Der Stoff, der nur durch eine außerordentlich eingehende, Parkett, als sie so viele ihrer würdigen Ebenbilder auf der Bühne in die Vergangenheit der Hauptperson zurückgreifende psychologische sahen, nicht recht, was sie mit diesem Drama anfangen sollten. Analyse überzeugende Gestaltung hätte gewinnen fönnen, wider- Nichts destoweniger kann Gulenberg endlich einen vollen Erfolg strebt dem engen Bühnenrahmen. Die abtönenden Zwischenglieder buchen. fehlen. Man hat den Eindruck von Skizzen für einen Roman. Pro­Ueber den Dichter Eulenberg streitet heute feiner mehr. Der lassow, der sich und der Seinen Lebensglück in willenloser Schwäche Dramatiker hat sich diesmal die Bühne erobert. Gulenbergs Simson vernichtet und doch ein zartes, gütiges Empfinden im Herzen ist, bis auf die Liebe zum Weib, ganz der biblische. Er läßt sich das trägt, soll offenbar ein Typus, eine Art Produkt und Symptom Schwert entlocken und sein Haar damit abschneiden. Er entsagt der gesellschaftlichen Verhältnisse sein. In unseren vornehmen seinem Volf, dem er bis dahin Retter gewesen, läßt sein Weib und Kreisen, läßt ihn der Dichter sagen, hat ein junger Mensch nur die Kinder mit seinem Haus in Flammen aufgehen, nachdem er drei Möglichkeiten: man wird russischer Beamter, frakt Geld zu sich findlich troßig als Ehebetrüger bekannt. Delila ist des Philisters fammen, richtet sich in dem allgemeinen Sumpf behaglich ein; und Kaleb Tochter und seiner Feinde schönheitsgleißender Zeitvertreib. das ist manchem widerwärtig. Oder man kämpft an der Seite Sie liefert ihn als Hochzeitspfand Fürst Ammon aus, der ihm seine derer, die den Sumpf trocken legen wollen, aber dazu muß man beiden Augen, die verhängnisvollen Irrlichter seines Schicksals, ein Held sein. Oder man sucht sich durch Ausschweifungen zu be- blenden läßt. Als man vor ihm am Hochzeitstage den blinden täuben. Immer drücke ihn bei allem, was er tue, die Scham, er Simson zur Schau stellt, erschrickt er in sich selbst hinein und be­hätte anders handeln sollen, darum fuche er in Rausch und Taumel schließt sein Ende. Simson sieht, geblendet erst sich ganz selbst Vergessenheit. Indes, diese Zusammenhänge, diese sozialen inter  - wieder und den Abgrund, vor dem er gestanden. Er tastet sich zum gründe und die Art, wie sein Gefühl dagegen reagiert das alles wollustjauchzenden Festsaal, wo Delila tanzt, stürzt die Säulen, wird im Stücke nicht lebendig. Da erscheint er rein als patholo- um eine verpestete Zeit zu vernichten und einer neuen besseren Plak liner Bourgeoisie, soweit sie zur Tante Boß in Beziehungen steht, über all die Richtigkeiten des gesellschaftlichen Lebens unterhalten. giſches Subjekt, das in jeder Atlaſſe, trop guter Anlagen, an feiner au camion ein ungebändigter Triebmensch, bewegt die ganze Sand. Die Legende behauptet, daß der Hefball ohne 2. P. fein Hofball inneren Haltlosigkeit verbluten müßte. So empfindet man wohi Mitleid, doch kein besonderes Interesse für die Gestalt. lung. Er reißt alles andere mit in den Zusammenbruch. So stürmt mehr wäre. Sicher ist, daß Pietsch für die moderne Kunst keinerlei Daß Prolassow der Frau, die er durch Untreue und feine er über die Bühne, benimmt einem den Atem in gewaltiger Sprache. Verständnis hatte und eben deswegen bei S. M. beliebt war. An Lafter quälte, zu einer neuen Ehe mit einem besseren Manne helfen wie über allen Stücken Eulenbergs liegt auch über dieser Tragödie Orden fonnte er es mit manchem Bahnhofsportier aufnehmen. und so einen Teil seiner Schuld abtragen möchte, ist wohl ver- ein frischer poetischer Reiz, die Sprache ist wuchtig schön. Schließlich war er die wandelnde Gesellschaftschronik und zugleich ständlich; desto wunderlicher und verworrener aber sein Verhalten Das Publikum rief den Dichter bereits nach dem vierten Att. ein lebender Anachronismus von Anno dazumal geworden. bei der Ausführung. Er deklamiert: Die Lügen, zu denen er durch Auf der Treptow   Sternwarte spricht Mittwoch, die Scheidungsklage getrieben werde, seien unerträglich, schreibi abends 8 Uhr, Dr. Archenhold über, Mars in Erdnähe" seiner Frau, er wolle lieber sterben und findet schließlich nicht den Totensonntagonzerte. Es ist unter der Berliner   und Freitag, abends 8 Uhr, Prof. K. Schaum über Die Bes Mut zur Tat. Die Leiche eines angeschwemmten Selbstmörders Arbeiterschaft ein schöner Brauch geworden, diesen stillen" Tag stimmung der Temperatur bon himmelstörpern". wird als die feinige refognosziert. Er selbst verschwindet un- ihren musikalischen Veranstaltungen großen ernsten Stils auszu- Mit dem großen Fernrohr werden abwechselnd der Mars und der erkannt. Nach der Heirat der beiden wird Prolaffom von einem füllen. Im Blüthnersaale hatte der Verein arbeitender Frauen Saturn, deffen Ringsystem weit geöffnet ist, gezeigt. schuftigen Denunzianten angezeigt, ein Gerichtsverfahren gegen und Mädchen sein zweites Liszt Konzert, das an der Spize aller Eine Leibl Galerie in Köln  . Die Stadt Köln seine Frau und ihren neuen Gatten als der Bigamie verdächtig übrigen Darbietungen stand. Außerdem fanden die gemischten beabsichtigt die Sammlung von Gemälden ihres großen Sohnes, eingeleitet. Sie sollen Prolassow mit Geld bestochen haben, den Konzerte von zweien der stärksten und leistungsfähigsten Arbeiter des Malers Leibl, die fich im Besiz des Geheimrates Seeger in Selbstmord zu fingieren. Da endlich, ehe noch die Richter ihren gesangvereine statt, nämlich der Typographia( im Festsaale Berlin   befindet, anzukaufen. Der Ankaufspreis soll eine Million Spruch gefällt, erlöst er sich durch einen Schuß von dem verhaßten der Neuen Welt  ", Hasenheide) und der Kreuzberger   Har- Mart betragen. Zu Leibls Lebzeiten hat sei Baterstadt natürlich Leben. monie( im Konzertsaal der Brauerei Friedrichshain  ). Der Thpo- nicht daran gedacht, von ihm Bilder zu erwerben. Und damals Herr Momber brachte die Mischung weicher Schwärmerei I graphia gebührt der Vorrang, die künstlerische Schulung und musi- hätten sie sie recht billig haben können.

schaffen.

Julius 3erfaß.

-Ludwig Pietsch  , der unsterbliche Ballplauderer und Reise-, Fest- und Kunstberichterstatter der Boffischen Zeitung" ist 87 Jahre alt geworden. Bis in die letzten Tage hatte er die Ber­Montag früh gestorben. Weihnachten wäre der Unverwüstliche

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