Weise. Die.Nordd. Allgem. Zeitung' plappert der.Freis. Ztg.'die Albernheit nach, die Beamten würden überhaupt kein Gehaltbekommen, wenn eS nach der Sozialdemokratie ginge. Mit solchenAlbernheiten vor der Sozialdemokratie schrecken zu wollen, das istwirklich zu du in ml Unsere Genossen in den Kommunal«Vertretungen müssen den Freisinnigen jede kleine Gehaltszulage fürdie Beamten abringen; in den Parlamentcu lehnen die bürgerlichenParteien die im Interesse der Beamten von der Sozialdemokratieerhobenen Forderungen ab. sie verweigern sogar den Soldaten einenetwas höheren Sold. Die Söhne de« Volkes sollen trotz der mr-heimlichen Teuerung mit 22 Pfennig auskommen können. Dannleiert die„Nordd. Allg. Ztg.', genau so wie das Organ de« Frei-sinnSmannS, über die nationale Frage! Worin besteht diese dennfür die bürgerlichen Parteien? In der Züchtung von Großgrund-besitzern und Milliardären sowie der Abwälzung der Steuerlastenaus die Schultern des Voltes? Di« Vaterlandsliebe der Junker,Fabritfeudalen und Spekulanten hat sich noch nie in Opferbereit«schast, sondern stets nur in Erraffung von Borteilen und Sonder«rechten auf Kosten der Werte schaffenden Bevölkerung geäuhert. Dernationale Slotschrei ist nichts anderes als der AuSfluff der Sorgemn die Erhall, ing und Mehrung der Liebesgaben und Privilegien.Ter Schwindel ist dem Volke denn doch schon zu teuer geworden,als dast es auf solche» Geschwätz nochmals hereinfallen könnte.Aber auch das.Berliner Tageblatt' möchte dem Bank« undBörsenkapital da» Mandat des ersten Kreises retten. Es bedient sichdabei einer Methode, die von den Demokraten sicher entrüstet zurück-gewiesen wird. Unterstellt das Blatt ihnen doch politische Heucheleider grobkörnigsten Art und eine sie beleidigende Unzuverläblichkeit.Die Demokraten haben in keinem Stadium des Wahlkampses, inkeiner Situation auch nur einen Schimmer von Zweifel über ihrpolitisches Ziel auskommen lassen. Mit unzweideutiger Klarheit undentschiedenem Wollen war ihre Arbeit auf eine Beseitigung desFreisinns eingestellt, und sie wurde konsequent durchgeführt. Selbst-verständlich hofften sie, das Mandat zu erobern. Aber genau so,wie die Sozialdemokratie durch ihre Stichwahlparole enent. auf einenergisches Eintreten für Gädke verpflichtet war, und sie mit allenMitteln für seine Wahl gekämpft haben würde, hat die DemokratischeVereinigung von Anfang an rückhaltSlos erklärt: Koo.mt Düwell mitKaempf iu die Stichwahl, dann werden wir mit allem Nachdruck fürihn eintrete», Kaempf muß fallen, unter allen UnistSnden! Trotzdemerlaubt sich das.Berliner Tageblatt" zu schreiben:„Wir dürfen erwarten, daß nun auch die Anhänger der Demokra-tischen Vereinigung, nachdem sie da« Vergebliche ihrer Bemühungen,den Kreis zu erobern, erkannt haben, sich nicht länger als.Vorfrucht'der Sozialdemokratie erweisen, sondern entschlossen sich auf dieSeite de« liberalen Kandidaten stellen und ihn mit heraushauenHelten werden. Nur so können sie den Fehler wieder gutmachen,den sie mit ihrer Sonderkandidatur begangen haben."Damit unterstellt das ,B. T.", das Auftreten der Demokraten,ihre ganze Taktik sei bewußte Heuchelei gewesen, sie hätten entgegenallen ihren Erklärungen doch eine Wahl KaempfS sichern wollen; umdie Hencheleitaktik zu krönen, mühten sie nun auch wortbrüchigwerden und ihre ganze Reputation aus» Spiel setzen. Denn daßdie Demokratische Bereinigung sich selbst das schmerzstillende Hals«band angelegt hätte, wenn sie der zugedachten Verräterei fähig wäre,das weih natürlich auch das„B. T.'. Wir glauben die Demokratenzu beleidigen, wenn wir sie gegen die Unterstellungen ernsthast inSchutz nehmen wollten; die Mache des.B T.' wird sie unsererUeberzengung nach erst recht anspornen, geschlossen gegen Kaempf, undItr den Kandidaten der Sozialdemokratie die Stimmen abzugeben!Sie preukiiche Stciicrnovclle.Im Jahre 1009 waren, um die 144 Millionen Mark Mehr-ausgaben für die Erhöhung der Beamtenbesoldung, dcS WohnungS-geldzufchuffeS und der Pensionen aufzubringen, die Einkommens-und Ergänzungssteuern durch Zuschläge belastet worden, hieinsgesamt b? Millionen Mark mehr einbrachten. Diese Zuschlägewaren nur als eine vorläufige Mahregel gedacht. Die Regierungist in dieser Session genötigt, ihr Versprechen einzulösen und dieZuschläge durch eine organische Steuerreform zu ersetzen.Auch in liberalen Kreisen war nun die Ansicht geäußertworden, daß die Regierung diese Gelegenheit benutzen werde, umin Anbetracht der ungeheuren Belastungen� die durchdie Preis st eigerungen der Lebensmittel undVerbrauchsartikel infolge des indirekten Steuersystemsauf die Schultern der großen Masse der arbeitenden Bevölkerungr'nälzt worden waren, wenigstens eine Verminderung derk t e n Steuerlasten für die proletarischen Bevölke-schichten eintreten zu lassen. Nach den Mitteilungen, diedie offiziöse„Berliner Korrespondenz' über die preußischernovelle macht, denkt die Regierung auch n i ch t i m e n t-testen an etwa« DerartigeSI Die Forderung, diefften Einkommensteuerftufen, sei eS auch nur bis zu 1200 M.,listenzminimum völlig frei zu lassen, lehnt die Regierungicg ab. Sie erklärt, daß dadurch der Regierung ein Steuer-l von 18% Millionen Mark erwachsen werde, bei einer Aus-ng des SteuerminimumS auf 1500 M. gar ein Ausfall vonillionen Mark. Einen solchen Ausfall aber könnten dieischen Finanzen nicht ertragen. Dieser ablehnende Stand-wird weiterhin damit beschönigt, daß ja die niedrigstenrstufen bereits durch das sogenannte Kinderprivilegceußen hinlänglich entlastet seien. Bleibe doch derjenigefrei, der bei einem Einkommen von 900 bis 1000 M. zweimehr unterhalwngsberechtigte Familienangehörige zu ver-n hat, und bei 1060 bis 1200 M.. sofern der Steuerpflichtigeoder mehr Familienangehörigen Unterhalt gewähren muß.Diese Einwendungen sind natürlich total unzureichend.n nachdem durch die ReichSfinanzresorm der nichtbcsitzenden.« erst wieder die Lebensmittel um viele hundertei'l l i o n e n verteuert worden sind� so daß jeder Erwerbstätiged Steuerpflichtige eine enorme Summe an in»direkten Steuern mehr aufzubringen hat, wärees jetzt da? allermindeste gewesen, daß wenigstens diepreußische Regierung die direkte Steuerpflicht für die amschlechtesten gestellten dieser Schichten beseitigt hätte.Eine Steuerbefreiung aller Einkommen bis zu 1600 M..hättedurchaus den heutigen Teuerungsverhältnissenentsprochen; ist doch jene Grenze, die selbst für die preußischeSteuergesetzgebung da? Exi st enz Minimum darstellt, seit demJahre>892 riesig nach oben verschoben worden. Die Sache ist aberdie, daß die preußische Regierung einfach auf die 40 MillionenMark nicht verzichten will, die ihr auS der Besteuerung derniedrigsten EinkommenSgruppen zufließen. Sie will da? nicht,weil sie sonst eventuell genötigt wäre, die höheren Einkommenschärfer zur Steuer heranzuziehen. Diese Reichen sollen aberauch künftig nach Möglichkeit geschont werden, damit sie wiebisher Millionen auf Millionen häufen können!Daß man den Reichen nicht tveh tun will, beweist ja die Tat-fache, daß die ErgänzungS-(Vermögens-) Steuer auf demjetzigen Satze von 0,06 pro 1000 M. belassen und nicht pro-g r e f s i v gestaltet werden soll. TaS ungeheure Anwachsen derRiesenvermögen hätte es dcch nahe gelegt, endlich eine Progressionder ErganzungSsteuer eintreten zu lassen. Aber die preußisch«Regierung lehnt das mit dem Einwände ab, daß dadurch auchdiejenigen Vermögen getroffen werden könnten, die nur einengeringen oder womöglich gar keinen Ertrag abwerfen. DaS istnatürlich auch nur ein ganz fauler Vortvand, denn wer Hundert-taufende oder Millionen an Vermögen besitzt, könnte selbst dannfür je 100 000 MI. Vermögen statt der 66 Mk. 100 oder ISO Mk.Ergänzungssteuer bezahlen, wenn sein Vermögen momentan nureinen geringen oder auch gar keinen Ertrag abwirft. SolcheVermögen bilden außerdem eine so verschwindende AuS-nähme, daß sie ftir die generelle Regelung gar nicht in Fragekämen. Aber die Reichen sollen eben geschont werden, damit sieimmer reicher werden können— und zur Beschönigung dieserlöblichen Regierungsabsicht greift man dann zu den faden-scheinigsten Ausreden.Aber auch von der doch so notwendigen Progression der Ein-kommen st euer will die Regierung nichts wissen. Der Steuer-satz für die Einkommensteuerstufen von mehr als 100 000 M.soll nur S Proz. betragen, also ebenso viel, wie gegenwärtig dieSteuer pluS Zuschlag beträgt. Die Millionäre sollen auchhier geschont und in der Akkumulation von Riesenkapi-talien nicht gestört werden. Im übrigen beschränkt sichdie ganze Reform der Einkommensteuer darauf, daß auch bei denSteuersätzen für die Einkommen unter 100 000 M. im wesent-lichen alle? beim alten bleibt, und daß nur kleine Schön-heitsfehler, Ungleichmäßigkeiten in der Progression, dienamentlich in den Einkommenstufen von 10 500 bis 32 000 Mk.vorhanden waren, beseitigt werden sollen. Der Tarif soll für dieEinkommen von mehr als 32 000 Mk. zum Teil eine geringe Er-höhung aufweisen. Daß das Ganze aber in keiner Weise auf eineReform auch nur der Progression innerhalb der gegebenenGrenzen hinausläuft, geht aus dem Umstand hervor, daß sich da-durch für die Staatskasse nicht etwa ein Mehrertrag, sondern einAusfall von annähernd 3 Millionen Mari ergibt.Eine Erhöhung der Lasten tritt nur insofern ein, als derehemalige Zuschlag, der nun einen Bestandteil des Steuersatzesselbst bildet, künftig auch in den kommunalen usw. Angabenin Anrechnung gelangt. Da auch die mittleren und n i e d-r i g e n Einkommen an dieser erhöhten kommunalen Abgaben-Pflicht beteiligt sind, stellt also in Wirklichkeit die famoseSteuerreform nichts dar, als eine Erhöhung der direktenSteuerlasten, die auch den niedrigsten Einkommen aufgebürdetwerden solltSchließlich ist in dem Entwurf eine Bestimmung vorgesehen.daß bei Berechnung der zu entrichtenden Einkommensteuerbeträgefür Wahlzwecke in den Steuerstufen von 12 500 bis 31 000 M.ein Zehntel und in den Steuerstufen von mehr als 31 000 M.ein Fünftel sowohl der Staatseinkommensteuer- als auch der Ge-meindeeinkommenfteucrbeträge abzusetzen sind. Dadurch solleine weitere Plutokratisierung des Wahlrechts verhütet werden.Ob man sich etwa einbildet, daß eine solche Bestimmung auch nurvorläufigen Ersatz für eine Wahlrechtsreform dar-stellen könnte? Sollte man wirklich diesem Köhlerglauben hul-digcn, so wird die entrechtete Volksmasse der preußischen Regierungbald genug da» Gegenteil beweisen IAlleS in allem legt die preußische Steuervorlage wiederumeinmal Zeugnis av von der absoluten Impotenz undRttck ständigkeit der offiziellen preußischenGesetzeSmacherei lSa; Ifllnlitcrium PolocarOParis, 14. Januar.(Eig. Der.)Ein„großes", ein„nationales" Ministerium— mitdiesen Adjektiven will die bürgerliche Presse die neue Re-gierung qualifizieren und charakterisieren. In der Tat habenbeide Bezeichnungen ihren Sinn. Das Kabinett besteht fastnur aus Generälen wie die Armee der Republik Haiti. AußerPoincar6, der Ministerpräsident wurde, sitzen einige Herrendarin, die es gerne geworden wären oder hätten werdenkönnen: Briand, Millerand, Delcasss, Bour-g e o i s. Für Briand hat man obendrein den offiziellen Titeldes Minister-Vizepräsidenten gestiftet. Es ist also ein„Mi-nisterium der Beruhigung"— von ungeduldigen Portefeuille-Kandidaten. Aber zweifellos sind es die stärksten Nummerndes Bourgeoisrepublikanismus, die auf seiner Eröffnungs-anzeige glänzen, und ihre überraschende Vereinigung drücktden Ernst der Lage aus, die die Republik zwingt, die ent-mutigte öffentliche Meinung durch einen imponierenden Auf-marsch der Talente zu beruhigen. Und insofern eine gleichimponierende Wirkung auf das Ausland angestrebt wird, trittder„nationale" Charakter der neuen Regierung hervor. Nachden jüngsten Vorgängen, die das Schauspiel eines wüsten In-trigenkampfes mitten im Nebel einer internationalen Kriseboten, soll gezeigt werden, daß die Nation eines geschlossenenAuftretens fähig geblieben ist und im Rat der Völker ein ge-wichtiges Machtwort zu sprechen nach wie vor bean-spruchen darf.Stellt die neue Regierung eine Demonstration desnationalen Bewußtseins und der Lebenskräfte der republika-nischen Staatsform dar, so zeigt sie aber weiter auch, daß dieentscheidende Macht in der Republik den Händen der klein-bürgerlichen Demokratie immer mchr entgleitet. Die radikaleund radikaliozialistische Partei, die in der Kammer nochimmer die Mehrheit hat, ist im neuen Ministerium nur durchzwei führende Männer vertreten, von denen der eine, L6onBourgeois, das politisch nicht wichtige Ressort der Arbeit undsozialen Fürsorge übernommen hat. Der eiaentliche Combis-mus wird nur durch Herrn Steeg repräsentiert, dem dasMinisterium des Innern übergeben wurde, da Briand andieser Stelle den Radikalen, gegen die er vordem als Ver-waltungschef seine Präfekten dirigiert hat, unerträglich ge-Wesen wäre. An der Spitze der Regierung aber steht einausgesprochen gemäßigter Republikaner und Anwalt der Kon-zentration der Mittelparteien, die anderen Radikalen gehörendem rechten, sozialreaktionären Flügel an und sogar der„un-abhängige Sozialismus" hat das vollständige Trio Briand-Millcrand- Viriani beisammen.Trotzdem wird man die neue Regierung schwerlich einenneuen politischen Kurs eröffnen sehen. Ihre Aufgabe ist vorallem die Liquidierung von Geschäften, die außerhalb dergroßen prinzipillen Fragen und wirtschaftlichen Interessenliegen, die die bürgerlichen Parteien voneinander scheiden.Das deutsch- französische Abkommen muß unterDach gebracht werden, aber auch die W a h l r e f o r m harrtdringend der Erledigung. Poincars ist ein entschiedener An-Hänger der Verhältniswahl, und der Widerstand gegen dieseselbst dürfte sich bei den Radikalen unter dem Eindruck ihrerschwindenden Popularität jetzt eher geben als früher. Ohneerhebliche Verschlechterung des Systems durch allerhandGratisbeilagen von radikalen Mandaten wird es ja kaumabgehen, ober schließlich scheinen die vernünftigen Radikalendoch einzusehen, daß nur ein Verhältniswahlsystem mit seinerAusbildung fester Parkeikörper iInen eine Gewahr dages«bietet, daß ihnen außer den Wählern auch die Gewahltendavonlaufen.Die Arbeiterklasse und die sozialistische Partei könnendiesen resignierten Versuch der Radikalen, ihr bankrottesGeschäft auf einen besseren Namen zu schreiben, ruhig ansehen,„ohne Zorn und mit einer Art wissenschaftlichen Gleichmuts".sagt Jaurds. Jaurös findet, das beste am neuen Ml«nisterium sei, daß DelcassS nicht das Portefeuille des Aus«wältigen erhalten habe, bedauert aber zugleich, daß es mchtBourgeois zugefallen sei, der bekanntlich einer der eifrigstenBefürworter der Schiedsgerichte sei. Es ist allerdings frag-lich, ob gerade die jetzige internationale Situation einemFortschritt auf diesem Gebiete günstig ist. Dagegen könntees dem großen Einfluß Bourgeois' im Senat wohl noch amehesten gelingen, die Verbesserung der Altersver»sicherung, vor allem die Herabsetzung des Bezugsaltersauf 60 Jahre, dort durchzuführen. Ueber Briand sagt�au�Jdy schreibe ihm keine solche Wichtigkeit zu. daß seine An«Wesenheit genügen sollte, ein Ministerium zu charakterisieren.Er hat zwischen sich und dem Sozialismus einen solchen Abgrundgegraben, daß man von einem Rand zum anderen schließlich nichteinmal mehr den Verrat wahrnimmt. Oder man regt sich wenig-stens über ihn nicht mehr auf. Wenn er aber für uns nur nochein ferner Gegenstand ist, so ist sein Verrat gegen die Radikalennoch frischen Datums. Sie hatten ihn aufgenommen und erhat sie rückschrittlichen Kräften ausgeliefert. Sie haben sich vonihm vor ein paar Monaten in einer Erhebung fast mit dem Mutder Verzweiflung befreit und fragen sich, warum man ihn ihnenzurückbringt.'Die eigentlichen radikalen Organe sind in der Tat etwa?zurückhaltend. Dagegen führt die briandistische Reptilien-presse Freudentänze auf. da sie in Poincars nur einen Vor«reiter ihres Gebieters steht. Natürlich ist auch der großkapl-talistische„Temps" gegen ein Regime, das so mit demStempel der Mäßigung in die Welt tritt, sehr gnädig, wennauch die Trennung von Caillaux leise Schmerzen zurück-gelassen hat.__poUtifcbe dcbcrficbt.Berlin, den 15. Januar 1912.Kröchers Abschied.Wehmütigen Herzens botj sich Jordan v. Kröcher' amMontag vom Abgeordnetenhause verabschiedet. Nicht al» ob er sichvom parlamentarischen Leben überhaupt zurückziehen wollte. Mit-glied des Landtags wird er vorläustg noch bleiben, und in denReichstag möchte er auch gern wieder hinein, wenn das so leichtwäre. Aber das Präsidium hat er satt; seine außerparlamentari-schen Amt«, und Privatgeschäfte leiden zu sehr darunter, ganz ab«gesehen davon, daß auch noch die bösen Sozis sich seinen Launennicht fügen und seinen Befehlen nicht Folge leisten wollen. S»bat er denn das Haus, ihn nicht wiederzuwählen. indemer sich gleichzeitig bei der Mehrheit für da» Entgegen«kommen bedankte, da» er stets bei ihr gefunden. Jordanv. Kröcher, der ja niemals auS seinem Herzen eineMördergrube gemacht hat, hat durch seine AbschiedSworte, dieim übrigen durch die Anerkennung der Tätigkeit der Beamten deSHaiiseS sympathisch berührten, offen bekundet, daß er nicht derPräsident deS Hauses, sondern der Mehrheit gewesen ist. Obes unter seinem Nachfolger, dem bisherigen Vorsitzenden derBudgetkommission Freiherrn v. E r f s a anders werden wird, bleibtabzuwarten.Unmittelbar nach Eröffnung der Sitzung brachte Finanz«minister Dr. L e n tz e den Etat ein. Seine EtmSrede, die sichjeder politischen Bemerkung enthielt und stch rein aufda« Zahlenmaterial beschränkte, zeichnete sich durch großeKlarheit aber durch ebenso große Nüchternheit auS. Dazudem die Hauptzahlen bereits bekannt waren, ist e» ver«ständlich, daß nur wenige.Volksvertreter' den AuSsührungen deSMinister» lauschten, während die meisten von ihnen ihre Wahl»erlebnisse, vielleicht auch ihre Privaterlebnisse während der sechs»monatlichen Pause austauschten. Der Präsident suchte wiederholtdem Vertreter der Regierung Gehör zu verschaffen, aber vergebens-Aus dem Inhalt der Etatsrede ist lediglich daS eine hervorzuheben,daß die Finanzlage Preußen» eine gesunde ist.Wenige Stunden später fand eine zweite Sitzung statt, in deran Stelle de» Herrn v. Kröcher Herr Frhr. V- Erffa zum Präsidenten gewählt und die Herren Dr. P o r s ch und Dr. Krausezu Vizepräsidenten wiedergewählt wurden.Hierauf vertagte sich das HauS auf 14 Tage. Am 30. Januarsoll die GtatSberauing beginnett._Tie Erlauchken über die Geehrten.Wo sich Dreiklassemnänner zusammenfinden, da sind auch dieHerrenhäuSler nicht weit. Gestern kamen sie in, großer Zahl zu-samnren, um an Stelle des gebrechlichen Manteuffrl einen anderenPräses zu wählen. Ein alter, aber noch recht gut konservierterHosmcnsch wurde auserkoren, der frühere Minister des Acußercnv. Wedel-Piesdorf. Kaum gewählt, schmetterte der Herrschon eine recht junkerliche Aeutzerung in» Haus. War man zuersterfreut, jetzt wenigstens nicht mehr das ewige Genäse! des 17 000 M.«PensionsbezieherS v. Manteuffel zu hören, so erstaunte man wäh-rcnd der Dankrede des Präsidenten um so mehr, als er plötzlich er-klärte, unparteiisch könne ein HerrenhauSpräsident um so leichtersein, weil„in diesem Hause die Parteien nicht darauf bedachtsind, sich zu bekämpfen, sondern die Geschäfte so zu fördern, wiees dem Wohle des Vaterlandes entspricht".In den anderen Häusern,-die dem Piosdorfer vorgeschwebthaben mögen— im Dreiklassenhau» und im Reichstag—, regierenüberall die bürgerlichen oder sogar die konservativ-klerikalen Par-teien. Die mögen sich bei Wedel'bedanken! Aber jetzt, vor denStichwahlen, in denen auch zahlreiche Parteigenossen des HerrnHcrrcnHauspräsidenten um die Stimmen der— äh!— Wählerwerben(natürlich auch, um im Parlament dem Wohl des Vater-landes, bestehend in Wucherzöllen und Liebesgaben zu dienen,!),jetzt kommt dieser neue Beweis konservativer Auffassung vom Wertund Wesen der Volksvertretung ja gerade recht. Man kann neu-gierig sein, wie ernst sich die bürgerlichen Parteien diese aristo-kratische Bestreitung ihres Patriotismus verbitten werden!Mit der Wicderivahl deS einstmals„roten", jetzt schon zurExzellenz avancierten Becker und des uralten BaronÄ Landsbergzu Vizepräsidenten war das löbliche Werk getan.Leimruten für die Liberale«.Die„National-Zeitung' meldet:tkeber die von der naticmalliöeralen Partei auszugebendeStichwahlparole wird in einer besonderen Konferenz, die amDienstag, den 16. Januar, stattfindet, beraten werden.Wie verlautet, foll die R e i ch s r eg i e r u n g sich mit derAbsicht tragen, auf die maßgebenden Führer der libe-raten Parteien, namentlich der nationalliberalen, im