20 Millionen aus den laufenden Mehreinnahmen zu decken, ohnedah eine neue Steuerquelle in Anspruch genommen werden muß.Soviel steht aber fest, daß der weitaus größte Teil der Ausgaben,die die Wehrvorlagen verursachen werden, aus der Erbschafts-sleucr bestritten werden niuß. Eine Entscheidung des Reichskanzlers,in welcher Weise die Deckung der 20 Millionen gefunden werdensoll, ist noch nicht gefallen."Ani Schlust der Meldung heißt es:„Die Regierung wirdauf die unveränderte Annahme der Wehrvorlagen und dervorgeschlagenen finanziellen Bedeckung insbesondere der Aus-dehnung der Erbschaftssteuer bestehen. Unsere verantwortlichenHeeres- und Marinekreise sehen in den beiden Vorlagen dasallermindeste, was verlangt werden muß, damit unsere Wehr-kraft nicht hinter der anderer Staaten zurückbleibt. Einewesentliche Abänderung oder gar Ablehnung der Vorlagenwürde wohl die sofortige Auflösung des Reichs-tag es zur Folge haben, und dasselbe dürfte eintreten, wenndie vorgeschlagene Deckung durch die Ausdehnung der Erb-schaftssteuer dasselbe Schicksal erfährt wie im Jahre 1909".Das heißt also: Kommt kein gefügiger Reichstag zustande,so wird er nach Hause gejagt.Sie heutige» Stichwahlen.Memel-Heydekrug lNctt.-lib.— Litauers, Danzig-Landkreis sRp.—Soz.), Danzig- StadtkeiS tFreis.— Soz.), Graudenz- StrasburgfNai.-lib.— Pole), Schlochau- Flalow(Rp.— Pole), Berlin I Mitte(Frei s.— Soz.), Oberbarnim(greif.— Soz.), Arnswalde- Friedeberg(Antis.— Kons.), Cottbus-Spremberg(Rp.— Soz.), Rügen-Franzburg(greif.— Kons.), Greifswald-Grimmen(greif.— Kons.), Fraustadt-Lisia(greif.— Zentr.), Czarnikau-Kolmar i. P.(Kons.— Pole), Stadt Breslau-Ost(Nat.-lib.— Soz.), Kreuzburg-Rosenberg(Kons.— Pole), Groß-Strelitz-Kosel(Zentr.— Pole), Beulhen- Tarnowitz(Zentr.— Pole),Kattowitz-Zabrze(Soz.— Pole). Görlitz-Lauban(Freist— Soz.), Oster-burg-Stendal(Kons.— Nat.-lib), Jerichow I u. Ii(Kons.— Soz.),Wolmirstedt-Neuhaldensleben(Nat.-lib.- Soz.), Oschersleben- Halber-stadt(Nat.-lib.— Soz.), Bitterfeld-Delitzsch(Rp.— Soz.), Mühlhausen-Langensalza(Kons.— Soz.), Tondern-Husum(Nat.-lib.— Freist), Dith-marsäien-Stcinburg(Freist— Soz.), Neustadt a. R-Nienburg(Nat.-lib.— Welfe), Hildesheim(Kons.— Soz.), Einbeck-Nordhcim(Nat.-lib.—Soz.), Göttingen-Münden(Nat.-lib.— Soz.), Goslar-Zellerfeld(Nat.«lib.— Soz.), Gifhorn-Peine(Nat.-lib.— Soz), Uelzen-Lüchow(Nat.-lib.—Welfe), Lüneburg-Winsen(Nat.-lib.— Welfe). Hagen(Freist— Soz.).Höchst-Homburg v. d. H.(Soz.— Zentr.), Stadt Frankfurt a. M.(Freist— Soz.), Stadt Köln(Zentr.— Soz.), München I(Liberal—Soz.), Straubing(Zentr.— Bauernbd), Kaiserslautern(Kons.— Soz.),Bayreuth(Nat.-lib.— Soz.), Ansbach-Schwabach(Kons.— Soz.),Rothenburg o. T.(Bund d. L.— Bauernbd.), Plauen(Freist— Soz.),Besigheim-Heilbronn(Kons.— Soz.), Böblingen-Leonberg<Nat.«lib.—Soz.), Eßlingen-Kirchheim(Nat.-lib.— Soz.), Reutlingen-Tübingen(Freist— Soz.), Calw-Nagold(Freist— Soz.), Freudenstadt-OberndorftFreis.— Kons.), Balingen-Rottweil(Freist— Soz.), Gmünd-Göppingen(Freist— Soz.), Backnang-Hall(Anttsem.— Freist), Geislingen- Ulm(Kons.— greis). Gießen- Grünberg(Antisem.— Soz.), Friedberg-Büdingen(Nationalliberal— Soz.), Lauterbach-Alsfeld(Antisemit—Nat.» lib.), Tarmstadt- Groß- Gerau(Sozialdemokr.— Nat.-lib.),Erbach-Bensheim(Antis.— Soz.), Worms(Nat.-lib.— Soz.), Bingen-Alzey(Nat.-lib.— Freis.), Weimar-Apolda(Freist— Soz.), Eisenach-Dermbach(Soz.— Nat.-lib.), Jena-Neustadt(Kons.— Soz.), Oldenburg«Lübeck-Birkenfeld(Freis.— Soz.), Varel-Jever(Freis.— Soz.), Sachsen-Altenburg(Rp.— Soz.), Dessau-Zerbst(Nat.-lib.— Soz.), Bernburg-Ballenstedt(Nat.-lib.— Sozg,- Schworzbnrg- Sondershausen(Nat-lib-—Soz.), Waldeck(Ant.— Freist), Schaumburg-Lippe(Freis.— Soz.),Lippe(Freist— Soz.), Kalmar(Elf. Zentr.— Soz.), Landkreis Straß-bnrg(Wild— Soz.), Zabern(Ant.— Freist), Bolchen- Diedenhofen(Lothringer— Zentr.), Metz(Lothringer— Soz.).Sie tzofiSgei'.Sonntag verschossen die Freisinnigen des Schloßwahlkreisesihre letzten Patronen im„Hosjäger" Die«große Kundgebung fürdie Kandidatur Kacmpf" hatte trotz des Koryphäenaufgebots nuretwa tausend Personen in Bewegung gesetzt. In erster Linie hatteder freisinnige Wahlansschuß sein Vertrauen auf die Persönlich-kcit des Kandidaten gesetzt. Herr K a e m p f sprach, wie er immerspricht— fürchterlich mittelmäßig und langweilig. Er erwiessich sofort als einen der berüchtigten Zweifrontentaktikcr desFreisinns:..„Einerseits führen wir den Kampf gegen die Mächte derReaktion, andererseits den Kamps gegen die Sozialdemokratie, diesich für unseren Todfeind, für den Todfeind der bürgerlichen Ge-sellschaft erklärt hat."Da der Freisinn nach seiner eigenen Versicherung Todfeindder Reaktion ist, die Reaktion aber gewiß zur bürgerlichen Gc-Kleines fcuilkton,Aus den Leidensjahren des jungen Strindberg. Am 22. Januarwird August Strindberg, Schwedens großer Dichter.«3'Jghre alt.An diesem Tage soll ihm eine Nationalgabe überreicht werden. Nie. ist ihm ein Nobelpreis oder eine andere offizielle Anerkennung zu-teil geworden. Wer weiß, welche weit größeren Werke dieses großeund sonderbare Genie hätte schaffen können, wenn ihm im Beginnseiner Laufbahn etwas von diesem Verständnis, von Anerkennungund Sympathie begegnet wäre! Die üblen Erfahrungen seinerJugend mußten in seinem reizbaren Geiste Spuren hinterlassen, dienie verwischt werden und die vieles in seinem Wesen erklären.Schon im Elternhause hatte er das Gefühl, ein unwillkommenerFremder zu sein. Der Vater, ein gebildeter Mann, der bessereTage gesehen hatte, war kurz vor der Geburt Augusts ruiniertworden. Lange Zeit lebte die Familie, Mann, Frau, sieben Kinderund zwei Dienstmägde, in einer Wohnung von nur drei Zimmern,die so eng waren, daß die Kleinen aus Stühlen und Bügelbretternliegen niußten. In seinem Roman„Der Sohn der Dienstmagd"hat er manches aus dieser düsteren Kindheit und Jugend mitge-teilt. Wie ein Fremder fühlte er sich auch den Geschwistern gegen-über, besonders seitdem er einmal unschuldig für Lüge und Dieb-stahl bestraft wurde und durch Prügel gezwungen ward, das ihmangedichtete Verbrechen zu bekennen.Bald nach dem Tode der Mutter verheiratete sich der Vaterwieder. Mit der ungebildeten Stiefmutter vermochte sich Auguitnie zu verstehen, was wohl nicht allein ihr Fehler war, sein Gemütaber noch mehr verstimmte. Sie war wie der Vater Pietist. Zluchder junge August, der jetzt inzwischen Gymnasiast geworden war,geriet bald in eine pietistische Geistesrichtung. Er durchkämpfteinen harten religiösen Kampf, doch findet er keinen Frieden undwird mit sechzehn Jahren Freidenker und Teilnehmer der frei-willigen Scharfschützcnbewcgung. Es wird erzählt, daß das letzteredie religiösen Freunde seiner Familie so sehr erschreckte, daß sieFürbitte für seine irregeleitete Seele anordneten.Mit der Studentenzeit beginnt für ihn die Zeit der härtestenPrüfungen. Ten Plan. Geistlicher zu werden, gibt er auf alsSegen seine neue Lebensauffassung streitend, und reist mit achtzehn(ahren nach der Universität Upsala, um den Doktorgrad zu er-werben. Für das erste Semester hatte er nur 90 M. zur Ver-sügung, und mit dem Semester war auch das Geld zu Ende. Jetztsellschaft zählt— denn er rechnet ja in diesem Wahlkreise auf ihreHilfe gegen den anderen Todfeind—, so müßte er nach derDoppelfrontlogik KaempfS eigentlich sein eigener Todfeind sein.Aber Herr Kaempf erklärt ihn kurzerhand für die«Partei desgesunden Menschenverstandes".Dieser gesunde Menschenverstand feierte nun in den weiterenAusführungen des Redners wahre Orgien. Nach einem Rückblickauf die schönsten Zeiten des Reiches, die Jahre nach 70 mit ihrenliberalen Errungenschaften, die nur die Hauptsache, die Beseiti-gung des Dreiklassenwahlrechtes in Preußen und in den Kom-munen nicht brachten, kam Herr Kaempf auf die unmittelbareGegenwart zu sprechen Er sieht die Zeit bereits gekommen,«wodie liberalen Parteien im Reichstag eine derartige Stärke haben,daß sie zwischen den extremen Parteien das Zünglein an derWage bilden". Da hakt nun der kluge Mann ein und entwickeltfolgendes Programm:«Tann werden wir die Sozialdemokratie auf denjenigenStandpunkt zurückdrängen, daß sie mit uns arbeitet und wirktzum Besten des Gemeinwohls und unserer Partei."Wär' der Gedanke nicht verflucht gescheit,Man toär' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen.Diese Erziehungsarbeit an der Sozialdemokratie nahm HerrKaempf dann sogleich munter in die Hand. Wir erfuhren zunächstvon ihm, daß die Sozialdemokratie vorläufig noch alles vernichtenwill, was der Freisinn aufzubauen sich bemüht. Dazu scheint vorallem der erste Berliner Wahlkreis zu gehören. Man war vor-blüfft und staunte noch mehr, als auf den krausen Wellen dieserRede das„große Gesetz der Freizügigkeit" heranschwamm, aufdessen Abschaffung die Sozialdemokraten, nicht etwa die Junkernach Herrn Kaempf versessen sind.Aber es kam noch schöner. Wörtlich sagte Herr Kaempf:„Die Sozialdemokratie will nicht die Fähigkeiten des Ein»zelnen nach seinem eigenen Besten und seinem eigenen Wunschsich entwickeln lassen, sondern er will, daß in ihrem Polizeistaatdie Polizeigewalt über jeden einzelnen ausgeübt wird, die ihmnicht gestattet, frei zu produzieren und frei zu konsumieren, wieer es will, sondern sie will ihn dazu zwingen, indem sie alle Pro-duktionsmittel verstaatlicht, das zu produzieren, was ihm derPolizeistaat vorschreibt, und folglich auch daS zu konsumieren, wasdie Methoden dieses Polizeistaates ihm vorschreiben." HerrKaempf empfiehlt sich ja auch als Vertreter der Bildung!Dieses so formulierte Programm sollen wir nach ihm sonstüberall vertreten, nur nicht in unseren Wahlaufrufen. Unseretückische Absicht ist es,„Handwerk, Kleinhandel und die gesamteIndustrie hinunterzudrücken auf die Befolgung von Polizeivor-schriften.Wir verargen es Herrn Kaempf nicht, wenn ihm das Ver-mögen abgeht, unsere Gedankenwelt zu verstehen, oder wenn erseine Zuhörer- und Wählerschaft so einschätzt, daß diese Wider-legung des sozialdemokratischen Programms ihnen genügt, abereins hätte er unterlassen sollen. Und das ist folgendes: er zogein unseres Wissens bisher selbst vom Rcichsverband nicht gefun-dcnes Zitat aus der Tasche und verlas es:„Ein verstorbener Führer der Sozialdemokratie'— der Namewurde nicht genannt—.hat"— wo, wurde wieder nicht gesagt,—.einmal"— wann, blieb gleichfalls verschwiegen—«erklärt: Ichwerde doch nicht den Arbeitern eine Extrawurst braten. Wennich den Arbeitern eine bessere Wohnung gebe, mache ich sie zu»frieden. Zufriedene Arbeiter aber können wir nicht gebrauchenWenn sie zufrieden sind, gehen sie unseren Zwecken verloren."Selbst der Wahlkampf entschuldigt solche Torheit nicht. KeineWaffe kann stumpfer sein,"äks diesil.'"Welche"Pak! ei arbeitet inder Wohnungsfürsorge so unermüdlich, wie die Sozial-demokratie? Statistische Aufnahmen, Broschüren, Publikationenliegen von uns vor; in Hunderten von Kommunen sind unsere Ge-nossen unermüdlich tätig, um das Wohnungselend zu mildern,das die Bauspekulation verschuldet. Gerade diesesBeispiel hätte Herr Kaempf nicht wählen sollen. Und dann dieUnzufriedenheit, in der er das„große Geheimnis" unseres Wachs.tums sieht Das Elend macht stumpf, aber nicht unzufrieden.„Wachsende Unzufriedenheit" ist nur die re.ichsverbänd-lerische Vokabel für den wachsenden Kultur-drang der deutschen Arbeiterschaft.Am Schluß seiner Rede bekannte sich Herr Kaempf alsImperialisten und sprach sich mit aller Wärme, deren seineTrockenheit fähig ist, für die Bewilligung neuer Heeres- undFlottenvermehrungen— natürlich mit Sparsamkeit— aus. Woänd die Zeiten geblieben, da Eugen Richter«keinen Mann undkeinen Groschen" bewilligen wollte IWenn man so erleichtert alte Prinzipien aufgibt, braucht mansich auch nicht länger zu genieren, ins Horn der schlimmstenScharfmacher zu blasen. Das tat Herr Kaempf Die Ver-Handlungen des Verbandes der sozialdemokratischen Wahlvereinevon Grotz-Berlin vom 20. August vorigen Jahres mußten ihm zumuß er nach Stockholm zurückkehren und Volksschullehrer werden,um existieren zu können. Auf diesem Posten gewann er einenguten Einblick ins Leben der Allerärmften, und seine Erfahrungenaus jener Zeit hat er auch dichterisch mehrfach altsgcnützt. Späterkehrte er nach Upsala zurück, wo er in der größten Armut lebteund seine Dichterlaufbahn mit Dramen begann, die er, von ver-ständnislosen Kameraden entmutigt, zum größten Teil bald wiederverbrennt. So arm war er, daß er im Bette weder Laken nochKissenbezug hatte; er mußte in seinen Unterkleidern liegen und beieiner in eine Bierflasche gesteckten Kerze lesen. Essen bekam er nur,wenn die Freunde ihm ein wenig schenkten. Nur an den Donners.tagen mutzte er nicht frieren, denn durch das Zimmer ging dasRauchrohr eines Kamines, und wenn einmal in der Woche gewaschenwurde, war das Rohr warm. Dann stand er gegen das wärmendeRohr gelehnt, die Hände aus dem Rücken, und dichtete.Der Doktorhut blieb ihm versagt; seine Studien waren wenigplanmäßig geordnet; mit dem Acsthetikprofessor stand er auf ge-spanntem Fuße, seitdem er sich einmal über Dante wenig ehr-surchtsvoll ausgesprochen hatte. Er versucht jetzt, Schauspieler zuwerden; daraus wird aber nichts. Abwechselnd versucht er es dannals Reporter bei dem großen Stockholmer Blatt«DagenS Nyheter"und als Redakteur einer Versichcrungszeitung. um endlich ganzin den unsicheren Hafen der Literatur einzulaufen.Damit schließt die erste harte und wechselvolle Jugend deSDichters; seine andere und größere Jugend beginnt mit dem hifto-rischen und doch so modernen Schauspiel„Meister Llof" im Jahre1872. Und sein Stern steigt in den achtziger und neunziger Jahrenzum Zenith. Was diesem seltsam funkelnden Sterne vieles vonseinem roten drohenden Glänze verliehen hat, sind gewiß die erstenherben Prüfungen der ersten unbarmherzigen Jugendjahre.Ter Riesenalk im Museum für Naturkuude. Bon naturwissen-schaftlicher Seite wird uns geschrieben: In Nr. 14 wurde über denAnkauf eines der so selten gewordenen Eier des Riesen- oder Brillen-alkS(iUou impennis) berichlet. für das in London sechslausendMark bezabli worden sind. Dabei heißt es:«Die Welt kennt nurnoch acht Bälge dieser ausgestorbenen Vogelart und dreiundsiebzigEier." Es wird unsere Leser»nereifieren, daß sich von diesen kost-baren Reliquien je ein Eremplar in unserem Museum für Natur-künde an der Jnvalidenstraße befindet. Durchschreitet man denLichthof und die Säugeiierhalle dieses stattlichen Baues, sohat man vor sich zwei große Säle, von denen der zurLinken der Bogelwelt gewidmet ist. Auf seiner linken Seiteder schäbigen Denunziation herhalten, daß die Sozial-demokratie das Vaterland wehrlos machen wolle und daß sie wäb-rend der Marokkokrise der Regierung in den Rücken gefallen sei.Damit war Herr Kaempf mit seiner Ansprache fertig.Nachdem wir so nunmehr endgültig vom Leben zum Todebefördert waren, wurde unser Leichnam von den Regisseuren indie Ecke gestellt und eine andere Puppe hervorgeholt, an der dieweiteren freisinnigen Redner ihre Kunst üben konnten. Es warendie Demokraten des ersten Be»Ij n e r Wahlkreises. Sie und ihre letzten Flugblätter würden im Grundeübler behandelt, als wir. Hier hat sich ein recht intimer Haßentwickelt, der sich in kräftigen Schimpfreden entlud. Ter Bor-sitzende, ein Herr Landau, und Herr Cassel besorgten dieHauptsache. Ausdrücke wie: Niederträcht, Gipfel der Verleum-dung, Gemeinheit wurden gebraucht, und als der Name G ä d k efiel, ertönten laut Pfuirufe. Auch der alte Träger griffdie Demokraten heftig an. Gegen uns war dagegen der alte Herrwie immer chevalxreSk. Die Stichwahlfituation im ersten Wahl-kreise ist ihm, wie er offen sagte, unangenehm. Er sprach von dergegenseitigen Achtung, mit der sich politische Gegnerbehandeln müßten(Herr Kaempf errötete nicht!) und erklärte,er nehme es uns durchaus nicht übel, daß wir zu siegen trachteten.Als Grund, für Kaempf zu stimmen, führte er eigentlich nur deneinen an, daß es ein Seelenschmerz, keinem anderen vergleichbar,wäre, wenn die liberale Fahne von der letzten Zinne Berlinsheruntergeholt würde. Auch der Seelenschmerz eines anständigenGegners kann uns nicht hindern, unsere Schuldigkeitzu tun.Tann warb Herr P a ch n i ck e um die Stimmen derKonservativen. Er beteuerte, daß der Freisinn unerschiil-terlich an seiner monarchischen Grundauffassung festhalte und daßder 1. Wahlkreis, in dem das R e s i d e n z s ch l o ß liege, aufkeinen Fall rot vertreten sein dürfe. Hurra!Ganz aus dem Rahmen der Veranstaltung fiel die Ansprachedes Herrn R i e ß e r. Sie war ein neuer Kampfruf gegen dieAgrardemagogie und die Regierung, der freilich heute in einemvon dieser Agrardemagogie bedrohten Wahlkreise besser am Platzegewesen wäre. Herr Rietzer machte sich lustig über den verspätetenSammlungsversuch Bethmanns, der den Liberalen zumutete, imMoment der Schlacht die Front zu wechseln Das Bürgertumhätte die Zech« einer gemeinsamen Attacke gegendie Sozialdemokratie selbst tragen müssen. Da-bei würde es erst recht unter das Joch der Schwarz-blauen geraten sein.Rießers reichlich optimistisches Urteil über den Ausfall derWahlen lautet:„Unsere kühnsten Erwartungen sind übertroffen, 37 auf demBoden des Hansabundes stehende Männer sind bisher gewählt.Entweder die heute herrschende Mehrheit wird, wie ich zuver-sichtlich glaube, zerschmettert, und dann ist das Ziel des Kampfeserreicht. Und wehe dem a«S unseren Reihen, der dazu nicht ver-hilft. Wehe dem, der desertiert und nicht den Mann wählt, dener wählen muß. ES wird ein politisches BolkS- und Kriegsgerichtüber solche Deserteure gehalten werden. Oder aber— und dasist der ungünstigste Erfolg, der eintreten könnte— die Majo-rität wird nicht zerschniettcrt, sondern eS geben IS bis 20 Polen-stimmen den Ausschlag über die Politik deS Deutschen Reichs-tagS: glauben Sie, daß mit einer solchen Majorität die jetzigeRegierung würde wirtschaften können?"Vielleih: schärfen diese Worte noch manchem Wähle: draußenim Lande den politischen Verstand. Insofern war die Nießersck*Rede in x ii-i freisinnigen Versammlung durchaus am Platz«.Für die Kandidatur Kaempf war sie bedeutungslosDenn die Front gegen recht« wird am entschiede»'«,, genommen,wenn man sozialdcmrkratisch wählt. Herr Packmicke nannte dieStichwal, lparcle des Freisinns einen Stoß ins Herz der Rechten.ES ist alvr bisher in einem guten Dutzend Wahlkreise nur bei derParole, nur bei den Worten der Führer geblieben, die Tatender freisinnigen Wählerschaft stehen„och aus. Darum wird,wer der Realtion einen Stoß ins Herz geben will, am sicherstenhandeln, wenn er heute im ersten Wahlkreise nicht den lauen halb-liberalen ehemaligen Bundesbruder der Rechten und Blockpräfi-deuten wählt, sondernWilhelm Düwell.Politische(Übersicht.Berlin, den 21. Januar.V ölkerverbrüderung oder Patriotismus.Einen der schwersten Vorwürfe, der von den nationalenParteien, die Fortschrittler inbegriffen, gegen die Sozial-demokratie erhoben wird, ist der, daß sie international sei.daß sie die Völkerverbrüderung anstrebe. In den Flugblättern.erhebt sich hinter der Gruppe von Straußenvögeln ein großerGlasichrank mit ausgestopften Tauchervögeln, darunter Alken undPinguinen. In seinem uiitersten Fach bestndet sich in einem beson-deren Glaskasten ein Riesenalk und oben darauf liegt ein Ei diesesVogels. Der Körper hat die gewöhnliche Läng« von ungefährl>0 Zentimetern. Das Gefieder ist in den Grundfarben schwarz undweiß. Bor den Augen befindet sich der ovale Fleck, von dem dieBezeichnung.Brillenalk" stammt. DaS Ei ist birnenförmig gestaltet,bellblau und schwarz gesprenkelt. Eine Aufschrift besagt, daß derVogel früher die Küsten der Nord-Allantik. südlich deS Polarkreisesbewohnt hat und da« letzte Exemplar 1848 an Varangerfjord erlegtworden ist. Da viele Besucher an dem seltenen Schatz achilos vor-übergehen, erscheint es angebracht, hier auf ihn aufmerklam zumachen._Notizen.— Die Strindberghuldigung der schwedischenArbeiter. Slrindberg bat fich wiederholt alle Ehrungen zuseinem Geburtstage verbeten und nur die Aufführung seinerdramatischen Werke in verschiedenen Theatern angenommen. Be-sonders gegen die Idee eine« Fackelzuges, der an seiner Wohnungvorbeiführen sollte, hat er auf das lebhafteste protestiert. Jetzt Haiaber die Arbeitcrkommnne von Stockholm, etwa die Gewerkschafts-kommission der Stockholmer Arbeiter, die Idee aufgenommen, umauf diese Weise Strindberg den besonderen Dank des schwedischenProletariats für feine kulturfördernde literarische Tätigkeit zudemonstrieren und Strindberg hat sich nunmehr damit einverstandenerklärt.— EineSteueraufOrden.«Wim deutschen Reichstagbei der Beratung des Zolltarifs die Sozialdemokraten zu der letztenPosition deS Tarifs, die dos Kinderfpielzeug betraf, auch«Ordenund Ehrenzeichen" hinzugefügt wisien wollten, da wurde das al» einzwar blutiger, aber guter politischer Witz viel belocht. Immerhinbedingte die Einreihung der Orden unter daS Kinderspielzeug ihreZollfteibeit. Das Kopenhagener Blatt«Bort Land' macht allenErnstes den Vorschlag, neben einer erhöhten Stempelabgabe für dieVerleihung von Titeln auch eine Steuer auf Ordensverleihungeneinzuführen. Selbstverständlich soll die Steuer von dem entrichtetwerden, dem der Orden verlieben wird. Da« Blatt rechnet au», daßeine solche Steuer Dänemark jährlich etwa 600000 Krvneu«mMehreinnahmen bringen würde.