auch eröffnet, daß sie am übernächsten Tage Frankfurt zuverlassen haben.Kann man sich eine größere Roheit und R ü ck s i ch t s-losig keit denken? Nichts war geschehen, die Ausweisungals dringende Maßregel erscheinen zu lassen, nichts, ab-s o l u t nichts bedrohte Ruhe und Ordnung in Frankfurt.Und da wählt die Polizei das W e i h n a ch t s f e st, um eineAnzahl politischer Gegner, wiederum m e i st c n s F a-milienväter, mit der elenden Maßregel der Aus-Weisung heimzusuchen.„Wir hielten es absolut für ausge-schlössen, schrieb die„Frankfurter Zeitung", daß die Polizei-behörde am ersten Weihnachtstag eine solche harte Maßregelüber eine Anzahl Einwohner und ihre Familien verhängenkönne." Aber sie mußte hinzufügen:„Leider sind uns im Laufe des Vormittags Mitteilungenzugegangen, die keinen Zweifel darüber lasten, daß die Landes-Polizeibehörde auch diejenige Rücksicht, die selbst diefeurigsten Befürworter strenger Matzregeln gegen die Sozial-demvkratie von ihr erwartet haben mögen, die Rücksicht aufdas häusliche Glück am Weihnachtsfeste, nicht hatwalten lassen."Nein, die Landespolizeibehörde, der Polizeipräsidentvon Hergen Hahn, hatte gerade das Gegenteil getan.Ein Schrei der Entrüstung ging durch Deutschland, alsdie Nachricht von dieser preußischen Weihnacht be-kannt wurde. Gar manche Faust ballte sich, von manchenLippen ertönte es:„wie lange noch, wie lange?"„Wer denohnehin in ungünstigerer Lage befindlichen Gegner erst seinerwirksamsten Waffe beraubt, ihn dann hinterrücks überfällt,ihn an Händen und Füßen knebelt und den so wehrlos gemachten dann noch mit den Füßen ins Gesicht tritt," schriebder Züricher„Sozialdemokrat", und traf wobl damit dasallgemeine Empfinden,„ist ein erbärmlicher Feigling, denjeder ehrliche Mann, und stehe er in der Sache selbst auf seinerSeite, nur verachten kann."Sie ruhen zum Teil schon unter der Erde, die von derbrutalen Maßregel heimgesucht wurden. Adolf Sabor isthingegangen, Jakob Schmidt, den die Arbeiter Frankfurtszu Sabors Nachfolger in der Vertretung ihrer Stadt er-wählten, Heinrich Prinz und andere damals Ausgewiesene,gehören zu unseren Toten. Andere leben noch heute im Exil,das sie dann aufsuchen mußten: andere sind nach dem Falldes Schandgesetzes heimgekehrt und wirken noch heute imKreise der Genossen für di? große Sache, um die sie damalsgelitten haben. Denn gelitten haben sie in jenen Tagenb'e, was auch ihr späteres Schicksal war. Das soll nicht ver-gessen werden. Und nicht vergessen werden soll die Brutalität,die an jenen verübt wurde. Die Geschichte weiß blutige Tatenzu vermelden, die von Gewalthabern und deren Schergen inMomenten der Bedrohung ihrer Macht durch Aufstände ver-übt wurden. Hier aber war von Aufstand, von irgendwelcherunmittelbaren Gefahr nicht der entfernteste Gedanke. KeineRücksicht auf Sicherheit kann die grausame Maßregel ent-schuldigen oder auch nur mildern. Sie bleibt ein S ch a n d-stück in den Annalen der Geschichte, ein Denkmal derG e m ü t s r o h e i t, das die Namen der Veriiber auf ewigder Verachtung überliefert. Ed. Bernstein.Der Krieg.} Vom tripvlitanischen Kriegsschauplatze.Rom, 23. Dezember. Der Agenzia Stefans wird ausBenghasi gemeldet: In der Nacht vom 2t. zum 22. d. M.wurde die italienische Schanze Nr. 8 von dem Feinde angegriffen,der unter dem Schutze der Dunkelheit die Italiener zu überraschensuchte. Der Feind wurde von den Bersaglieri und einer SektionGebirgsartillerie ohne Verluste aus italienischer Seite zurückgeschlagen. Ein Angriff feindlicher Gruppen auf eines der italienischeu Blockhäuser wurde von einer Abteilung des 68. Infanterie-rcgimentS zurückgewiesen, wobei zwei Soldaten leicht verwundetwurden. Die allgemeine Lage ist unverändert.Der oben genannten Agentur wird aus T o b x u k vom23. d. M. gemeldet: Gestern früh wurde eine Truppenabteilung,welche die Arbeiten für die Batterie t49 auf der Südseite derBucht zu schützen hatte, lebhaft angegriffen. An dem Gefecht, dassechs Stunden dauerte, nahm ein Bataillon de? 20. Infanterie-regiments, ferner zwei Sektionen Artillerie, einige Maschinen-gewehre und eine Gebirgsbatterie teil. Diese Truppen �.wurdenwirksam unterstützt durch die mit der Arbeit an der Batterie 149beschäftigten Soldaten, ferner durch die Batterie 75a und durch dieArtillerie der Kriegsschiffe. Die Italiener hatten siebenTote, darunter zwei Offiziere, und sechzehn Ver-!v u n d e t e, darunter einen Ofsizier. Die Angreifer, die etwatausend Mann stark waren, hatten sehr beträchtliche Verluste, so-weit dies von den italienischen Stellungen aus festgestellt werdenkonnte.Die Pforte gibt nicht nach.Konstantinopcl, 23. Dezember. Ein in der letzten Nacht vonder türkischen Regierung ausgegebenes Eommunique besagt, daßallen Friedensgeriichten zum Trotz die Pforte unter allen Um-ständen ihre Souveränitätsrechte in Tripolis undCyrenaika aufrechterhalte. Friedensbedingungen feigynur möglich, wenn diese beiden Punkte der ottomanischcn Regie-rung zugebilligt würden.Italienische KapcrfaHrten.Alcxanbria, 23. Dezember. Tie Khcdivial Mail Steamship u.Grahing Dock Company gibt bekannt, daß der Dampfer„M e n z a l c h" nicht von dem italienischen siriegsschiff„Calabria"mit Beschlag belegt worden ist. Tie„Calabria" nahm nur39999 Pfund Sterling, die fürHodeida bestimmtwaren und türkische Pakete aus K o n st a n t i n o p e lund gab der„Menzaleh" dann die Weiterfahrt frei.Mastaua, 23. Dezember. lMcldung der Agenzia Stefani.)Heute ist hier der türkische Dampfer„Kaiserie h" ein-gebracht worden. Das Schiff war als verdächtig von demitalienischen Kriegsschiff„Puglia" aufgebracht worden, obgleich esuntet der Flagge des roten Halbmondes fuhr. Die Durchsuchungdes Schiffes ergab, daß nichts vorhanden war, was seine Eigen-schaft als Hospitalschiff hätte rechtfertigen können. Es handelt sichohne Zweifel um ein Transportschiff im Dienste der türkischenTruppen an der arabischen Küste.Die chauvinistische Hochflut und die Sozialisten.In einem Rcisebriefe an die„H u m a n i t e" zeichnet GenosseLonguet in charakteristischen Strichen die Schlammwelle desKriegstauinels, die sich derzeit über Italien ergießt. Schon amBahnhof in Turin alles bewegt vom Kriegsfieber. Auf denStraßen bunte Plakate mit Bildern von Bombardements und ahn-lichen„Großtaten". Die Zeitungen, von den konservativen bis zuden radikalen, mit schreienden Aufschriften vom Kriegsschauplatz— ausgenommen allein unser Parteiblatt, den jetzt in Mai-land erscheinenden„Avant i". Dasselbe Schauspiel auf derWeiterreise und in der Hauptstadt des modernen und industriellenItaliens, in Mailand. Auf einem Gang durch eine der großen„Galerien"(Passagen) in der Nähe des wunderbaren Doms siehter eine Menge, die sich vor einer Auslage drängt, erregt undbrausend. Unermüdlich sieht sie Kriegsfzenen in einer afrikanischenLandschaft: Türken im Fez, mit verzerrten Gesichtern, verfolgtvon tapferen italienischen Soldaten.lieber die Haltung der S o z i a l i st e n erzählt ihm Michels,der syndikalistische Dozent an der Universität Turin. Michels, derdie Förderung des Internationalismus und der Friedcnssache zueiner seiner besonderen Ausgaben gemacht hat, war lebhast erstauntüber den Ausbruch des Chauvinismus bei einer Arbeiterschaft, dieer für besonders gefeit gegen nationalistische Strömungen gehaltenhatte.„Heute hat die Woge alles vor sich weggerissen, mitinbegriffcndie Theoretiker des revolutionären Syndikalismus.Arturo La b r i ol a wie Paul O r a n o befürworten den Krieg,der berufen fei,„die Lebenskraft de» Landes und sein Gefühl fürHeroismus zu beleben." Man sieht, wie leicht das syndikalistischePhrasengeklingel sich in daS„patriotische" überleiten läßt. Mitvoller Anerkennung aber sprach Michels von der Haltung desgrößten Teils der Sozialdemokraten. Nur die Rechte derReformisten mir Bissolati nehme eine freundliche Haltung zumKriege ein.Sie Revolution in China.Pessimismus der Regierung.Peking, 23. Dezember.(Meldung des Reuterschen Bureaus.)Die chinesische Regierung hegt die Befürchtung, daß dieFriedenskonferenz in Schanghai scheitern wird,und glaubt, daß die Revolutionäre einen Vorstoß nach Nordenüber Pukow vorbereiten.Das bisherige Ergebnis der Verhandlungen.London, den 28. Dezember. Der„Times"- Korrespondentin China hat über die Haltung der Parteien in China eine Unter-suchung angestellt und sendet seinem Blatte ein längeres Tele-gramm über da» Ergebnis derselben. Er versichert, daß D u a n-s ch i k a i, seiner Anficht nach, schließlich dennoch die Präsident-schaft der Republik annehmen wird. Bisher hat sichAuanschikai zloar gegen eine solche Lösung ausgesprochen, dochglaubt man, daß diese Haltung nur eine Kriegslist ist. Inpolitischen Kreisen ist man der Meinung, daß eine Republik unterder Präsidentschaft DuanschikaiS der schnellen Anerkennung derMächte sicher sei. Die Mittel, welche in Vorschlag gebracht wurden,um dieses Ziel zu erreichen, betreffen unter anderem eine Ver-üffentlichung eines kaiserlichen Ediktes, in welchem der Thron sichbereit erklärt, sich den Beschlüssen einer Nationalvers amm-l u n g, welche in Shanghai zusammentreten soll, zu unterwerfen.Diese Versammlung wird sich au? Vertretern aller Provinzen zu-sammensetzen, die mit den notwendigen Vollmachten ausgestattetwerden sollen, um eine neue Regierungsform zu vollziehen. Derchinesisch-republikanische Generalissimus ist bereit, eine derartigeLösung der Frage gutzuheißen. Tie einzige Befürchtung, welchenian in China diesetwegen hegt, ist die einer eventuellen Jnter.vention Englands und Japans zur Aufrechterhaltungeiner monarchischen Regierung, selbst unter Waffengewalt.— DerWaffen st ill st and ist bis zum 31. Dezember verlängertworden.Die englisch-japanische Intervention.Tokio, 23. Dezember.(Meldung des Reuterschen Bureau?.)Obwohl von maßgebender Stelle erklärt wird, daß die Frage einerIntervention der Mächte in China noch nicht erörtert worden ist,verlautet doch, daß Japan Vorbereitungen für eineExpedition nach China getroffen habe, falls Unruhenausbrächen, die einen solchen Schritt nötig machten, besonderswenn die Friedenskonferenz in Schanghai ergebnislos verlaufe.London, 23. Dezember. Wie das Rcutersch« Bureau von maß-gebender Stelle erfährt, ist die Behauptung unrichtig, daß Groß-britannien und Japan zusammen vorgehen, um in China diemonarchische Regierung, wenn nötig mit Truppenmacht, aufrecht-zuerhaltcn. Die Bemühungen der britischen Regierung, die imEinklang mit anderen Mächten vorgeht, bezwecken, China darin zuunterstützen, daß es sich selbst die Form einer starken Regierungschafft, die aus der Zustimmung des Volkes begründet ist.der Landwirtschaft nur eine Alimentation des Großgrundbesitzesdarstellt. Von der erwähnten Mchrcinfuhr entfallen allein über7 Millionen Doppelzentner auf Futtergerfie, fast 2 Millionen Doppelzentner auf Hafer, rund 2 Millionen Doppelzentner auf Mais.Diese Futtermittel sind den Vichzücktern und Viehhaltern zumVorteil des Großgrundbesitzes durch Zölle verteuert worden. Infolge-dessen mutzten bei der ungenügende� Jnlandscrntc die Preise enormin die Höhe schnellen. Es kostete Hafer im November d. I. 189,99 M.pro Tonne gegen 147,24 M. im Borjabre: der Preis für Maisstieg von 137 M. auf I7ö M., der für Futtcrgerste von 109,25 M.auf 138 M. Nun sagen allerdings die Schutzzöllner, die Teuerungsei eine internationale Erscheinung. Das ist nur in begrenztemUmfange richtig. Tarauf kommt es aber auch gar nicht an, sonderndarauf, ob und inwieweit unsere agrarische Wirtschaftspolitik inDeutschland die Preise über das Weltmarktnivcau hinaustreibt undin welchem Ausmaß sie die Gesamtwirtschaft benachteiligt. DaßDeutschland im Preisniveau den Vorrang bat, beweist die folgendeAufstellung. ES notierte im November 1911 pro Doppelzentnerin Mark:Weizen Roggen Mais Hafer GersteBerlin.... 293,39 182,91Breslau Mittellv.Budapest.... 209.89Wien..... 216,42OdessaRiga...Antwerpen.Amsterdam.Paris...London..Liverpool.Chicago..New Uork.Buenos Aires156.92177,73157.12167.92293,42168,84177.99145,88153,17161,26169.96131.29126.93141,63161.22175,80175.00162.53161,68168,99167,45174,41154.59158,62142,87——144,92104,69159.82157,90142,63iMchaNIIcher Vochenbericht.Berlin, den 23. Dezember 1911.Versteifung am Geldmarkt.— Gesteigerter Verkehr und AußewHandel.— Folgen der agrarischen LLirtschaftspolitik.— LebensMittelverteuerung und Geldverteuerung.— Politik und ReichsbankDie lebhaftere industrielle Tätigkeit in Verbindung mit demWeihnachtsgeschäft, das zu Geldentnahmen aus den Sparkassen usw.veranlaßt, macht sich bereits in einer Zunahme der Versteifung amGeldmarkt bemerkbar. Die Reichsbank hat die schon erwogene Er-höhung des Diskontcs, der seit dem 19. September 5 Proz. beträgt,bisher noch abgelehnt. Wie lange noch?Vorläufig geht die Konjunkturkurvc weiter nach oben. DerAusweis der StaatSeiicnbahnen über die Einnahmen im Novemberzeigt das Anhalten und die Steigerung des Verkehrs und des Güter-austausches. Gegen den November 1919 erbrachte der Güterverkehreine Mehrcinnahme von über 17 Millionen Mark. Die Steigerungim Güterverkehr tritt bei einer Gegenüberstellung mit dem vorauf-gegangenen Monat noch weiter recht deutlich in die Erscheinung.Der Oktober ist immer ertragreicher al» wie der November. Imvergangenen Jahre waren die Einnahmen in diesem Monat um914 Millionen Mark höher als wie im November, in diesem Jahremacht das Weniger im November noch nicht ganz 2)4 MillionenMar? aus.Daß die Lebhaftigkeit in der Gütererzeugung vorläufig wenig-stens noch anhält, darauf läßt der flotte Abruf von Brennmaterialienund der große Auftragsbestand der Stahlwerke sowie die noch immerstarke Nachfrage am Eisenmarkte schließen. In der letzten Ver-sammlung des Stahlwerksvcrbandcs wurde mitgeteilt, daß die Ver-kaufstätigkeit sowohl für das Inland wie auch für das Auslandrecht rege sei und die Preise sich aufwärts bewegten. In wie her-vorragendem Matze der Außenhandel bei der Gcsamtstcigcrung bc-teiligl ist. läßt die folgende Zusammenstellung erkennen. In denersten 11 Monaten betrug die:Steigerungin Proz.7.45.919,27.319191911Einfuhr in Mill. Doppelztr.. 581.5 625,9, Mi El. Mark.. 8400,5 8901,0Aussuhr in Mill. Doppelztr.. 486,9 535,8. Mill. Mark... 6918.6 7426,4Unsere Ausfuhrsteigcrung überragt die Einfuhczunahme ziem-lich erheblich. Besonders bemerkenswert dabei ist, daß die Einfuhrvon Ackerbauprodukten ganz erheblich, nämlich um über 22 MillionenDoppelzentner zugenommen hat. während gleichzeitig die Ausfuhrum I74 Million Doppelzcnwer zurückgegangen ist. Diese Zahlenbeweisen, daß die Behauptung, die deutsche Landwirtschaft könnedie einheimische Bevölkerung ernähren, eine leere Redensart ist.' Beinäherer Betrachtung lassen sie weiter erkennen, daß der sogen. SchutzNur in der Donaumonarchie, wo ein unseren Junkern ber»wandtes Agrariertum die in Deutschland„bewährte WirtschaftS-Politik" praktiziert, und in Frankreich mit seinem hohen Weizen-zoll stiegen die Preise so hoch wie in Deuschland, sonst sind wirweit voran. Die enormen Preissteigerungen bedeuten, daß dieMehreinnahmen, die der„Landwirtschaft" zufließen, vorwiegendin die Taschen der Großgrundbesitzer sich ergießen. Eine weitereSchädigung der Gesamtheit besteht darin, daß diese Herren, an-gereizt durch die hohen Zölle, den Roggenbau besonders forciertenund für den Abstoß der überflüssigen Menge Ausfuhrprämien ein-streichen. In den letzten 4 Monaten sind mit Einrechnung deZRoggenmehlcs 3 380310 Doppelzentner mehr exportiert als ein«geführt worden.Die Folgen der ganzen agrarischen Wirtschaftspolitik äußernsich in einer allgemeinen Verteuerung der Lebenshaltung. Dasschwächt naturgemäß die Konsumkraft der Bevölkerung, was ineinem verminderten Begehr von Gebrauchsgütern zum Ausdruckkommt. Der LcbenSmittelauStausch beansprucht infolge der enormenTeuerung auch einen bedeutend verstärkten Geldsirom. Daher istdie Lebcnsmitclteuerung auch eine Ursache der Versteifung amGeldmarkt. Von agrarischer Seite, die als autoritativ angesprochenwerden will, ist der Wert der deutschen LcbenSmittelproduktion auf11 899 Millionen Mark berechnet worden. Unterstellen wir einedurchschnittliche Verteuerung von nur 19 Proz., so würde der Aus-tausch der landwirtschaftlichen Güter schon 1189 Millionen Markmehr beanspruchen. Run find aber auch die vom Ausland herein-gebrachten Lebensmittel in der gleichen Weise verteuert worden.Im Jahre 1919 betrug der Wert deS Einfuhrüberschusses allein anNahrungS- und Genutzmitteln 1722 Millionen Mar». Demnach er- �höhte sich die ganze Summe des für den Austausch der Agrarprodukteerforderlichen Mehrbetrages um 172 auf 1352 Millionen Mark.Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, daß die Verteuerung derLebensmittel ein allgemeines Hinaufgehen der Preise verursachthat. Es liegt auf der Hand, daß die Bewegung nicht ohne Einflußauf den Geldmarkt bleiben konnte. Pfarrer Naumann hat aller-ding» vor einiger Zeit die Hypothese aufgestellt, daß die erhöbteGoldausbeute die Ursache der Teuerung sei. In Wirklichkeit erhöhtdie durch Zölle und Steuern betriebene künstliche Verteuerung derLebenshaltung die Schwierigkeiten am Geldmarkt. Nach Naumann?Theorie müßten mit und infolge einer erhöhten Goldproduktion dieHungersnöte an Schärfe gewinnen. Was allerdings auch den rück»wärts gefolgerten Schluß zuließe, daß wir nur die Goldproduktioneinzustellen brauchten, um alsbald im Schlaraffenlande zu leben.Wie die Verhältnisse liegen, ist an eine Besserung der Lageam Geldmarkt gar nicht zu denken. In den letzten zwei Jahrensind wir unter den Satz von 4 Proz., der früher öfter und biszu 1 Proz. unterschritten wurde, nicht herabgegangen, obwohl sichEngland des Satzes von 3 Proz. oftmals erfreute. Tie aus demRcichsbankdirektorium hcraustönendcn Warnungen gegen ein«Ucbcrspannung des Kredits können auf keinen Fall viel nutzen.Das Uebcl liegt, wie dargetan, tiefer. Herr von Havenstein hatkürzlich selbst konstatiert, daß die Geschäftswelt sich große Mäßigungauferlege, dennoch blicke er voll banger Sorge in die Zukunft.Er sollte nur einmal auf die LebenSmitetl- und die damit ver-bundene allgemeine Teuerung als des Hebels Ouell hinweisen, dannwürde ein mißtönendes Echo aus dem agrarischen Blätterwalde ibnbelehren, daß er den Finger auf'eine sehr empfindliche Wundegelegt hätte. Vielleicht kommt er trotz dieser Voraussicht zu einemsolchen Bekenntnis.— wenn die Rcichstagswahlen vorbei sind.Länger wird sich nämlich die Diskonterhöhung wohl kaum vermeidenlassen. Die Reichspolitik beeinflußt auch die GcschästSpolitik derReichSbank. Sie muh darauf bedacht sein, den Zorn über dieagrarische Wirtschaftspolitik nicht zu steigern— wenigstens nichtvor den Wahlen._ D.Bue der frauenbern�ung.Fabrikarbeiterinnen in Japan.AuS Yokohama schreibt man unS unterm 8. Dezember:Ein Greuel sind der japanischen Regierung„sozialistisch" an-gehauchte Abgeordnete; ein jeder, der Klagen über di« erbärmlicheLage der Arbeiter in Japan ausspricht, gilt als Sozialist oder sogarals Anarchist, da regierungsseitig beide Worte in einen Topf ge-worfen werden. Ein solch räudiges Schaf nun sitzt zum größtenLeidwesen der Regierung und der Fabrikbesitzer nicht etwa im Land-tag, sondern, was noch entsctzlickzcr ist, sogar im Herrcnhause, cSist dies Dr. Kuwaia. ein unerschrockener Kämpfer für eine Besser-stcllung der Arbeiter und Arbeiterinnen. Schon im vergangenenJahre machte er«inen Vorstoß nach dieser Richtung und veröffent-lichte eine eingehend« Darstellung der Lage dieser Leute, die dieFabrikanten zum Reichtum verhelfen. Er richtete nichts aus, da dieallgewaltige Seiyukaipartei, der sich seinerzeit Katsura beugte, nichtsvon einem Arbeitcrschutzgesetz wissen wollte. Die Eröffnung derdiesjährigen ParlamentZsession steht wieder vor der Tür und wiederläßt Dr. Kuwada seine Stimme ertönen, jedenfalls als ein Predigerin der Wüste, denn solange die Seiyukai die Mehrheit hat und ihrgeistiges Oberhaupt Saijonji Ministerpräsident ist, wird an«ineAendcrung nicht gedacht werden können, obgleich die Lage, namentlichder Arbeiterinnen, geradezu himmelschreiend ist und das Aus-beutungSsYstcm allcS menschenmögliche überschreitet.Dr. Kuwada hat nämlich festgestellt, daß in Japan über«ineMillion Fabrikarbeiter existieren, darunter nicht weniger als799 999 weiblichen Geschlechts, von denen nicht weniger als 79 999ein Alter von unter 14 Jahren haben.Von diesen Arbeiterinnen sind etwa 29 Proz. in der S t r e i ch.Holzfabrikation und 19 Proz. in der Tabakindustrie— letztere StaatSmonopol— im Alter von unter 19 Jahren be-schästigt. Obgleich in aller Welt die glänzenden Erfolge des Schul-zwange» hinausposaunt werden, beweist diese Aufstellung, daß von