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Sinn« der von dem Reichskanzler ausgegebenen Stichwahl- Parole«inzuwirken, um eine direkte und indirekte Unter- ftüpung der Sozialdemokratie zuungunsten des Zentrum? (in Rheinland   und Westfalen  ) oder der Konservativen zu verhindern. Von diesem Wechsel in der Frontstellung gegen Rechts erhoffe die Regierung einen günstigen Ausfall der Stich- Wahlen und eine Verminderung der sozialdemokratischen Man- date. DieNordd. Allg. Zeitung" hat ja bereits den beweglichen Appell des Herrn v. Bethmann Hollweg   an die Liberalen der- öffentlicht. In dem gleichen Sinne sollen die Liberalen jetzt auch mündlich bearbeitet werden. Und vielleicht sind manche Kreise der Nationallibcralen sehr erbaut davon, daß die Regierung nun- mehr den Vermittler und Makler zwischen Blauschwarzen und Liberalen machen will! Daß die Nationalliberalen jederzeit bereit waren, sich mit dem Zentrum unter Preisgab« aller liberalen Forderungen gegen die Sozialdemokratie zu verbünden, stand ja längst außer Frage. Ob auch der Freisinn die große Dcroute mitmachen wird? Wenn er absolut seine Sclbsteinäscherung vollziehen will, mag ef s immerhin tun! Die Sozialdemokratie hat keinen Schaden von der Rück- wärtSentwickelung des Liberalismus, das hat ja der 12. Januar be- wiesen! Das verschandelte KönigSwort. DieKölnische Zeitung  " schreibt zu der preußischen Thronrede: Enttäuschung, und keine geringe, wird die Thronrede dcS- halb hervorrufen, weil sie mit keinem Wort die preu- tzische Wahlrechtsreform erwähnt. Nachdem sich die Krone einmal auf diese Forderung verpflichtet hat, sollte keine Thronrede hinausgehen, die nicht an der Spitze sagte, wie es mit dieser wichtigsten Aufgabe der preußischen Gesetzgebung steht." Daß selbst ein so reaktionäres Blatt wie die Rheinische Wetterfahne derartig urteilt, sollte den preußischen Negierern doch zu denken geben!_ Versteckte Anerkennung. Wenn auch die Konservativen über den sozialdemokratischen Wahlsieg nach altem Rezept höhnen, flößt ihnen, soweit sie noch nicht jedes Verständnis für die soziale Entwickelung ver- loren haben, doch die Energie des sozialdemokratischen Vor- morsches Respekt und Grauen ein. So schreibt dieKreuz- Zeitung  " in ihrer Sonntagsnummer: Sehr ernst aber sehen wir das Anwachsen der Sozialdemokratie an. das durch die recht weit in der- selben Richtung gehende Agitation der Liberalen mitverscbuldet ist. Hier bildet sich ein vollkommen organisierter Staat im Staate, der die Jugenderziehung in seinen Kreüen beherrscht, Steuern einzieht, ein Beamtenheer unterhält, Ehrenämter in großer Zahl zwangsweise besetzt, Truppen aus der Straße einexerziert, Gelehrte, Künstler, Dichter, Publizisten in seinen Dienst nimmt und einen G e m e i n s i n n pflegt, vor dem sich unsere viclgerühmten Bürgertugenden allmählich verstecken können. Welch eine Kraftleistung war die sozialdemokratische Agitation bei dieser Wabl! Jeder von uns wird davon erzählen können. In den Großstädten war meist das erste Flugblatt. daS man mit Stimmzettel, Angabe des Wahllokals und der Listenuummer er­hielt, sozialdemokratisch. Weit hinkte die Fortschrittspartei nach. und spät erst kam die konservative Partei hinterher, die il vor vielen Wahllokalen nicht einmal Stimmzettel verteilen ließ. Aus dem Lande fehlte eS fast nirgends an sozial- demokratischen Flugblatt- und Zettelverteilern. Viele von diesen Sendlingen der Nevolutionspanei arbeiteten im Ehrenamt und ließen sich nur die baren Auslagen ersetzen. So weit unser Ueberblick reicht, hat sich die sozialdemokratische Agitation im all- gemeinen durch bessere Manieren von der fortschrittlichen und linksnationalliberalen vorteilhaft unterschieden. Hier der künstlich aufgestachelte KriegSeifer gegen eine Partei, mit der man vor fünf Jahren noch gemeinsame Sache gemacht hatte, viel be- zahltes Wehgebeul über konservative Gewaltherrschaft und agrarische Ausbeutung, an das niemand glaubte; dort die e r n st e st i l l e E n t s ch l o s s e n h e i t, den letzten Mann an die Urne zu holen und die Stimmen des sozialistisch geeinigten Proletariats zu einem einzigen ge- waltigen Prote st e gegen die be st ehende Staats- und Gesellschaftsordnung zu sammeln. Bei den Wahlen schweigen innerhalb der Sozialdemokratie alle Gegensätze. Die angegriffene bürgerliche Gesellschaft aber zerfleischt sich in Todfeindschaft, und die eine Partei ruft gegen die andere die Hilfe der außerhalb stehenden Sozialdemokratie an. Dies Jammer« bild bietet heule der bevorstehende Stichwahlkampf. Man kann wahrlich nicht sagen, daß sich der Nationalcharakter der Deutschen   gegen früher gebessert bat." Vielleicht richtet dieKreuz-Zeitung  " an sich selbst die Frage, ob, wie das Hammerstein-Blatt so oft behauptet hat, eine Partei, die fast spielend derartige Kraftleistungen voll- bringt, in ihren Reihen einen solchenGemeinsinn" pflegt und ihre Anhänger zu höchstem Opfermut begeistert, wirklich nichts anderes ist als eine Rotte zweifelhafter, idealloser Gesellen, die nur durch Habgier, Frivolität und wilde Genußsucht zu ihrem Tun getrieben werden. Die Zunahme der sozialdemokratischen Stimmen in Elsast-Lothringen bei der ReichStagSwahl vom 12. Januar 1S12 gegenüber der Wahl vom 25. Januar 1907 beträgt in den 15 elfaß-lorhringischen Reichs- tagSwahlkreisen: Hierbei waren in die 17 251 Stimmen des Kreises Mülhausen  im Jahre 1907 auch die bürgerlich-demokrotiichen Stimmen in- begriffen, während diese Stimmen im Jabre 1912 infolge Auf- stellung einer liberal-demokratischen Kandidatur gegen uns standen. Bei den Landtagswahlen vom 22. Oktober 1911 hotte die Sozialdemokratie in den 60 elsaß-lothringüchen Landiagswahlkreisen 71 476 Stimmen erhalten. Wie einschneidend die beim Landtags- Wahlrecht gellende Wohnsitzklauiel(einjährige Ausässigkeil in der Ge- meinde und dreijährige in Elsaß-Lothringen  ) wirkt, erhellt aus der Tatsache, daß z. B. im Kreile Mülbauien jetzt bei der Reichstags- Verantw. Redakteur: Albert Wachs, Berlin  . Inseratenteil veräntw� wähl 43 357 Personen wahlberechtigt waren, bei der Landtagswahl vor nicht ganz drei Monaten aber nur 37 876. Eine liberale Antwort auf die Stichwahlparole der Regierung. DasBerl. Tageblatt" antwortet in einemD i e M a j o r i t ä t von morgen" überschriebenen Leitartikel auf die naive Stich- Wahlparole des Herrn v. Bethmann Hollweg  , die den bürger- lichen Parteien empfiehlt, sich bei den Stichwahlen zum gemeinsamen Kampf gegen die Sozialdemokratie zu vereinen. Das linksliberale Blatt schreibt: In derNordd. Allg. Ztg." wird gesagt, zu den ersten Auf- gaben des neuen Reichstages gehöredie Sicherung unserer Wehrfähigkeit", und es wird so getan, als müßte eine Mehrung der sozialdemokratischen Mandate diese Wehrfähigkeit in Frage stellen. Nie haben patriotische Scharlatane sich mit einer dum- meren Lüge aus übler Lage zu retten versucht, denn jedes Kind weiß ja genau, daß schon heute für alle vernünftigen und nötigen Forderungen zurSicherung unserer Wehrfähigkeit" eine Mehr- heit im neuen Reichstag existiert, und daß solchen Forderungen weniger als je zuvor eine Ablehnung droht. Aber, deutscher Bürger merke gütigst auf: wenn du eine Linksmajontät, aus Liberalen und Sozialdemokraten, in den Reichstag schickst, dann werden die Kosten der neuen Wehrvorlagen auch den Großgrundbesitzern, den Fideikommis- Herren, den Regierungsmagnaten mit auf- erlegt, dann wird die verpönte Erbschafts   st euer gemacht und wenn die schwarzblaue Blockmajorität wiederkehrt, dann wir st du abermals für die anderen zahlen müssen, dann wird aus deinem Portemonnaie geschöpft! Dir blühen, wenn die Uebertölpelung gelingt, nicht nur wiederum volle fünf Jahre lang die Lieblichkeiten des konservativ-klerikalen Regiments. Du wirst auch sehr schnell nach Mark und Pfennig berechnen können, was deine Einfalt dich gekostet hat. Die Konservativen und Klerikalen werden furchtbare Rache üben und dort, wo ein Liberaler mit einem Sozialdemokraten in der Stichwahl steht, das ihrige für die Niederlage des Liberalen tun? Viclle'.chi planen einige von ihnen diesen Narrenspaß: aber das Vergnügen, einen Sozialdemokraten statt eines Liberalen zu wählen, würde zum mindesten nicht sehr einträglich sein. Und gibt es einen Kinds- kops, den solche Drohung zu schrecken vermag, und ist es nicht das ABC, daß eine Partei mit vierzig oder selbst nur mit dreißig Mann, die mit ihren Nachbarparteien nach freiem Belieben Majoritäten bilden und darum ihren Willen durchsetzen kann, stärker ist als eine Partei mit fünfzig, die anschlußlos, entbehrlich und unbeachtet fortvegetiert? Ist nicht sogar ein einziger, der zwischen zwei gleichen Majoritäten den Ausschlag gibt, umwor- bener als hundert, um deren Meinung sich niemand zu kümmern braucht, und ist eine winzige Erhöhung der Fraktionsziffer wich- tiger als eine gewaltige Erhöhung politischer Macht? Wird die schwarzblaue Majorität zurückgeholt, so werden die liberalen Par- teien, und wären sie auch etwas größer als heute, ganz wie bis- her gleich einem Wrack herumschwimmen, ohnmächtig und bedeu- tungslos. Wird überall der Gegner des Zentrums und der Konservativen gewählt und eine Linksmehrheit zustande gebracht, so werden die liberalen Parteien, und kämen sie auch etwas ver- klcinert zurück, das Heft in der Hand haben und die Schiedsrichter im Reichstag   sein. Kann ein vernunftbegabter Liberaler noch zaudernd sich fragen, wie er zu handeln hat? Die Entscheidung derjenigen, die zu wägen und zu rechnen wissen, ist nicht zweifel- hast."_ Spanien  . Canalejas als Stehaufmännchen. Am Sonntag ist das Kabinett Canalejas   zurückgetreten. Grund: die Absich! des Königs. Cuqueta, den letzten der im Cullera-Pro- zeß zum Tode Veruncilten. zu begnadigen, obwohl das Mi- nisterium eS nicht für geraten gehalten hatte, diese Maßnahme zu empfehlen. Die Begnadigung erfolgte denn auch, zugleich redete aber der König dem Ministerpräsidenten gut zu; dieser ließ sich nicht lange bitten und bleibt und mit ihm seine Kollegen. Lelgien. Die Vermehrung der Deputierten- und Senatorcnzahl. LuS Brüssel wird unS gemeldet: Im Februar wird die Regierung in der Kammer ein Gesetz über die Vermehrung der Depuiierten- und Senatorensitze vorlegen, die auf Grund der letzten Zahlen der Bevölkerungsstatistik zu er- folgen bat. Tie Zahl der Deputierten wird um 20 verniehrt werden: fünk neue Sitze entfallen auf die Hauptstadt, je zwei aus Anlwerpen, Charleroi  , je einer auf Mecheln  , Löwen  , Ostende  , MonS, Lüllich usw. Der Senat wird um 10 Sitze vermehrt werden, wovon eines auf Brüssel   entfällt. Der Senal würde sonach nach dem neuen Gesetz von 84 auf 94 Mitglieder erhöht werden, die Kammer von 166 auf 186 Mitglieder. Die interessanteste Wirkung des neuen Gesetzes, oder wenn man will, der damit verbundenen Auflösung des HauieS wird jedenfalls die auf die Ziffernformatiou der gegenwärtigen MehrbeilSpartei sein. Die Klerikalen reckinen manckierlei um die neuen Sitze herum(das Provortionalwahliystem läßt hier die Parteien vor den Wahlen überhaupt viel, reckinen" und ausrechnen) und manchen davon glauben sie in der Tasche zu haben. Die Ziffern der Wahlen seit 1902 laffen allenfalls eine niathematisch-polhi'che Gesetzmäßigkeit er­kennen, die von den Klerikalen selbst freilich nicht anerkannt und als für die Zukunft maßgebend geschätzt werden wist. Von den 20 Stimmen Majorität, die die klerikale Regierungspartei im Jahre 1902 hatte, ist sie nämlich sukzessive aus 6 Stimmen Majorität herabgekommen. Die Majorität hängt bei den diesmaligen Wahlen also an einem Faden. Die Klerikalen hoffen, daß er die Wahlen durchhalten wird. Die anderen Parteien halten ihn bloß für stark genug, die Regierung zu erwürgen.... Die Vermehrung der Ab- geordnetenmandate wird, meinen sie, das ihrige dazu tun. Cürkeu Vor der Kammerauslösung, Konstantinopel  , 15. Januar. Im Senat ist soeben ein kaiserliches Reskript verlesen worden, durch das die Senatoren aufgefordert werden, sich für die Auflösung der Kammer auszusprechen. Wie verlautet, hat eine Deputation von Offizieren des ru- melischen Armeekorps der Regierung nahegelegt, die Kammer nur unter strikter Wahrung der Vorschriften der Verfassung aufzulösen. Die Regierung schenkt diesem Schritte der Deputation keine Beachtung. In den Kreisen der oppositionellen Presse herrscht B e u n- ruhigung. da man befürchtet, daß die Regierung nach Auf- lösung der Kammer gegen die Presse streng vorgehen und den Belagerungszustand rücksichtslos an- wenden werde. Einige oppositionelle Blätter sollen ihr Er- scheinen einstellen. Gerüchten zufolge werden einige Jour. nalisten ins Ausland flüchten. Die Kammcrauflösung vor dem türkischen Senat. Konstantinopel  , 15. Januar.  (W. T. B.) In der Sitzung des Senats waren die Tribünen dicht besetzt, �auch viele Deputierte waren anwesend. Das Reskript des Sultans wurde dem Präsidenten überreicht, cher es sofort verlas. Es hat folgenden Wortlaut: Da ich in die Notwendigkeit gesetzt bin, die Kammer unter der Bedingung aufzulösen, daß die neue Kammer in drei Monaten gewählt und zusammenberufen wird, erwarte ich gemäß JH. Glocke, Berlin  . Druck u. Perläg?BorwörtI Buchdr. n Verlagsanstalt Artikel 7 der Verfassung, daß Sie eiu günstige»«Utecht  « abgebe-, werden. Der Präsident erlllärte, daß die von der Deputierten- kammer abgelehnten Gesetzentwürfe in der Regel nicht an d« Senat gelangten; aber eS bestehe eine Ausnahme gerade bei Ar» tikel 35, der im Falle eine? Konflikts zwischen Kammer und Ka- binett fordere, daß der Senat wegen Auflösung der Kammer be- fragt werde, wenn die Kammer nach Demission des Kabinett» den Borschlag der Regierung dreimal ablehne. Der Sultan   sei das wahre Haupt der exekutiven und legislativen Gewalt. Sein Herz schlage mit dem seiner Untertanen zusammen|ür da? Wohl des Landes. Da man nicht wisse, was aus der Auflosung der Kammer folgen könne, wünsche der Sultan   die Verantwortung mit dem Senat zu teilen. Der Präsident fuhr fort: Das Jrade deS Sultans kann nicht an eine Kommission überwiesen werden, aber, da der Senat keine offizielle Kenntnis von den Beratungen hat, die die Kammer etwa zwanzig Tage in Anspruch nahmen, überweise ich die ganze Angelegenheit an eine Kommission, die die verschiedenen Phasen der Frage prüfen soll. Mehrere Senatoren stellten darauf den Antrag, in geheimer Sitzung weiterzuberaten. Der Präsi- dent forderte das Publikum auf, die Galerien zu verlassen. Dem widersprach Marschall Fuad und verlangte energisch Oeffentlich- kcit der Veratungen. damit die öffentliche Meinung aufgeklart werde. Der Minister bemerkte, gemäß der Verfassung müsse eine Beratung über die Notwendigkeit des Ausschlusses der Oeffen:- li-bkeit geheim vor sich gehen. Darauf wurden die Galerien ge- räumt. In der Geheimsitzung beschloß der Senat nach kurzer Derawng mit 38 gegen 6 Stimmen, die Oeffentlichkeit auszuschließen, jedoch die Minister zu der geheimen Sitzung zuzulassen. Die Diskussion über die Frage, ob die Angelegenheit einer Kommission überwiesen werden solle, war sehr lebhaft. Der Senat beschloß Neberwcisung an eine besondere Kommission, die untersuchen soll, ob der Artikel 35 in dem Konflikt zwischen Kammer und Kabinett vollständig befolgt worden ist. Letzte ISachrfchteii. Regirrungs-Wahlmache. Stuttgart  , 15. Januar. Der amtliche. Staatsanzeiger" richtet heute eine Mahnung an die bürgerlichen Parteien, sich bei den Stichwahlen gegen die Sozialdemokratie zu- sammenzuschlicßen. Die bürgerlichen Parteien, heißt eS in dem Artikel, sollten sich vor Augen halten, wie die zwischen ihnen be- stehenden Unterschiede und Verstimmungen an sacklicher Bedeutung doch völlig zurücktreten gegenüber der tiefen Kluft, die sämtliche bürgerlichen Parteien von der Sozialdemokratie trennt. Tiefe Kluft hat die Sozialdemokratie selbst gezogen und sie vertief, sie immer mehr. Jede bürgerliche Partei ist für die Partei des Klassenkampfes ein Gegner, den sie mit allen Mitteln bekriegt und den sie zu verdrängen trachtet. Wenn die Sozialdemokratie eine der bürgerlichen Parteien unterstützt, da geschieht es nur, um ihre eigenen Zwecke zu fördern, um die unterstützte Partei von sich ab- hängig zu machen, um sich bei der bürgerlichen Wählerschaft einzu- nisten und diese Wählerschaft an sich zu gewöhnen. Tie Sozial- demokratie hofft, alle Parteien zu beerben und aus ihren Sitzen zu werfen. Wen heute die Sozialdemokratie unterstützt, dem rück! sie morgen zu Leibe. Wenn daher bei den bevorstehenden Stichwahlen eine bürgerliche Partei mit der Sozialdemokratie Verabredungen trifft oder stillschweigend mit ihr zusammengeht, so mag sie für den Augenblick einen Erfolg für sich selbst oder einen Triumph über einen bürgerlichen Gegner davon tragen. Auf die Dauer aber wird sie sich selbst geschadet habe». Auch auf die im neuen Reichstag zu befolgende und allein mögliche Politik sollten die bürgerlichen Par- teien schon im voraus den Blick lenken. Die Sozialdemokratie wird um so weniger geneigt sein, von ihrer intransigenten Haltung ab- zugehen, als sie ihr ihre Erfolge in erster Linie zuschreibt. Wie stellt sich die bürgerliche Linke, die das in erster Linie angeht, eine den Erwartungen ihrer eigenen Wählerschaft entsprechende ersprieß liche Arbeit im Reichstage vor. die sie zu leisten bäste im Gefolge und in Abhängigkeit von einer übermütigen Sozialdemokratie? Be- sonders auch die Parteien der Rechten und de» Zentrums, bei denen da und dort schon ein Spielen mit dem Gedanken hervorgetreten ist, statt der bürgerlichen Linken lieber noch die Sozialdemokratie zu verstärken, sollten sich die schweren Bedenken und Gefahren nicht verhehlen, die mit einer solchen Politik verknüpft sind. Halten die bürgerlichen Parteien, allen Hader zurückstellend und aus selbst- süchtige Porteile verzichtend, bei den Stichwahlen zusammen, so er- sparen sie sich die unwürdige Lage, einen Feind, der sie schon das nächst« Mal noch gefährlicher bedrohen wird, heute um Unter- stützung zu bitten oder von sich aus zu fördern, und sie sichern eine friedliche, ohne Konflikte und Katastrophen sich vollziehende Arbeit im Reichstage, insbesondere auch im Hinblick auf die äußeren Ge- fahren, die das Reich bedrohen können, wie dieser Sommer gezeigt hat. Der Artikel schließt mit dem Wunsche, daß sich insbesondere auch in Württemberg   die Parteien diese Erwägung ans Herz gelegt sein lassen möchten._ Tie Vachtiarenherrschaft in Prrsien. Köln  , 15. Januar. DieKölnische Zeitung  " meldet aus T- heran: Die Bacbtiaren haben heute dos Arsenal   besetzt, um i Gewalt in ihren Händen zu haben. Es bereitet sich eine Herr der Vachtiaren vor, die von den Russen begünstigt wird unter ihrem Schutze steht._ Tie Revolution in Paragnay. Buenos Aires  , 15. Januar.  (Meldung der Agence H Hiesige Blätter veröffentlichen Telegramme aus Asuncion  , denen sick die Fübrer der Revolutionäre unter Mithilfe der P der Person des Präsidenten der Republik Paraguay Roja mächtigt und ihn zur Abdankung gezwungen haben. Die Tr der Garnison Asuncion   hätten sich neutral verhalten. Die selbst sei ruhig. Die revolutionäre Junta beabsichtige, heul Kongreß einzuberufen, der einen neuen Präsidenten wählen\ Nicdrrmctzelung von zrhntausend MandschuS. Peking  , lb. Januar.(Meldung des Reuterfchen Bureaus.) Rettungsabteilung mit neunzehn englischen und dreizehn schi schen Missionaren aus Sianfu, der Hauptstadt von Schensi, i Honansu eingetroffen. Die Provinz Schensi befindet in vollständigem Aufruhr. Viele Städte sind geplündert und laffen. Tie Riedermetzelung von zehntausend MandschuS> bestätigt._ Schweres Eisenbahnunglück in Amerika  . New Aark, 15. Januar.  (P.  (L) Ein folgenschwerer Eis bahnunfall ereignete sich heute ftüh in der Nähe von Philadclph wo der Schnellzug von Pittsburg   nach Philadelphia   an einem Bah Übergang« mit einem vollbesetzten Omnibus zusa nmcnstieß. Da die Schranke nicht geschloffen war und der Führer des Omnibusses den herannahenden Schnellzug nickt bemerkte,« folgte der Zu- sammenstoß mit solcher Gewalt, daß der Omnibus i-mstürzte. Sechs Personen wurden sofort getötet, siebe» schwer verwunoet. Die In- fassen de? Omnibusses ivnrcn größteiNeils Jrländer. die mit ihren Frauen zu einer religiösen Feier fahren wollten. Streikunruhen in Amerika  . New Jork  , 15. Januar.<P. C.  ) In dem Streik der Baum- Wollspinner in Lawrence  (Massachusetts  ) ist eine bedrohliche Wen- dung eingetreten. Es ist zu Zusammenstößen zwischen den Strei- senden und dem Militär gekommen, das auf Veranlassung deS Gou- verneurS von Massachusetts   zur Aufrechterhaltung der Ordnung in das Streikgebiet entsendet worden war. Durch die Anwesenheit der Truppen waren die Streikenden in kolossale Erregung geraten und 3000 Streitende griffen die Fabriken der Pacific Company an. Die Truppen wurden mit einem Steinhagel empfangen und erst als im Angesicht der Volksmenge scharfe Patronen unter die Milizen der- teilt wurden und die Stoatsartillerie auffuhr, gelang es. die Ord­nung einigermaßen wieder herzustellen. Durch den Zusammenstoß ist eine kolossale Erbitterung unter die Bevölkerung getragen wor- den, so daß ein Streik von 200 000 Baumwollspinnern bevorsteht. Paul Singer& So., Berlin   SW. Hierzu 3 Beilagen u. Unteehaltungshh