8r. 289. 28. Jahrgang. 6. KkilM ko Joraiiitlü" fnliiitt MM Zonntag, 10. DeztNtbtr 191!. Soziales» Kautionszahlung und Mankohastu�g. Bei dem Vorhandensein eine? Warenmankos ist die Hastung des Lagerhalters im allgemeinen davon abhängig, daß der Prinzipal ein Verschulden des Angestellten nachweisen kann. Die Rechtslage, insbesondere die Beweislast, ändert sich nicht, wenn Kaution hinterlegt ist. Denn Anspruch auf Zahlung für Manko erhebt der Ge- schäftsinhaber auch in diesem Falle, und wer einen Anspruch er- hebt, hat die Existenz seiner tatsächlichen Grundlagen zu beweisen. Leider nehmen aber einige Gerichte irrtümlich an, in solchem Falle habe der Angestellte, der seine Kaution einklagt, nachzuweisen, daß von dem ihm unterstellten Lager unrechtmäßigerweise Waren ent- fernt seien. Es wird also ein fast unmöglicher Beweis dem sein Geld zurückverlangenden Kläger auferlegt. Die zweite Kammer des hiesigen Kaufmannsgericht befolgt diese durchaus falsche, den An- gestellten nachteilige Praxis. In ihrer letzten Sitzung entschied sie in dies-m Sinne. Die Filialistin B. hatte von der Seifenfirma Gamball eine Filiale übernommen und 300 M. Kaution hinterlegt. Nach kurzer Tätigkeit sollte sie 263 M. Warenmanko gehabt haben,«so daß sie von ihrer Kaution nur 37 M. wiedersah. Die Klägerin beteuert in der Verhandlung, daß ihr das Manko ganz unerklärlich ist. Eine Aufnahmeinventur sei gemacht worden, aber eS sei ihr aufgefallen, daß der Geschäftsführer zur Lageraufnahme eine Person hinzuzog, deren Redlichkeit er selber in Zweifel zog. Der Geschäftsführer erklärte das dahin, das betreffende Fräulein hatte gar nichts mit der Inventur zu tun; es sollte nur dabeisitzen, um Augenzeugin der Zlufnahme zu sein. Da die Klägerin bestimmte Angaben in bezug auf einen even- tuellen Diebstahl nicht machen konnte, so erfolgte ihre Abweisung. Wer eine Filiale übernimmt, hieß es in den Gründen, und Kaution leistet, der muß auch für ein Manko auflommen. Wenn die Filialistin nicht nachweisen kann, daß andere Personen vom Lager etwas genommen haben, so haftet sie mit der Kaution, die ja gerade für derartige Eventualfälle gestellt wird. Die Begründung ist durchaus abwegig. Die Filialistin klagt lediglich ihre Kaution ein: sie hat nur zu beweisen, daß sie sie gestellt hat. Wendet dev Geschäftsinhaber ein, ein Manko sei vorhanden, so hat er zu beweisen, daß solches vorliege' und daß es auf Verschulden d«S KautionSstellers beruht. Die Beweislast um- drehen, heißt, die KautionSsteller schlechter als andere wegen Mankos Belangte stellen. Die etwaige Umkehr der BeweiSlast im Vertrag verstößt gegen die guten Sitten, weil sie eine Ausnutzung der wirtschaftlich schlechter Dastehenden bedeutet. Hoffentlich geht das Kaufmannsgericht bald zu der richtigen Praxis über, wie sie fast ausnahmslos von den ordentlichen Gerichten geübt und auch vom Reichsgericht bestätigt ist. (Siehe auch B. Beilage.) I form ein wenig aufriß. Das Vergehen des Angeklagten sei außer- .»rdentlich geringfügig und leicht. Er sei durch das rigorose Vor- 'gehesi des Beamten, der ihn in die Zelle sperrte und fesselte, ge- wissermaßen schon bestraft. Es sei auch zu berücksichtigen, daß der Angeklagte sich gekränkt fühlen mußte und erregt wurde, weil die Beamten seine Studentenkarte nicht als genügende Legitimation gelten lassen wollten. Aus diesen Gründen sei eine milde Strafe am Platze. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von fünf Mark verurteilt._ Jnseratenschwindel. Siebzehn Angeklagte beschäftigten gestern die 10. Straflammer des Landgerichts I unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Splett- stößer in einer bis zum Abend dauernden Sitzung. Es handelte sich um umfangreiche Betrügereien, die die Angeklagten in ihrer Eigen- schaft als Jnseratenaquisiteure, Kaufleute, Reisende usw. durch Auf- gäbe fingierter Aufträge unter Einziehung größerer Provisionen und durch allerlei schlaue Kunstgriffe begangen haben sollen. Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme kam jedoch das Gericht nur zur Bestrafung des Hauptangeklagten, des Reisenden August von Mroczek-Gliwinski. Dieser wurde zu 1 Jahr 6 Monaten Gefäng- nis verurteilt, die übrigen Angeklagten wurden freigesprochen. Die Spitzengarnitur der Prinzessin. Ein Prozeß der Baronin Brinke» gegen die Herzogin Marie von Koburg-Gotha bildete die Ursache zu einem Strafverfahren wider den Schriftsteller Dr. Julius Wernsdorf in Jena , der vom Landgericht Weimar am 28. Juli wegen übler Nachrede zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt, von der Anklage der versuchten Erpressung aber freigesprochen worden ist. Im Winter 1907/08 erteilte die Herzogin Marie von Koburg-Gotha der Baronin Blinken den Auftrag, ihr eine Spitzengarnitur zu besorgen; über den Preis derselben wurde nichts vereinbart. Als die Baronin B. in Erledigung des Auftrags eine hochfeine Garnitur besorgt hatte und für diese den respektablen Preis von 33 090 M. verlangte, ver- weigerte die Herzogin die Abnahme. Die Folge davon war, bah die Baronin einen Prozeß auf Abnahme anstrengte. Obwohl das Oberlandesgericht Jena am 11. Juli 1910 einen Vergleich vor- schlug, daß die Herzogin die Garnitur für 1BOOO M., den Taxwert der Sachverständigen, abnehmen sollte, weigerte sich die Baronin, auf diesen Vergleich einzugehen. Hinterher schloß sie aber doch bei dem Rechtsvertreter der Herzogin einen Vergleich, der aber einen großen Nachteil für die Baronin bedeuten sollte. Der Angeklagte nun, der hiervon Kenntnis erhalten hatte, nahm sich der Sache der Baronin an, um dieser zu ihrem Gelde zu verhelfen. Er schrieb zu diesem Zweck an den Rechtsanwalt der Herzogin einen Brief, in dem er den geschlossenen Vergleich als eine unehrenhafte Hand- lung des Rechtsanwalts bezeichnete und schwere Angriffe gegen die Justiz wegen„Verlogenheit und„Rechtsbeugung" erhob. Auf Grund dieses Schreibens ist er u. a.— ein anderes Verfahren schwebt noch— wegen übler Nachrede zu obiger Strafe verurteilt worden. Gegen das Urteil hatte der Angeklagte Revision einge legt. Das Reichsgericht verwarf diese am Freitag,„ (Siehe auch 1, Beilage.) ßmcbtö- Zeitung« Schwurgericht. Am Schwurgericht des Landgerichts l beginnt am Monkag eine auf 14 Tage angesetzte neu« Tagung. Unter den zur Verhandlung kommenden Anklagen nimmt die am 15. zur Verhandlung stehende gegen den Oberbnhnassistcnten Gustav Heinze wegen Verbrechens im Amte größeres Interesse in Anspruch. Der Angeklagte, der 44 Jahre alt und verheiratet ist, war mit der Fahrkartenvertäuferin Michaelis im Fahrkartenverkauf auf dem Görlitzer Bahnhof be- schäftigt. Die Michaelis wurde flüchtig, nachdem während ihres kurzen Urlaubs festgestellt worden war, daß sie etwa 7000 M. amt- licher Gelder unterschlagen hatte. Sie entleibte sich einige Tage später in Thale a. Harz , wo ihre Leiche gefunden wurde und ent- zog sich dadurch der Bestrafung. Fast gleichzeitig mit der Michaelis verschwand auch Heinze, der aber bald festgenommen wurde. Er hat insgesamt 14 375 M. unterschlagen, diese Summ« aber in Höhe von 7304 M. wieder gedeckt, indem er das Geld aus späteren Unter. schlagungen hierzu benutzte, teilweise hat er die Unterschlagungen durch falsche Buchungen verdeckt. Der Angeklagte ist geständig, be- streitet aber, im Einverständnis mit der Michaelis gehandelt zu haben. Am 18. und 19. wird sich der Bureauafsistent Otto Lüdicke vor den Geschworenen zu verantworten haben, der seit Jahren in dem Steuerburcau des Berliner Magistrats beschäftigt war. insbesondere mit den Rückzahlungen zu hoch erhobener Umsatzsteuern zu tun hatte und nach einem raffiniert ausgcdachten Plane durch geschickte Fälschungen und allerlei Bucksschiebungen es verstanden hat, Unter- schlagungen in sehr bedeutender Höhe zu begehen. Studenten auf der Polizeiwache. Zwei Studenten, die gemeinschaftlich mit mehreren anderen in Charlottenburg auf der Straße nächtlicherweile gelärmt hatten und von einem Schutzmann nach der Wache gebracht wurden, sollen sich daselbst des Widerstandes gegen Beamte schuldig gemacht haben. Einer der beiden Studenten ist bereits von der Anklage des Wider- standeS vor einigen Wochen freigesprochen worden. Gegen den anderen, namens Kerzendorf, der in erster Instanz ebenfalls des Widerstandes nicht schuldig befunden worden ist, wurde gestern m der Berufungsinstanz verhandelt. Hier ergab sich folgendes: Die Studenten widersprachen ihrer Sistierung, weil sie sich durch«hre Studentenkarten, die allgemein als ausreichende Legitimation den Behörden gegenüber gelten, genügend legitimiert glaubten. Trotz- dem mußten sie dem Schutzmann zur Wache folgen. Denn dieser wollte von den Sistierten auch ihre auf den Karten nicht angegebene Wohnung wissen, wiewohl diese die Polizei jederzeit vom Sekre- tariat der Universität hätte erfahren können. Die Sistierung war also lediglich ein Ausfluß der Bequemlichkeit der betreffenden Be- amten. Auf der Wache kam es wegen der Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Legitimation zu einer lebhaften Auseinandersetzung zwischen den Beamten und den Studenten. Bei dieser Gelegenheit — so gibt der Angeklagte Kerzendorf an— habe ihn der Schutz- mann Wunsch mehrmals kräftig auf eine Bank gestoßen, ihn dann in eine Zelle gestoßen, mit Füßen getreten, am Halse gewürgt und schließlich an Hände» und Füßen gefesselt. Während dieses Auf- trittS habe er, der Angeklagte, allerdings Lärm gemacht, damit seine draußen befindlichen Kollegen hören sollten, oaß er mißhandelt werde. Nach seiner Freilassung habe er sich nach der Sanitätswache begeben. Da sei festgestellt worden, daß er Würgeinale am Halse, und Verletzungen am Arm hatte, eine Folge der ihm auf der Po-| lizeiwache widerfahrenen Mißhandlungen. Er und seine Kollegen seien von den Beamten auf der Polizeiwache„Schweine" und| „Lausejungen" geschimpft worden.„Euch werden wir kriegen, wir sind schon mit ganz anderen Leuten fertig geworden" hätten die Beamten gesagt... Der als Zeuge vernommene Schutzmann Wunsch sagte, er sei l bei der Personalienfeststellung eines anderen durch den Angeklagten gehindert worden, er, der Angeklagte, habe sich trotz Aufforderung nicht entfernt, der Zeuge habe ihn deshalb auf die Bank„gesetzt. Weil der Angeklagte ihm Widerstand leistete, habe er ihn ,n die Zelle gesperrt und gefesselt, aber nicht getreten. Das Gericht hielt für festgestellt, daß der Schutzmann Wunich in rechtmäßiger Ausübung des Amtes den Angeklagten auf die Bank niedergedrückt habe. Der Angeklagte habe dadurch Widerstand geleistet, daß er den Beamten an die Schulter faßte und dessen Uni- Versammlungen. Eine Abrechnung mit den Berliner Warenhäuser«. In einer Versammlung des Hilfsarbeiterpersonals referierte der Bezirksleiter über:„Der deutsche Transportarbeiterverband und feine Gegner." In der Diskussion über den beifällig aufge- nommenen Vortrag wurden die Verhältnisse in den Warenhäusern beleuchtet. Kleemaun gab einen Ueberblick über die Betriebe der Firma W. W e r t h e i m. Die Verhältnisse haben sich hier durch- weg gegen früher verschlechtert. Während bei der Gründung der Firma Verheiratete mit 125 Mk. monatlichem Gehalt etnaestellt wurden, erhalten sie jetzt nur 115 bis 120 Mk. In einzelnen Fällen werden sogar an Verheiratete nur 110 Mk. gezahlt. Unverheiratete erhalten bis zu 23 Jahren 80 bis 100 Mk., über 23 Jahre 105 Mk. monatlich. Auch die Arbeitszeit wurde verlängert. Während früher Sonnabends um 8 Uhr geschlossen wurde, wird jetzt Sonnabends immer erst um>49 Uhr geschlossen teilweise auch noch später. Ueberstunden werden demenesprechend auch erst von 9 Uhr ab be- zahlt. An Schaffner werden überhaupt keine Ueberstunden befahlt, obgleich sie meist immer erst sehr spät zurückkommen. Das Mittag- essen für Angestellte ist auch verteuert worden. Im Anfang mußten 50 Pf. dafür bezahlt werden. In diesem Jahre wurde der Preis zunächst auf 55 und dann auf 60 Pf. erhöht. In letzter Zeit scheint die Firma auch mit der Maßregelung organisierter Arbeiter be- ginnen zu wollen. Im Passagc-Kaufhaus sind jetzt 9 organisierte Arbeiter entlassen worden mit der Begründung, es herrsche Arbeits- mangel. An den Arbeitsmangel jetzt, kurz vor Weihnachten, glaubt keiner der Angestellten. Pollmeier schilderte die Verhältnisse bei Jandorf und Tietz. ES sei zwar UsuS, daß man Firmen, mit denen man im Vertragsverhältnis stehe, mit der öffentlichen Kritik verschone, aber die Firma Jandorf hat bei den wiederholten Verhandlungen wohl alles mögliche versprochen, aber das AufsichtSpersonal der einzelnen Betriebe richtet sich nicht nach diesen Versprechungen.— Als 1908 der Achtuhrladenfchluß obligatorisch eingeführt wurde, hofften auch die Kollegen bei Jandorf, daß dadurch eine Arbeitszeitverkürzung eintreten würde. Im vergangenen Jahre wurde dann bei VerHand- langen mit der Geschäftsleitung die Arbeitszeit so geregelt, daß dieselbe möglichst spätestens um 8?� Uhr beendet sein muß. Trotz- dem wurden aber die Hausdiener bis 9 Uhr und weit darüber hin- aus beschäftigt. Allerdings nicht immer in den Betrieben selbst, aber sie müssen beim Nachhausegehen häufig Pakete zum Bestellen mitnehmen, waS in den meisten Fällen längere Zeit in Anspruch nimmt. Die Behandlung und Schikanicrung durch einzelne Vorgesetzte hat ebenfalls häufig zu Klagen Anlaß gegeben. Hm schneidigsten gebärdet sich der Herr Inspektor Schal lert vom Kottbuser- dämm. Dieser Herr ist auch einer der eifrigsten Agitatoren für den gelben Verein. Bei der Firma Tietz sind die Arbeitsverhältnisse wohl die schlechtesten in der Warenhausbranche. Die gesetzlich festgelegte Mindestruhezeit von 11 Stunden täglich wird von der Firma nicht beachtet. Eine Ibstündige Arbeitszeit ist hier an der Tagesordnung. Die Arbeitszeit der Schaffner dauert meistens bis in die sinkende Nacht. Auch Sonntags hat man um 6 Uhr nachmittags noch Autos unterwegs angetroffen. Die Organisation wird in diesem Hause nicht geduldet. Die Angestellten sollten aber erkennen, daß nur durch eine straffe Organisation die Verhältnisse gebessert, werden können. In anderen Städten ist es auch möglich gewesen, mit der Firma Tietz Tarifverträge abzuschließen, eben weil tzort die An- gestellten gut organisiert waren. Mit einigen anderen Firmen beschäftigte sich Fröhlich. Er teilte mit, daß auch die Firma Rudolph Hertzog jetzt anschei- nend versucht, den lästigen Transportarbeiterverband aus ihrem Be- triebe zu entfernen. Sie hat nach scharfmacherischer Art mit der Maßregelung eines Kollegen begonnen, der für den Verband tätig war. Auch über das lange Austragen von Paketen, wurde in letzter Zeit viel geklagt. Geklagt wird auch über die Firma Hahn am Alexanderplatz . Bei einer ausgedehnten, langen Arbeitszeit zahlt die Firma nach Abzug der Kranken- und Jnvalidenbeiträge den fürstlichen Lohn von 21,16 M. wöchentlich. Ein Inspektor, unter- stützt durch ein gut eingerichtetes Spitzelsyftcm, wacht mit Argus- äugen, daß keiner der Angestellten sich der Berufsorganisation an- schließt.— Der bei der Firma Grünfeld. Leipziger Straße, neueingestellte Inspektor, unter dessen Schneidigkeit die im Hause tätigen Diener sehr zu leiden hatten, wird seine Lebensstellung in diesem Hause aufgeben.— Wiesele schilderte die Verhältnisse bei der Firma A. Wert« heim. Die Löhne sind auch hier ziemlich niedrig. Sic schwanken zwischen 90 bis 115 M. bei Unverheirateten und 120 bis 125 M- monatlich bei Verheirateten. Zulagen werden nur an einzelne nach Gunst gewährt. Ueberstunden werden bis 8 Uhr 40 Min. nicht be- zahlt, wird länger gearbeitet, so werden von'A9 Uhr, an Tagen, wo länger geöffnet ist, von 9 Uhr an Ueberstunden bezahlt. Schaff- ner erhalten auch hier keine Ueberstunden bezahlt, obgleich sis täglich länger arbeiten müssen, oft bis in die sinkende Nacht. Der Urlaub ist durchschnittlich um 3 Tage gekürzt worden. Auch die Lebensmittel für ihre Angestellten hat die Firma verteuert. Ein Teller Suppe kostete für diese früher 10 Pf., jetzt 15 Pf. DaS Mittagessen kostet mit Bier 75 Pf. Außerdem büßen dieimgeu. die im Hause essen, 54 Stunde ihrer Tischzeit ein, so daß in Wirk- lichkeit das Essen mindestens 1 M. kostet. Die sanitären Verhält- nisse lassen viel zu wünschen übrig. Vor allen Dingen gibt die DienerÄoilette im Keller Anlaß zu Klagen. Diese Toilette wird ziemlich stark benutzt, da auch die gesamten Lieferanten und Kutscher sie frequentieren müssen. Trotzdem existiert hier keina Spur von Ventilation. Ein Fenster, das nach dem Hof geht, ist oben mit einem Gitter abgedeckt. Dieses Gitter ist fast ständig mit allen möglichen Sachen vollgestellt. Auch die Ärbeitsräume im Keller, in denen sich die Stadtexpedition und die Packerei der Sammelstelle befindet, sind polizeiwidrig. Bei Revisionen werden diese Räume denn auch immer für Lagerräume ausgegeben. Um die Betriebskrankenkasse nicht allzusehr zu belasten, muß sich jeden bei der Einstellung einer ärztlichen Untersuchung unterziehen. So- bald der Arzt irgendwelche Bedenken hat, wird der Betreffende nicht eingestellt. Um den Profit noch zu erhöhen, werden jetzt junge Burschen als Schaffner mit einem Wochenlohn von 16,50 bis 17 M. eingestellt.— Die Organisation wird selbstverständlich in diesem Hause nicht geduldet. Dieselbe ist trotz alledem doch schon so stark im Hause, daß die Firma sie trotz aller Verfolgungen nicht mehr aus ihren Betrieben entfernen kann. Die Versammelten nahmen einstimmig eine Resolution an, nach der sie in dem deutschen Transportarbeiter-Verband diejenige Organisation erblicken, welche mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln die wirtschaftliche sowie geistige Hebung der in den Kauf- und Warenhäusern beschäftigten Kollegen anstrebt.— Am Schlüsse der Versammlung wurde bekannt gegeben, daß die Firma W. Wert- heim für ihre Angestellten ein Vergnügen veranstaltet, welches am 10. Februar in den Kammersälen, Teltower Straß«, statt-- finden soll. Diele Säle sind für die Arbeiterschaft gesperrt, des-- wegen müssen alle Karten zu diesem Vergnügen zurückgewiesen und auch die Mitarbeiter darauf aufmerksam gemacht werden!. Der Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter �Filiale Gross« Berlin) hielt am Donnerstag im großen Saal des Gcwerkschafts- Hauses eine außerordentliche Generalversamm- lung ab.—„Die Gemeindearbeiter und die ReichstagSwahlen", lautete der erste Punkt der Tagesordnung. Der Parteisekretär Otto Braun hatte das Referat. Dem letzten Reichstag, der jetzt nach unrühmlicher Tätigkeit seiner Mehrheit ein sang- und klang- loses Ende erreicht habe, widmete er einen wirkungsvollen Nachruf. Dabei gedachte er auch eingehend der Tätigkeit der Liberalen, speziell der Freisinnigen Volkspartei. Ueber deren oppositionellen Redensarten dürfe man nicht vergessen, daß erst die Liberalen den schwarzblauen Block zur Mehrheit verholfen hätten. In einer Reih« von Wahlkreisen hätten sie seinerzeit zugunsten der Konservativen den Ausschlag gegeben, um dann auch eine ganze Weile mit Junkern und Funkergenossen zu gehm Sie hätten auch gar zu gern das Geschäft der Aufhalsung von 400 Millionen Steuern auf die Schul« tcrn der Schwachen mitgemacht, wenn mit 100 Millionen die B:« sitzenden bedacht worden wären. Erst als das nicht eintrat, hätten sich die liberalen Herren wieder auf ihre„Gesinnung" besonnen. Daran müsse man sich erinnern, wenn sie in Berlin so sehr auf ihre oppositionelle Haltung gegenüber dem schwarzblauen Block pochten. An einer Reihe von Beispielen zeigte Redner, daß sie noch öfter als ihren Parteinamen ihre Gesinnung geändert hätten, so wie ihr ganzes Verhalten sich stets nach Zweckmäßigkeitsfragen richte und nicht nach Grundsätzen. Mit Recht hätten ihnen die Konservativen entgegengehalten, warum sie nicht, wie für den Landtag, für die Kommunen das ReichstagSwahlrecht forderten. Da erklärten die Freisinnigen: Ja, das sei ganz etwas anderes? Für sie sei es„ganz etwas anderes" überall da. wo sie wirklichen Einfluß hätten. Gerade die Versammelten, die Gemeindearbeiter, wüßten, wie es mit den Taten der Freisinnigen stehe. In den Parlamenten träten sie für die Aufrechlerhaltung deS KoalitionS- rechts ein. Aber sie scheuten sich nicht, in Kommunalbctrieben diejenigen Arbeiter, die wirkungsvoll und mit Nachdruck von ihrem Koalitionsrecht Gebrauch machten, in schlimmster Weise zu drangsalieren. Das geschehe ja nicht so offen und brutal, aber von hinten herum. Wie gerade mit Bezug auf die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse von Kommunal- arbeitern die Worte und Taten der Freisinnigen in Widerspruch getreten seien, zeigte Redner an einem eklatanten Beispiel auS Königsberg i. Pr., wo er als Stadtverordneter gewirkt hat. Aus all den Kämpfen, die im verflossenen Sieichstag geführt worden wären, ergebe sich, daß lediglich auf die Sozialdemokraten Verlaß sei. Wer der nimmermüden RüstungS- und ausbeuterischen Hungerpoliti? von Grund aus begegnen wolle, wer für eine Siche- rung der freien Entfaltung des deutschen Volkes sei, der müsse für die Sozialdemokratie bei den Wahlen eintreten. Es gelte zu zeigen, daß die„Niedergerittenen" von 1907 fest im Sattel säßen und lustig vorwärtSreitcn könnten.(Stürmischer Beifall.) ES folgte eine kurze Diskussion im Sinne des Referats. Der Vorsitzende W u tz k i begründete dann den Antrag de« Verwaltung auf Anstellung eines weiteren Bureaubeamten. Dies» rechtfertigt' sich im Hinblick auf die Mehrarbeit, die erwachsen ist aus dem Steigen der Mitgliederzahl seit Ende 1906, seit welcher Zeit eine Vermehrung der Zahl der Angestellten nicht erfolgt ist. Damals waren es 4909 Mitglieder und am Ende des Jahres 1911 werden es zweifellos 8500 sein.— Nachdem einer der Revisoren für den Antrag eingetreten war, wurde er gegen 2 Stimmen an« genommen. Der Vorstand hat die Stelle auszuschreiben. Man er» ledigte noch einige Verbandsangelegenheiten. Zentralverband der Handlungsgehilfen und- gehilfinnen Deutschlands , Bezirk Groß-Berlin. In den am Donnerstag und Freitag in den verschiedensten Stadtteilen Berlins sowie in den Vororten abgehaltenen Versammlungen wurde nach eingehender Debatte folgende Resolution unter großem Beifall der Versam» ineltcn angenommen: „Die Versammlung des Zentralverbandes der HandlungS- gehilfen und-gehilfinnen Deutschlands wendet sich gegen die Be- strebungen, die darauf hinauslaufen, durch Gründung neuer Ver- eine die HandlungSgehilfenbewegung weiter zu zersplittern. JnS- besondere betrachtet es die Versammlung als eine Schädigung der Gehilfeninteressen, daß durch die vom Bund der technisch- industriellen Beamten erfolgte Gründung des Bundes der kauf- männischen Angestellten neuer Zwist unter die kaufmännischen Angestellten getragen worden ist. Die Versammelten verurteilen diese neue organisatorische Absplitterung um so mehr, als diese nicht etwa auS den Kreisen der Handlungsgehilfen selbst hervor» gegangen, sondern vom Bund der technisch-industriellen Beamten künstlich verursacht worden ist. Des weiteren verurteilt die Versammlung das Verhalten der Demokratischen Vereinigung. Diese läßt es zu. daß führende Mitglieder Gcwerkschaftszersplitterung betreiben und begünstigt dieselbe durch ihr offizielles Organ„Das freie Volk". Daran können auch die Perössentlichungen der Demokratischen Pereioi«
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