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Ar. 296. 28. Jahrgang.

3. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt. Dienstag, 19. Dezembre 1911.

Karl May und Lebius .

Ein tragikomisches Schauspiel bot die Verhandlung, die sich am Montag vor dem Landgericht III abspielte. Der sattsam bekannte

Spiritistin sei, Mitarbeiterin am Vorwärts" gewesen wäre. Selbstverständlich ist davon kein Wort wahr.

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Der Prozeßbericht.

Führer der Gelben, Herr Lebius , war von Herrn Karl May . Karl May gegen den Führer der gelben" Gewerkschaften, den be­Die schon so lange schwebende Privatklage des Schriftstellers dem bekannten Verfasser vielgelesener Reiseromane, wegen Belei- kannten Rudolf Lebius , beschäftigte gestern in zweiter Instanz die digung verklagt worden, weil Lebius ihn einen geborenen Ver- 4. Straffammer des Landgerichts III unter Vorsiz des Landge­brecher" genannt und ihm literarische Hochstapelei vorgeworfen richtsdirektors Ehrede. Dem Privatkläger Karl May , der persön hatte. Aus den Verhandlungen ergab sich, daß Karl May , jezt ein lich erschienen ist, stehen Justizrat Dr. Sello- Berlin und Rechts­hoher Sechziger, in den Jahren 1864 bis 1868 wegen Diebstahls, anwalt Nettke- Dresden zur Seite, der Angeklagte wird von Rechts­Betruges usw. zu schweren Strafen verurteilt worden ist. Der anwalt Bredereck verteidigt. Lebius hatte in dem von ihm redigier­ehemalige Buchthäusler hat sich dann auf die literarische Tätigkeit may erhoben und ihm u. a. vorgeworfen, daß er vor langen Jahren ten gelben Bund" außerordentlich schwere Vorwürfe gegen Karl geworfen. Nachdem er erft dickbändige Schmöter im reinsten Kol- eine langjährige Zuchthausstrafe erlitten und seinerzeit eine Art portagestil geschrieben hatte, die freilich auch schon von einer gerade Räuberleben geführt habe. Bei der lezigen Privatklage handelt es zu hypertrophischen Phantasie zeugten, fand er später seine eigene sich um einen Brief, den Lebius an die Kammerfängerin Frl. v. literarische Domäne: den Reise- und Abenteuer- Roman. Karl May Scheidt in Weimar geschrieben hat. Darin wird u. a. gesagt, Karl hat während dieser produktivsten Zeit seiner schriftstellerischen Way sei ein geborener Verbrecher". Durch diese Bemerkung fühlt Tätigkeit einige dreißig starte Wände geschrieben, die, was immer sich Karl Mah beleidigt und hat die Privatflage angeſtrengt. Diese vom ästhetischen und pädagogischen Standpunkt gegen sie einge- hatte bei der Verhandlung vor dem Schöffengericht ein eigentüm wendet werden mag, jedenfalls von einer ganz ungewöhnlichen liches Schicksal: Nach längerer Verhandlung zog sich der Gerichtshof Phantasie und verblüffenden Erfindungsgabe Beugnis ablegen. geklagte wird zu 15 Mt. Geldstrafe zur Beratung zurück. Der Vorsißende verkündete sodann: Der An­Nicht nur in der Jugend fand Karl May begeisterte und fanatische der Verteidiger den Vorfizenden und wies darauf hin, daß er ja Hier unterbrach damals Verehrer, sondern auch viele Erwachsene, selbst Gymnasiallehrer noch gar nicht zur Sache plädiert habe. Es folgten dann längere und-Direttoren zollten dem phantastischen Erzähler enthusiastische Ausführungen des Verteidigers, worauf sich der Gerichtshof noch Bewunderung. einmal zur Beratung zurüdzog und dann der Vorsitzende ein auf Freisprechung lautendes Urteil verkündete. Hiergegen hat der Pri­battläger Berufung engielegt.

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Ehrede an, ob es nicht möglich sei, die Streitart zu begraben. Bor Eintritt in die Verhandlung regte Landgerichtsdirektor Lebius erklärte, daß ein Vergleich ihm unmöglich sei. Seine Organisation berlange, daß er feinen Bergleich schließe. Der Vorsitzende weist den Privatfläger auch noch darauf hin, daß er bei verschiedenen Gelegenheiten betont habe, daß er ein gläubiger Christ und Gott ergebener Mann sei und ein christliches Gebot laute: Liebet Gure Feinde, tut wohl denen, die Euch verfolgen." Karl May : Damit kann aber nicht gesagt sein, daß nun alle Welt nach Belieben auf mich losschlagen dürfe. Ich muß mich dagegen ver­teidigen, sonst wäre ich nicht ein Christ, sondern ein Lump! Die Vergleichsverhandlungen scheiterten hiernach und der Vorsitzende eröffnete nunmehr die Verhandlung.

May schuf sich eine eigene Technik für seine Reiseromane, die Jch- Erzählung. Die unglaublichsten Erlebnisse und die fabelhaf­testen Heldentaten schrieb er sich selbst zu. Was er auf seinen Neisen in allen Erdteilen, auf der amerikanischen Prärie, in den Steppen Transvaals , im Lande des Mahdi , in China usw. erlebt haben wollte, zeugte von so unmenschlicher Bravour und trug den Stempel phantastischer Erfindung so deutlich an der Stirn, daß es geradezu rätsel haft ist, wie erwachsene Menschen diese Jch­Erzählungen als wirkliche Erlebnisse betrachten fonnten. Ueber­bot doch ein Zehntel dessen, was Karl May an Bravourtaten geleistet haben wollte, die Heldentaten aller Heroen des klassischen geleistet haben wollte, die Heldentaten aller Heroen des Klassischen und nachklassischen Altertums zusammengenommen. Und doch wurde das Unbegreifliche zur Wahrheit: Es gab erwachsene Men­schen, die faktisch die phantastischen Erfindungen dieses modernen Ueber die Art, wie das schöffengerichtliche Urteil zustande ge­Münchhausen für persönliche Erlebnisse Karl Mays hielten, und fommen, wurden zunächst der damals in Charlottenburg als Vor­zwar Leute, die hohe akademische Grade besaßen und sich in an- sigender fungierende Landgerichtsrat Weffel und Assistent Molden­gesehenen Stellungen befanden. Karl May nutzte diese groteske hauer vernommen. Nach ihrer Meinung ist das Urteil damals noch Leichtgläubigkeit nach Kräften aus. Er stattete sein Heim mit nicht vollständig verkündet gewesen, als Rechtsanwalt Bredered den allerlei Trophäen aus, die er als Erinnerungsstücke von seinen dertlage begründete- Rechtsanwalt Nettke und Justizrat Dr. Sello Vorsitzenden unterbrach und dann sein Plädoyer hielt und die Wi­abenteuerlichen Fahrten mitgebracht haben wollte. Er ließ sich als halten dagegen durch das Gerichtsprotokoll für nachgewiesen, daß Trapper photographieren, sandte von allen möglichen Punkten der das auf 15 Mt. lautende Urteil schon rechtsgültig verkündet worden Welt ausdurch Reisebureaus läßt sich das ja leicht machen sei. Angefl. Lebius hat sich zum Wahrheitsbeweise bereit erklärt, Postkarten an gefällige Redaktionen, und was dergleichen Eulen- der sich in folgenden Richtungen bewegt: Er beruft sich auf die spiegeleien mehr waren. Und da Karl Mah, der Protestant war, Vorstrafen, die May wirklich erlitten, ferner auf Straftaten, die in seinen Reiseromanen eine katholifierende religiöse Tendeng mehr er begangen hat, ohne gerichtlich bestraft worden zu sein. Weitere oder minder aufdringlich hervorkehrte, fand er namentlich in der Anträge beziehen sich auf den Beweis einer pathologischen Lügen­ultramontanen Presse alle erdenkliche Unterstützung und Reklame. haftigkeit des Wah, auf die Tatsache, daß er sich für Katholisch aus­gegeben, während er evangelisch sei, daß er zu gleicher Zeit auf Das ging so lange gut, bis schließlich ein ultramontaner der einen Seite unzüchtige Schriften, auf der andern Seite fromme Schriftsteller, der ehemalige Chefredakteur der Kölnischen Volts- Schriften verfaßt habe, daß er in seinen Schriften erdichtete Sachen zeitung, Cardauns, die Münchhaufiaden Karl Mays unter die Lupe als eigene Erlebnisse hinstelle, daß er die Länder, die er ausführlich nahm und diesen ehedem so gefeierten Jugendschriftsteller als Auf- beschrieb, niemals mit Augen gesehen habe, daß er ein schriftstelle schneider, Plagiator und Vergifter der reizbaren jugendlichen Phan- rischer Plagiator sei, daß er sich in seiner Ehescheidung verbreche­tasie bekämpfte. Richtete sich dieser Kampf nur gegen das literisch benommen und durch spiritistische Tricks seine Frau beschwin­rarische Renommee und die Popularität Karl Mays, so pacte delt, daß er noch vor etwa zehn Jahren, neuerdings noch diebische Gelüste bekundet habe usw. May habe eine sehr gefährliche Waffe Lebius, der nunmehr als Schirmer der Jugend auf die Bühne trat, in der Hand: er verfügt über eine Anzahl von Zeugen, die alles die Geschichte in seiner Weise ganz anders an. Als in einem Bro- beschwören. was er wünsche, um ihn( Lebius) zu blamieren in der zez des Lebius gegen den Vorwärts" der angeklagte Vorwärts- Oeffentlichkeit und sich an ihm zu rächen. May sei ein Pferdedieb, redakteur zur Beleuchtung des Charakters des Klägers sich auch er führt den Doftortitel von einer freien amerikanischen Akademie, darauf berief, daß Lebius sich eine Zeitlang mit den glühendsten die aus einem Barbier und einer Hebamme bestehe. In einem Elogen an Karl May herangedrängt und sich ihm als literarischen Brief an den Verlagsbuchhändler Langenscheid erklärt er selbst: Anreißer angeboten, dann jedoch, als May ihm die gewünschten was er geschrieben, seien nicht Phantasiegebilde, sondern eigene Er­materiellen Gegenleistungen abgeschlagen, sich in einer erbittlichen Gegner des ehedem Umschmeichelten verwandelt habe, nahm Lebius nun erst recht den Vernichtungstampf gegen Karl May auf. Er durchforschte sein Borleben, entdeckte die Vorstrafen und warf nunmehr dem ehemaligen Gegenstand seiner Bewunde­rung vor, daß er nicht nur als geborener Verbrecher" in seiner Jugend Räuberhauptmann und Zuchthäusler, sondern auch während feiner ganzen literarischen Tätigkeit Betrüger und Hochstapler ge­wesen sei. Aus dem Prozeßbericht erfahren ja die Leser das Nähere über diese Angriffe des Lebius.

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nisse" gemacht werden können. Bräs.: Da wird dann wohl der Einwand der inneren Erleb­Lebius behauptet weiter: Mah sei wegen Einbruchdiebstahls in einen Uhrenladen zu Buchthaus verurteilt worden. May habe seinerzeit unzüchtige Rolportageschriften für Münchmeyer in Dres­ den geschrieben. Er habe sich als Vielsprachler hingestellt und ge­sagt, daß er sogar chinesisch und arabisch verstehe, er habe sogar be­hauptet, daß er Schriften im Indianerdialekt überfest habe, wäh rend es doch gar kein Schriftwerk im Indianerdialekt gebe. Karl May überreicht demgegenüber einen Katalog, aus dem sich sofort ergebe, daß die lettere Behauptung falsch sei. Er selbst habe nur gesagt, daß er die Sprachen, soweit er sie für seine Bücher brauche, beherrsche.-R.-A. Nettke verwahrt sich dagegen, daß der Angeklagte hier allerlei Klatsch vorbringe. Er frage den Angeklag ten, ob er alle diese Dinge geprüft oder die Behauptungen nur auf Grund der Angaben einer Frau aufstelle, die ihm gesagt habe, sie glaube alles, was ihr die Karten verkünden. Was der Angeklagte hier borbringe, sei ein Gemisch von Dichtung und Wahrheit und erst der hundertfte Teil sei wahr.

Es ist ein tragisches Geschick, daß den so berühmten" und durch seine überaus verbreiteten Erzählungen zum begüterten Manne gewordenen Autor an seinem Lebensabend ereilt hat. May hat ja seine Jugendstrafen zugeben müssen, wenn er auch bestritt, die ihm von Lebius zugeschriebene romantische Verbrecherlaufbahn hinter sich zu haben. Troßdem wird man dem Manne ein gewisses Mitgefühl nicht versagen können. Eicher muß bei der Beurteilung Mans ein gewisses pathologisches Moment in Rücksicht gezogen R.-A. Bredereck: Wir berufen uns auf die uns vorliegenden werden. Die frankhaft wuchernde Phantastik Mays mag neben Urteile der Gerichte und auf eine große Bahl von Zeugen. Pastor äußeren Einflüssen die Ursache seiner Jugenderzeffe gewesen sein. Laube in Hohenstein habe alles bestätigt, was über die verbreche­Und dieselbe wuchernde Phantastik findet sich auch in all seinen rische Tätigkeit des Herrn May behauptet worden sei. Wir be­Schriften. Karl May dürfte ein dankbares Objekt für den Psycho- haupten: Herr May jei etwa so zu beurteilen, wie sich Lombroso logen und Psychopathen sein, denn seine ganze, und zwar auch über den Typus eines angeborenen Verbrechers ausgedrückt habe. Auf weiteren Vorhalt des R.-A. Nettte erklärt Lebius weiter, literarische Persönlichkeit bildet einen eigenartigen Beitrag zu dem daß er nicht Klatsch vorbringe und gibt eine Reihe von Zeugen an, Kapitel Genie und Irrsinn. Mit Recht nannte der Vor- bei denen er sich über das Vorleben Mahs eingehend informiert fizende den Schriftsteller einen Dichter. Ein Stück Dichtung stedt babe. Auf Grund dieser Informationen bringt er noch eine ganze unbedingt in seinen Werten, trop all seiner Plagiate, troß aller Reihe spezialisierter Anschuldigungen gegen den Privatfläger vor. trassen Räuberromantik, trotz der primitiven Psychologie seiner Unter anderem behauptet er, daß May seine Villa mit blutgefleckten. Gestalten, trotz der Spekulation auf die Instinkte jugendlich unreifer Stalps angeblich von ihm getöteter Indianer ausstaffiert sei, daß Gemüter, trotz der raffiniert hervorgekehrten frömmelnden Ten- er dort eine filberne Flinte bewahre, mit der er Hunderte von denz. Hätte der Mann nicht unter dem bösen Stern seiner Jugend- Indianern niedergeschossen haben will, während er nach Auskunft verirrungen gestanden, hätte er seine Phantasie zügeln und seine seiner geschiedenen Frau bis zum Jahre 1900 überhaupt nicht aus Sachsen herausgekommen sei. Er zeige den Mah- Freunden in erstaunliche Erfindungsgabe künstlerischen Zweden dienstbar machen seiner Villa die Stalpe und die filberne Flinte und ganze Stöße gelernt, so würde ihn die Literaturgeschichte, für die er jetzt nur von Fürstenbildern, die angeblich eigenhändige Widmungen der ein Kuriosum bildet, vielleicht mit Respekt genannt haben. fürstlichen Persönlichkeiten enthalten sollen, während die Unter­Auch scheint es uns ungerecht, den Mann einfach als geriffenen schriften, wie er behaupte, von May selbst herrühren. Hochstapler zu behandeln. Karl May hat sich offenbar derart in Die Rechtsanwälte Justizrat Dr. Sello und Nettke verwahren feine Rolle hineingelebt, daß sich für ihn die Grenzen zwischen sich wiederholt nachdrücklichst dagegen, daß der Angeklagte, anstatt Wahrheit und Phantastit völlig verwischt haben. Dazu kommt, daß sich auf die Beantwortung der Frage, wie er au seinen Beschuldi­er gerade in den letzten Jahren bemüht gewesen ist, ernsthaft zu gungen gekommen, zu beschränken, die Gelegenheit benuße, um aufs neue eine ganze Flut neuer Anschuldigungen gegen den Privat­nehmende religions- philosophische Bücher zu schreiben ein Beläger loszulassen. mühen, dem freilich kein Vollbringen beschieden gewesen ist. Durch Vors.: Der Privatfläger gibt, was sein Vorleben betrifft, ja die grauen mystischen Nebel zuckt immerhin das Ethos des drang- wohl zu, dreimal vorbestraft zu sein? boll Ringenden. Pesonders tragikomisch aber ist es, daß Karl May zur Strede gebracht werden sollte von einem Manne wie Lebius , über dessen Persönlichkeit, die feineswegs ein psychologisches Rätsel bildet, wie die Karl Mays, längst die Akten geschlossen sind.

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Nach den Prozeß- Berichten soll Lebius behauptet haben, daß Karl Mays geschiedene Frau, eine Frau Pollmer , troßdem sie

Karl May : Daß ich bestraft bin, habe ich nie geleugnet. Das liegt alles weit, weit zurück, es hat sich alles ganz anders zuge­tragen, wie behauptet wird.

Borf.: Sie geben folgende drei Strafen zu: In Chemnitz 1862 wegen Diebstahls zu 6 Wochen Gefängnis, 1865 in Leipzig wegen qualifizierten Betruges zu 4 Jahren 1 Monat Arbeitshaus, wo sie 1868 begnadigt wurden, endlich zu Mittweida wegen Diebstahls und Betruges zu 4 Jahren Zuchthaus?

May: Das ist richtig; alles andere ist erfunden. Ihm sei nie eingefallen, ein Räuberleben au führen. Was die Haufen von Briefen betrifft, die er in seiner Behausung bewahre, so seien diese durchaus echt und es seien allerdings Briefe von Fürstlichkeiten darunter.

Der Vorfißende beschränkt die Beweisaufnahme zunächst auf buchs zuzubilligen sei. die Frage, ob dem Angeklagten der Schutz des§ 193 des Strafgesetz­

stände aus, unter den Lebius an sie den Brief mit dem inkrimi Die Zeugin Frl. v Scheidt läßt sich des längeren über die Um nierten Ausdrud geborener Verbrecher" geschrieben hat. Sie hat den Brief an May ausgeliefert.

Die geschiedene Frau des Privatklägers May, die sich jetzt nach ihrem Mädchennamen Frau Pollmer nennt und in Weimar wohnt, Sie bestätigt, daß sie Herrn Lebius , als er zu ihr gekommen sei, läßt sich auf Vorhalt des längeren über ihre Ehescheidung aus. Chefcheidungsprozeß sei es nicht mit richtigen Dingen zugegangen. um sich über die Verhältnisse zu orientieren, gesagt habe: in dem Es sei ihr gedroht worden, daß sie eine Verbrecherin sei und ins Buchthaus fomme, sie werde dem Staatsanwalt überwiesen werden. So sei fie durch Drohungen eingeschüchtert und dadurch verhindert worden, in der Chefcheidung ihre Rechte in der gehörigen Weise wahrzunehmen. Das habe sie alles dem Lebius erzählt. Es seien auch spiritistische Dinge vorgekommen. An einem Abend sei sie mit ihrem Manne allein gewesen und als sie ihn fragte, was denn die Trennung von dem Ergebnis einer spiritistischen Sibung ab­nun eigentlich geschehen solle, habe Mah ihr geantwortet: er mache hängig. Herr Lebius habe ihr zugeredet, etwas über ihre Erlebnisse mit ihrem Ehemanne zu veröffentlichen, sie habe es aber abgelehnt und ihm gesagt, daß er dies nicht dürfe, sonst würde sie die ihr von May bewilligte Rente von jährlich 3000 m. verlieren. Richtig sei es, daß, als Lebius in Weimar zu ihr tam, sie ihm gesagt habe: Die Karten gelegt und diese haben mir gesagt, daß ein blonder Gie tommen mir wie ein Bote des Himmels; ich habe mir eben Mann zu mir kommen und mir in meiner Not hilfreich zur Seite stehen werde." Sie habe dann, als die Veröffentlichungen des Lebius erschienen, ihre Rente verloren. Sie sei im Jahre 1903 geschieden und als schuldiger Teil erklärt worden, doch sei damals ein Vertrag mit der jebigen Frau des Karl May , die früher feine Sekretärin gewesen, zustande gekommen, wonach ihr die Rente gezahlt wurde. Als ihr letztere entzogen wurde, sei sie nach Berlin gefahren und habe Lebius nun ihre Not geklagt. Dieser habe sie unterstützt und ihr seit dem Januar eine regelmäßige monatliche Unterstüußng zuteil werden lassen. Bebius habe auch ihre Prozesse gegen Mah geführt. Auf Befragen bekundet die Zeugin, daß es nicht wahr sei, wie behauptet werde, ihr sei zugemutet worden, zu­gunsten des May auszusagen, um dadurch ihre Rente wiederzu­erhalten.

Ueber die ehelichen und die damit im Zusammenhange stehen. den Verhältnisse, die für diese Straffache Interesse haben, läßt sich Achilles aus, die die geschiedene Frau May und den Privatkläger in sehr temperamentvoller Weise die Beugin verwitwete Baumeister seit langen Jahren kennt und sich der Frau in ihrer Notlage ana genommen hat. Es kommt bei dieser Zeugenbekundung wiederholt zu äußerst lebhaften Auseinandersetzungen zwischen dieser Zeugin und Karl May .

Hierauf wird Rechtsanwalt Bredered ersucht, seine etwaigen Beweisanträge zu präzisieren. Der Verteidiger beantragt, den Beweis zu erheben, daß die selbe Meinung wie der Angeklagte über den Privatkläger May auch der Staatsanwalt Wulffen gehabt hat, der in seinem bekannten Werk Psychologie des Verbrechens" gerade Herrn Mah als ge borenen Verbrecher" behandelt habe. Staatsanwalt Wulffen habe Herrn May als Typus des geborenen Verbrechers hingestellt. Staatsanwalt Wulffen habe diese Ueberzeugung auf Grund der Aften, die ihm bekannt geworden, gewonnen.

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Rechtsanwalt Netter bestreitet, daß alles, was Herr Wulffen in seinem Werke über May behaupte, in den Akten stehe. Ich habe ihm geantwortet, daß ich ihn nicht für einen Kriminal­Karl May: Was Herr Wulffen über mich schreibt, ist mir egal. psychologen halte. Staatsanwalt Wulffen hat mir sehr höflich ge antwortet.

Rechtsanwalt Bredereck: Schon das Urteil, durch welches Mah zu 4 Jahren Buchthaus verurteilt wurde, ergebe, daß May ein geborener Verbrecher sei. Daraus werde sich ergeben, daß May es sehr gut verstanden habe, allerlei Waren nach Häusern mit zwei Ausgängen kommen zu lassen und nach Entgegennahme der Waren zu verschwinden, daß er einem Bauer, zu dem er in der Maske eines Polizisten gekommen, angeblich um nach falschem Gelde zu fahnden, sein Geld abgenommen habe, daß er einen Einbruch in einen Uhrenladen ausgeführt habe.

May: Es ist doch unerhört! Ich habe nie einen Einbruch ausgeführt, niemals in einen Uhrenladen!

Rechtsanwalt Retker: Es handelt sich doch überhaupt um lange zurückliegende Jugendfünden, ich bitte doch, dem alten Manne solche Quälereien zu ersparen!

Weitere Beweisanträge des Verteidigers gehen dahin: die Eltern des Privatklägers seien Kleptomanen gewesen; wenn die Mutter, die Hebamme war, zu den Leuten geholt worden, dann hätten die betreffenden Leute silberne Löffel und andere Wertsachen schleunigst weggeschlossen. Pastor Laube werde bekunden, daß May selbst schon als Schüler lange Finger gemacht.

May: Wenn das wahr wäre, würde ich wohl niemals in ein Seminar aufgenommen worden sein. Pastor Laube ist ein 80 Jahre alter Mann, der schon etwas schwach sei.

In bezug auf die behaupteten, durch May begangenen Belz­diebstähle wird auf Leipziger Polizeiakten, in bezug auf begangene Pferdediebstähle auf Gerichtsatten von Mittweida , in Sachen der Räubertätigkeit auf das Zeugnis des Pastors Laube zu Hohenstein­Ernstthal Bezug genommen. Er werde bekunden, daß sich May mit dem Verbrecher Kriegel in einem erzgebirgischen Walde herum­getrieben und Frauen, die vom Markte heimkehrten, wo sie Gier und andre Produkte verkauft hatten, beraubten. Diese Räubereien hätten einen solchen Umfang angenommen, daß man Feuerwehr und Turnverein aufgeboten und eine lebendige Schuhmauer um den Wald gezogen habe, um die Näuber zu fangen. May habe sich feiner Festnahme sehr finnig entzogen, er habe aus seinen Kleider­vorräten, die in einer Höhle aufbewahrt worden, die Uniform eines Gefangenenauffehers entnommen und angezogen, dem Kriegel die Hände auf dem Rücken gebunden und sei mit ihm auf diese Weise unbehelligt durch den Kordon gekommen.

Rechtsanwalt Nette: Der Pferdediebstahl wird zugegeben, das Räuberleben wird bestritten.

May: Die Sache erledigt sich schon dadurch, daß ich zu der Zeit, wo ich die Räubertaten mit Striegel begangen haben soll, gesessen habe. Auch die ganze örtliche Situation zeige, daß die Behauptung geradezu lächerlich sei. Der ganze Wald, um den es sich handle, sei in zwei bis drei Minuten zu durchmessen und in diesem Walde sollen zwei Räuber in einer Höhle ein ganzes Lager von Kleidern und dergleichen aufbewahrt haben und doch recht hellen" Sachsen , die mit Feuerwehrmännern, Turnern und Schüßen den Wald um= stellt hätten, sollte es nicht gelungen sein, die Räuber zu erwischen! Wenn die Sachen zur Zeit eines Schinderhannes sich abgespielt haben würden, könnte man es vielleicht glauben.

Rechtsanwalt Bredereck: Wir bitten, statt dieser allgemeinen Bemerkungen doch endlich mal um eine Aufklärung des Privat­flägers, warum er denn zu 4 Jahren Arbeitshaus verurteilt worden ist? Darüber schweigt er sich vollständig aus und die Akten find nicht mehr vorhanden.

Weitere Beweisanträge beziehen sich darauf, daß May katho­lische fromme und zugleich unzüchtige Schriften verfaßt habe, daß er den Doktortitel zu Unrecht geführt und sich selbst in Stürschners Literaturkalender als" Doktor" bezeichnet, daß er seine erste Frau