Sefcfct. Auch jetzt hat die Parteischule eine nur sehr geringe Anzahl von Schülern. Der wirklich organisierte Genosse glaubt bekanntlich immer, so viel Weisheit in itt; aufgenommen zu haben, das; er eine Belehrung für über- stüssig hält. Oder sollte die in der Parteischule danach sein, daß sie jeden abschreckt. Für die Kenntnis, mit der bürgerliche Blätter über sozialdemo« kratische Einrichtungen urteilen, ist diese Notiz außerordentlich charakteristisch. Dem Herrn Verfasser fehlt nicht uur jeder Einblick in die Entwickelung der Parteischule, sondern er weiß auch nicht mal, was fast jedem Soziaidemolraten bekannt ist, daß sie zurzeit gar keine Schüler hat, da sie der Neichstagswahlen wegen seit dem 1. April dieses Jahres geschlossen ist. Pom Borstande der jüdischen Gemeinde Berlins erhalten wir folgende Zuschrift: „Zur Berichtigung des Artikels mit der Ueberschrift„Von der preußischen Ausweisungsschmach" in Nr. 292 des„Vorwärts" vom ll. Dezember teilen wir ergebenft mit, daß der Schauspieler Eisen- berg bei keiner unserer Verwaltungsstellen vorstellig geworden ist. Wir waren daher mit seiner Angelegenheit in keiner Weise befaßt." Ocfltcrmth-Clngam. Die separatistische Niederlage in Kremsier . Die Wiener„Arbeiterzeitung" hält entgegen der separa- tistischen Darstellung, die Echtheit jenes Briefes, den der von den Separatisten unterstützte„Fortschrittler" Votruba an einen klerikalen Agitator geschrieben hat, um dessen Wahl- Unterstützung zu erlangen, durchaus aufrecht. Wie dem aber auch sein mag, sicher ist. daß die separatistische Taktik des dauernden Zusammengehens mit einer bürgerlichen Partei einen vollständigen Mißerfolg erlitten hat. Er- sreulich ist. daß diesmal von einem separatistischen Provinz- dlatt, dem Mährisch-Ostrauer„Duch Casa", den der Ab- geordnete P r o k e s ch redigiert, offen zugegeben wird. Dort heißt eS: „Unfere Partei geht aus diesen Wahlen schmählich ge- schlagen hervor. Und was geradezu schreit, ist die Tatsache, daß diese Niederlage verschuldet ist durch die Schuld aus unseren eigenen vleihen, aber nicht einmal so sehr durib die Wäbler selbst als durch unsere Führung im Lande. Unsere Wähler, sozialdemokratische Wähler, wurden geradezu geopfert, damit der Bolksparteiler Votruba ge- rettcr werde. Rur diese.Wahltaktik" bat es ermöglicht, daß statt de» Sozialdemokraten Hoffmann Votruba in die engere Wahl kam und daß unsere Kandidatur ei» schreckliches Debacle erlitt. Lcrgleickien wir nur den geradezn gräßlichen Stimmen- v e r l u st in den einzelnen Städten!... Eine Parteikandidatur zu protlomieren und dann für sie nicht den Finger zn rühren, das ist eine Methode und eine Taktik, wie sie in der Sozialdemokratie u n z u- lässig ist. Das verwirrt die Begriffe, be- wirkt ein ChaoS in den Reihen unserer Wähler. erichiittert das Vertrauen in die eigene.ikraft. Wohin würde die Partei mit einem solchen Borgehen kommen? Wer bürgt dasür, daß die Wähler, wenn ihnen eine Parteikandidatur so„empfohlen" wird wie in Kremsier , nickt das nächste Mal lagen: Aber der bürgerliche Kandidat ist doch nicht so arg, und wenn wir ihn einmal wählten, warum könnten wir ihn nicht daS zweitcmal wählen? Kur* gesagt, es ist daS eine fertige Deuioralisicrimg der sozialdemokratischen Wähler!" Das ist s e h r richtig und os wäre überaus erfreulich, wenn diese Stimme als Zeichen deffen zu werten wäre, daß in der tschechisch-slawischen Sozialdemokratie die Besinnung auf die Pflichten des Klassenkampfes zurück- '•kehrte. Das Zusammengehen mit der bürgerlichen Demagogie ist nur die eine Folge jener kleinbürgerlichen Verirrung, in die sich die führenden Elemente der Separatisten immer mehr verrannt haben. Die andere und noch wichtigere, der sozialdemokratischen Anffafsimg ebenso widersprechende ist der Nationalismus. Die Führer mögen ihm zuerst aus wahldcmagogischen Rücksichten Konzessionen gemacht haben, bis sie ihm"schließlich gänzlich verfallen waren. Jetzt zeigt es sich, daß die Arbeiter dadurch der Partei ent- .fremdet werden, dem Jndifferentismus verfallen oder gar der bürgerlichen nationalistischen Demagogie Gefolgschaft leisten. Möge die tschecho- slawische Partei noch den Weg zur Umkehr finden, ehe es noch zu spät wird. frankrelck. Ernste Brsürchtungt«. Paris , 18- Dezember. Der Deputierte und frühere Ma- rinenlinistcr P e l l e t a n äußert sich im„Matrn" über das f r a n z ö s i s ch- d e u t s ch e Abkommen, indem er unter anderein schreibt: Ter Sultan wird die Suzeränität Frank- rcichs ohne Schwierigkeit annehmen. Er kann nicht anders, aber die 8 Millionen Marokkaner werden wohl weniger gefügig fein. Es wird wohl auch nicht an e u r o° päischen Hetzern fehlen, um sie zur Unbotmäßigkeit aufzustacheln. Uebrigens darf man voraussehen, daß auch unsere Militärs, so oft sie in Tätigkeit treten werden. das Ihrige zur Ausdehnung der Kämpfe beitragen werden, die ja ihre Daseinsberechtigung bilden. Wir haben also langjährige blutige Expeditionen in einem ungeheuren und straßenlose» Gebiete vor uns, und wir dürfen keine Schlappe erleiden, denn wir sind Europa gegenüber für die Ordnung in Marokko verani- wortlich, und wo werden wir die großeTruppen macht hernehmen, die wir zur Unterdrückung der Unruhen und Aus- stände brauchen werden? Wir haben schon alle Mühe, um uns eine Kolonialarmce für unsere gegenwärtigen kolonialen Be- sitzungen zu verschaffen. Werden wir vielleicht die Truppen des Mutterlandes nach Marokko schicken? Das wäre ein gefährliches Abenteuer. Wie würde man dann das marokkanische Protektorat bei uns verwünschen. Und lväre es nicht eine Art Verrat, die Streitkräfte des Mutterlandes zu zersplittern in einem Augenblick, wo die marokkanischen Schwierigkeiten die Angriffslust unserer etwaigen Feinde wachrufen könnte? Aber ganz abgesehen davon und von den vielen Millionen, die das Unternehmen verschlingen wird, wer ist so n a i v. in dem deutsch -sranzösischen Abkom- inen ein Unterpfand des Friedens zu erblicken? Die Berpslichinngen. die wir zur Wahrung der Wirtschaft- lichen Gleichheit übernommen haben, werden eine uner- schöpfliche Quelle von gefährlichen Schwierigkeiten und Streitigkeiten bilden, die zu den schlimmsten Verwickelungen führen können._ Die Verhandlungen mit Spanien . Madrid , 17. Dezember. Ueber die fr a nzös isch. spani- schcn Marokkovcr Handlungen wird berichtet, die spanische Regierung werde, obgleich sie da» unbeschränkte Eigentumsrecht in ihrer Zone.. vorgezogen hätte, unter gewissen Bürgschaften d i e schcrifischen Vertreter in diesem Gebiete lassen, da sie EegreTfe, daß Frankreich !n der spanischen Zone kein anderes Regime zugeben könnte, als in der seinen. Wirkliche Schwierig- keiten bereite nur die Frage der südlichen Zonen. Spanien wolle sich wohl zu Konzessionen im Hinterlande, aber nicht an der den Kanarischen Inseln gegenüberliegenden Küste herbeilassen. Unruhen in Marokko . Paris , l7. Dezember. Wie ans Fez gemeldet wird, fand etwa zwölf Kilometer von dieser Stadt zwischen einem aus dreihundert Reiter bestehender Araber Haufen, der einen Beutezug unternommen hatte, und einer von zwei fvcmzöfischen Jnstruktions- offizieren befehligten scherifischen Mechalla ein Gefecht statt, in dem die Berber mit beträchtlichen Verlusten in die Flucht geschlagen wurden. Tie scherifischen Truppen hatten drei Tote und zehn Verwundete. Stigland. Ein unsinniges Attentat. London , 17. Dezember. Die Minister Lloyd George und G r e Y sprachen gestern abend in einer Versammlung einer liberalen Frauenvereinigung über daS Stimmrecht. Als sie die Versammlung verließen, schleuderte ein männlicher Anhänger des Frauen st immrechts eine Mxssingbüchse auf die Minister und traf Lloyd George ins Gesicht. Die Büchse zerschnitt die Lippe und verletzte-das linke Auge, das Lloyd George fast eingebüßt hätte. Ein der Tat vevdcichtiger Mann wurde gestern abend verhaftet. Schweden . Protest des Königs gegen die Regierung. Die verflossene konservative Regierung Lindman benutzte die letzte ReichstagSsessiou unter anderem dazu, mit Hilfe der Ersten Kammer eine neue Flotteuvermehrung in die Wege zu leiten und bestellte dann auch gleich darauf bei der Aktiengesellschaft Bofors-Gullspang 4 neue 28 Zentimeter-Kanonen, obwohl der Reichstag vorläufig nur die Gelder für eine Kanone dieses für die schwedische Marine neuen Typs bewilligt hatte. Nun aber hat das liberale Ministerium Staaff, dessen Partei von Anfang an gegen die Flottenvermehrung war, diese Bestellung vorläufig rückgängig gemacht, um erst abzuwarten, zu welchen Ergebnissen die neulich eingesetzte Kommission kommen wird� die das gesamte Landesver- teidigungswesen mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Landes untersuchen soll. Der König aber ließ dem Protokoll über den Staatsratsbeschluß ein Diktat hinzufügen, worin er erklärt, daß er Bedenken dagegen hege und seine Zustimmung nur gebe ,�auf Grund der gegenwärtigen politischen Verhältnisse und, der Stellung, die der Staatsrat zu der Frage genommen hat". Offen- bar hat das Ministerium mit Amtsniederlegung gedroht, eh« der König sich bereit fand, den Beschluß zu sanktionieren, aber da eine konservative Regierung nun einmal unter den gegebenen Verhältnissen eine Unmöglichkeit ist, mußte er sich fügen. Uebrigens ist dies schon das zweitemal, daß der König gegen das liberale Ministerium protestiert, denn als die erwähnte Kommiffion eingesetzt wurde, hatte er ebenfalls seine Bedenken, die er in einem Diktat zum Staats ratsprotokoll kundgab. Die Aufgaben dieser Kommission sind vom Ministerium so gestellt, daß die Sozial« demokratie und die vier Genossen, die dazu berufen sind, kein Be- denken tragen, an den Arbeiten der Kommission teilzunehmen, die den Zweck hat, dem Militarismus und MariniSmus gewiss« Grenzen zu setzen, im Gegensatz zu der seinerzeit unter LiNdman eingesetzten Landesverteidigungskommission, mit der unsere Ge- nossen nichts zu tun haben wollten. Rußland. Die Protestaktion gegen das Justizverbrechen. Ein« lange nicht gesehene Erscheinung im konterrevolu- tionären Rußland — die auf den Fabriken und in den an- liegenden Straßen improvisierten Protestversamm» lungen der Arbeiter— nimmt einen immer größeren Umfang an. Solche Versammlungen, aus denen Resolutionen betreffend das Justizverbrechen gegen die sozialdemokratischen Abgeordneten der zweiten Duma und die schmähliche Haltung der dritten Dnma angenommen wurden, fanden in Petersburg bisher statt auf den Putilow-Werken(4500 Anwesende), Baltische Fabrik(2000 Personen),„Vulkan"(500 Personen). Siemens u. Halske (1000 Personen). Kabelfabrik(1000 Personen), bei den Bäckern des Moskauer Rayons(100 Personen), außerdem fanden zahlreiche HandwerkerversamnUungen statt, die ihre Protestresolutionen, mit zirka 2000 Unterschriften bedeckt, der sozialdemokratischen Dumafraktion übermittelt haben. Auch aus der Provinz beginnen Protestresolutionen der Arbeiter einzulaufen. So hat unsere Dumafraktion eine mit zahlreichen Unterschristen versehene Resolution der Donetzki-Jur- jewschen metallurgischen Werke(Südrußland) erhalten, in welcher„Gerechtigkeit" für die unschuldig verurteilten sozialdemokratischen Abgeordneten verlangt wird. Die Protestbeivegung der Arbeiter greift auch auf die Hochschulen über. Am 6- Dezember fand eine von 2500 Sin- denken besuchte Versammlung in der Petersburger Universität statt, die folgende Resolution annahm: 1. Ueber die Not- wendigkett der Revision des Prozesses gegen die sozialdemo- kratische Dumafraktion: 2. gegen das schmachvolle Verhalten der Duma, die anläßlich der sozialdemokratischen Jnterpella- tion die Oeffentlichkeit ausschloß: 3. gegen die Ent- sendung der russischen Truppen noch Per- s i e n.— Die Versammlung, die nur kurze Zeit gewährt hatte, ging unter den Klängen des revolutioilären„Trauer- morsches" auseinander. Wie aus Kiew berichtet, wird, wurden am 10. Dezember im Politechnikum Proklamationen verbreitet, die zum Protest gegen die Haltung der Duniamehrheit während der sozial- demokratischen Interpellation über das Justizverbrechen auf- forderten. HrneHba. Kündigung des russische» Handelsvertrages. Washington, 18- Dezember. Wie ein Mitglied des Senats- komitees für auswärtige Angelegenheiten mitteilt, hat Präsident Taft den Handelsvertrag mit Rußland auf eigene Verantwortung gekündigt, in der Erwar- tung, daß der Senat sein Vorgehen billigen werde.(Damit ist der Präsident einem in gleichem Sinn, aber in schärfe- r e m Tone abgefaßten Beschluß des Senates zuvorgekommen. Dies geschah, um die Einleitung von Verhandlungen über einen neuen Vertrag zu erleichtern.) Die nlaroMoverhandlungen. Die Marokkodebatte. Paris , 18. Dezember. Die Deputierten kämm er setzte heute die Beratung des deutsch -sranzösischen Abkom- mens fort. Der KommifsionSberichtcrstatter Long untersuchte die Ergebnisse des Abkommens. Das Protektorai Frankreichs sei zwar nicht mit ausdrücklichen Worten in dem Abkommen ange- kündigk, doch bestehe eS in Wirklichkeit. DaZ dukch dke AlgeciraN- alte eingeführte Regime sei zum Vorteil Frankreichs der- ändert. Die marokkanische Bank, die ein Privatunternehmen sei. cherde nicht, wie verschiedentlich behauptet wird, eine Art inter- nationales Ministerium darstellen. Frankreich habe übrigen» im- mcr noch da? Uebergewicht in dieser Bank mit einer Majorität von acht Stimmen. Die marokkanische Stimme werde Frankreich eine Majorität von neun Stimmen verschaffen. Das Zollsystem Marokkos hindere eine wirkliche Kolonisation nicht. Bezüglich der öffentlichen Arbeiten bestehe ein unbestreitbarer Fort- schritt von der Algecirasakte zu dem gegenwärtigen Abkommen. Ter Berichterstatter sagte, das diplomatische Korps werde abberufen werden, sobald das französische Proteltorat in Ma- rokko errichtet sei. In bezug auf die B e r ggerecht s am e werde Marokko volle Freiheit haben mit der einzigen Einschränkung, daß auf Eisen erze kein Ausfuhrzoll gelegt �werden dürfe. Uebrigens sei Frankreich selbst ein Eisenerz ausführendes Land und rechne nicht auf marokkanische Eisenerze. Im Gegensatz dazu habe Deutschland ein Bedürfnis nach ausländischen Eisenerzen. Der Berichterstatter wies sodann darauf hin, daß die Wahrung der wirtschaftlichen Gleichberechtigung mit Bezug auf die Eisenbahnen den Vorteil habe, daß sie den Staat an der Verleihung von Privilegien an die Gesellschaften hindere. Gegen- niier gewissen Befürchtungen erklärte Long, die Ausbreitung des französischen Handels werde durch das p o l i- tische Uebergewicht Frankreichs unterstützt wer- den. Es werde von Frankreich abhängen, ob der Vertrag zu großen Ergebnissen führe.(Beifall.) Ministerpräsident Caillauz erklärte im Namen aller Mitglieder der Regierung, diese nehme die Verantwortung für das Abkommen auf sich. Die Rc- gierung habe keinen anderen Plan gehabt als den, das bald hun- dertjährige Werk der Errichtung eines großen französischen Reiches in Nordafrika weiter zu ver- folgen und vielleicht zu vollenden, indem sie endgültig Marokko für Frankreich erschloß.(Beifall.) In vollem Bewußtsein der Folge- richtigkeit Ihrer auswärtigen Politik habe die Regierung sich borge- nomnten, geleitet von den Ereignissen,«in Glied mehr an die Kette der Verwirklichungen dieses Planes zn fügen.(Beifall.) JuleS Jerry habe gesagt, daß Tunis der Schlüssel zu Frankreichs Stellung in Algier sei; das gelte ebenso von Marokko . Algier , Tunis und Marokko bildeten wirtschaftlich, ethnologisch und für den Handel ein Ganzes. Die Abkommen von 1999 und 1994 hatten den Zweck, für Frankreich freies Feld iN Marokko zu schaffen. Im Jahre 1999 haben Paris und R o m sich verständigt. Caillaux erinnerte so- dann an die Abkommen mit England und bemerkte, Frankreich habe sich demgemäß die Freiheit in Marokko erkauft gehabt, als die Ereignisse von 199ö eintraten. Der deutsche Reichskanzler habe vor einigen Tagen die deutschen Beschwerden nochmals wieder- holt. Er, Caillaux. boabsichtige nicht, sich in eine nutzlose Kontroverse über diesen Gegenstand einzulassen. Er wolle sich nicht vorwerfen lassen, daß er die Polemik von neuem belebe. Das Einschreiten Deutschlands habe Frankreich für einen Augen- blick von seiner nationalen Aktion in Marokko abgedrängt und eS veranlaßt, sie einer internationalen Verwirklichung zuzuführen. Di« Algecirasakte habe das besondere Interesse Frankreichs anerkannt, ihm aber nicht die Büttel gegeben, es zu verteidigen»der die Ordnung zu sichern. Sie habe Frankreich die Pflicht zum Han- dein auferlegt, aber es sei für Frankreich eine Unmöglichkeit ge- wescn, zu handeln.(Beifall.) So sei die Situation gewesen, als die Regierung ihre Entschlüsse fassen mußte. Wir habe» Rabat , Mekines und Fez besetzt. Wir hatten die Verpflichtung, Fez wieder zu räumen. Aber konnten wir das tun, ohne das Recht der französischen Intervention in den Augen der Marokkaner zu kompromittieren? Der Erfolg des Aufstandes, die Anarchie, lvar sicher. Die Hilfsquellen Marokkas tvoren erschöpft. Wir mußten uns mit diesen klaren Tatsachen abscnden. Es war uns unuiöglich, zuzugeben, daß die Verwaltung der Etsenbähtten nicht Marokko geborte. Was sollte man tun? Eine Konferenz einberufen? Ab- ncKtzen davon, daß die Lösung durch ein« Konferenz vielleicht nicht ttvftten ganzen Wünschen entsprochen hätte, war von gewissen Seiten dtp Kustimmung zu einer Konferenz an Unannehmbare Be- d tAgu n a e n geknüpft. Warum hätten wir uns also weigern sollo» in direkte Verhandlungen einzutreten? Im übri- gen war das Prinzip solcher Verhandinngen schon im Jahre 1999 angenommen worden. Wir mußten die politische Hypothek von Algeciras und die wirtschaftliche Hypothek des Abkommens von 1999 beseitigen. Dazu gab es nur ein'Mittel: zu bezahlen, wie wir es 1994 getan hatten.(Murren auf der Rechten.) Caillaux fortfahrend: Ich weiß wohl, man hat gesagt, wir hätten von Deutschland ein Marokko gekauft, daS ihm nicht gehörte. Gehörte«S aber etwa den anderen Mächten mehr, deren Desintercssement wir im Jahre 1994 erkauft haben? (Jaures : Italien ?) Dieses Abkommen datiert von 1999. Caillaux führte dann aus, wie schmerzlich das gebrachte Opfer sei und fuhr fort: ich erkläre, daß wir nicht die ersten gewesen sind, die vom K ön g o gesprochen haben. Man hat mit uns am 19. Juli dies«? Jahres davon gesprochen, und feit 1995 hat Deutschland zuerst mit D e l ca s s e darüber gesprochen, wie der deutsche Staats- sekrctär im Reichstage erklärt hat.(Jaures : Wovon war denn in Kissingen die Rede?) Von wirtschaftlichen gra- gen. Die jetzt zur Beantwortung stehenden Fragen sind folgende: Was hat uns das Abkommen gekostet? Sind wir von den Zwei- deutigleiten der Vergangenheit befreit? Haben wir zu teuer be» zahlt? Haben wir genug erhalten?(Anhaltender Beifall.) Caillaux bemerkte, er werde nicht versuchen, die abgetretenen Gebiete schlecht zu machen. Gewiß, es ist grausam, diese Gebiete aufgeben zu sollen. Aber es liegt ein Trost in dem Gedanken, daß sie uns die Möglichkeit gegeben haben, unserem afrikanischen Reiche eine prachtvolle Fassade zu geben. Man hat gesagt, wir würden nichts als ein gefesseltes, verstümmeltes Marokko erhalten, das Phantom eines Protektorats, Deutschland habe uns- mit der einen Hand genommen, was es uns mit der anderen gab. Darauf antworte ich: Unter wirtschaftlichem Gesichtspunkte erhalten wir mehr als wir unter anderen Umständen erhalten haben. Wir erhalten eine Situation besser, als sie andere Länder in ihren eigenen Kolonien haben. Unter politischem Gesichtspunkte erhallen wir mehr als wir durch den Vertrag von Bardo erhalten habe». Caillaux ging sodann auf die wirtschaftlichen Fragen ein. Die offene Tiir sei der Grundsatz, dem man sich für neue Länder nicht mehr werde entziehe» köuiun. Sodann kam der Mi- nisterprä sid ent auf die Berhandlunge« mit Spanien zu sprechen und sagte, er sei überzeugt, daß sie keinen ernstere» Schwierigkeiten begegnen würde»; sie seien aber darum nicht min- der delikat. Frankreich habe das lebhafteste Verlangen nach Ver- stand ig un g, ein tiefes Gefühl für das Recht und die Würde Spaniens , aber dieses doppelte Gefühl schließe die Klarheit und Festigkeit des französischen Standpunktes nicht aus.(Beifall.) Mit einem Hinweis auf die Freundschaft mit England und auf das Bündnis mit Rußland schloß Baillaux, indem er eine starke Militärmacht als die beste Fricdensbürgschaft bezeichnete und die Haltung des französischen Volkes während der letzten Monate als bewunderswerteS und erhebendes Beispiel bezeichnete, seine mit stürmischem Beifall aufgenommene Rede. Louis Dubais führte aus, was man Frankreich biete, sei ein enthauptetes Marokko . England und Spanien hätten viel mehr gewonnen, als Frankreich , sowohl mit Bezug aus die Gebietsfläche als in bezug auf die Situation. Er bestreite, daß Frankreich ein wirkliches Protektorat über Marokko erhalte. Frank- reich habe das Privilegium der Lasten und die frauzöfischen Steuerzahler würden die Kosten zahlen müssen. Unabhängig von deui, was Deutschland in Marokko erstrebt habe, habe ihm Frankreich eine Vergrößerung seines Kolonialreichs verschafft. Nachdem der Redner noch in ausführlicher Weife auf die Schwierigkeiten hinge- wiesen hatte, die aus dem Abkommen entstehen konnten, wurde die Sitzung auf morgen vertagt!.
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