Die kommende Reichstagswahl. Die„Wählerversammlungen" zur diesmaligen Reichs- tagswahl ziehen in ganz eigenartiger Weise die Frauen an. Obgleich nicht wahlberechtigt, haben diese ein solches Interesse am öffentlichen und politischen Leben gewonnen, wie das noch nie bisher der Fall gewesen ist. Auch die 43 öffentlichen Wähler- und Volksversammlungen, welche unsere Partei zu gestern abend für Groß-Berliu einberufen hatte, zeigten das. Wir danken diese erfreuliche Erscheinung dem schwarz-blauen Block— das einzige, was wir ihm zu danken vermögen! Freilich hat er diese gewaltige Aufrüttelung der Frauen wider feinen Willen herbeigeführt. Als die Junker und die Pfaffen nach dem Ausfall der letzten Wahlen sich gemeinsam daran machten, das deutsche Volk zu schröpfen, wie das nie zuvor geschehen ist, da haben sie kaum daran gedacht, datz ihre skrupellose Bereicherung auf Kosten der breiten Masse des Volkes derartig aufreizend und aufklärend wirken würde, daß selbst die bis dahin politisch meist indifferenten Frauen mit Eifer sich dem Studium der Politik und speziell der Wir- kungen der Zollgesetzgebung hingeben würden. Das Maß, in dem das geschehen ist und sich jetzt durch den Eifer der Frauen zeigt, läßt uns ahnen, wie weit auch andere, dem politischen Getriebe bisher fernstehende Kreise jetzt von diesem ergriffen worden sind und steigert die Erwartung auf den Ausfall dieses trotz seiner kurzen Dauer so heftigen Wahlkampfes, wie wir wenige bisher erlebten. Die gestrigen Versammlungen waren durchweg gut be- sucht, obgleich eine übermäßige Propaganda für sie kaum ent- faltet worden ist und obgleich unsere organisierten Genossen, die überall die Masse der Besucher stellten, am Sonntag schon durch die Wahlarbeit in Anspruch genommen worden waren und sie wußten, daß der heutige Zahlabend ihnen neue Arbeit bringen muß. Aber der Eifer, mit dem schwarzblauen Block abzurechnen und für eine andere Zusammensetzung des neuen Reichstages Sorge zu tragen, rief die Massen in erfreulichem Umfange auf die Beine. Auch unsere Polizei hatte offenbar einen„großen Tag" erwartet. Man sah sie fast überall in der Nähe der Versammlungslokale stark vertreten. Meist aller- dings hielt sie sich im Hintergrund und nur einige Posten mit umgeschnalltem Revolver verrieten, daß im Verborgenen starke Aufgebote der Dinge harrten, die da kommen sollten und— nicht kamen. Denn ob auch die Herren Polizeiofsiziere mit wichtiger Amtsmiene hin und her schritten, ob auch zeit- wcilig sich einer der von den Straßendemonstrationen her be- kannten Radfahrer zeigte, zu..Ungehörigkeiten" im„Polizei- technischen Sinne" kam es nicht. Unsere Genossen hörten überall in den Sälen mit Ruhe die Ausführungen der Redner an. Sie kargten nicht mit Bei- fall, auch den Diskussionsrednern gegenüber. Und fast überall sprachen auch in der Diskussion Frauen. Dann aber ging man ruhig auseinander, ohne der Polizei Gelegenheit zum Einschreiten und der Regierung den Stoff für die noch immer gesuchte Wahlparole zu geben. Mit derselben Gelassenheit, aber auch mit derselben Energie wird das Volk am 12. Januar sein Votum abgeben. Und kein Säbelrasseln wird das Strafgericht an Junkern und Pfaffen, an der gesamten Reaktion verhindern können! *« * Ueber den Ausfall der einzelnen Versammlungen er- hielten wir folgende Berichte: Erster Wahlkreis. In den Co r ona- Fest sä le n in der Kommandantenstraße sprach der Kandidat dcs Kreises, Genosse D ü w e l l, vor etwa 2ö0 Personen. Im Anschluß an das Referat fand eine rege Dis- kussion statt. Vor dem Lokal sah<man ein starkes Polizeiaufgebot. Zweiter Wahlkreis. Die bei Kliems, Hasenheide, tagende Versammlung war von zirka 1000 Personen besucht. Der Kandidat des Kreises, Richard Fischer, ermunterte die Anwesenden in zündender Rede zur Niederwerfung der Reaktion. Der Redner erntete stürmischen Beifall. In der Diskussion sprachen u. a. Genosse Georg Schmidt und die Genossin Meine. Für den zweiten Kreis fanden außerdem noch zwei ebenfalls gutbesuchte Versammlungen in der„B o ck b ra u e r« i" und in .N i ß l e s F e st s ä l e n" in der Dennewitzstraße statt. Dritter Wahlkreis. In der Versammlung bei Keller, Neue Philharmonie, sprach an Stelle des durch einen Todesfall verhinderten Genosse» Eberl Genosse B r a u n- Königsberg. Er zeichnete in scharfen Strichen die Sünden des vergangenen Reichstages und forderte die Anwesenden auf, sich der sozialdemokratischen Organisation anzu- schließen und die Parteipresse zu unterstützen. In der Diskussion sprach die Genossin Mittag im Sinne des Referenten. Der„Märkische Hof" in der Admiralstraße war gut be» sucht. Es waren zirka 500 Persocken anwesend. Referent war der Kandidat des Kreises, Genosse Wilh. P s a n n k u ch. Die Anwesen- den zollten dem Referenten lebhaften Beifall. Vierter Wahlkreis. Die Versammlung bei Keller in der Koppenstraße war überfüllt. In anregender fesselnder Weise sprach Genosse Dittmer unter großem Beifall der Anwesenden, darunter viele Frauen, über die kommenden Reichstagswahlen. In der Diskussion forderte ein Redner zum Austritt aus der Landeskirche auf, eine Genossin fordert die anwesenden Frauen auf, bei den Wahlen zu helfen und ber Organisation beizutreten. Die Versammlung bei B o e k e r in der Weberstraße war mittelmäßig besucht. Referent war Arbeitersekretär Link. Seine Ausführungen wurden mit lebhaftem Beifall entgegengenommen. In der Brauerei Friedrichshain referierte Genosse S p l i e d t. Der Saal war überfüllt, so daß die Tische beseitigt werden mußten. Die Frauen bildeten etwa den vierten Teil der Versammlung. Gegner nahmen trotz Aufforderung dazu nicht das Wort. In der L ö w e n b r a u e r e i. Frankfurter Allee 53, referierte vor überfüllter polizeilich abgesperrter Versammlung Genosse Eugen Brückner. Im Elysium referierte Genosse Büchner, Kandidat des Kreises. Ter Redner wurde oft von stürmischein Beifall unter- brachen. In den Markgrafensälen sprach Genosse Küter vor einer gut besuchten Versammlung. In der Drachenburg referierte Genosse Thurow. Die Versammlung war überfüllt. Etwa 1000 Personen, der vierte Teil davon Frauen, waren anwesend. Die Stimmung der Anwesenden war die denkbar beste. In den C o m e n i u s s ä l e n referierte vor einer dichtgedräng- ten aber aufmerksamen Zuhörerschaft Genosse R. Barth. Der Vortrag wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Gegner meldeten sich trotz wiederholter Aufforderung nicht zum Wort. Die Versammlung im Gewerkschafts Haus war sehr gut besucht. Genosse Mermuth schilderte unter großem Beifall die Sünden des schwarzblauen Blocks und forderte die Ver- sammelten auf, am 12. Januar ihre Schuldigkeit zu tun. Die„Ressource" in der Manteuffelstraße war gedrängt voll. 600 Personen waren anwesend, viele kehrten um. Auch hier waren die Frauen zahlreich vertreten. Gegner waren wicht an- wesend. Referent war Genosse H a r t m a n n. Genossin Thcuert und Genosse Reese sprachen in der Diskussion. FUnfter Wahlkreis. Die Versammlung in den„U n i o n- F e st s ä l e n" in der Greifswalder Straße war so stark besucht, daß die Gallerien ge öffnet werden mußten. Der Referent Genosse Tarnow erntete mit seinen Ausführungen starken Beifall. Die Versammlung in den Königs sälen war ebenfalls sehr stark besucht. Dort referierte unter lebhaftem Beifall Stadt- verordneter Genosse D u p o n t. Sechster Wahlkreis. Puhlmanns Theater, Schönhauser Allee . Die Ver sammlung war von zirka 1200 Personen besucht. Genosse Drunsel zeigte, wie viel die besitzlose Klasse durch die Beschlüsse des letzten Reichstages an Lasten aufgebürdet erhielt. Er geißelte scharf die Parteien, die sich durch besonders reaktionäres Vorgehen gegen die Arbeiterklasse ausgezeichnet haben. Während des Vortrages rückten immer neue Besucher heran, so daß der Saal bei weitem nicht ausreichte, alle Personen zu fassen. Reicher Beifall lohnte dem Redner für seinen Inständigen Vortrag. In der Diskussion sprachen einige Genossen. In Obiglos Fe st sälen hatten sich 600 Personen ver. sammelt, unter denen ganz besonders viel Frauen vertreten waren. Das Referat des Genossen Langhammer fand vielen Beifall. Borussia-Säle, Ackerstraße. Referent Genosse Brühl- Lichtenberg schilderte die Gesetzgebung, die der verflossene Reichs- tag dem Volke beschert hat. Er ging der Reihe nach auf die in der Reichsfinanzrcform gegebenen Steuern sowie auf die Ver sicherungsordnung, wo die sozialdemokratischen Anträge abgelehnt wurden, ein. Zum Schluß wies er darauf hin, daß es nicht auf die Mandate ankommt, sondern auf die Zahl der Stimmen. Gegner waren nicht anwesend, auch fand keine Diskussion statt. Zum Schluß wies der Vorsitzende auf die Einsichtnahme in die Wählerliste hin. Im Swinemünder Gesell schaftshaus waren Saal und Tribünen überfüllt. Genosse Albin M o h s schilderte die Ar- beiten des verflossenen Reichstages, speziell die sogenannte Finanz- reform mit seiner schweren Belastung durch indirekte Steuern und nachfolgender Teuerung. Unter den zukünftigen Arbeiten des neu zu wählenden Reichstages hob er besonders das gefährdete Koali- tions- und Streikrecht hervor. Der Referent forderde besonders die Frauen auf, sich an der Kleinarbeit zu betätigen, um so wenig- stens mit für einen günstigen Ausgang der Wahl in unserem Sinne zu singen. In der Versammlung bei D a a s e, Brunnenstrahe, schilderte Genosse Bahn in treffenden Worten die EntWickelung der Sozial- dcmokratie, indem er die Zahlen der vergangenen Reichstags- Wahlen den Anwesenden vor Augen führte. Weiter zerzauste der Redner die„Taten" der herrschenden Parteien. Die Versammlungen in der Badstraße, wo im Frank«. schen Lokal Genosse Bartsch referierte und im Voigt- t h e a t e r Genosse Lehmann sprach, waren gut besucht. Die Ausführungen beider Redner fanden bei den aufmerksamen Zuhörern gute Aufnahme. PharuSsäle, Müllerstraße. Beide Versammlungen waren gut besucht und polizeilich abgesperrt. Referenten waren die Ge- nassen Glocke und K I o t h, die großen Beifall ernteten. Im selben Lokal tagte die St. I o s e p h- G e m e i n d e. Da der Vor- sitzende die Meinung bertrat, seine Schäslein hätten sich in unsere Versammlungen verirrt, wurde ihm gestattet, der Versammlung bekanntzugeben, daß im anderen Saal die St. Josephsgemeinde tagt. Lautes Gelächter war die Antwort, aber es folgte ihm niemand. Die Versammlung in der„K r o n e n br a u e re i" Moabit war schon frühzcitg überfüllt und konnte weitere Massen nicht fassen. Genosse Däumig rechnete unter lebhaftem Beifall mit dem verblichenen Reichstage ab. Im Restaurant hatte sich ein Polizeileutnant und ein Kriminalbeamter eingefunden. Im Saale der„B o ck b r a u e r e i" in der Chausseestraße re- ferierte vor einer starkbesuchten Versammlung Genosse Hans Weber unter lebhaftem Beifall. Im„C ö s l i n e r Hos" nahm die äußerst gutbesuchte Wähler- Versammlung das Referat des Genossen Schubert mit Beifall entgegen. In scharfen Umrissen entwarf der Referent ein Bild der Sünden des Block-Rcichstages. In den A r u, i n i u s/> H a l l e n, Bremcrstraße, referierte in gut besuchter Versammlung Genosse Th. Fischer, der stürmischen Beifall erntete. Vororte. Nieber-Schönhausen. Die Volksversanrmlung im Saale von L i e d e m i t war von zirka 400 Personen besucht. Der Redner Genosse U ck o verstand es, seine Zuhörer zu fesseln. In der Dis- kussion sprach Genosse Vieth, der sich besonders an die Frauen wandte, indem er sie aufforderte, die Lcbcnkmittelteuerung gehörig auszunutzen. Weißensee. Im überfüllten Saale von Tzschentschler lauschten die Versammelten mit Spannung den Worten des Ge- nassen Wücke. Die markantesten Stellen in seinem 1 �ständigen Vortrage wurden mit vielem Beifall aufgenommen. Frohe Sieges- stimmung herrschte unter den Anwesenden. Gegner waren nicht anwesend, wenigstens nahm keiner das Wort. Lichtenberg . Im Lokal von Schwarz referierte der Genosse B ü h l e r. Anwesend waren 800 Personen. Im Lokal von Steuer sprach der Genosse A h s ch e vor etwa 500 Personen. In Neu-Lichtenberg im Bürgerschen Lokale hielt Genosse W u s'ch i ck das Referat, zu dem sich über 400 Personen eingefunden hatten. In allen Versammlungen herrschte KainpfeSstimmung. Kaulsdorf . Vor einer außerordentlich stark besuchten Ver- sammlung. wie sie hier am Orte noch nie gesehen worden ist, refc- rierte in einer zirka zweistündigen Rede Genosse S t a d t h a g e n. Im Anschluß an das Referat fand eine rege Diskussion statt, an der sich jedoch Gegner nicht beteiligten. Für den Wahlvercin fanden einige Neuaufnahmen statt. daß die erwähnte allgemeine Polizeiverordnung rechtsgültig sek. Sie finde ihre Stütze in Z 10 Teil 2 Titel 17 Allgemeinen Landrechts, wonach die Polizei unter anderm die Aufgabe habe, Gefahren abzuwenden, die dem Publikum oder einzelnen seiner Mitglieder drohen. Darunter fielen auch Gesundheitsgefahren. Zweifellos handele es sich hier nun um Wirtschaftswässer im Sinne der Polizeiverordnung. Wenn aber eine solche allgemeine gültige Be- stimmnng durch eine Polizeiverordnung gegeben sei, dann komme es nicht darauf an, ob in jedem einzelnen Falle die fragliche Ab- führung der Wässer zu einer Gesundheitsgefahr Anlaß gebe oder nicht. Es genüge, daß die allgemeine Vorschrift erlassen sei zur ?lbwendung von Gesundheitsgefahren. Möge jemand in seinem Betriebe speziell keinen Anlaß geben zu einer Gesundhcits- gefährdung, er falle doch unter die allgemeine Verordnung. Die Polizei habe nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht gehabt, einzuschreiten. Nun hätten einige der Schlächtermeister geltend gemacht, ihre Grundstücke gestatten es nicht, dort Sammelgruben anzulegen. Demgegenüber sei zu bemerken: es sei ein allgemeiner Grundsatz, daß niemand sein Gewerbe ausüben dürfe auf Kosten des Lebens und der Gesundheit seiner Mitmenschen. Wenn ein- zelne Gehöfte, vielleicht wegen örtlicher Beschränktheit, die Ein- richtung von Sammelgruben nicht gestatteten, dann würde daraus nur folgen, daß diese Gehöfte sich nicht zur Wurstmacherei eigneten und daß die Betriebe dort eingestellt werden müßten. Das möge ja für einzelne hart sein. Indessen: niemand dürfe auf Kosten von Leben und Gesundheit seiner Mitmenschen sein Gewerbe be- treiben. Was nun die Abfuhr aus den Sammclgruben betreffe, so könnten die Kläger nicht geltend machen, daß sie keinen Ort be- säßen, wohin die Reste der Abwässer abgeführt werden könnten. Wenn es der einzelne nicht vermöge, dann müßten sich eben die Meister zusammentun und gemeinschaftlich solchen Ort beschaffen. Es sei auch gleichgültig, ob der Bürgermeister durch die Verfügung die Schaffung der noch fehlenden öffentlichen Kanalisation fördern wolle. Das ändere nichts daran, daß die Verfügungen zu Recht ergangen seien auf Grund einer dem Schutze der Gesundheit dienenden Polizeiverordnung. Gerichts- Zeitung» Gegen Verunreinigung öffentlicher Ableitungen. In einem Prozeß gegen den Oberpräfidenten von Schlesien . den der Schlächtermeister Sommer und 26 andere Schlächtermeister aus Grünberg angestrengt hatten, fällte das Oberverwaltungs- gericht eine wichtige Entscheidung. Die Kläger hatten die Ab- Wässer von ihrer Wurstfabrikation immer in die Rinnsteine oder unterirdischen Ableitungen zu dem Flüßchen der Stadt abgeführt. Eine öffentliche Kanalisation gibt es noch nicht in Grüicherg. Die Polizcivcrwaltung erließ nun an die Schlächtermeister eine Verfügung, durch die sie ihnen aufgab, jene Art der Abführung der Wässer zu unterlassen und auf ihren Grundstücken Sammel- gruben anzulegen. Dorthin sei das Wasser von der Wurstfabrikation abzuleiten und von Zeit zu Zeit, jedenfalls so oft als erforderlich, abzufahren. Die Polizei ging davon aus, daß die bisherige Ab- leitung gesundheitsgefährlich sei; auch stützte sie sich noch auf eine Polizeiverordnung für Grünberg, welche die Abführung von übel- riechenden Abwässern und von Wirtschaftswässern in die Rinn- steine usw. verbietet. Nachdem der Regierungspräsident zu Licgnitz und der Ober- Präsident der Provinz Schlesien die Beschwerden der Kläger abge- wiesen hatten, klagten diese beim Oberverwaltungsgcricht. Das Oberverwaltungsgcricht wies dieser Tage die Klage mit folgender Begründung_a 6: Zunächst gehe das Gericht davon aus, letzte Nachrichten« Die Seeprisenbill im englischen Oberhause. London , 12. Dezember. (W. T. B.) Im weiteren Verkauf der Sitzung leitete der erste Kommissar für Arbeiten und öffentliche Bauten Carl Beauchamp die zweite Lesung der Seeprisenbill ein, erklärte ihre Bestimmungen und kündigte an, daß die Bill erst in Wirksamkeit treten werde, wenn die Regierung die befriedigend« Zusicherung erhalten habe, daß die anderen Mächte, welche die Lon- doner Deklaration unterzeichneten, den Worten„Stützpunkt für Proviantvcrsorgung"(base of supply) und„befestigter Platz" die- selbe Bedeutung beilegten, wie die britische Regierung. Die Re- gierung stehe mit den anderen Mächten über den Gegenstand bereits in Verbindung und habe allen Grund zu der Annahme, daß die Antworten befriedigend ausfallen würden. Lord Selborne be- antragte hierauf die Ablehnung der Bill. Er wandte sich gegen die Beschaffenheit und Zusammensetzung �des vorgeschlagenen internationalen Prisengerichtshofes und erklärte, es sei vollkom- men widersinnig, einen Gerichtshof dieser Art zu schaffen und dem britischen Reiche nur dieselbe Vertretung zu geben, wie einer zentralamerikanischen Republik . Aenderung in der indischen Verwaltung. London , 12. Dezember. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung deS Unterhauses machte Ministerpräsident Äsquith auch förmliche Mitteilung von der Erklärung, die der König beim Durbar in Delhi über die Aenderung der Verwaltung in Indien abgegeben hat. Bonar Law sagte, es würde für die Oeffentlichkeit nicht von Vorteil sein, die Sache jetzt zu besprechen, da der König noch in Indien weile; er schlage aber vor. daß die Frage in der nächsten Session angeregt werde. Eine ähnliche Mitteilung würde von Viscount Morley im Obcrhause abgegeben. Lord Sans- d o w n e erklärte, die Vorschläge bedeuteten eine jähe Umkehr jener Politik, die von Lord Curzon eingeleitet, von seinem Nachfolger im Vizekönigtum befolgt, von der unionistischen Regierung ange- nommen und von der liberalen Regierung fortgesetzt worden sei. Das ist ein großer, plötzlicher und gewaltiger Wechsel in der Politik. Was diesen Vorschlägen eine ganz besondere Bedeutung gibt, ist die Tatsache, daß sie verbunden sind mit einer persönlichen Intervention dcs Herrschers. Das ist in der Tat eine sehr ernste Sache, und wenn ich mich nicht irre, werden die Vorschläge in Indien Gefühle der verschiedensten Art hervorrufen, gehobene Stimmung sowohl als große Enttäuschung. Lord LanSdowne gab zu, daß es unmöglich sei, die Frage gerade am Ende der Session zu erörtern und wies darauf hin, daß. wenn jetzt eine kritische Besprechung dieser Dinge stattfände, es schwer sein dürfte» einen Mißton zu verm«i!>'n, den niemand im gegenwärtigen Zeit» Punkt anzuschlagen wünsche. UeberdieS, schloß Lord Lansdown«, kann nichts, was daS Haus sagen oder tun kann, das ändern, was vom König heute morgen verkündigt worden ist. Lord Curzon betont hierauf, daß die Aenderungen in der Verwaltung von Indien von Wichtigkeit seien, stimmte aber einer Vertagung der Debatte bis zur nächsten Session zu._ Beschießung eines englischen Dampfers durch Italiener . Paris , 12. Dezember. (W. T. B.) Nach einer Blätter» Meldung hat der Kapitän des heute in Marseille eingetroffenen Glasgower Postdampfers„Baron Golwarth" der dortigen Handels- kammer Bericht erstattet darüber, daß ein italienischer Kreuzer am 30. November im Roten Meer fünf Kanonenschüsse auf sein Schiff abgefeuert habe. Eine Kugel habe den Vordersteven getroffen und beträchtlichen Schaden angerichtet. Der Befehlshaber des italieni - schen Kriegsschiffes habe sich, als er den Jrrwm erkannte, beeilt, dem englischen Kapitän seine Entschuldigung auszusprechen. Spionitis. PortSmouth , 12. Dezember,(W. T. B.) Vor dem Polizei» gericht wurde heute das Verfahren gegen den deutschen Kapitän Heinrich Grosse wegen Verletzung des Gesetzes zur Wahrung des Amtsgeheimnisses wieder aufgenommen. Die Anklage lautet auf gesetzwidriges Betreten eines verbotenen Platzes und ferner auf Versuch, Tatsachen über die Kohlcnvorrätc und über die Stärke der Besatzung zu erfahren.„.. Nach den Ausführungen des Staatsanwalts beschloß daS Polizeigericht hierauf das H a u p t v e r fa h r e n gegen Gross« vor dem Geschworenengericht. Neue Unruhen in Albanien . Saloniki, 12. Dezember. (H. B.) Im Gebiete von Karat oiöa sind Unruhen ausgebrochen. Es wurden dort eine Menge Bomben und Dynamit beschlagnahmt. Infolgedessen wurde aus Uesküb ein Regiment nach dort gesandt. Zwischen den Stationen De mir» kap u und Krivolak der Orientbahn wurden letzte Nacht Keuer- dings von der Bahnwache mehrere Dynamitbomben, die mit elektrischen Batterien versehen waren, entdeckt und von den Schienen entfernt._ Erdbeben in Smhrna. K-nstantinopel, 12. Dezember. sW. T. B.) E r d st ö ß e Serben aus D e n i z l i im Vilajet Smyrna gemeldet. Im Dorfe H o u n a r sind einige Häuser eingestürzt, mehrere haben Risse bekommen. Aus Mexiko . El Paso , 12. Dezember. (W. T. B.) Die amerikanische Grenz» wache ist ver st är k t worden, da Meldungen vorliegen, daß Gene- ral Reyes am 15. Dezember mit einem Angriff auf Juarez die Revolution wieder beginnen wird. Lerantw. Redakteur: Albert Wachs, Berlin . Inseratenteil verantw.: Zh. Glocke, Berlin . Druck U.Verlag: Vorwärts Buchdr-C Verlagsanstalt Paul Singer ä Co., Berlin LW. Hierzu 3 Beilagen«.UntcrhaltungSbl.
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