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mur zu ihrem Nachteil auszuschlagen vermögen.

" In den Erörterungen der Presse über den Ausfall der Wahlen finden sich mehrfach Verfuche, der Regierung die Schuld an dem Ergebnis zuzuschieben. Sie habe die Finanzreformheze geduldet und nichts gegen das Baltieren der bürgerlichen Parteien mit der Sozialdemokratie getan. Als sie eingegriffen habe, sei es zu spät gewesen.

Anders Imann Hollweg dieses Anders Imann Hollweg dieses Spiel nicht behagt; aber an­der Abgeordnete Herold vom vom Zentrum, der im statt dreinzuschlagen, daß den Intriganten die Köpfe zweiten Teil seiner Rede in echt jesuitischer Manier fnallen, verlegt sich der Philosoph der gottgewollten zuerst gegen die Linke zu Felde zog, um hinterher um ihre Abhängigkeit auf das Ermahnen und gütliche Zureden. Die Stimmen in dem gemeinsamen Kampf gegen den gemein- Nordd. Allgem. 3tg." brachte nämlich gestern abend folgende samen Feind, die Sozialdemokratie, zu buhlen. Sein böses Ge- Verteidigung: wissen sagte ihm, daß die Sozialdemokratie schonungslos das ganze Sündenregister des Zentrums aufrollen werde. So suchte er denn im voraus für seine Partei Stimmung zu machen, indem er sich und seine Genossen als festestes Bollwerk gegen die Roten hinzustellen suchte, mit fecker Stirn jedes Bündnis zwischen Zentrum und Sozialdemokratie von vornherein ableugnete und in hurrapatriotischen Phrasen bisher gekannte Zentrumsdemagogie übertrumpfte. Natürlich versezte er auch gelegentlich der Regie­rung ein paar Seitenhiebe, namentlich weil sich noch immer nicht bereit finden lassen will, auch die Fort­bildungsschule der Kirche auszuliefern. Der preußischen Wahl­reform gedachte er mit feinem Worte! Offenbar ist das Zentrum heilfroh, daß die Thronrede keine Wahlreform an­gekündigt hat.

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Als dritter Redner kam für die sozialdemokratische Fraktion Genosse Hirsch zum Wort. In knappen, scharfen Strichen fennzeichnete er die wichtigsten Fragen des Etats. Die Steuerreform bezeichnete er, soweit die Forderung neuer Steuern erhoben wird, als überflüssig. Die preußischen Finanzen seien derartig, daß eine dauernde Erhebung der Zuschläge überflüssig sei. Nicht der geringste Anlaß liege vor, Preußen Steuern auf Vorrat zu bewilligen. Dagegen fordere die Sozialdemokratie von neuem eindringlichst, daß endlich das Steuerminimum entsprechend der unerhörten Ver­teuerung der Lebensmittel heraufgesetzt werde. Angesichts der schamlosen Ausplünderung der Massen durch die direkten Steuern sei die Befreiung der Einkommen bis zu 1200 oder 1500 m. absolut unabweisbar. Daß in der Thronrede trob der Beteuerung einer früheren Thronrede, die die organische Fortentwickelung des preußischen Wahlrechts als eine der dringendsten Aufgaben bezeichnete, feine Wahlrechts­reformvorlage enthalten sei, sei tief bedauerlich. Es sei doch ganz unglaublich, daß etwa die Regierung sich einbilden könne, durch Einbringung des derzeitigen Wahlrechtswechselbalges ihr feierliches Versprechen eingelöst zu haben. Festzunageln aber sei, daß auch der Zentrumsredner kein Wort über die Wahlrechtsreform gesagt habe.

Dann aber ging Genosse Hirsch unbarmherzig ins Ge­richt mit der Leichenbitter- und Sammlungsrede des Herrn Herold. Mit äßender Ironie geißelte er die Tartüfferie des Zentrums, das jetzt dem Liberalismus das Zusammengehen mit der Sozialdemokratie vorzuwerfen wagt, das es selbst früher so oft geübt hat. Wenn Herr Herold dem Liberalismus die Stichwahlunterstügung der Sozialdemokratie als Ver­brechen anrechnet, so gehört das Zentrum zu den Gewohn­heitsverbrechern. Denn es gehört ja zu den altgeübten Praktiken des Zentrums, mit der Sozialdemokratie Stich­wahlbündnisse abzuschließen. Das wies Genosse Hirsch an der Hand eines erdrückenden Beweismaterials unter andauernder stürmischer Heiterfeit der ganzen Rinken und unter schwäch­lichen Protestkundgebungen des Zentrums den biederen Ultramontanen Schritt für Schritt nach. Nicht nur bei früheren Wahlen hat sich das Zentrum, um Mandate zu er­gattern, jederzeit mit der Sozialdemokratie verbündet, nicht nur in Bayern   und im Dome zu Speyer   und anderwärtig ist eine gemeinsame Stichwahltaktik zwischen Zentrum und Sozialdemokratie abgeschlossen worden, sondern auch im Jahre 1907 hat das Zentrum in einer ganzen Reihe von Wahl­freisen mit der Sozialdemokratie gemeinsame Sache wider den Hottentottenblock gemacht. Damals war von nationalen Strupeln beim Zentrum nichts zu verspüren. Damals hat Herr Müller- Fulda und zweifellos nicht ohne Einver­ständnis mit der Zentrumsleitung- ein Abkommen mit der Sozialdemokratie für eine ganze Reihe von Wahlkreisen ge­troffen. Aber es ist gar nicht nötig, so weit in die Ferne zu schweifen. Noch bei den elsässisch- lothringischen Landtags­wahlen hat das Zentrum der Sozialdemokratie einen Ruh­handel angeboten, der freilich abgelehnt worden ist. Ja noch bei den Wahlen im Jahre 1912 hat das Zentrum in Ober­ schlesien   den Versuch gemacht, mit der Sozialdemokratie einen Pakt gegen seine eigenen Freunde, die Polen  , zustande zu bringen.

Diese Vorwürfe sind nicht berechtigt. Die Bemühungen der Regierung sind dauernd, und zwar nicht erst seit der Eröffnung der eigentlichen Wahlkampagne, darauf ausgegangen, die Gegen­fäße unter den bürgerlichen Parteien auszugleichen und sie auf den gemeinsamen Boden des staatlichen Gesamtinteresses zurückzuführen. Wenn diese Bemühungen an der Verbitterung der Parteien ge­scheitert sind, so trifft die Schuld jedenfalls nicht die Regierung. Hätte sie in dem Streit um den inneren Wert der Reichsfinanz­reform für die eine oder andere Seite Partei ergriffen, so hätte sie ihre Versuche von vornherein zur Aussichtslosigkeit verdammt. Wohl aber lag es in der Richtung ihrer Aufgabe, die für die Reichsfinanzen günstigen Ergebnisse der Reform mit Nachdruck darzulegen sowie sie erkennbar waren. Daß dies bei jeder Ge legenheit und noch bis in die legten Tage der Reichstagsfession hinein geschehen ist, kann nicht bestritten werden.

Der zweite Vorwurf, daß die Regierung es an Entschieden. heit in ihrer Stellung zur Sozialdemokratie habe fehlen lassen, ist nicht minder haltlos. Die Auffassung der Regierung ist vor den Hauptwahlen wie vor den Stichwahlen mit völliger Klarheit zum Ausdruck gefommen. An ihr liegt die Schuld also nicht, wenn die bürgerlichen Parteien sich zur gegen­seitigen Unterstützung gegen die Sozialdemokratie nicht zu­fammengefunden und die Regierung mit ihren Bemühungen um Gerade in die Einigung des Bürgertums allein gelaffen haben. der gegenwärtigen Zeit sollten sich Blätter, die für die Stärkung der Staatsautoriät eintreten, solcher unbilligen Vorwürfe gegen die Regierung enthalten."

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Daß eine derartige weichmütige Entschuldigung den Leuten vom Schlage der Heydebrand, Ströcher und Dertel nicht sonderlich imponiert, ist selbstverständlich, und verächtlich antwortet denn auch bereits heute morgen die Deutsche Tagesztg.": Niemand hat von der Regierung verlangt, daß sie für die eine oder andere Seite im Streit um den inneren Wert der Finanzreform Partei ergreifen" solle. Verlangt wurde nur, daß fie die Wahrheit vor dem Lande feststellen und den bös­willigen und bösartigen Uebertreibungen der Das war Finanzreform gegner entgegentreten solle. eine schon berechtigte Forderung deshalb, weil eine Regierung, des Beschlüffen Barlaments zustimmt, dafür doch mindestens genau so verantwortlich vor dem Lande ist, wie Parteien, die ihre Zustimmung zu Regierungsvorschlägen geben, den Wählern dafür Rechenschaft ab­legen müssen. Es ist wohl ein beispiellofer Vorgang, daß eine Regierung ein so gewaltiges Gesetzgebungswert, das sie doch durch ihre Zustimmung selber als vereinbar mit dem Wohle des Landes anerkannt hat, mit den ungehenerlichsten Ueber­treibungen und Schärfen angreifen ließ, ohne die Verpflichtung zu fühlen, auch ihrerseits im Rahmen der Tatsachen dieser gemeinschädlichen Agitation entgegenzutreten. Jenes Verlangen war aber um so begründeter, als die Gestaltung der Reichsfinanzreform durchaus nicht das einseitige Werk der Mehr­heit war, sondern die Regierung gerade an einigen der um strittensten Punkte durch eigene Vorschläge oder Ablehnung von Mehrheitsvorschlägen bestimmend mitgewirkt hatte. Es mußte mit Recht stärkstes Befremden erregen, daß die Regierung durch ihre Passivität auch das Ddium für diese Teile der Reform allein die Parteien tragen zu lassen fuchte...

Ebenso hätte die Regierung weit früher und weit nachdrück­licher, als es geschehen ist, dem Paktieren bürgerlicher Parteien mit der Sozialdemokratie entgegentreten müssen. Schon die völlige Wirkungslosigkeit ihrer Mahnungen und Einigungsversuche kurz bor und während der Wahlen sollte doch beweisend dafür sein, daß ihre Aktion zu spät einsetzte und nicht fraftvoll genug war, um noch etwas an der bereits seit langem vorbereiteten taktischen Stellung der Linksparteien ändern zu können. Und noch schärfer schreibt die" Post":

Existenzfrage des Deutschen Reiches handelte, habe sich die Sozial­demokratie geradezu empörend benommen, und wenn sie in dieser Be­ziehung nicht einlente, so würden die Wogen, die jetzt zurück­gedrängt seien, wiederkommen. Eine solche Haltung könne das deutsche Volt nicht auf die Dauer ertragen. Die bürger­lichen Parteien würden dann zusammenstehen müssen gegen die Sozialdemokratie, um die Interessen des Vaterlandes zu wahren. Die auswärtige Politik des Reichskanzlers, erklärte der Minister, habe die schwebenden Fragen in glänzender Weise gelöst. Gestützt auf unser scharfes Schwert sei es gelungen, den Frieden zu erhalten, was auch im Willen der Sozialdemokratie gelegen habe. Auch für eine Kolonialpolitik, die doch im Interesse der Arbeiter= schoft liege, sei diese Partei nicht zu haben. Wenn die Sozial­demokratie den Ministern empfehle, ihren Monarchen vorzuschlagen, einen modus vivendi mit der Sozialdemokratie zu treffen, so be­deute das geradezu eine Herausforderung und Beleidigung der Regierung. Die Reichsversicherungsordnung, die ja mit Hilfe aller bürgerlichen Parteien zustande gekommen sei, sei in der fozialdemokratischen Bresse als ein Schandwerk bezeichnet worden. Unter solchen Umständen könne der Friede zwischen der Sozial­demokratie und der Regierung nicht hergestellt werden.

Herr v. Dusch   liest, wie man sieht, mit Erfolg die Nordd. Allgem. 8tg."

Anträge für das preußische Abgeordnetenhaus. Die Fraktion der Fortschrittlichen Volkspartei   im preußischen Abgeordnetenhause beschloß, die preußische Regierung zu ersuchen: 1. das Statistische Landesamt mit einer umfassenden Dar­stellung der Regelung der Arbeitsverhältnisse der im Staatsdienst beschäftigten Arbeiter( Zeit, Lohn, Ordnungen, Wohlfahrts­einrichtungen usw.) zu beauftragen,

2. schon jetzt durch allgemeine Anordnungen dafür Sorge zu tragen, daß a) die regelmäßig im Staatsdienst beschäftigten Arbeiter in dett Staatsbetrieben überall mindestens mit dem Lohn beginnen, der in ihrem Bezirk als Drtslohn(§ 149 Reichsversicherungs­ordnung) festgesetzt ist,

b) nach 10 jähriger Beschäftigung die Entlassung nur auch wich­tigen Gründen erfolgen darf.

Ein neuer Gouverneur für Kamerun  .

Der Gouverneur von Kamerun  , Dr. Gleim, hat sich, wie es heißt aus Gesundheitsrüdfichten, gezwungen gesehen, seinen Abschied zu nehmen. An seiner Stelle ist der Geheime Oberregierungsrat im Reichskolonialamt Karl Ebermaier   zum Gouverneur von Kamerun  ernannt worden.

Graf Posadowskys Dank. Reichstagsabgeordneter Graf Posadowsky   läßt durch seinen Wahlausschuß folgenden Dank veröffentlichen:

Anläßlich meiner Wahl zum Mitgliede des Reichstages find mir aus dem dortigen Wahlkreise so viele freundliche Grüße und gute Wünsche zugegangen, daß ich leider völlig außerstande bin, meiner Neigung entsprechend, diefelben alle einzeln zu beant Den bekannten und unbekannten Freunden, die mir in dieser Weise ihre wohlwollende Gesinnung ausgedrückt haben, spreche ich deshalb hiermit meinen herzlichen Dank aus,

worten.

Nach Beendigung des Wahlkampfes bin ich Vertreter aller Einfassen des Wahlkreises und hoffe als solcher, daß nach der politischen Erregung wieder versöhnlicher Friede in die tüchtige werltätige Bevölkerung des Ravensberger Landes ein­ziehen möge.

Naumburg  ( Saale  ), 26. Januar 1912. Ideologe durch und durch!

Posadowsky.

Die Teuerung der Lebensmittel. Die sozialdemokratische Fraktion der Zweiten Kammer des elfaß­lothringischen Landtages hat folgende Interpellation eingebracht:

" Ist es dem Herrn Statthalter bekannt, daß infolge der Ein­führung des Zolltarifes vom Jahre 1902 die Lebensmittelpreise dauernd über der normalen Höhe erhalten wurden und daß das durch die ausreichende Ernährung des elsaß  - lothringischen Bolles bedeutend erschwert ist. Ist der Herr Statthalter bereit, die elsaß­Lothringischen Bundesratsbevollmächtigten dahin zu informieren, daß sie im Bundesrate für zollpolitische Erleichterungen und dem schrittweisen Abbau des bestehenden Zollsystems eintreten?"

Schwarze Denunzianten.

Schon bei der Düsseldorfer   Reichstagserfahwahl hat die 3e n= trums presse sich nicht genug tun fönnen in der Bezichtigung der Reichs- und Staatsbeamten, daß sie sozialdemokratisch gewählt hätten. Jetzt, bei den Stichwahlen, haben sich die beiden Blätter Als Herr v. Bethmann Hollweg   aus den Händen der Rechts- der Herren Bachem in Köln   angelegen sein lassen, jeden Be­parteien und des Zentrums die Reichsfinanzreform entgegennahm amten zu denunzieren, der nicht gesonnen war, das Zentrum gegen und mit seiner Namensunterschrift den Gefeßentwurf bedte, hat die Sozialdemokratie zu unterstüßen. Das Perfidefte auf diesem er die Pflicht und Schuldigkeit, dieses Gesetz gegen die maglos Gebiete ist ein Artikel des Kölner Lokal- Anzeigers". einfegende Steuerhezze in Schutz zu nehmen und zu verteidigen. worin ausgeführt wird, im Gegensatz zu den unteren und mittleren Nichts von dem ist geschehen. Anderthalb Jahre lang hat Postbeamten hätten die höheren Post beamten nicht ihre die Regierung untätig zugesehen, wie in einer alle Grenzen Pflicht getan, um den Sieg der baterlandsfeindlichen roten Inter­überschreitenden Weise die bürgerlichen Parteien untereinander nationale" zu verhindern. Trotzdem die unteren und mittleren berhezt wurden, wie eine zielbewußt arbeitende Demagogie Angestellten bei der letzten Besoldungsreform am ungünstigsten ge­zwischen den konservativen und den liberalen bürgerlichen Lagern fahren seien, hätten sie ein erhebendes Beispiel wahrer Bate eine luft aufriß, die vor der Wahl in der Arbeit von wenigen landsliebe und deutscher Beamtentreue gegeben". Wochen schlechterdings nicht mehr zu überbrücken war.... Dann heißt es weiter:

So belanglos diese Feststellungen an sich seien, so not­wendig seien sie doch zur Entlarvung der unsäglichen Heuchelei des diesmal mit seinen staatserhaltenden Tendenzen pa­radierenden unbestechlichen" Zentrums. 1907 habe der Zen­trumsführer Gröber dem Bülowblock, der das Zentrum wegen feines wahltaktischen Zusammengehens mit der Sozialdemo­fratie angriff, ein Stück politischer Heuchelei" vorgeworfen. Dieser Vorwurf in potenzierter Form treffe auf Herrn Herold zu, wenn er jeßt den Liberalismus wegen feines wahltaktischen Zusammengehens mit der Sozialdemo­fratie anzugreifen die Stirn habe. Ebenso unbegründet sei die Renommiſterei des Herrn Herold mit der katholischen Konfession, die ein unerschütterliches Bollwerk gegen die So­zialdemokratie bilde. Habe doch der Zentrumsturm böse Sprünge aufzuweisen. Köln   und Düsseldorf   habe er verloren und noch eine Reihe von anderen Wahlkreisen würde er ein­gebüßt haben, wenn nicht gewisse Kreise des Nationalliberalis­mus hm zu Hilfe gekommen wären. Der wirkliche Sieger des Wahlkampfes sei die Sozialdemokratie gewesen. Beige sich der Liberalismus der historischen Aufgabe gewachsen, so werde das Niederreiten der Reaktion, das im Reiche einen so ver­heizungsvollen Anfang genommen, auch in Preußen seine Hohenfinow überdrüssig; sie verlangen in der heiflen Situation, Fortsetzung finden, damit endlich an die Stelle des ver- in der sie sich befinden, einen energischeren Prokuristen für junkerten und verpfafften Preußen ein modernes Staatswesen ihren Ministerium genannten Interessenausschuß.

treten könne.

Als nächster Redner wird am Mittwoch Herr Friedberg das Wort erhalten. Es wird sich zeigen, ob auch er gleich Herrn Bassermann aus der Reichstagswahl seine Lehren ge­zogen haben wird.

Politische Ueberlicht.

Berlin  , den 30. Januar 1912. Kanzler und Konservative. Zwischen dem Reichskanzler und den Konservativen voll­zieht sich em recht interessantes Intrigenspiel. Anstatt ihr eigenes politisches Verhalten und die Ungeschicklichkeit ihres Oberstrategen, des Herrn v. Heydebrand, machen die Kon­servativen für ihre Wahlniederlnge Herrn v. Bethmann Hollweg  berantwortlich und suchen diesen durch allerlei auf die Wirkung nach oben berechnete Notizen und Kor­respondenzen zu stürzen. Begreiflich, daß Herrn v. Beth­

Und will es Herr v. Bethmann schließlich in Abrede stellen, daß sein Ausfall gegen den konfervativen Abgeordneten b. Heyde­brand am zweiten Tage der Marokkodebatte des Reichstages ganze Ströme von Wasser auf die Mühle der Sozialdemokratie leiten mußte? Gegenüber diesen Tatsachen fällt es gar nicht ins Gewicht, daß die Norddeutsche Allgemeine Zeitung" in den letzten Tagen vor der Wahl in ein paar, obendrein sehr lendenlahmen Artikeln den Versuch einer Stellungnahme gegen die Sozialdemokratie unternommen hat.

Die Herren von der Rechten sind des Philosophen von

Herr v. Dusch   als Sozialistentöter.

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Das gleiche fann man leider von der Mehrheit der höheren Boftbeamten, unter denen viele Reserveoffiziere sind, nicht sagen. Viele haben ganz offen ihrem liberalen Empfinden nach jung­liberaler Kölner   Art Ausdruck gegeben und aus Zentrumshaß den Sieg der Sozialdemokratie als wünschens­wert bezeichnet. Andere haben sich durch mittlere Beamte der eigenen Verwaltung mehrmals bitten lassen, ihrer Wahlpflicht zu genügen, und find dann, soweit bis jest festgestellt, teilweise doch nicht zur Wahl gegangen. Andere freilich hatten's auch eilig; sie gingen und wählten= nicht Trimborn.

Aus diesen Mitteilungen geht deutlich hervor, daß die Schwar­

zen eine förmliche Ueberwachung der höheren Postbeamten organi­siert haben müssen. Sonst flagt man darüber, daß die Wähler

durch vorgesetzte höhere Beamte in ihrer Wahlfreiheit be­einträchtigt werden; in Köln   machen es die Schwarzen umgekehrt. Die feigen Denunziationen der Zentrumspresse zeigen, auf welchen In der heutigen Sigung der badischen Zweiten Kammer, jittlichen Tiefstand die Ultramontanen gesunken sind. Nach in der die Debatte über die Finanzlage Badens fortgesetzt den Erfahrungen der eben beendeten Reichstagswahlkämpfe darf wurde, ergriff Staatsminister Freiherr v. Dusch   die Gelegen- man sagen: Es gibt keine Niedertracht, deren die Klerikalen im heit, um eine wohlvorbereitete Rede über die Staatsgefähr Kampfe mit ihren Gegnern nicht fähig wären! lichkeit der Sozialdemokratie und die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses der bürgerlichen Parteien vom Stapel zu lassen. Nach der Meldung des Wolffschen Telegr. Bureaus fagte er:

Die badische Regierung sei immer für die Erbschaftssteuer eingetreten und werde auch in Zukunft für sie eintreten. Was ein patriotisches Zusammenarbeiten der Gostaldemokratie mit den anderen Parteien im Reichstage anbelange, so seien seine Hoff­nungen auf das geringste Maß beschränft. Sich über die Sammlungspolitik luftig zu machen, sei die heutige Zeit nicht angetan. Dieje Sammlungspolitik werde aber tommen, da die Sozialdemokratie wie bisher so auch fünftig in vaterländischen Fragen versagen werde. Jm legten Sommer, als es sich um die

Demokratische Vereinigung  .

Auf dem am Sonntag zu Köln   stattgefundenen Parteitag des Demokratischen Verbandes für Westdeutsch­I and, der von annähernd 60 Delegierten aus allen Teilen West­deutschlands besucht war, wurde folgende Resolution beschlossen:

" Der Westdeutiche Parteitag der Demokratischen Vereinigung erachtet den Fortbestand einer selbständigen demokratischen Dr­ganisation für eine politische Notwendigkeit. Er würde es für berfehlt halten, auf Grund einer bielleicht ganz vorübergehenden politischen Konstellation eine Tätigkeit einzustellen, die schon bisher manche Erfolge in der Richtung der Demokratifierung der Wähler­fchaft gezeitigt hat und auch für die Zukunft unentbehrlich er scheint.