fcem Place Clichy. wo der Sarg deZ Verblichenen mit einemstürmischen„Vivo la Oommune!" begrüßt worden war> Unterden v«elen Kränzen wurde da neben dem der„Revue Socialiste",der„Petite Rc'putlique" und dem„Jntransigeant" ganz besondersder von der deulschen Sozialdemokratie gespendete Kranz auslebenden Blumen bemerkt, der in der Mitte von einem breitenrothen Atlasbande umspannt war, aus dem sich in goldenenLettern die Worte„A Benoit Malon" hervorhoben, währendunterhalb auf einer Schleife� von gleichem Bande rechtsdie Worte Demokratie Socialiste d'AlIemagne"sinks die Worte„Da Eedaction du Vorwaerts" glänzten,Vom Place Clichy nahm der �ug, an dem alle Fraktionen derArbeiterpartei theilnahmen, zwischen einer dichten Menge, die zubeiden Seiten Spalier bildete, seinen Weg über die äußerenBoulevards nach dem Pere Lachaise, wo er gegen Mittag unterdichtem Regen anlangte. Kaum war das Thor des Friedhofesüberschritten, als eine Unzahl von rothen Fahnen entfaltet wurde,während gleichzeitig der tausendstimmige Ruf:„Vive la Commune!" ertönte. Von da ging es nach der Feuerbestattungshalle,wo, während des Verbrennungsprozesses, von den Stufen herabdie Vertreter der verschiedenen Blätter, Gruppen und Parteien,mit denen Malon in Verbindung gestanden hatte, an die untenbarrlnde Menge Ansprachen hielten, in welchen sie dieVerdienste des Dahingeschiedenen um die Arbeitersachegebührend hervorhoben und gleichzeitig für die weit-bewegenden und wellbefreienden Ideen des Sozialismus Propa-ganda machten. Als erster Redner ergriff der langjährige intimeFreund des Verblichenen und Administrator der„Revue Sozia-liste", Rodolphe Simon, das Wort, Ihm folgte Gustave Rouanet,�er die Redaktion der„Revue Sozialiste" vertrat, Ed, Vaillant, der imNamen der'ehemaligen Mitglieder der Kommune sprach, Camelinatals Mitglied der ehemaligen Internal«aalen Arbeiterassoziation,Frau Minck in> Namen der sozialistischen Frauen, Sembat alsVertreter der„Petite Republique" und Vaughan im Namen des„Jntranstgeant". Delsosse, der die belgische Arbeiterpartei ver-trat, Leo Frankel, der im Namen der deutschen Sozialdemokratieund ihres Zentralorgans sprach, Boleslaw Lunanoivsty als Vertreterder polnischen Sozialisten, Jahyer im Namen des französischenSchriftstellervereins, und nicht zu vergessen, Clovis Hugues, derein reckt stimmungsvolles,-dem Hingeschiedenen gewidmetes Ge-dicht r>cht wirkungsvoll vortrug. Frankel sagte im Wesentlichen:Er würde nach all den ihm vorhergegangenen Rednern, welcheoie Verdienste des Verstorbenen in einer viel beredteren Weisezum Ausdruck brachten, als er es vermocht hätte, sicherlich nichtdas Wort ergriffen haben, wenn ihm nicht der ehrende Austraggeworden, die von den Sykophanten der herrschenden Klasse sosehr verlästerte deutsche Sozialdemokratie und deren Zentralorgan,den„Vorwärts" zu vertreten. Wenn man die deutschen Sozialisten,die mit den französischen kämpfen und in diesem Momente mitihnen trauern, so sehr verdächtige und verleumde, so geschehedies, um desto besser die französischen Sozialisten anfallen, destoleichter ihnen ihren Internationalismus zum Vorwurf machen zukönnen. Aber wen glaube denn die Bourgeoisie täuschen zukönnen? Die klassei bewußte Bourgeoisie wisse ganz gut, daß,wenn sie zwischen den Proletariern der verschiedenen LänderZwietracht zu säen suche, sie dies in der Erkenntniß thue, daßvon dem Momente an, wo die Arbeiter, unter einer Fahnekämpfend, gemeinsam zur Erringung der politischen Gewaltschreiten, es um ihre politischen Privilegien geschehen sei, mittelsderen sie ihre ökonomischen Privilegien zu befestigen und fortzu-pflanzen suche. Die herrschenden Klassen haben somit allesInteresse, die Völker gegeneinander zu Hetzen. Denn was sollteaus ihrer von selbstsüchtigen Motiven geleiteten auswärtigen Politik werden, wenn sich zwischen ihre Zwei- undDreibünde der internationale Bund der Sozialisten schöbe?Das Proletariat besitze ein Element des Erfolges, das den be-sitzenden Klassen fehle: die Zahl; was ihm zum Siege fehle, seidie Einigung, Diese zu hintertreiben, sei darum den Herrschendenkein Mittel zu schlecht. Wenn nun die Bourgeoisie diejenigen,welche für die Unterdrückten gegen deren Peiniger kämpfen undihr Alles einsetzen, um ihr Vaterland an der Spitze der Zivilr-saiion marschiren zu sehen, als Antipatrioten und Vaterlandslosein den Koth zerre, dann möge sie doch wenigstens logischsein und. nicht den Enzyklopädisten, nicht den Stürmernder Bafille, nicht denjenigen Denkmäler setzen undKränze winden, die aus dem Frankreich des ehemaligenRegimes das moderne Frankreich schufen, sondern derenWidersachern, den Vertretern der feudalen Ordnung. Frankelschloß: Er glaube nicht besser endigen, nicht besser das Andenkendesjenigen ehren zu könuen, welcher der Mitbegründer des fran-zösischen Zweiges der Internationalen Arbeiterassoziation war,als indem er aus vollem Herzen rufe: Hoch die Internationale!Hoch di>I soziale Republik! Bemerkenswerth für den„Chauvinismus", den die deulschen Bourgeois ebenso regelmäßigbei den französischen Sozialisten entdecken, wie die französischenBourgeois bei den deutschen Sozialisten, ist, daß geradejene Stelle, wo Frankel von der auswärtigen Politik und demZwei- und Dreibund sprach, den lautesten Beifall fand.Fanden überhaupt alle Redner recht lebhasten Beifall, soist es um so auffallender, daß ein Vertreter der Freimaurer-löge, der Malon angehörte, trotz seiner Stentorstimme kaum zuWorte kommen konnte. Seitdem eben die sattesten Bourgeois,die eingefleischtesten Manchestermänner zu den Freimaurernzählen und sie die ärgsten Pananüsten aufwiesen, haben sie beiden revolutionären Arbeitern ihren ganzen Kredit verloren.Wenn sie bei den übrigen noch eine gewisse Sympathie besitzen,so haben sie dies huiptsächlich nur den soctgesetzten Angriffen derKlerikalen zu danken.—Der Kohlenarbeiierstreik dehnt sich in Frank-reich aus. Auch in den Becken des Herault-Departements— im Süden Frankreichs— stehen die Grubenarbeiter seitgestern aus— und zwar in Uebereinstimmung mit ihrenKameraden im Norden und aus den gleichen Gründen.Um die Sache der Arbeiter in Mißkredit zu bringen, ver-breiten die Kapitalistenblätter, es sei an der belgischenGrenze wieder zu Tumulten und zu Reibungen zivischenden belgischen und französischen Arbeitern gekommen. Hierist aber der Wunsch der Vinter des Gedankens. Das istein'ach unwahr. Und weit entfernt, die Arbeiter beiderLänder zu entziveien oder einander zu entfremden, wirddie er Streik als gemeinsamer Kampf mit gleichem Ziel undgegen denselben Feind die Arbeiter beider Länder unziveifel-hast einander näher bringen, und zur Ausrottung alterbarbarischer Nationalvorurtheile beitragen.In großer Verlegenheit befindet sich die französischeRegierung. Die schwankende Haltung der Regierung gegenüber dem vorjährigen Streik von Carmaux hat schon einMinisterlum zu Fall gebracht. Und heute, nach den sieg-reichen Wahlen dieses HerbstS stellt der Sozialismus inFrankreich eine ganz andere Macht dar als im vorigenJahr. Und vor allem ist er auch eine Macht im Parlament.Bis jetzt hat die Regierung es vermieden, dem Streik gegen-über zu den alten Hausmitteln des bankrotten Kapitalismuszu greifen, als da sind: Infanterie, Kavallerie undArtillerie.—Ein Telegramm meldet uns, in politischen Kreisen werdedie Frage ventilirt, ob nicht Basly und Lamendin wegenihrer aufreizenden Reden im Pas de Calais- Departementin Anklagestand zu versetzen seien. Dummes Zeug! Inpolitischen Kreisen wird die Frage ventilirt, ob nicht dasMinisterium, weil es der aufreizenden Thätigkeit der Gruben-besitzer nicht kräftig entgegengetreten ist, in Anklagestandversetzt werden muß.—Eine« Goldzoll will nach dem Vorgang der russischenRegierung nun auch Italien einführen, nicht einen Zollauf Gold, sondern die Zahlung der Zölle in Gold, anstattwie bisher in Papiergeld oder Rentenkoupons. Da dieitalienische Papiergeldwirthschaft des halbbankrotten Italiensein Goldaufgeld von fast 12 pCt. zur Folge gehabt hat, soversteht es si ch, daß die Regierung sich das zu Nutze machenwill. Die Maßregel bedeutet eine Erhöhung der Zoll-einnahmen, also eine Steigerung des Zolldrucks auf dieitalienische Bevölkerung, die dadurch den Nutznießern derSchutzzölle noch mehr zu zahlen hat, als bisher, im Jnter-esse des Militarismus und der Großkapitalisten.—Der Prozeß Knnert.(Von unserem Berichterstatter.)Breslau. 19. Sept.Vor der unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Herzogheute tagenden I. Strafkammer des hiesigen königl. Landgerichtshatte sich Genosse Fritz Kunert wegen Anstiftung zumDiebstahl zu verantworten. Mit ihm war angeklagtder frühere Postgehilfe Adolf Witzle aus Breslau, zur Zeit hierin Strashaft. Beiden war zur Last gelegt, im Jahre 1893 zuBreslau gemeinschaftlich fremde bewegliche Sachen, Schreibpapierund Akten der königl. Gefangen en-Anstalt zu Breslau in der Ab-ficht, sie sich rechtswidrig zuzueignen, weggenommen, und durchdieselbe Handlung Akten, welche sich zur amtlichen Aufbewahrungan einem dazu bestimmten Orte befanden, vorsätzlich beiSeite geschafft, Kunert serner, durch dieselbe Handlung den AdolfWitzle zu der von ihm begangenen strafbaren Handlung durchabsichtliche Herbeiführung eines Jrrthums und mittels Ueber-redung vorsätzlich bestimmt zu haben. Vergehen gegen§§ 242,133, 47 und 48 des Straf-Gesetzbuihes. Bekanntlich hatte Knnertim Reichstage am 9. März d. I. eme Anzahl militärgerichtlicherErkenntnisse zur Erörterung gebracht. Sie bezogen sich aufVerurtheilte, die ihre Strafen in der hiesigen Gesangenenanstaltverbüßt hatten, zum Theil noch verbüßten. Die Ermittelung sollergeben habe», daß ihm der Milbeschuldigte Witzle A b s ch r i s t ender Urtheile am 22. Januar d. I., an welchem Tage Kunertnach Verbüßung einer Freiheitsstrafe aus der hiesigen Gefangenenanstalt zur Entlassung kam, durch Vermittelung desStrafgefangenen Hüwer zugesteckt hat. Nach der Darstellungdes Witzle soll Kunert ferner einige Wochen zuvor ihn in derAnstalt angeredet habe», er wisse, daß mehrere Militär-Stras-gefangene sich dort befänden und habe ihn gebeten, ihm über dleStrafen Notizen aufzuschreiben. Dem Ersuchen kam Witzke, derin der Expedition als Schreiber beschäftigt wurde und Zugangzu den Akten hatte, nach, indem er von einigen Erkenntnissenvollständige Abschriften herstellte und andere Urtheile, die sichabschriftlich in den Personalakten der Betreffenden befanden, ausdiesen heraustrennte. Sowohl die selbstgefertigten Abschriftenals die aus den Akten herausgenommenen sollen dann Kunertkurz vor seiner Entlassung durch Witzke unter einem Vorwande,vermittelt durch den Mitgefangenen Hüwer, überreicht worden sein.Kunert hat dann das ganze Packet Schriften mit seinen eigenen Schrift-stücken bei seiner' Entlassung aus der Gefangenen-Anstalt fortgeschafft. Wie dieser angiebt, hat er die Abschriften, nachdem ersie zu seiner Rede im Reichstage benutzt hatte, verschiedenenZeitungen mit dem Anheimstellen zur Verfügung gestellt, sie nachihrem Ermessen zu verwenden, dann aber zu vernichten. DieAnklage behauptet nun, daß Kunert sich bewußt war, daß Witzkeweder über die aus den Akten entnommenen 4 Urtheile, nochüber das Papier, das von Witzke zur Anfertigung von Ab:jchriften benutzt wurde, zu verfügen berechtigt war. Auch habeKunert den Witzke zu der That angestiftet. Es habe dem An-geklagten Kunert bei Prüfung der Schriftstücke, nach der An-nähme der Staatsanwaltschaft, nicht zweifelhaft sein können, daßeinige davon nicht von Witzke geschrieben, sondern aus denAkten entnommen waren. Nicht nur die veränderte Handschristund die an den Blättern befindlichen fortlaufenden, mitBlaustift geschriebenen Folieziffern allein, auch der oberflächlicheVergleich überhaupt hätte ihm dies sagen müssen. Wenn nichtschon früher, hätte Kunert dadurch, daß er über die von ihm,als der Gefangenen-Anstalt gehörigen erkannten Schriften zurweiteren Benutzung und Verwerthung verfügte, sie sich rechts-widrig angeeignet.— In der heutigen Verhandlung, die voniVs Uhr bis 4l/2 Uhr nachmittags dauerte, erwiderie zunächstder Angeklagte Witzke auf die Anklage für die Vergehen bereitsdisziplinarisch bestraft zu sein. Mit bezug auf den Thatbestandgab er an, in einem Gespräch über die Militär-Strafgefangenenvon Kunert dahin ersucht worden zu sein, einige Notizen, jenebetreffend, diesem milzutheilen, um durch Veröffenilichung derselbenden elfteren eine Begnadigung oder Strasermäßigung zn erwirken.Daraus habe er Abschriflen von Urtheilen angefertigt, auch einigeAbschristen direkt aus den Personalakten der Gefangenen ent-nommen und diese Kunert übermittelt. Kunert hob hervor, daßer lediglich Notizen gewünscht habe. Hätte er eine Ahnungdavon besessen, daß sich in dem ihm zugesteckten Kouvert ausAkten entnommene Abschriften befanden, so wären sie vonihm sofort zurückgeschickt worden. Was die äußeren Erkennungs-zeichen der Erkenntnißabschristen, die aus den Akten heraus-getrennt sein sollten, anlangte, so deuteten diese durchaus nichtdarauf hin, daß es amtliche seien; im Gegentheil waren sievon den übrigen nicht zu unterscheiden.Es erfolgte nunmehr die Zeugenvernehmung. Der Ge-fängniß-Inspektor Nitschke, welcher Witzke zuerst ver-nommen hat, findet es unbegreiflich, daß dieser nebenbeiso große schriftliche Arbeilen machen konnte. DerExpeditionsbeamte Ditlrich giebt darüber Auskunft, wo die inRede stehenden Personalakten untergebracht waren. Danach be-fanden sich die laufenden in der Expedition selbst, die reponirlenin einer besonderen Kammer. Der Angeklagte Witzke bemerkthierbei auf eine Anfrage des Vorsitzenden, daß die letztere häufigoffen gestanden habe. Urban, ebenfalls Strafgefangener, hatwohl wahrgenommen, daß Witzke sehr mit schnsilichen Arbeitenbeschäftigt war, was jedoch geschrieben worden sei, wisse ernicht. Weiter �gelangten noch die Zeugen Redakteur Weudlandtund Bachmann zur Vernehmung. Letzlerer hat zwei von Witzkean Kunert gerichtete Briese gelesen; davon besagt der eine, daßdas Versprochene eingesendet werde, während der zweite, nach-gefolgte sagt. Kunert möge nur so fortfahren, Witzke würde ihmnoch mehr"schicken.Nach Beendigung der Beweisaufnahme ergriff StaatsanwaltK o b l i g k das Wort zu seinen Anträgen. Bei Witzke, so führteer aus, liegen die Thatsachen einfach; dieser habe nach seinemeigenen Geständniß den Diebstahl begangen, sich alfo desselbenchuldig gemacht. Hinsichtlich des Angeklagten Kunert sei er.stveifelbast. Die Anklage auf Anstiftung zum Dieb-st a h l m ü s s e falle» gelassen werden, weil hierfür kein Be-weis erbracht sei. Darum sei Knnert aber nicht freizusprechen,daß er, indem er über die aus den Akten entwendeten Ab-christen verfügte, sich der Unterschlagung schuldig machte, daßeine Entnahme aus den Akten stattgefunden, hätte ihm nichtentgehen können. Das Motiv des Angeklagte» K. bei seinenHandlungen, das ein lediglich parteipolitisches sei, könnenicht in Betracht gezogen werden. Uebrigens kamenihm die Abschriften als ein Agitationsmittel sehr zustatten, von dem er erwartete, daß es einen großenLärm erzeugen ivürde. Betrachtet man dies unter anderenGesichtspunkten, so sei die Beschaffung des Materials auf diesemWege nicht ehrend für einen Parteimann. Er beantrage ausallen vorliegenden Gründen die Berurtheilung der beiden Ange-klagten zu je ll Monaten Gefängniß und einem Jahre Ehr«v e r l u st.Der Vertheidiger, Rechtsanwalt Markuse, trat deslängeren für völlige Freisprechung beider Angeklagten ein. DerThalbestand, welcher den Anklagen zu Grunde gelegt wird, seiin Wirklichkeit nicht vorhanden. So ist die Anstiftung zumDiebstahl nicht gegeben, weil dieser selbst nicht vorliegt. Fehledoch vor allem die Absicht der rechtswidrigen Aneignung, sowohlbei Witzke wie bei Kunert; ihr Zweck war einzigvon dem vorhandenen Material Gebrauch zumachen. Würde seinem Antrage auf Freisprechungnicht entsprochen, so wünsche er be'yufs Erweiterungder Beweisaufnahme die Redakteure zu vernehmen, welchendie Abschriften zugingen, als auch den Reiclistags-AbgeordnetenGrillenberger. Sie, die von der Beschaffenheit der in Fragekommenden herausgetrennt sein sollenden Abschriften Kenntmßhaben mußten, würden in der Lage sein, anzugeben, ob sie dieseAbschriften als amtliche betrachteten. Der Gerichtshof lehnteindeß diesen Antrag als unerheblich ab. Der Angeklagte Witzkebat daraus in seiner Verlheidigung um Freisprechung. Kunertprotestirt zunächst gegen die Unterstellung des Staatsanwalts,als habe er durch sein Vorgehen etwa in unsauberer Weise ge-handelt, daß es ihm darauf angekommen, durch die Veröffent-lichung der Schriftstücke nur Skandal und Lärm zu veranstalten.Seine Absicht sei gewesen, durch Veröffentlichung dieser Zeug-nisse für die Leiden unserer Brüder im Waffenrod nicht nur denjahrelang im Geiängniß Schmachtenden zu helfen, sondern nachMöglichkeil gegen die Ungleichartigkeit und Eigenartigkeilin der Militärjustiz und gegen die Soldatenmißhandlungenanzukämpfen. Die ursprüngliche Anklage sei ja vom Staats-anwalt selbst fallen gelassen. Die heute neu erhobene sei ebensogrundlos. Woran habe er erkennen sollen., daß die Abschriften.die sämmtlich eine Handschrift aufwiesen, Akten entnommenwaren? Er erwarte Freisprechung.— Nach einstündiger Be-rathung führte der Gerichtshof aus, daß sich Witzke des Vergehensgegen ß 133 schuldig gemacht habe. Er hat einräumen müssen,daß von ihm Akten, die in amtlicher Aufbewahrung sich be-fanden, vorsätzlich bei Seite geschafft wurden, indem er Urtheileaus den Aktenstücken heraustrennte. Daß er dabei gemein-schaftlich mitKunert gehandelt habe, kannnichterwiesen werden, ebenso wenig, daß Kunertden Mitangeklagten Witzke dazu aufgeforderthätte, Theile der Akten zu entwenden. Da dieSachen für Letzteren fremde waren, so ist die Zueignung einerechtswidrige, ein Diebstahl. Von einem lediglichen Gebrauchederselben könne nicht die Rede sein, da die Absicht, dieAbschriften zurückzuschaffen, dem Gericht nicht glaubhasterscheine. Was die Entwendung des zum Ab-schreiben der Erkenntnisse erforderlichen Schreibpapiers an-lange, so nimmt der Gerichtshof nicht an, daß hierin ein Dieb-stahl seitens K u n e r t s liege. Ebensowenig i st i r g e n dbewiesen, daß Kunert zu einem Diebstahl angestiftet habe,indeß liege eine Unterschlagung vor. Denn nach Ueberzeugungdes Gerichts seien die den A k t e n entnommenen Urtheiledem Kunert als solche erkennbar gewesen: die einfachen vonWitzke gefertigten Abschriften unterschieden sich von den denAkten entnommenen. Die Letzteren waren durch ihr vergilbtesPapier, durch den Stich der Aktennadeln und durch die Folien-»Ummern sofort kenntlich. Indem Kunert sich diese Akten-bestandtheile aneignete, ja sie zu vernichten anordnete, beging ereine Unterschlagung, selbst wenn er nur die Absicht hatte, siezu gebrauchen. Gegen Witzke war nach alle dem wegenVergehens gegen tzs 133 und 242 auf eine Gefängnißstrafevon 9 Monaten, wegen der Entwendung des Schreibpapiersauf 6 Wochen, insgesammt auf eine Gefängnißstrafe von19 Monaten zu erkennen. Kunert wurde des Vergehens gegen§ 246 für schuldig erachtet. Bei der Strafabmessung hielt esder Gerichtshof für nothwendig, in Berücksichtigung zu ziehen,daß Kunert die Strafthat Witzke's in seinem Interesse benutzte;eine Sühne von 6 Monaten Gefängniß erschien daherangemessen.— Also 6 Monate Gefängniß dafür, daß altes ver-gilbtes, von Aktennadeln durchstochenes, kaum einen Pfennigwerthes Papier, im allgemeinen Interesse benutzt und hernachunvorfichtiger Weise vernichtet wurde! Das Strafgesetzbuch läßtals Sühne 3 Mark zu; und wenn in irgend einem Falle, scheintder vorliegende geeignet, dieses Minimum| anzuwenden, wenndie juristische Konstruktion der erst als Diebstahl, dann als An-'tistung hierzu vergeblich charakteristrten That als Unterschlagungzuträfe. Daß aber diese Bedingung unzutreffend, wird hoffentlichGenosse Kunert vom Reichsgericht bestätigt erhalten.pnvkctitklrktvtrtiken.Die sächsischen Antisemiten haben sich mit dem großenvolksfeindlichen Ordnungsbrei vermengt, zu dem die immenseFurcht vor der Sozialdemokratie das Bliemchen-Philisterium zu-ammengerührt hat. Die Sozialdemokratie wird also auch beiden bevorstehenden Landtagswahlen nur einen Gegner vor sichhaben, die Reaktion saus phrase, die zähneklappernd an weiternichts denkt, als daran, wie sie vor dem siegessicheren Gegner,vor der Sozialdemokratie irgend einen Ausweg findet. Wederdie widerstreitenden Interessen, noch die zahllosen Spöttereien,die nicht zum Wenigsten aus bürgerlichen Kreisen ertönen, sindim stände, die festen Bande zu lösen, die in Sachsen die Angstvor der Sozialdemokratie um die bürgerlichen Parteiengeschlungen hat. Unsere Parteigenossen aber, deß sind wir sicher,werden durch unermüdliche Zlgilation dafür sorgen, daß dasächsische Kartell abermals trotz aller Einigkeit bei den Land-tagswahlen nach Gebühr aufs Haupt geschlagen wird. Glück-auf zum Kampf!Polizeiliche?, Gerichtliche? ee.— Die Revision des Genossen Emmel zuSt. Johann gegen das Urtheil des Landgerichts zu Saarbrückenvom 1. Mai, welches Emmel wegen vermeintlicher Beleidigungder Bcrgwerksdirektion zu drei Monaten Gefängniß verurtheilte,verwarf das Reichsgericht.Dviekkalten Vvv Dedskkton.H.Schmidt. Die Hermsdorfer Geschichte ist uns unbekannt.Eva. Die Dekorattonsgewerbe-Schule für Frauen befindetich Friedrichstr. 49; sie beginnt am 1. Oktober ihre Winterkurse.Dieselben umfassen: freihändige Dekoration, Musterzeichnen, Zu-'chneidelehre und sonstige in das Tapezierfach und Tapisseriefachchlagende Dekorationsarbeiten. Das Honorar beträgt 29—59 M.E. M. H. W. Die Kündigung muß klar, bestimmt, un-zweideutig crklärr sein. Die Erklärung,„am besten ist. Du ziehstam 1.", entspricht den Erfordernissen einer Kündigung nicht.Sommerfeld. Es bleibt Ihnen leider nur der wenig aus-ichtsvolle Weg der Beschwerde.Eichtvald. Die Mutler hat das Recht, ihr uneheliches Kindnach vollendetem 4. Lebensjahre selbst zu erziehen, dem Vater dieHerausgabe zu verweigern; das Kind geht aber seiner Alimen-tationsansprüche gegen den Vater dann verloren.F. S. Soweit erinnerlich: 1387.B. L. 25. In Erbschasissachen läßt sich ohne genaue Klar-legung des Sachverhalts keine Auskunft geben. Sprechen Siezivischen 12 und 1 Uhr gelegentlich vor.Porath. Es ist wiederholt, vergeblich, seitens der Stadt-verordneten-Vcrsammlung das Ersuchen an die Militärverwaltunggerichtet, eine andere Art des Transportes zu Vater Philipp an-zuordnen.Ludwig. Verspätet eingetroffen: unterrichten Sie uns, wennmöglich, über den Erfolg der Beschwerde.