Nr. 301. 28. Jahrgang.i Knlxge des, Amiirls" Knlim NslksM s-.,«*«PreuBikbe Neihnachten.ES sind fünfundzwanzig Jahre her, daß in Frankfurt a.die königlich preußische Polizei einen Streich vollführte, derseine Anstifter und Vollführer auf alle Zeit mit dem Brandmalder Schande bedeckt. Er gehört zu den nichtswürdigsten Aktender an solchen überreichen Geschichte des schmachvollen Aus-nahmegesetzeS gegen die deutsche Sozialdemokratie.Frankfurt a. M. hatte schon vorher die SchändlichkeitendeS Schandgesetzes im vollen Maße erfahren. Wie überall,wurde auch hier zugleich mit dem Inkrafttreten des Gesetzesdas Organ der Aroeiterschaft brutal unterdrückt, und alleVersuche seines Redatteurs, des Genossen Karl F r o h m e, sichdurch Herausgabe kleiner pettodischer Schriften eine Existenz zuschaffen, hatten das gleiche Schicksal, mochten die Schriftennoch so wenig sich mit Tagespolitik befassen. Dann kam imWinter 1879/1880 der„Meineidsprozeß" Ibsen,der damit endete, daß der Arbeiter Karl Ibsen, weil er ineinem Prozeß wegen Verbreitung von Bebels Buch überdie Frau nicht nach Wunsch der Polizei ausgesagt hatte, aufBetreiben des Polizeirats Rumpf zu drei JahrenZuchthaus verurteilt wurde, obwohl seine Unschuld ander ihm zur Last gelegten Handlung so klar zutage lag, daßnach erfolgtem Gerichtsspruch Ibsens Verteidiger, Dr. Geiger,einer der angesehensten Anwälte Frankfurts, auf Ibsen zutrat,ihm die Hand drückte und mit bewegter Stimme sagte:„Ibsen, es tut mir sehr leid, Sie sind unschuldigverurteilt worde n."Der hier genannte Polizeirat Rumpf wurde ein Jahrdarauf im Hochverratsprozeß Dave und Genossen der An-stellung und Besoldung eines richttgen Lockspitzels, des SchneidersHarsch, überführt. Es wurde vor dem Reichsgericht fest-gestellt, daß Harsch im A uff t r a g e Rumpfs die Mostsche„Freiheit" abonniert und durch Ankauf von„Säuren" scheinbarein Attentat vorbereitet hatte, das Ruinpf dann zum Anlaßnahm, Harsch und die von diesem namhaft gemachten„Komplicen" zu verhaften. Die Sache war ein solcherSkandal, daß selbst der Vorsitzende des Reichsgerichtshofes,vor dem der Prozeß dann zur Verhandlung kam, seine schärfsteMißbilligung dieses Verfahrens aussprach und die Zulassungvon Harsch als Zeugen ablehnte. Aber— eine Anzahl vonHorich. und indirekt von Rumpf, hineingelegte Arbeiter kanienauf Jahre ins Gefängnis.Daß Rumpf für seine, selbst unter dem Gesichtspunkt deskapitalistischen Rechtsstaates veriverfliche Handlungsweise vonseinen Vorgesetzten zur Rechenschaft gezogen worden wäre, hatman nicht gehört. Er ward am 13. Januar 1885 am Vor-garten seines Hauses von unbekannter Hand erstochen auf-gefunden, und als der Verüber dieses Aktes wilder Justizward am 1. Juli des gleichen JahreS der Anarchist JuliusL i e s k e von den Geschworenen auf Grund von Indizien zumTode verurteilt, die höchstens zum Beweis einer Mitschuldausreichen konnten.Drei Wochen später, am 22. Juli 1885, rächte die Frank-furter Polizei den Tod ihreS Häuptlings in gewalttätigerWeise an den Sozialdemokraten Frankfurts. Diese hatteneinem ihrer besten Kämpfer, dem Ziseleur Hugo H i l l e r,in großer Zahl das letzte Geleit gegeben, als auf dem Fried-Hofe der Polizeikommissar Meyer plötzlich während derKranzniederlegung die„Versammlung für aufgelöst"erklärte und, als die Masse sich nicht sofort ent-fernte— waS bei dem starken Andrang geradezueine physische Unmöglichkeit war— von dem mit-gebrachten 60 Mann starken Polizeiaufgebot mit dem Rufe:„Treibt die Bande mit der Waffe auseinander", ein G e-m e tz e l aufführen ließen, bei dem, selbst nach den Berichtender bürgerlichen Presse, wahllos und mit der größten Bru-talität sogar auf Greise, Frauen und Kinder eingehauenwurde und das Blut in Strömen floß. Gegen vierzig Per-fönen waren blutig geschlagen worden, einige davon hattenklaffende Wunden, gegen die Masse der Widerstandslosen aberhatten flache Säbelhiebe ihr tückische? Werk verrichtet. Sounvermittelt und unprovoziert ioar das Gemetzel der Polizeidaß kein unparteiischer Zeuge der Blutszene daran zweifelnkonnte, daß es sich um ein vorher überdachtes und planmäßigins Werk gesetztes Unternehmen handelte. Die bürgerlichePresse erklärte eine Untersuchung für dringend geboten, unddie Behörde sah sich genöttgt, ihr Folge zu geben und denKommissar Meyer während der Untersuchung vom Dienst zususpendieren. In der Tat wurde Meyer dann von demGericht, vor das die Sache kam, zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, und ebenso traf auch einige derSchutzleute für ihre Brutalitäten Verurteilung zu GefängnisWenn selbst königlich preußische Richter so befanden, so kannnian daraus einen Schluß ziehen, wie schändlich die Polizistengehaust haben mußten. Aber— es gibt auch königlichpreußische Gnade. Meyer und Genossen erhielten Befreiungvon den ihnen zugesprochenen Strafen durch königlichenGnade nakt.Schon damals scheint man geplant zu haben, über Fran5furt am Main den kleinen Belagerungszustand zu verhängenAber der Kurs dei? inneren Politik Bismarcks lief gerade inetwas anderer Richtung, und so drang dieser Plan, für denbezeichnenderweise in deutsch-österreichischen Blättern Fühlerherausgesteckt worden waren, nicht durch. Jedoch, aufgeschobenwar nicht aufgehoben.Im Jahre 1886 schlug der Wind in den oberen RegionendeS Reichs um. Wir sind in der Aera deS PuttkamerschenStrcikerlasses. Hinter jedem Streik„lauert die Hydra dersozialen Revolution", die gesetzliche Arbeiterbewegung wirdwieder stacttsgcfährlich.Am 9. November 1886 dringt die Frankfurter Polizei ineine Zusammenkunft von sozialdemokratischen Arbeitern ein,von der ihr eigener Bericht zugeben mußte, daß sie sich mitder Frage der Beteiligung an den Wahlen zum GeWerbegericht befaßt hatte. Die Teilnehmer wurden verhaftet, zum Teil gefesselt und einer peinlichen Untersuchung unterworfen. Wo vorgefundene Notizen Namenenthielten, wurden deren Träger gleichfalls verhaftet. In diePresse lancierte Notizen verkündeten, daß die Polizei einemgroße» Komplott auf der Spur sei, das in einem HochVerratsprozeß zur öffentlichen Kenntnis kommen werdeTatsächlich lag nichts, absolut nichts vor, das auch nurentfernt eine Handhabe zu einer solchen Anklage hättebieten können. Die ganze Untersuchung, die zeitweisemehr als fünfzig Arbeiter hinter Schloß und Riegelbrachte, verflüchtigte sich später in einen Prozeß wegen unerlaubter Verbindung, unter dem Ausnahmegesetz die selbstverständlichste Sache von der Welt. Keinem der Verhaftetenkonnte mehr zur Last gelegt werden, als daß er sich erlaubthatte, ohne polizeiliche Erlaubnis zu atmen.Dafür hatte aber die Polizei durch die gehässig- gewalbtättge Art, wie sie die Untersuchung betrieb, einen ehrlichenArbeiter, den Schneider Schäfer, in den Tod gejagt.Schäfer war aus der Haft entlassen worden, weil man absolutnichts bei ihm gefunden hatte. Kaum in seiner Wohnung an-gelangt, sieht er sich von neuem von der Polizei überfallen,die sein Zimmer einer peinlichen Durchsuchung unterwirft.Ob er nun von dem Gedanken geplagt war, daß man ihnaufs neue ins Gefängnis schleppen werde oder was sonst seinGehirn durchzuckte— genug,'fieberhafte Erregung übermanntkleines femUeron.Die Geschichte de» Weihnachtsbaume». Wann zum ersten Mal:eine Tanne mit ihrem frohen Grün die Weihnachtsfeier verschönte,läßt sich nicht genau feststellen. Die erste einwandfreie schnftlichsErwähnung dieser Sitte stammt au» dem Jahre 1604. Sie findetsich in den Aufzeichnungen eines Unbekannten, der um die Grenz-scheide des 16. und 17. Jahrhunderts zu Straßburg im Elsaß lebt«und allerlei Gebräuche in seinen Mußestunden zu keinem bestimm-ten Zwecke aufgezeichnet hat. In einem Dokument, da» den Titel„Einige Denkwürdigkeiten aus Straßburg" führt, steht zu lesen:„Auf Weihnachten richtet man Tannenbaum zu Stratzburg in denStuben auff. daran hencket man roßen aus vielfarbigem Papiergeschnitten, Aepfel, Oblatten, Zischgolt, Zucker usw." Der Ge-währsmann spricht hier von dem Weihnachtsbaum als von etwasim Elsaß Altgewohntem. Und wirklich hat man auch nachweisenkönnen, daß di« Tanne als Weihnachtsschmuck, wenn auch nicht alsWeihnachtsbaum schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Straß-bürg verwendet wurde. Am Sonntage vor Mittfasten 1507 hieltnämlich der berühmte Geiler von Kaisersberg«ine Predigt, in derer alle in Straßburg herrschenden WeihnachtSgebräuche als Heid-nisch verdammte. Da erwähnt er denn auch„danreih(Tannen-reis) in die stuben legen". Daß der Weihnachtsbaum im Elsaßschon daS ganze 16. Jahrhundert hindurch bekannt war, läßt sich fürSchlettstadt im Unterclsaß nachweisen. Im Jahre 1546 wird inden Rechnungen dieser Stadt ein Lohn von drei Schillingen für diebeiden Förster aufgeführt, die die Bäume, die„Maien" zur Weih-nachtszeit fällten und in die Stadt brachten. Auch vom Plün-dern deS Baumes am Dreikönigstag ist die Rede. Die ersten Weih.nachtSböume sind also im 16. Jahrhundert im Elsaß aufgerichtetworden.Bon dort auS verbreitete sich die Sitte nach und nach überganz Deutschland. Goethe erzählt, daß er als junger Studentin Leipzig am Weihnachtsabend des Jahres 1765 im Hause vonTheodor Körners Mutter einen Weihnachtsbaum gefunden habe,der mit allerhand Süßigkeiten behangen gewesen sei. Dagegen er-wähnt Schleiermacher 1605 in seiner„Weihnachtsfeier" denEhristbaum noch nicht als Bestandteil des Berliner Weihnachts.festes. Ebensowenig finden wir bei Ti eck in der um dieselbe Zeitspielenden Novelle„Weihnachtsabend" Andeutungen derart. ImJahre 1815 brachten preußische Offiziere und Beamte die Sitte,einen Weihnachtsbaum zu schmücken, nach Danzig, so daß man dar-aus wohl den Schluß ziehen darf, daß der Weihnachtsbaum erst vorrund 100 Jahren in Norddeutschland und in Berlin heimisch ge-worden ist.Theater.Friebrich-Wilhelmstädttsc�e» Schauspiel-hauS. An gleicher Stätte wurden bereits im vorletzten Jahremit einer Londcner Vorstadtkomödie Versuche gemacht, dies grob-fchlächtige(ich möchte sagen Plakat.) Genre in Berlin einzuführen.E» wird aber wohl nur immer ein Experiment von Fall zu Fallbleiben; denn für den blaSphemischen Witz und den in Seemanns-stiebeln herumtrampelnden Grotcskhumor scheint bei uns wenigLorliebe vorhanden zu sein. Ein gute» haben solche Einftihrungenaber doch. An der bildmähigen Zurichtung der„Handlung" �läßtsich sehen, wie wir eS nicht machen dürfen. Hingegen vermögenwir wohl aus dem englischen JnszenierungS-„Stil" einig« dankenS.werte Anregungen zu schöpfen. In dieser letzteren Hinsicht ist daSfünfaktige„SensationS-Ausstattungsstück"„Napoleon Bona»parte und seine Frauen" von E. W. Wils recht inter-esiant. Bühnenbilder von der Art des Brandes von Moskau mitNapoleon als einsamem Beschauer, oder der Schlacht von Bell«.Alliance mit knatternden Gewchrsalven und Kanonenschlägen, oderdes Korsen bevorstehende Fahrt in die Verbannung nach St. He-lena sind einfach„sensationell". Die sehr„freie" und so verfluchtwenig nach dem„Geist der Geschichte" fragende VerarbeitungNapoleon» ist allerdings echt englisch. Außerdem verstehen sich dieLondoner Fabrikanten ausgezeichnet auf den wirkungsvollen Ein-bau von—„Gemütskisten". Mit Kritik soll man da nicht kommen,wo die Kontraste zwischen Anläufen zu tränenzerfließender Tragikund klotzigem Groteskhumor das Zwerchfell vor Lachen erschüttern.Als Granitfels aber steht Napoleon im Mittelpunkt der Hans-lung. Rudolf L e t t i n g e r stellt den Titelhelden in Figur, MaSke,Mienenspiel, Gang und Haltung einfach frappierend wie au» demvollen Leben gerissen dar. Die Musik als melodramatische» Brim.borium mit Militärmärschen, Marseillaiseklängen, Kriegsinvaliden-gesängen usw. stammt von Sullivan. e. k.Freitag, den 22. Dezember, im Neuen Theater(Direktorderzeit Max Monti):„Die kleine Freundin". Gattung:Operette. Herkunft: Wien. Entstehung: neu. Librettisten: zwei.Inhalt: gleichgültig. Aufbau: Posse minus x. Komponist: OskarS t r a u S. Nachklang seiner Ueberbrettlzeit: gering. Nachklangseiner Pompoperettenzeit: etwas größer. Trompeten und anderehohe Blasinstrumente: wieder mit Geschick verwendet. Musika-lischer Gehalt: anfangs sogar frappierend groß und ein gut Stücküber Leierei hinaus, allmählich von der Posse unterjocht. Haupt-ergebnis: zwei Hupfduette, ein Kutschduett und ein Hocklied. Aus.stattung: Drehbühne und hübsche Farbenbilder. Regie: etwas zulangsames Tempo. Animo und Esprit: klein. Ausnahmen: der„Star" Fritzi M a s s a r y und noch mehr der Nichtftar SusanneB a ch r i ch, fähig auch für das Fach der Opernsoubrette.Moral von der Geschicht': Ehemals sagte man bei derlei:„Vorstadt". Jetzt muß man sagen:„Innere Stadt". Mehr undmehr zieht sich. waS noch Künstlertum ist, auS dem Stadtkern hinaus in die Peripherie und Umgebung. Es wandert mit der nachRuhe und Besinnung verlangenden Bevölkerung. Die„zentraleAushöhlung", dieser merkwürdige Vorgang in der Geschichte desStädtewcsens, zuerst in der Statistik des Wohnungswesensbeobachtet, scheint sich allmählich auch in der Naturgeschichte desKunstbetricbcS bemerkbar zu machen. tz.Münchener Theater. Volke» Stimme— GottesStimme, dieser alte Spruch ist wieder einmal Lügen«straft worden,als das Münchener Premierenvolk das schlechte Stück„O a ha" vonFrank Wedckind, das im Lustspielhaus als„geschlossene" zensurfteieVorstellung zur Uraufführung kam, heftig beklatschte, dasselbe Volk,daS sein« guten Stücke im Schauspielhaus auspfiff. Man ist beiWedekind gewöhnt, daß er nicht wählerisch ist in seinen Stoffenund gerne persönliche Erlebnisse und Zerwürfnisse zu Schlüssel-und-Skandalstücken verarbeitet, wobei oft, wie in„Musik", seineihn, er läuft ans Fenster, reißt die Flügel auf und stürztsich verzloeifelt auS der im vierten Stock gelegen e u Wohnung auf die Straße hinab.Als man ihn vom Platz trug, gab der Aermste noch etlicheschwache Lebenszeichen von sich, hauchte aber auf dem� Wegezum Spital seinen Geist aus. Eine große Blutlache bezeichneteden Ort, wo er niedergefallen war. Der Bewohner desHauses und der näheren Umgebung, die hinzugelaufen waren,bemächtigte sich begreiflicherweise große Erregung. Aber—heißt es-im Bericht der Lokalpresse—„die Leutesprechen mehr in sich hinein: sie scheuensich, ihre Empfindungen und Gedanken an-deren gegenüber zu äußern".Brauchen wir zu sagen, was diese Leute fühlten unddachten? Welche Gedanken sich der Frankfurter sozialdemo-kratischen Arbeiterschaft bemächtigten, als die Schreckenstatallgemein bekannt wurde?Indes blieb es bei den Gedanken. Am 17. Novemberwurde die Leiche Schäfers aus Anordnung der Polizeiheimlich bestattet—„um Demonstrationen zu verhindern".In Wirklichkeit blieb alles ruhig. Man war gewohnt, vieleszu tragen, und trug auch dieses ohne Aeußerungen gewalt-tätiger Auflehnung. Trotzdem erfolgte, nachdem vier weitereWochen ohne Störungen der Ruhe ins Land gegangen waren,am 16. Dezember 1886 die Verhängung des kleinenBelagerungszustandes über Frankfurt a. M..Hanau, H ö ch st und Umgegend. Ein Polizeiakt,für den absolut keine sachliche Begründungvorlag. Johannes Miguel, damals Oberbürgermeistervon Frankfurt, ließ ausdrücklich im nationalliberalen«Frank-furter Journal" bekanntgeben, er würde, wen'n man ihn"orher befragt hätte, von der Maßregel a b g e-raten haben. Aber was bedeutete das bürgerliche Ober-Haupt der Stadt, was die Vertretung der Bürgerschaft, umderen Schutz es sich angeblich handelte! Einer der Antreiberzn der Maßregel war der Landrat des Kreises Hanau ge-Wesen, und der hieß Graf Wilhelm von Bismarck, undwar der Sohn des allmächtigen Reichskanzlers.Ein reiner Polizeiakt wars, geboren aus dem Geist derschlimmsten Ueberlieferungen des preußischen Polizeistaats.Und seine Anwendung war dieses Geistes feiner Urheberwürdig.Am 16. Dezember war der Belagerungszustand prokla-miert worden. Natürlich wußte man im Frankfurter Polizei-Präsidium schon an jenem Tage, wem die auf Grund seinerzu verfügenden Ausweisungen zugedacht waren. Aberio schlechthin ausweisen, das war nicht genug. Man ließeine weitere Woche verstreichen. Sie verlief ohne daS geringsteZeichen von Unruhe. Nichts regte sich in der Arbeiterschaft.und schon konnte man glauben, die Polizei werde sich�mitder Verfügung über die Waffe der Ausweisung begnügenund sie nur in Ausnahmefällen anwenden, zumal der AuS-Weisungsparagraph in anderen„belagerten" Städten schonals unwirksam erkannt war.Die aber so wähnten, kannten den Geist nicht, der imFrankfurter Polizeipräsidium den Ton angab. ES kam daSWeihnachtsfcst, das Fest der ch r i st l i ch e n Liebe heran—„Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen". Undam Vorabend des Weihnachtstages, am sogenannten hei-ligen Abend, wo Bescherung in den Familien stattfindetund die Freudenstimmung obwaltet, erhalten die hervorragen-len Vertreter der Sozialdemokratie Frankfurts, voran derReichstagsabgeordnete für Frankfurt, Adolf Sabor. dieVorladung auf die Polizei, deren Fassung ihnenanzeigt, daß sie die A u S wei sun g»v er fu gu n g ent-gegennehmen sollen. Und am nächsten Vormittag— amWeihnachtsmorgen— wird den auf der Polizei Erschienenenbesten Freunde unter die Räder kommen.„Occha" ist im Grund«nicht» wie eine Neuauflage des Verle«r-Milieu» m„Hidalla".Man würde darüber hinwegsehen, daß mit galliger Bosheit hierIntimitäten aus dem„SimpIizissimuS"-Verlaa aus WedekindsVerhältnis zu Albert Langen, Thoma usw. auf die Bühne«zerrtwerden, wenn die Satire künstlerische Gestaltungskraft zeigt«. Aberhier versagt Wedekind diesmal gründlich. Worte, nichts al» Worte,Langweiligkeiten, krampfhafte Versuche,«iftreich zu sein(„Oaha",der Witze-machende Hausgeist de»„SimplizissimuS al» taub-stummer Idiot im Kinderwagen!). Kann für diese Mängel ent-schädigen, daß Björnson, Langen, Thoma, Hein« usw. in durchsichti-gen MaSken auf der Bühne erscheinen? in.Humor und Tatire.Di» freien Hansen.Da» läßt man sich gefallen, da» war doch eine Tat!Die freien Hansen sprachen zu Hamburg im Senat:Der edle Vitz au» Sachsen(Heil sei dir, teurer GrafhEr hat da» Wort gesprochen, da» un» im Herzen traf:Di« Stunde ist gekommen, gebrochen ist der Bann—Laßt un» den Mann beschützen, auf den man bauen kann!Den Mann, der(wo auch immer ein armer Bruder kämpft)Gewillt ist, dem zu dienen, der da» Begehren dämpft.-Ihn, den wir lächelnd schätzen(wer er auch immer sei):Auf, schützt ihn mit Gesetzen und gebt da» Zuchthaus frei!..Die freien Hansen hörten die» Wort von hellem KlangUnd riefen ohne Zaudern: o lieblicher Gesang!Hei, Graf, das soll uns stammen zum löblichen Bedarf—Juchhei, so muß es kommen— frisch auf, wir machen scharf!Die freien Hansen hoben für» Zuchthaus frisch die Hand:Man muß schon mal was leisten— auch für den letzten Stand!Und sei'S auch nur ein Knebel— wir dreh'n ihn nach Bedarf?Nun wählt nur euren Bebel— juchhei, wir machen scharf!...Wie habt ihr gut gesprochen, ihr Braven vom Senat...Nun wartet noch drei Wochen— dann blüht auch euch die Saat!Dann wird vielleicht euch Starken so allgemach Bescheid,Warum ihr freien Hansen nur arme Hänse seid I_ Peter Scher.Notizen.— M-u si k chr on i k. Alte und neue Märchen fürgroße und kleine Kinder, ferner Kinder, und WeihnachtSliedcriommen im„Populären Liederkonzert" im Blüth-n e r f a a l am 2. Weihnachtstage, nachmittags 4� Uhr, zum Vortrag.— Vorträge. Die Gesellschaft für ethischeKultur veranstaltet am Sonnabend, abends SM. Uhr, im Bürger.aal de» Berliner Rathauses einen Vortragsabend. Prof. Wilhelmerster spricht über das Thema:„Gegen internatio-nale Feindseligkeit und Verhetzung". Gäste will-kommen.»