jeden Einwohner des Deutschen Reiches kommen demnach 8330Quadratmeter oder 0,833 Hektar, eine ganz hübsche Fläche, wennsie nicht bloß eine theoretische Größe wäre. Seit der vorhergehen-den Zählung vom 1. Dezember tOOS hat sich die Bevölkerung um4 284 504 Einwohner, d. h. um 7,07 Proz. vermehrt. Die absoluteZunahme ist die größte, die in den öjährigen Zählungsperiodenseither beobachtet wurde. Dagegen ist der Prozentsatz von 7,07in den beiden vorhergehenden Jahrfünften übertroffen worden.Das Anwachsen der Bevölkerung seit Bestehen des'Reiches fandnoch den 9 seither veranstalteten Volkszählungen in folgenderliche Bevölkerungsvermehrung durch den Ueberfchuß der Geburtenüber die Sterbefälle, sondern es kommt auch das Verhältnis derZu- und Abwandernden in Frage. Natürlich spielt das letzt-genannte Moment gegenüber dem erstgenannten eine sehr unter-geordnete Rolle. In dem Gesamtzeitraum von 1871 bis 1910 ver«lor das Reich durch Wanderungen sUeberschuß der Auswanderndenüber die Einwandernden) 2 472 327 Personen. Der Schluß, daßohne diese Abwanderungen die Bevölkerung heute um so viel Per-fönen größer wäre, ist natürlich nicht zulässig. Im letzten Jahr-fünft verlor das Reich durch Wanderungen 159 904 Personen.Die stärkste Bevölkerungszunahme von allen Bundesstaatenund Provinzen hatte die Provinz Brandenburg zu verzeichnen, wosich die Bevölkerung in diesen 5 Jahren um 560 760 oder um29,2 Proz. vermehrte. Es kommt in dieser Ziffer die starke Zu-Wanderung aus dem Stadtkreis Berlin, der in der Gesamtstatistikder Provinz Brandenburg nicht mit enthalten ist, zum Ausdruck.Berlin hatte infolgedessen nur ein« Zunahme von 31 109 oder 3,03Prozent. Eine noch geringere Zunahme in dem letzten Jahrfünfthatte nur noch das Herzogtum Anhalt mit 1,88 Proz. Besondershohe Zunahmen weisen ferner noch Hamburg mit 29,5. Bremenmit 25,6, Provinz Westfalen mit 26,2 und das Rheinland mit 20,2Prozent auf.Wie aus den eingangs mitgeteilten Ziffern hervorgeht, hattenwir in Deutschland bei der letzten Zählung einen Frauenüberschußvon 845 661 Personen oder von 2,6 Proz. gegenüber der männlichenBevölkerung. Dieser Ueberfchuß beruht bekanntlich nicht darauf,daß mehr Mädchen als Knaben geboren worden— tatsächlich istbei der Geburt sogar ein Knabenüberschuß von 6 Proz. vor-handen—, sondern auf der größeren Sterblichkeit und der stär-keren Abwanderung des männlichen Geschlechts. Doch hat sichdieser Frauenüberschuß seit der Zählung von 1885, wo er 4,5 Proz.betrug, ständig verringert. Es ist dies vor allem eine Folge davon,daß die Sterblichkeit des männlichen Geschlechts in der letzten Zeiti» höherem Maße abgenommen hat als die des weiblichen.Bus der frauenbewe�ung.Was schenken wir unseren Kindern?Die Geschäfte haben sich für den Weihnachtsverkauf gerüstet.Die Schaufenster sind mit tausenderlei Dingen, worunter dieSpielsachen für Kinder sicherlich nicht den kleinsten Raum ein-nehmen, gefüllt. Die Kleinen, die vorüberkommen, drücken sich dieNaschen platt an den Scheiben und starren verzückt in die wunder-same Märchenwelt. Doch ist es leichter ausgewählt als gekauft.'Schwer ist es für viele, viele Eltern, die ihre Kinder beglückenmöchten und doch mit jedem Groschen rechnen müssen. Die Frage,was Arbeitereltern bei ihren beschränkten Mitteln ihren Lieblingenauf den Weihnachtstisch legen sollen, ist des reiflichen Ueberlegenswert, denn es heißt, mit dem Wenigen haushalten und dieGroschen nutzbringend antoenden, um nicht das sauerverdienteGeld in brüchigen Tand und wertlosen, ungeeigneten Krimskramszu stecken. Es gilt, praktische Gegenstände auszusuchen, die demAlter und Verständnis des Kindes angepaßt sind und ihnen nebenFreude und Unterhaltung auch geistige Anregung bieten.ES kann nicht darauf ankommen, jeder kindlichen Bitte Gehörzu schenken, wo es nicht ratsam ist. Kinder besitzen eine lebhaftePhantasie und lassen sich leicht durch äußer« Einwirkung blenden.Um so eher folgt die Enttäuschung und die Freude ist vorbei.Bei einigermaßen geschicktem Verhalten dürfte es nicht schwerfallen, Kinder von törichten Wünschen abzubringen. Spiel-fachen sollen nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zwecksein; sie sollen das Kind zum Denken anregen, seine Fähigkeitenund Neigungen erkennen lassen. Stilles Beobachten der Kinderbeim Spiel bietet den Eltern manchen guten Wink für die spätereErziehung. Deshalb ist Sorgfalt bei der Auswahl von Spielsachenam Platze. Werkzeuge, Bau. und Tuschkästen, Wagen, Garten-und Küchengeräte, Puppen und Puppenstuhen, Näh-, Stick, undHäkelzeug, Bälle, Kegel, Geduldspiele sind nur einige der nützlichenTinge, die Kindern zum Borteil gereichen. Zu empfehlen sind guteBilder- und Märchenbücher, Reise- und sonstige Erzäh-lungen. Doch beileibe nicht die ersten besten! Denn hier gibtsviel Spreu unter dem Weizen, und besonders auf diesem Gebietekann nicht wieder gutzumachendes Unheil angerichtet werden. Essei hier auf die Jugendschriften- Ausstellung auf-merksam gemacht, die alljährlich vor Weihnachten im Berliner Ge-werkschaftshause arrangiert wird. Daselbst werden die Eltern beimEinkauf mit Rat und Sachkenntnis unterstützt und finden fürKinder jeglichen Alters angepaßte Schriften zu mäßigen Preisen.EinS aber können wir den Proletariereltern nicht dringendgenug ans Herz legen: Kauft keine Säbel, Flinten, Uniformen!Pflanzt nicht schon die öde Militärschwärmerei in die zarte,empfängliche Kindesseele! Wer es tut, versündigt sich an seinemKlassen interesse, an der Kultur und Menschlichkeit. Jugendein-drücke wirken nachhaltig aufs spätere Leben ein.Viele Proletariereltern und besonders Mütter denken leidernoch immer nicht daran, daß das Wesen des Molochs Militarismusdie letzte, verzweifelte Zuversicht der giftgeblähten Reaktion undder grimmigste Feind des aufsteigenden kämpfenden Volkes ist.'Deshalb rufen wir ihnen zu: Hinaus aus dem Proletarierheimmit dem Mordwerkzeug! Denkt an die blutige Schmach von Mans-feld! Denkt an die Maschinengewehre, die ihre verderbenspeiendenSchlünde auf Eure hungernden Brüder und Schwestern richteten.Söhne der Mansfelder Bergleute waren es, die nach dem Aus-sperrungSgebiet gesandt wurden, auf daß sie im geeigneten Momentauf Vater. Mutter und Geschivister schießen sollten! Und wirdnicht bei allen Arbeiterdemonstrationen, bei allen Volksversamm-lungen das Militär mit scharfer Munition ausgerüstet und bereit-gestellt?! Speit nicht die patriotische und gottesfürchtig« PresseGift und Galle, weil in Moabit nicht Militär verwendet wurde.um das Volk niederzumetzeln? Und lesen nicht viele unserer Klassen-genossen noch heute diese Blätter? Hinaus mit ihnen,hinaus mit dem Mordspielzeug, hinaus mit derbunten Uniform und all den Kinkerlitzchen, hingus mit allemaus dem Arbeiterheim, was die Reaktion stärkt!Eine Kundgebung für die Ehcreform.Im österreichischen Abgeordnetenhause trat«:her Spezialdebatte über iaS Pudgetprovisorium der AbgeordneteMali! für eine Reform sses Eherechts ein, die kakholischen Ge-schiedenen eine Wiederverheiratung ermöglichen soll. Einige aufder Tribüne befindliche Frauen veranstalteten nach der Rede desAbgeordneten eine Kundgebung für die Ehereform, in-dem sie Agitationszettel in den Saal warfen. Die Frauen wurdenvon der Tribüne entfernt und darauf die Sitzung vertagt,Sericbts-�eitung.Wegen Beleidigung eines Scharfmachers freigesprochen.DaS Landgericht Hof verhandelte gegen den Redakteur der„Deutschen Holzarbeiterzeitung", M. Kaiser-Berlin, wegen Beleidigung des Dampfsägewerkbesitzers Dürbeck in Weißenstadt, demin einem Artikel des genannten Gewerkschaftsorgans vorgeworfenworden war. daß er seinen Arbeitern das Koalitionsrecht raube,sie willkürlich behandle, Maßregelung auf Maßregelung folgenlasse; ferner wurde die lange Arbeitszeit, die schlechte Bezahlungustv. scharf gegeißelt und erklärt, daß D. rücksichtslos mit Lebenund Gesundheit seiner Arbeiter umspringe, sie einschüchtere unddaß es notwendig sei, seiner Brutalität und Ausbeutung ein Zielzu setzen. Das Schöffengericht Kirchenlamitz hatte bereits auf Frei-sprechung erkannt, worauf der Kläger Berufung zum LandgerichtHof einlegte. Dies hat ihn nunmehr abfahren lassen. Es erneuertedie für den Kläger sehr unangenehme Urteilsbegründung desSchöffengerichts und führte sie noch weiter aus. Darin heißt es.daß der Betrieb des Dürbeck eine moralische und physische Gefahrfür die Arbeiter darstelle. Das Gericht erklärte die 9 Anklage-punkte für völlig erwiesen und billigte dem Beklagten auch denSchutz des§ 193 des Strafgesetzbuches zu.Ein verständiges Urteil!Haftpflicht der Allgemeinen Berliner OmnibuS-Aktiengesellschaft.Am 22. Januar 1998 fuhr der Kutscher K. der AllgemeinenBerliner Omnibus-Aktiengesellschaft an einer Kreuzung der Je-rusalemer Straße und der Zimmerstraße in Berlin in schnellerFahrt auf die Haltestelle zu. Dabei überfuhr er den Kläger, dereben von der Straßenbahn abgestiegen war und auf den Bürger-steig gehen wollte. Als der Kläger Ansprüche auf Zahlung vonSchadenersatz erhob, führte die Beklagte zu ihrer Entschuldigungan, daß sie den Kutscher K. vom Stallmann zum Kutscher beförderthabe, nachdem er die vorschriftsmäßige Fahrprüfung bestanden undsich stets als zuverlässig bewiesen hatte. Sie habe stets 35 Kon-trolleure im Dienst, sowie einige Oberkontrolleure. Diese Kon-trolleure hätten nicht nur den Fahrkartenverkehr zu prüfen, sondernauch darauf zu achten, ob die einzelnen Kutscher vorschriftsmäßigfahren, bei schwierigen Fällen die genügende Geistesgegenwart be-wahren und sich auch anderweitig sachgemäß verhalten. Bon denBestrafungen des K. habe sie nichts erfahren.Das Landgericht Berlin hat den Entlastungsbeweis für er-bracht angesehen und die Klage abgewiesen. Dagegen hat dasKammergericht zu Berlin die Beklagte verurteilt. In den Ent-scheidungsgründen des Kammergerichts heißt es: ES mag sein, daßder Kutscher K. die Befähigung besessen hat. ein Fuhrwerk lenkenzu können und daß in dieser Beziehung nichts vorlag, was dieBeklagte abhalten konnte, ihn vom Stallmann zum Kutscher zubefördern. Als Fuhrwerkslenker in den verkehrsreichen Straßenvon Berlin muß er aber auch die Geistesgegenwart und moralischeBefähigung besitzen, um mit ernstem Willen die Gefährdung desPublikums zu vermeiden. Ob jemand diese Eigenschaften besitzt,kann die Fahrprüfung nicht mit Sicherheit ergeben. Deshalb hatder Fuhrunternehmer die Berpflichtung, eine Kontrolle seiner An-gestellten hinreichend vorzunehmen. Im vorliegenden Falle stehtfest, daß der Kutscher K. schon im November 1L93 wogen fahr-lässiger Transportgefährdung mit einer Geldstrafe von 10 M.bestraft worden ist, im Jahre 1905 hat er vorschriftswidrig einegesperrte Strasse befahre», dann ist er wieder im Jahre 1907 be-straft worden, weil er entgegen der Straßenordnung nicht rechtsgefahren war. Auch dort hat ein Zusammenstoß mit einem Ge-chäftswagen stattgefunden. Wenn K. auch keinen Schaden dabeiangerichtet hat, so hat er durch dieses Verhalten doch hinreichenddie Mißachtung vor der öffentlichen Ordnung gezeigt. Einensolchen Kutscher durfte die Beklagte nicht weiter verwenden. Wennsie von den Verfehlungen ihres Angestellten nichts erfahren hat,so hat ihre Kontrolle jedenfalls versagt. Die Führung deZ Entlastungsbeweises ist demnach der Beklagten nicht gelungen. Siehat deshalb für den Schaden des Klägers aufzukommen.In der gegen dieses Urteil eingelegten Revision machte dieBeklagte geltend, daß sie auf der Polizei auch keine Auskunft überdie Bestrafung de? K. hätte erhalten können und daß sie nicht einenKutscher schon dann entlassen könne, wenn ihr bekannt werde, daßer links anstatt rechts gefahren ist. Das Reichsgericht hat amDonnerstag die Ausführungen des Vorderrichters für zutreffendangesehen und die Revision zurückgewiesen.Unterschlagungen im GSrlitzer Bahnhos.Ter Oberbahnassistert Gustav Heinze vom Görlitzer Bahnhofstand gestern wegen fortgesetzter Unterschlagung amtlicher Geldervor dem Schwurgericht des Landgerichts I unter Vorsitz des Land-gertchtsdirektors Dr. Neuenfeldt. Er ist beschuldigt, in den Jahren1907— 1911 nach und nach 14 090 M. unterschlagen zu haben, wo-von zirka 7000 M. ungedeckt geblieben sind. Er war seit 1904 aufdem Görlitzer Bahnhof in der Fahrkartenverkaufsstelle angestellt,hatte die Ausgabe der Fahrkarten unter sich, die Bücher zu führen.die Kassenbestände an sich zu nehmen, die Bücher abzuschließen usw.Er ist der ihm zur Last gelegten Unterschlagungen im allgemeinengeständig. Nach seiner Darstellung ist er durch Krankheit in seinerFamilie und den Tod seiner Tochter in eine gewisse Noklage ge-Kimmen und dadurch auf die schiefe Ebene gedrängt worden. Nach-dem er zum ersten Male sich amtliche Gelder angeeignet hatte,folgten nach und nach die übrigen Straftaten. Doch verstand eres. bei Revisionen sich der Entdeckung zu entziehen, indem er einLoch aufmachte, um ein anderes wieder zuzudecken. Er gibt auchzu, etwas leichtfertig gelebt und in Bierlokalen Summen ausge-geben zu haben, die das ihm zur Verfügung stehende Taschengeldüberschritten. So ist er dazu gekommen, fort und fort amtlicheGelder sich anzueignen, die schließlich eine Summe von 14 000 M.ausmachten. Davon hat der Angeklagte etwa 7000 M. aus'päteren Unterschlagungen wieder gedeckt. Es bestand ursprünglichzer Verdacht, daß er in Verbindung mit der FahrkartenverläuferinMichaelis stand, die unmittelbar vor seiner Verhaftung wegen be-gangener Unterschlagungen flüchtig geworden war und dann Selbst-mord beging. Der Verdacht war daraus entstanden, weil Heinzedieser Michaelis vor ihrer Flucht eine Summe von 100 M. ge-liehen hatte; es hat sich jedoch ergeben, daß beide in keiner ver-brecherischen Beziehung zueinander gestanden haben.— Der Angeklagte behauptete, daß er auch häufig ein Manko in der Kassegehabt habe und auch hierdurch mehr und mehr zu seinen Straf-taten gekommen sei.Nach mehrstündiger Verhandlung beantragte StaatsanwaltDr. Fuchs gegen den Oberbahnassistenten Gustav Heinze die Ver-sagung mildernder Umstände, während Rechtsanwalt Dr. Posenerbat, den Angeklagten, der sich sonst dienstlich einwandsftei geführthabe, nicht durch Versagung mildernder Umstände in das Zuchthauszu bringen. Die Geschworenen billigten dem Angeklagten auchmildernde Umstände zu. Der Staatsanwalt beantragte drei Jahreund sechs Monate Gefängnis. Das Urteil lautete auf zwei Jahreund neun Monate Gefängnis unter Anrechnung von 6 Monatender erlittenen Untersuchungshaft, sowie Verlust der Fähigkeit zurBekleidung öffentlicher Aemter auf 5 Jahre.T«r Kuhmist vor dem Reichsgericht.Das ist nicht ganz wörtlich zu verstehen, aber tatsächlich spielteheute ein Quantum Kuhmist vor dem Reichsgericht eine wesentlicheRolle. Das Landgericht Magdrbnr» hat am 2. Oktober den Stein-brucharbeiter Wilhelm Rogge wegen Rückfallsdiebstochls zu derMindeststrafe von drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er vondem Acker des Landwirts B. in Gommern eine Menge frischenKuhmistes im Werte von 1 M. weggenommen und auf seineneigenen Acker gefahren haben soll. Auf die Revision des Ange-klagten hob das Reichsgericht am Donnerstag daS Urteil auf undverwies die Sache an das Landgericht zurück. Der Angeklagtehatte die Tat bestritten und sich erboten, zu beweisen, daß seinWagen, mit dem er an dem B.schen Acker vorüberfuhr, bereits somit Mist gefüllt war, daß unmöglich die dem B. gestohlene Mengenoch darauf hätte Platz finden können. Eine Entscheidung überden Antrag ist nicht erfolgt, und um das Versehen wieder gutzn-machen, hat das Gericht im Urteil das Beweisthema als wahrunterstellt. Wäre dies dem Angeklagten in der Verhandlungmitgeteilt worden, so hätte er offenbar zu seiner Verteidigungnoch verschiedenes anführen können. Es lag also«ine unzulässigeBeschränkung der Verteidigung vor.Daß für solchen Dreck als Mindeststrafe auch jetzt noch dreiMonate Gefängnis erkannt werden müssen, verschulden die Kon-servativen und Antisemiten, die es bekanntlich vereitelten, den Teilder Strafgesetzbuchnovelle Gesetz werden zu lassen, der für solcheFälle Geldstrafe oder Gefängnisstrafe bis herunter zu einem Tagezuließ._Versammlungen.Vom Reichstagswahlkamps werden nunmehr alle Berufs-schichten erfaßt. Für die Hotelangestellten, die infolgeder ausgedehnten Arbeitszeit in ihrem Berufe an den Versamni-lungen, die zu der üblichen Stunde beginnen, nicht teilnehmenkönnen, fand in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag eine be-sondere öffentliche Versammlung statt, in der Genosse D ü w e l l,der Kandidat für den 1. Berliner Reichstagswahlkreis, über dieBedeutung der kommenden Reichs tagswahlen für die Hotel-angestellten referierte. Er schilderte die traurige Lage der Hotel-angestellten, die bei überaus langen Arbeitszeiten fronden müssenund deren Arbeitsleistungen nicht mit Lohn vom Arbeitgeber, sondernmit Trinkgeldern von den Gästen abgegolten werden. Währendfür alle anderen Arbeiterschichten durch die Gesetzgebung Schutz-Vorschriften erlassen worden sind, sind die Hotelangestellten nochvollständig dem kapitalistischen Ausbeutertum ausgeliefert. Fürsie gelten nicht einmal die Vorschriften über die Minimalruhezeitund die Ruhetage, ja. selbst die Jugendlichen unter ihnen sind nochder schrankenlosen Ausbeutung ausgeliefert. Eingehend erörterteder Redner, wie die Vertreter der Sozialdemokratie im Reichstagebemüht gewesen sind, geregelte Verhältnisse für die Hotelangestelltenzu schaffen; doch ihre Anträge sind samt und sonders von denbürgerlichen Parteien abgelehnt worden, wobei sich insbesonderedas Zentrum, das sich so gern eine Volkspartei nennt, hervorgetanhat. Wenn die Hotelangestellten nicht die PariaS unter den ge-werblichen Arbeitern bleiben wollen, so müssen sie dafür eintreten.daß am 12. Januar die Kandidaten der Sozialdemokratie gewähltwerden; sie müssen den sozialdemokratischen Stimmzettel als In-strument zur Befteiung von der Herrschaft des Ausbeutertumsbenutzen. Lebhafter, langanhaltender Beifall wurde dem Rednerzuteil.In der Diskussion wurde von den Rednern zur Einsichtnahmein die Wählerliste aufgefordert. Jeder Hotelangestellte muß seineEintragung in die Wählerlifte bewirken und sich dos Wahlrechtsichern, zumal es im 1. Berliner ReichstagStvahlkreis auf jedeStimme ankommen wird. Auch einige Erläuterungen über dieWahlberechtigung wurden den Versammelten gegeben. Eine Reiheanderer Redner gingen ausführlicher auf einige Details in ihremBerufe ein, kurzweg, es zeigte sich, daß unter den Hotelangeftelltennur eine Meinung herrscht und sie von dem Willen beseelt sind, injeder Weise dafür zu sorgen, daß am 12. Januar nur die Kau-didaten der Sozialdemokratie gewählt werden.Die im Deutschen Bauarbelterverband organisierten Fahr«stuhlarbeiter nahmen am Sonntag den Bericht von einer EndeNovember veranstalteten Bautcnkontrolle entgegen. Meier gabdenselben. Es wurden ermittelt 150 Bauten, auf welchen dasMaterial durch von 42 Unternehmern gestellte Fahrstühle befördertwurde mit zusammen 833 dabei beschäftigten Arbeitern. Von denvorhandenen Systemen ist das der Kastenstühle vorherrschend. Vorgefunden wurden solche auf 137, Lowetsstühlc auf 13 Bauten. DerAntrieb dieser Fahrstühle erfolgte in 117 Fällen durch Explosions-motoren. in 11 durch elektrische Motoren und in 21 durch Dampf-Maschinen. Für einen fehlten die Angaben. Bei 54 Stühlenwaren zur Bedienung des Antriebes Maschinisten angestellt. Beiden übrigen erfolgte die Bedienung durch die Fahrstnhlarbeiterselbst. Die Entlohnung der Maschinisten erfolgt teils durch dieFahrstuhlunternehmer, teils durch die Kolonnen. Auch dieEntschädigung für das Ausstellen der Stühle erfolgt verschieden»artig: in einigen Fällen stellt hie F'rnw den Stuhl aus, in denmeisten die Arbeiter. Sie erhalten dafür entweder eine Pauschal-summe, oder eine Entschädigung für jede aufgesetzte Etage, oderdie Entschädigung ist in den Preisen, welche für das beförderteMaterial lSteine) gezahlt werden, enthalten. Diese Preise selbstsind erheblichen Schwankungen unterworfen und in den letztenJahren rapide herabgesunken. Bon den 833 an den Fahrstühlenbeschäftigten Arbeitern waren zur Zeit der Kontrolle 523 organi-siert, davon 457 im Deutschen Bauarbeiterverband. Von denMaschinisten gehörten 42 einer Organisation an.— In der Dis-kussion über den Bericht konstatierte man zunächst ein erfreulichesAnwachsen der Organisation, verhehlte sich aber nicht, daß nochsehr viel in der Beziehung getan werden muß. um die durch dieKontrolle ermittelten Mißstände aus der Welt zu schaffen. Inerster Linie komme hierbei in Frage die Anstellung von Maschi-nisten. Dann eine einheitliche Regelung der'Entschädigung fürdas Ausstellen der Stühle und der Preise für das Beförderndes Materials. Ferner muß unter allen Umständen eine cinheit-licke Abrechnungsmethodc eingeführt werden, so daß nicht, wie esjetzt häusijj geschiebt, die Abrechnung durch das Telephon(!)gemacht wird.— Di« Wahl einer Lohnkomm, sston. welche die Vor-bereitungcn für entsprechende Maßnahmen treffen soll, wurde biS-nach den Reichstagswahlen vertagt.Die Anwesenden wurden ermahnt, gegen weitere Verschlechte-rungen der Arbeitsbedingungen ganz energisch Front zu machenund alle Mißstände der Organisationslcitung zu melden. ZumSchluß richtete Kollege E. Lehmann, Vertreter des ZweigvereinS-Vorstandes, begeisternde Worte an die»ahlreich Bermmmelten, imzetzt entbrannten Wablkamvfe ihre volle Schuldigkrt zu tun undrastlos nach der Richtung hin zu agitieren, daß am Tage der Wahl,am 12. Januar, nur Stimmzettel abgegeben werden, welche Namenvon sozialdemokratischen Kandidaten aufweisen.Tins aller Melt.prunk uncl Hungersnot.Mit verschwenderischer Pracht und kolossalem Geldaufwand hatdaS englische Königspaar bei Delhi in Indien sein Krönungslagcrabgehalten. Es galt, dem indischen Volke zu imponieren und dieherrschende Klasse Englands reibt sich vergnügt die Hände übe» dengelungenen Ausfall der Zeremonie, die den Indien, ihre gänzlicheNichtigkeit beweisen sollte. Arn Tage nach der Proklamation kamen,so berichten die englischen Blätter, die Leute zu Tausenden, ,»n denleeren goldenen Thronen des�KaiserS und der Kaiserin von Jjtbiciiihre Ehrfurcht zu beweisen. Sie verbeugte» sich tief vor is»USesseln der göttlichen Herr icher, küßten die Mart««*'stufen oder wälzten sich vor de», Götzenbilde wie die Wür>»Staube. Und nun die Kehrseite der Medaille.Genosse H y n d m a n, der als einer der besten Kenner d«r efflischen Herrschast in Indien gilt, schreibt darüber in eine« Briefe.