lassen würbe. Nicht die Beschränkung, sondern die Ermög-lichung der„wahren" Koalitionsfreiheit will er, und deswegensoll das Streikpostenstehen verboten werden, dieweil, wie ein— amerikanisches Gerichtsurteil sagt, schon das Vorhanden-sein von Streikposten den Arbeitswilligen mit Sorge erfülltund ihn bewegen kann, statt an die Arbeit nach Hause zugehen. Ihm trat zunächst der liberale OberlandesgerichtsratDr. N ö l d ck e entgegen, der darauf hinwies, daß ohne die Be-fugnis. Streikposten aufzustellen, für die Arbeiter die AusübungdeS Koalitionsrechts unmöglich sei. Weiter verwies er auf diemöglichen politischen Folgen dieses Vorstoßes der HamburgerNationalliberalen, nämlich auf die Aussicht, daß in der Stichwahlentscheidung die Sozialdemokraten liberale Kandidatengegen daS Zentrum durchfallen lassen. Unser GenosseP a e p l o w belehrte die Herren über die Geschichte desKoalitionsrcchtes und zeigte dann, wie heute die Justiz Arbeiter und Unternehmer ungleich behandele, und gegen dieletzteren den§ 153 selten oder nie anwende. Für die Arbeiterbedeute das Verbot des Streikpostenstehens praktisch die Auf-Hebung des Koalitionsrechts. Uebrigens sei ja schon jetzt durchdie berühmte Handhabung der Straßenordnung das Streik-postenstehen außerordentlich erschwert. Dem FabrikantenSieverts sagte Genosse Paeplow verschiedene sehrbittere Wahrheiten; der Scharfmacherhäuptling saß mit hoch-rotem Kopf da. Weiter schilderte Paeplow das Treiben derHintze-brüder und warf dann die Frage auf, was geschehen werde.wenn das Recht des Streikposten stehenS und damit dasKoalitionsrecht falle; ob die ungenügend bezahlten Arbeiterbetteln oder stehlen sollten. Eingehend wurde noch das Treibender Unternehmerverbände geschildert und gezeigt, was ihreKontrolleure— also die Parallelerscheinung der Streikposten—sich herausnehmen und herausnehmen dürfen.— Nach derwirkungsvollen Rede unseres Genossen gab es zur Abwechselungeinen langen Salm des rotkollerbehafteten AdvoWtenDr. Rudolf Mönckeberg, Mittlerweile war es ll'� Uhrgeworden und es trat Vertagung ein— bis nach den Wahlen.Damit dürste die große Aktion einigermaßen verpufft sein.Serlia und vlmgegend.Zur Zigarrenarbeiterbewegung in Groh-Berlin.Die Bewegung der letzten vier Monate hat die Reihen des Ber»bandeS mit neugeworbenen Mitgliedern gefüllt, ein Umstand, derebenso erfreulich wie erklärlich ist. Jetzt, Kollegen und Kolleginnen.erwächst uns die Pflicht, das Errungene zu erhalten, zu festigen.eder hat da seine Pflicht zu tun.or allen Dingen: Werbet!Und wenn Ihr geworben habt: Festiget IDie neuen Mitglieder aber erniahnen wir, in allem ihren Pflichtennachzukommen, namentlich auch ihre Exirabeiträge abzuführen, dennder seit Wochen dauernde Kampf in Westfalen wird auch für unLgekämpft.Arbeiter, Parteigenossen! Fragt bei Euren Zigarreneinkäufennach den grünen Plakaten, unterschrieben Alwin Schulze. Be-achtet die Veröffentlichungen im.Vorwärts"!Der Vertrauensmann der Tabakarbeiter.Achtung, Schuhmachcr-Bertrauensleute! Das Bureau des Ver-bandeS, Blankenfelde Str. 10, bleibt heute am Wahltage geschloffen.Zenlralverband der Schuhmacher.Ortsverwaltung Berlin.Oeutfches Reich.Das Ende der TabakarbeiterauSsperrung?Aus Minden sWestfalen) meldet Wölfls Bureau: Die Streiksund Aussperrungen in der westfälischen und lippifchenTabakinduftrie. von denen zirka 13 000 Arbeiter betroffen waren,sind jetzt beendet, da auch die Bevollmächtigten der Arbeiter denunter Bermittelung des Landrats zustande gekommenen Vorschlägender beteiligten Arbeitgeberverbände zugestimmt haben. Die Ber»tretung der organifierten Arbeiter hatte bereit? vorgestern die Be»schlüsse der Arbeitgeber genehmigt.Lohnbewegung der Mainzer Zuschneider.Fünfzig Zuschneider, die in größeren Konfektionsgeschäften tätigfind, haben>hre Kündigung wegen Tarifstreitigkeilen eingereicht.Ist bis zum 20. d. Mts. keine Einigung erzielt, so daß Arbeits-niederlegung erfolgt, dann werden etwa 1000 Heimarbeiter in Mit-leidenschaft gezogen._HueUncLEngland vor einem Riesenansstand.Alle Hoffnungen, daß«S zwischen den Bergarbeitern und denGesellschaften zu einem Kompromiß kommen würde, können alsgescheitert bezeichnet werden. Di« Arbeiter find fest entschlossen, inden Ausstand zu treten, falls nicht ihre Forderungen bewilligtwerden. Die Abstimmung kann nur als Formsache bezeichnetwerden. Am nächsten Montag wird das Resultat der Abstimmungproklamiert werden, lieber das Ergebnis heg: man keinen Zweifel.Industrie wie Admiraliiät sind eifrig bestrebt, sich mit HrogenKohlenvorräten zu versorgen, um bei Verkünduug des«irestSwenigstens für einige Zeit gedeckt zu sein. Schon jetzt macht sichein Steigen der Kohlenpreise bemerkbar. In Swansea und denumliegenden Bezirken wird einstimmig zugunsten deS AuSftaildeS ub-gestimmt werden._Soziales*Streupflicht der Grundbesitzer bei WinterglLtte.Das Kammergcricht hat in langer Judikatur daran fest-gehalten, daß durch eine Polizeirerordnung allein eine Pflicht derGrundbesitzer, bei Winterglätte den Bürgerstcig oor ihren Grund-stücken mit abstumpfendem Material zu bestreuen sowie ihn vonSchnee und Eis zu befreien, nicht begründet werden könne. Eineist)Ick)e Pflicht könne nach Ansicht des Kammergerichts durch einePolizeiverordnung nur näher geregelt werden, wenn sie bereitsauf Grund eines besondeven Gesetzes oder einer Observanz(Ge-wohnheitsrecht) besteht. Mit Rücksicht auf diese Judikatur hattennun eine ganze Anzahl Grundbesitzer in Küstrin— Pctong undGenossen— bei Winterglätte nickt gestreut, indem sie die Polizei-Verordnung vom g. Januar 1002, welche die Grundbesitzer für ver-Pflichtet erklärt, als ungültig ansehen, da eine Observanz.nichtbestehe. Ein besonderes Gesetz kam zweifellos nicht in Fragö.Die Strafkammer verurteilte aber die Angeklagten auf Grundder Polizeiverordnung zu Geldstrafen. Das Gericht schloß sichnicht der Judikatur des Kammergerichts an. sondern neueren Ent-scheidungen des Reichsgerichts, wonach auch Polizeiverordnungenallein die Streupflicht der Grundbesitzer im Interesse von Lebenund Gesundheit des Publikums auf Grund des Polizeiverwaltungs-gesetzes begründen könnten, ohne daß eine Observanz oder ein be-sonderes Gesetz vorliege. Die Polizeiverordnung sei ohne weiteresgültig und die Angeklagten müßten auf Grund derselben ver-urteilt werden, ohne daß zu untersuchen sei. od eine Observanzoder ein besonderes Gesetz vorliege, wodurch etwa eine Streupflichtder Grundbesitzer begründet wäre.DaS Kammergericht hob dieser Tage die; Borentscheidung aufund verwies die Sache zu nochmaliger Verhandlung und Ent-scheidung an die Strafkammer zurück. Ausgeführt wurde: DaSKammergericht habe keinen Anlaß, von seiner erprobten Rechts-Praxis abzugehen. Die fraglichen Entscheidungen des Reichsgerichtsseien nicht genügend begründet. Nach wie vor stehe das Kammer-gericht auf dem Standpunkt, daß eine Polizewerordnung ungültig{et. welche den Besitzern jene Pflicht auferlegte, ohne daßfle BerertZ dürch eine Observanz oder durch ein vesonbere» Gesetzbegründet sei. Die Strafkammer müsse deshalb nachprüfen, obsich in Küstrin eine solche Observanz gebildet Hab».- o-Hus der frauetibewecfung.An die Frauen in letzter Stunde!Frauen! Mütter! Genossinnen! Die Ent«scheidung naht, die Stunde der Vergeltung ist gekommen.Heute wird das Volk zu sprechen haben, ob es mit demWirken des letzten Reichstags einverstanden war. Die Ant-wort der großen Masse des Volkes wird nicht zweifel-hast sein. Nein, und dreimal nein, wird sie lauten IZwar sind die Frauen heute noch von dem Rechtedes Staatsbürgers. durch den Stimmzettel seineMeinung zum Ausdruck zu bringen, ausgeschlossen. Diebürgerlichen Parteien aller Schattierungen lehnenes ab. die erwachsenen Frauen in die Reihe der stimm- undwahlberechtigten Staatsbürger einzureihen und dokumentierendadurch, daß sie die Frau als minderwertiges Geschöpf ein-schätzen. Einzig und allein die Sozialdemokratie istbis jetzt bei jeder Gelegenheit für die Gleichberechtigung derFrau als Staatsbürger eingetreten.Der Liberalismus insbesondere ist einer der hart-näckigsten Gegner der Frauenrechte. Dennochstellen die„liberalen" Frauen auch im diesmaligen Wahl-kämpfe ihre Hilfe und Unterstützung der liberalen Partei zurVerfügung und versuchen ganz besonders in Berlin, derkonsequentesten Vertreterin der Frauenrechte, der Sozialdemo-kratie. einzelne Kreise abzujagen. Zwar hat erst dieser Tageder hoffnungslose liberale Kandidat des fünften KreisesObermeister R e t t i g sich entschieden als Gegner des Frauen-Wahl- und-Stimmrechts bekannt und auch bei denübrigen Freisinnskämpen erhielten die guten Damen, sobaldsie nach Gretchenart die verfängliche Frage an einen dieserHerren richteten:„Nun sag, wie hast Du'S mit dem Frauenwahl- und Stimm-reckt? Du bist ein herzlich guter Mann, allein, ich glaub, Duhältst nicht viel davon—"die nichtssagende, väterlich-wohlwollende Antwort:.Laß' das. mein Kind l Du fühlst, ich bin Dir gutIn unzähligen Versammlungen, in Artikeln und Bro-schüren haben die bürgerlichen Frauen schon die Notwendigkeitder Gleichberechtigung der Geschlechter betont und mit Argu-menten unterstützt, die durchaus als zwingend anerkanntwerden müssen. Aber die bürgerlichen Mannen ließen sich inihrem festverankerten Bibelstandpunkt, wonach das Weib zuschweigen und zu gehorchen habe. lücht abbringen.Mit den albernsten Mätzchen gingen sie stets über die Forde-rungen zur Tagesordnung über.Die liberalen Frauen aber laufen ungeachtet dieser Er-fahrung den Männern ihrer Liebe auch fernerhin nach undbetteln um Zuneigung, wo sie begründete Rechte zu fordernhätten. Manchnial ist ja bei ihnen die Empörung hell auf-gelodert, aber auch ebenso schnell wieder verglommen wie dasFeuer einer Rakete. Ja. sie sollen sich einmal sogar zu derschröcklichen Drohung verstiegen haben. Frau für Frau ins—sozialdemokratische Lager überzugehen. Ach, sie haben es sichnoch rechtzeitig überlegt und sind bei den Fleischtöpfen desLiberalismus geblieben. Fräulein L i s ch n e w s k a mit derphrygischen Mütze in purpurleuchtender Garibaldibluse, dieFackel der Rebellion schwingend— es wäre ein Bild fürGötter! Viel eher könnte man sich� diese Dame miteinem Kürassierhelm auf das liberale Haupt gestülpt unddem Sabul in der Hand, für Deutschlands Ehr' und Ruhmausmarschierend, vorstellen. Wenn die bürgerlichen Frauendie Welt anders als durch ihre Klaffendrille sehen könnten,sich befreien könnten von ibren bürgerlichen Vorurteilen, wennsie aus ihrer bürgerlichen Haut heraus könnten, dann müßtensie die Konsequenzen aus den, Verhalten ihrer männlichenKlassengenosseit ziehen und ihre Sympathie und Hilfe derSozialdemokratie zukommen lassen. Statt dessenleisten sie, wie gesagt, auch diesmal wieder dem vor derReaktion kapitulierenden Freisinn bereitwilligst Kulidienste.In einem Flugblatt deS Wahlausschusses der liberalen Frauenim 1. Wahlkreis, unterzeichnet von Fräulein Lischnewska(Natürlich I) kommt der jämmerliche Standpunkt dieser..Kämpferinnen" Ui prägnantester Weise zum Ausdruck. Heißtes doch darin'„In diesemKampfe um Freiwerdun g desneuen Deutschland gehören wir FrauenSchulter an Schnlter an die Seite derliberalen Männer! Ihr Weg ist unser Weg!"Und dann geht eS weiter, im Stile des Reichsverbandesund die abgedroschensten Behauptungen aus der Zeit desseltgei» Eugen Richters, werden wieder gegen die böse Sozial-demokratte ausgekramt.Es liegt etwas Tragikomisches in dieser hündischen Treue.die selbst durch die fühlbarsten Fußtritte, durch die schroffste.abstoßendste Behandlung, die blutigste Verspottung seitens der„liberalen Männer" sich nicht beirren läßt.Wie andertz doch bei der Sozialdemokratie: Hier stehendie Frauen im Wahlkampfe mit Recht an der Schulterder Genossen! Sind sie doch eingereiht in die großeArmee des organisierten Proletariats als vollberechtigteGlieder! Bürdet ihnen doch der Alltag und das Lebenebenso viel oder noch mehr Sorgen und Arbeit auf als demManne. Müssen sie doch die verzweifeltsten Anstrengungen unter-nehmen, um mit dem spärlichen Wirtschaftsgelde die Familienotdürftig und anständig über Wasser halten zu können.Lastet doch auf der Frau als Mutter und Hausfrau dieSorge des Haushalts und die Erziehung der Kinder umsoschwerer, als der verflossene Reichstag dem breiten Volke erneute Abgaben und Steuern auferlegt hat. die unbedingt aufeine empfindliche Verschlechterung der Lebenshaltung hin-wirken müssen. Und eine neue Steuerflut wird dasLand überschwemmen, neue ungeheuere Lasten wirdder Militarismus in allen seinen Abartenbringen, wenn das Volk nicht auf der Hut ist.Darum. Frauen in den Kampf! In denKampf gegen Entrechtimg und Auswucherung! Gerade beider diesmaligen Wahl müssen die Proletarierinnen im Vorder-treffen stehen! Es geht um Sein oder Nichtsein, es gehtaufs ganze, wie„König" Heydebrand verkündet hat.Und wer die Strauchritter im Bunde mit den Schlotbaronenund den Kanonenpatrioten kennt, weiß, daß es nicht nur eineleere Phrase ist. Es geht um Großes, es stehen Lebensfragender Arbeiterschaft auf dem Spiele, darum ist es Pflicht derFrauen, mitzukämpfen im großen Entscheidungskampfe.Nur wenn das Proletariat mit vereinten Kräften dem Feindeentgegenttitt. kann der endgültige Sieg zur Gewißheit werden.Der heuttge Tag soll wieder eine Etappe weiter sühren aufdem Wege zur Befreiung.Darum: Frauen heraus! Hinein i» de« Kampf!Gericbts-�eUimg.Gerichtsverhandlungen am Wahltage.Während einer Berfügultg des Justizministers entsprechend bei denLandgerichten I und II ebenso wie bei den Schöffengerichten an demheutigen Wahltage Verhandlungen nicht stattfinden, hat das Land-gericht III bedauerlicherweise eine Ausnahm« gemuht. Bei h-ese-afinden heute die ordnungsmäßigen Sitzungen der drei straf-kammern statt. Zu den Verhandlungen sind zahlreiche Zeugen ge-laden. Selbstverständlich ist die Notwendigkeit der Ausübung desWahlrechts ein hinreichender Grund»ur Entschuldigung wegenNichterscheinens als Zeug*_Lankwitzer Streitigkeiten.In der Gemeinde Lankwitz bestehen gewiss» Unstimmigkeitenzwischen dem Amts- und Gemeindevorsteher Dr. Beiendorsibezw. der Gemeindeverwaltung und einem Teil der dortigen Ein-wohner. Die Differenzen sind Hervorderufen durch den Beoauungs-plan und durch die Normierung der Kanalisatlonsgebühren undhaben sich zu einer Eingabe an vie Regierung verdichtet. �Zu derPartei der Gegner des Bürgermeisters Dr. Beiendors gehört wijder Königl. Bauinspektor a. D. Wilhelm Wulff, der gesternwegen Beleidigung des Bürgermeisters und des GemeindebauratsGörke vor der dritten Strafkammer des Landgerichts II stand.Bauinspektor Wulfs ist Einwohner von Lankwitz und besitzt dortGrund und Boden im Umfange von 15 Morgen. Auf dem einenihm gehörigen Grundstück steht eine Villa, in welcher der Ange-klagte wohnt, auf dem anderen steht das alte Schloß Lankwitz, inwelchem bis vor einiger Zeit eine Trinkerheilanstalt installiertwar. Im Jahre 1010 wurde in Lankwitz ein neuer Bebauungsplanausgestellt, der von dem Hofbaurat G e n z m e r ausgearbeitetworden war. Der Angeklagte fühlte sich durch diesen Bebauutws-plan benachteiligt, weil gerade von seinem Terrain ein großer Teilzu Straßen- und Parkanlagen hergegeben und sein ganzes in derDorfaue belegenes Villcngrundstück verschwinden soll. Hiergegenerhob der Angeklagte Einspruch, wie er sagt, nicht nur in privatem»sondern auch in öffentlichem Interesse, da es sich hier um Ab-Wendung einer dem alten historischen Schlosse mit seiner Umgebungalter Bäume drohenden Gefahr handle. Er selbst, der seinerzeitam Wallot-Bau mitgearbeitet habe und Mitglied des Vereins fürdie Geschichte Berlins, der Brandenburgia und deS Herold sei, habeneben seinen eigenen Interessen auch ästhetische Interessen wahr-nehmen wollen. Sein Einspruch bei dem Kreisausschufle ist vondiesem verworfen und dieser Beschluß des Kreisausschusses ist rechts-kräftig geworden. Der Angeklagte, mit dem dann später der Re-gierungsbaumeister Petersen im Auftrage der Gemeindeverwaltungverhandelt und darüber ein Protokoll aufgesetzt hatte, hat dannin Schriftstücken an den Landrat, die Regierung und das Mi-nisterium das Verhalten des Bürgermeisters Beiendors in herbenWorten bekrittelt und den Baurat Görke beleidigt.Nach längerer Verhandlung ergab sich zu allgemeiner Heber-raschung, das? das von Heren Petersen aufsestellte Protokoll denTatsachen nicht entsprach und der Inhalt deS Protokolls Ant-stzu Mißverständnissen gegeben hatte, die dem Angeklagten zu seinenAusfällen Veranlassung gaben. Unter diesen Umständen erklärteBürgermeister Beirndorf, daß er für seine Person den Straf-antrag zurücknehme. Auch der Strafantrag des Herrn Görkewurde zurückgenommen, nachdem der Angeklagte zu Protokoll seinBedauern über die von ihm gewählten beleidigenden Worte aus-gedrückt und versprochen hatte, für die Zukunft sich solcher Ausfällezu enthalten._Verfehlte UnstttlichkeitShaff.Das im Borngraeberschon Verlage erschienene Werk„DasLustwLldchen, galante Gedichte au? der deutschen Barockzeit", bil-dete gestern den Gegenstand des objektiven Verfahrens auf Grunddes§ 184 vor der dritten Strafkammer des Landgerichts Berlin IIunter Vorsitz des Landgerichtsdirettors Schulz. Als Sachverständigewaren die Schriftsteller Wilhelm Bölsche und Fritz Engel er-schienen, die gleichfalls geladenen Hermann Suderinann und Dr.Ludwig Fulda waren am Erscheinen verhindert. Nach Verlesungeiniger in dem Werke enthaltener Gedichte von Hofmannswaldau,Christian Günther u. a. wurden die Sachverständigen vernommen.Wilhelm Bölsche bekundete u. a.. daß, wenn man die in Fragestehenden Gedichte als moderne Literaturwerke bewerten wollte,sie auf der äußersten Grenze stehen würden. Es handele sich hieraber um alte Besitztümer unserer deutschen Literatur, um alte,historisch gegebene Produkte der Literatur, die literarische undästhetische Werte darstellen, da sie eine bestimmte Kunstsorm unddie Kultur bestimmter Zeiten widerspiegeln. Jene sogenanntezweite schlesische Dichterschule gehöre zum Bestände unserer Litc-ratur; in den Gedichten der vorliegenden Sammlung trete daSSinnliche vor dem Sammelwert und der künstlerischen Formzurück, sie bilde ein literar-historischeS Dokument.— Der Sachverständige Fritz Engel schloß sich diesem Gutachten durchaus anund betonte, daß der Herausgeber dieser Sammlung. Dr. FranzBle», ein ernsthafter kulturhistorisch arbeitender Schriftsteller undForscher sei, der insbesondere auch das erotische Gebiet kultur-historisch und literaturgeschichtlich bearbeite. Die vorliegenden Gc-dichte haben einen literar-historischcn Wert, das Werk enthalte eineMischung von zum Teil ausgezeichneten, zum Teil minder wert»vollen Beiträgen. Einzelne Gedichte seien derb in der Form, siehaben aber eine künstlerische Tendenz und sind auf eine ästhetischeWirkung berechnet. Hier und da würde man sagen können, daßdurch die Lektüre dieser Gedichte«ine üble Wirkung entstehenkönnte, aber eine solche könne auch durch die größten Meisterwerkeder Literatur entstehen bei solchen Leuten, die solche suchen. Wennjunge Leute eine solche Wirkung suchen, dann finden sie anderswoviel eher Gelegenheit, alz in diesem Buche, welches bei dem Leserdoch eine literarische Fähigkeit und literarischen Verstand voraus-setzt.StaatsanwaltschaftSrat Tolki beantragte die Einziehung dervorhandenen Exemplar« und Unbrauchbarmachung der Platten undFormen. Das Buch erfülle gar kein kulturhistorisches Interesse.es spiegele nicht die Kultur jener Zeit wieder, sondern den Schmutz.!der sich in den Köpfen einzelner Leute angesammelt habe, welchesich Dichter ncnngn, aber nur Verseschreiber seien. In dem Buchewerde die krasseste Erotik dargeboten und der Preis von 3 M.bindere keineswegs, daß die jugendlichen Trotteurs der Tauentzien»straße sich den Ankauf oiescs Buches leisten können. Ä-IHSRechtsanwalt Kunde trat den Ausführungen des Stc*>ts»anwalts in längeren Ausführungen entgegen und erinnerte darandaß in einem in München stattaefundenen Verfahren, welches sichnicht nur gegen das Buch, sondern auch gegen Herr» Dr Bleuwendete, die Geschworenen zum Freispruch gekommen sind.' DerVerteidiger beantragte, den Antrag des Staatsanwalts auf Be»schlagnahme des Buches abzulehnen.Das Gericht lehnte nach kurzer Beratung den Antrag desStaatsanwalts ab und hvb den Beschlagnahnie-Beschlufc aus. DasBuch enthalte-ine Sammlung von Liebesliedern aus der zweitenHälfte des 17. und dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Es sei janicht zu verkennen, daß eine Anzahl dieser Gedichte erotische Bor»gäuge in drastischer und teilweise an das Obscöne streifender Artschildert, aber es wollen doch diese Lieder verstanden sein au» demGeiste ihrer Zeit, Das Künstlerische überwiege doch in dem Maße,daß man den s 184 des Strafgesetzbuches nicht anwende« könne,Hus aller Älelt.praktisches Chnftenturn.London, 0. Januar t».A(Tig. Ber.)Herzzerreißende Szenen spielten fich gestern in der Nähe de»Stadt T o l ch e st e r ab. wo unter den Verwünschungen der Mengesechs Kleinpächter mit Frauen und Kindern aufdie Straße gesetzt wurden. Der Agent der Landgesellschaftging mit dem Gerichtsdiener, einigen Polizisten und Landarbeiternvon einem Häuschen zum anderen. Die Fenster wurde« ein«