Einzelbild herunterladen
 

Wettere Wahlproteste. Der Reichsverbandsgeneral v. Liebert wurde im sächsischen Reichstagswahlkreise Borna mit zwei Dutzend Stimmen Mehrheit gewählt. Da schwere Wahlbeeinflusiungen vorgekommen sein sollen. ist nach einer Meldung aus Borna gegen die Wahl Protest eingelegt worden. Im Wahlkreise Kosel-Großstrehlitz wollen die Polen gegen die Wahl des fürstbischöflichen Kommissarius Glowatzki wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten Einspruch erheben. In Kattowitz -Zabrze werden die Sozialdemo- k r a t e n die Wahl deS Polen Sosinski anfechten. In Löwenberg beabsichtigen die K o n s e r v a t i v e n gegen die Wahl des fortschrittlichen Rektors K o p s ch Protest einzulegen. Gegen die S ch w e tz e r Stichwahl protestieren die Polen . Nach polnischen Blättern erkannte der Minister die Berechtigung der schon gemeldeten polnischen Beschwerde über die Feststellung der Hauptwahl an. Danach wäre Saß-Jaworski gewählt gewesen und die Stichwahl ungültig. Der Ministerbcscheid traf aber ver« spätet ein. Tersozialdemokratische Kandidat" Schulze über Junker und Pfaffen. In Grimma (Sachsen ) so erzählt jetzt fast die ganze bürger- liche Presse ihren gläubigen Lesern soll dersozialdemokratische Kandidat Schulze" seine Rede mit den Worten geschlossen haben: Darum sage ich Euch, Genosien, es wird nicht eher besser in der Welt, ehe wir nicht loskommen von dem Drucke der Junker und Pfaffen". Diesen Worten sei donnernder Beifall ge- folgt und derGenosse" Schulze habe sich mit siegesbewußtem Lächeln gesetzt. Daran wäre ja an sich nichts Verwunderliches. Aber so wird dann weiter erzählt nun habe Schulze von dem an- wesenden Pfarrer L. eine gründliche Abfuhr erhalten. Dieser habe u. a. gesagt: .. Aber die Pfaffen! Ich gehöre ja selbst zu dieser verwerflichen Menschenklasse. Und da muß ich leider mit dem Geständnis beginnen:.Ich habe Herrn Schulze auch ge- drückt!" AllgemeinesAha" IJa. ich habe ihn wiederholt gedrückt", fuhr L. unbeirrt fort.Es sind nun vier Jahre her, da starb seine Frau. Ich habe ihr damals die Grabrede ge- halten, und da mir das Herz warm war, auch dem betrübten Gatten in herzlicher Teilnahme die Hand gedrückt. Das ivar der erste Druck! Danach über eine Zeit hörte ich. daß Herr Schulze wegen sozialistischer Umtriebe aus der Arbeit entlassen sei und nun mit seinen armen Würmern in arge Not geraten sei. Da bin ich wieder zu ihm gegangen und habe ihm damals die Hand gedrückt und auch etwas in die Hand, soweit meine Kräfte reichten. Das war der zweite Druck. Und vier Wochen nachher klopfte es an meine Tür, und herein trat Herr Schulze und bat, ob ich nicht ein gutes Wort für ihn einlegen wolle bei dem Herrn, daß er wieder in Arbeit komme. Da habe ich ihm damals die Hand gedrückt und versprochen, daß ich es versuchen wolle. Und ich freute mich, daß er auf meine Befürwortung wieder angenommen worden ist. Das war der dritte Druck!- Und darum, meine Herren, stehe ich heute als armer Sünder vor dem Herrn Schulze und mich Ihnen allen gestehen:Ich habe wiederhast gedrückt!" Nach diesen Worten war derGenosie" Schulze tatsächlich etwasgedrückt": das-u-xumenttim eck Korninom hatte seine Wirkung nicht verfehlt." Diese alberne Notiz ist von A bis Z erlogen. Der Kandidat für den 11. sächsischen Wahlkreis, wozu Grimma gehört, ist nicht Schulze, sondern Genosse Lipinski- Leipzig. DeS ferneren können wir nach den an Ort und Stelle eingezogenen Erkundigungen noch folgendes hinzufügen: Wenn es in einigen Blättern heißt Agitator" Schulze oderRedner" Schulze, so trifft auch das nicht zu. Während des ganzen Wahlkampfes hat nicht ein einziger Referent mit Namen Schulze gesprochen, eben- sowenig ein Debatteredner'Schulze. Die ganze Notiz ist uralt; dieses Märchen machte schon einmal die Runde durch die Presse zu der Zeit, als die Pastor Hülleschen Schriften noch benutzt wurden, die Sozialdemokratie totzuschlagen. Allerlei von der Militärjustiz. Vor dem Kriegsgericht in Trier wurden am 22. drei Fälle verhandelt, die unsere schöne Militärjustiz prächtig charakterisieren: Nr. 1. Vor einigen Wochen kam in eine Wirtschaft in Trier , in welcher viel Soldaten verkehren, ein Musketier vom Infanterie- regiment Nr. 161 in schwer angetrunkenem Zustande und machte allerlei dumme politische Bemerkungen. In seiner Trunkenheit ließ er sich auch zu einigen unflätigen Bemerkungen über den Kaiser hinreißen, ohne die Tragweite seiner Aeußerungen zu über- sehen. Ta er sang und tobte; wurde die Polizei aufmerksam. Sie benachrichtigte die Patrouille, und der Betrunkene wurde verhaftet. Am 22. Januar hatte er sich tvegen dieser Taten zu verantworten. Die Verhandlung wurde unter strengstem Ausschluß der Ocffentlichkeit geführt und nur die Bekanntgabe des Urteils geschah öffentlich. Das Urteil lautet auf 3 Jahre Gefängnis. Nr. 2. Ein Artillerist vom 41-. Nrtillcrieregimcnt hatte sich eines Nachts an einen Kameraden, der Wachtdienst hatte, ver- griffen und ihn beleidigt. Wie in der Verhandlung festgestellt wurde, hatte er ihn nur an der Schulter berührt. Trotzdem folgen- des Urteil: 2 Jahre und 14 Tage Gefängnis wegen tat- l i ch e n Angriffs auf einen Vorgesetzten. Im schärfsten Gegensatz zur unerMttlichen Strenge dieser Urteile steht das Urteil Nr. 3: Zwei Sergeanten vom Infanterieregiment Nr. 36 waren angeklagt der Mißhandlung bezw. der unvorschriftsmäßigen Be- Handlung von Untergebenen. Ter eine Sergeant wurde frei- gesprochen, der andere erhielt sieben Tage Mittelarrest. Noch milder als das Kriegsgericht in Trier urteilt manchmal bas Kriegsgericht der 26. Division in Hannover . Unter der schweren Anklage des tätlichen Angriffes gegen einen Vorgesetzten, der Beleidigung von Vorgesetzten und der An- maßung von Besehlsbefugnissen,' begangen vor versammelter Mann- schaft, stand der aus P a s e w a I k gebürtige Leutnant Schilling vom Hannoverschen Trainbataillon Nr. 16 vor dem genannten Kriegsgericht. Ter Anklage lagen Ausschreitungen zugrunde, die sich der Angeklagte in angetrunkenem Zustande gegen den Wacht- habenden und die Mannschaften der hiesigen Traindepotwache zu- schulden kommen ließ. Nach mehrstündiger unter Ausschluß der Oeffcntlichkeit geführter Verhandlung wurde der vom Rechtsanwalt B o j u n g a verteidigte Angeklagte, gegen den der Vertreter der Anklage unter Berücksichtigung mildernder Umstände 2 Jahre 2 Monate Festungshaft und Dienstentlassung be- antragt hatte, nur wegen Anmaßung von Befchlsbefugnissen zu acht Tagen Stubenarrest verurteilt. Für die Verkündigung der Urteilsgründe wurde wiederum die Oeffentlichkeit ausgeschlossen und eine äußerst seltene Maßnahme auch die Entfernung der militärischen Zeugen, sogar der Offiziiere, angeordnet Oeftemich. Politik und Geschäft. Zu diesen: unerschöpflichen Kapitel liefert nun gerade daS Sterben einer Partei die inhaltreichsten Beiträge, einer Partei, die durch den Kampf gegen die Korruption groß geworden ist: die Wiener C h r i st l i ch s o z i a l e n. Die Verhandlungen des von ihnen beherrschten niederösterreichischen Landtags sind jetzt ganz erfüllt von dem Gestank des aufgewühlten Schlamms der chrisilichsozialcn Wirtschaft in Stadt und Land. Soeben ist folgendes klargestellt worden: Das im Etat der elektrischen Landesbahn Wien Preßburg vorgesehene elektrische Kraftwerk für 1,8 Mil- lionen Tonnen wird nicht gebaut. die Summe wird aber nicht verringert.... Nun erzählt der Chef der Landeseisenbahnen, Landesausschuß Sturm. daß eine Firma, die sich um den Bau bewarb, sich erbot, für den(christtichsozialen) Wahlfonds einen wesentlich höheren Betrag als 166 666 Kronen (wohl eine Viertelmillion!!) zu widmen, ein anderer Unternehmer bot das gleiche, wenn ihm daS Land Aktien für 1 1S6666 Kronen abkaufe! Wie sehr müssen die Kontrahenten der christlichsozialen Verwaltungen die Kontributionen für denWahlfonds" schon ge- wohnt sein, wenn sie das schon förmlich als Geschäftsusance üben! Natürlich muß der Käufer, also das Land oder die Gemeinde diesen Betrag selbst wieder, in Form eines erhöhten Preises zahlen und so wandern öffentliche Gelder indirekt, aber sicher in die Parteikasse. Und das Fazit? Wohl hat Sturm, wie er sich rühmt, diese Bieter von der Vergebung der Lieferung ausgeschlossen, aber item: Der Bau kommt schließlich doch um eine Million höher zu stehen, als ursprünglich berechnet war- Kein Wunder, wenn ganz Wien in dem Kauf des Zillings- dorfer Braunkohlenwerks, das noch vor kurzem für 9/t Millionen zu haben war, von der Stadt aber für!>/« Millionen erworben wird, dunkleWahlfondS"-Geschäfte sieht. Die Christlich - sozialen wissen schon, warum sie aus den nichtöffentlichen geschäfts­führenden Ausschüssen der Stadt und des Landes, aus dem Stadtrat und dem Landesausschuß jeden Oppositionellen un- bedingt fernhalten! COrkei. Die Reformen des neuen Regimes. Genosse P a r v u s schreibt uns aus Konstantinopel : Nach einem kurzen Anlauf ist das Reformwerk der jungen Türkei eingeschlafen� oder vielmehr es geriet auf ein totes Geleise. Vielleicht werden jetzt die Wahlen einen Impuls gebem um das Reich aus der Lethargie herauszureißen. Sicher ist, daß von überall her der Wunsch und Drang nach Reformen sich vernehmen läßt. Sieht man sich nun nach dem, während der letzten Jahre in der Türkei vollzogenen Reformwerk um, so wird man vor allem auf die Eisenbahnbaulen aufmerksam. Das ist in diesem Augen- blick unzweifelhaft das wichtigste Problem des Landes. Es sind unter dem neuen Regime für 2677 Kilometer Eisenbahnbautcn ver- geben worden, die größtenteils bereits im Bau begriffen sind, während für 1436 Kilometer Vorverträge geschloffen worden sind. Es werden Verhandlungen geführt über eine Reihe großer und kleiner Eisenbahnprojekte, die sich zusammen auf über 16 666 Kilo- meter belaufen. Die Ausführung dieser Pläne ist nicht durch den mangelnden, Reformcifer-der Regierung oder des Parlaments, sondern durch die Rivalität der Großmächte, die Intrigen der Hoch- finanz, den Krieg und die Finanznvt des Landes verhindert worden. Verträge wurden abgeschlossen zum Bau von 16 666 Kilometer Chausseen, was bei dem völligen Mangel an Landstraßen, nicht nur in der asiatischen, sondern auch in der europäischen Türkei , von großer Bedeutung ist. Große Jrrigations- und Drainagearbeiten sind in Mesopotamien und an anderen Orten in Angriff genommen worden. Da alle diese großen Arbeiten, die erst die Grundlage für die wirtschaftliche Erschließung des Landes bilden sollten, durch die Finanznot in engen Schranken gehalten werden, so war offenbar der Reform der Finanzen die größte Aufmerksamkeit zuzu- wenden. Wer nun den verwahrlosten Zustand studiert hat, in dem das parlamentarische Regime die Finanzen der Türkei vorfand, wird zugeben müssen� daß auf diesem Gebiete nicht unbedeutendes geleistet wurde. Es wird von allen Kennern anerkannt, daß daS parlamen­tarische Regime Ordnung in die alten verlotterten Verhältnisse gebracht und ein soviel wie möglich klares Staatsbudget zusammen- gestellt hat. Um dies zu erreichen, mußten erst viele persönliche Aenderunge* sowohl in der Finanzverwaltung wie in der all- gemeinen Administration vorgenommen werden. Man führte auch einige Ersparnisse durch Vor allem wurde die Zivilliste nebst Prinzenapanagen fast um die Hälfte vermindert, von 962116 türkischen Pfunden auf 493 646; auch die Gehälter der Minister und sonstiger hohen Beamten wurden reduziert. Im ganzen wurde dadurch eine Ersparnis von 719 953 türkischen Pfund oder 16'A Millionen Frank jährlich erzielt. Im allgemeinen ist freilich das Ausgabebudget gestiegen und mußte auch steigen, da Reformen Geld kosten. In absoluten Zahlen hat der Militarismus weitaus das meiste geschluckt. Daß man in bezug auf die militärischen Ausgaben Umkehr halten und Ersparnisse vornehmen möchte, hat der Kon- flikt mit dem Kricgsminister gezeigt. Das muß und soll, unbeschadet der Kritik, die wir an dem jungtürkischcn Komitee zu üben haben, anerkannt werden. Das alles geschah aber fast ausschließlich im ersten Ansturm der Revo- lution. Seitdem ist man nicht kühner, sondern vorsichtiger gewor- den und man ist bereits hinter die Rcformpläne zurückgewichen, die man selbst im Anfang in Ausficht genommen. Das bezieht sich besonders auf die S t e u e r r e f o r m. Man, erklärte feierlich, die furchtbaren Abgaben, die jetzt das Bauerntum bedrücken, aufheben zu wollen. Jetzt denkt man nicht mehr daran. Und doch liegt hier die Wurzel aller Uebel: der wirtschaftlichen Stagnation, der poli- tischen und kulturellen Rückständigkeit, der ewigen Unruhen und Bandenkämpfe nebst dem Ränkespiel und der Emissarcntätigkcit der ausländischen Diplomatie. Ohne Agrarreform kann es keine moderne Türkei geben, und die Agrarreform ist unmöglich ohne Steuerreform. Der krieg. Jtalicnfeindliche Stimmung in Tunis . Paris, 36. Januar. Der bisher Italien sehr freundlich gesinnte Matin" veröffentlicht einen Artikel seines Sonderberichterstatters in Tunis , der behauptet, die in Tunis lebenden 8666 Italiener hofften, daß es ihnen gelingen werde, den Haß der Araber auf die Franzosen zu lenken und dadurch in einem gegebenen Augenblick in den Besitz des Landes gelangen zu können. Die Franzosen hätten die vorgestrige antiitalienische Kundgebung vor der Generalresident- schaft nur veranstaltet, weil sie wußten, daß der geringste Funke eine das ganze Land bedrohende Feuersbrunst verursachen könnte, und daß es leichter sei, einem Aufruhr vorzubeugen, als ihn zu unterdrücken. Offiziere unter den 29 Türken derMannba". Paris, 36. Januar. Nach einer Zeitungsmeldung aus Mar- seilte hätten die französischen Behörden die Ueberzeugung ge­wonnen. daß sich unter den 29 türkischen Reisenden derManuba" in der Tat mehrere Offiziere befänden, namentlich seien vier oder fünf der angeblichen Krankenwärter Offiziere, darunter zwei Genie- ofstziere. Allerdings werde die angeordnete Untersuchung kaum eine sichere Feststellung gestatten, da die seit längerer Zeit ausgestellten Papiere der türkischen Reisenden von den Konstantinopeler Behörden und verschiedenen türkischen Konsulaten legalisiert seien. In Cagliari sei zwar angeblich bei einem Türien ein Brief ge- funden worden, als deffen Empfänger ein Genieoffizier bezeichnet worden war, doch hätten die Türken erklärt, daß er keinem von ihnen gehöre. Kämpfe bei Tobronk. Rom , 36. Januar. Wie au" T o b r o u k beriibtet wird, unter- nahmen gestern die vereinigten türkischen und arabischen Streitkräfte einen Angriff auf daS italienische Lager und versuchten, durch ein lebhaftes Gewehrfeuer die Italiener zum Rückzüge zu bewegen. Diese wiesen jedoch den Angriff durch ein starkes Geschützfeuer, dem die vereinigten Truppen nicht Stand zu halten vermochten, zurück. Noch mehrmals versuchten die Türken und Araber, die italienischen Stellungen zu nehmen, wurden indessen auf der ganzen Linie zurück- geschlagen._ Die Iiievolution in China . Bor der Entscheidung. Peking . 29. Januar. (Meldung deS Reuterfchen Bureaus.) Die Revolutionäre sind in Peking sehr rührig. Nordchina befindet sich in einem Zustand akuter Spannung, da das Volk die Abdankung der Dynastie morgen erwartet. Die endlosen Verhandlungen wurden in einer aufgeregten Versammlung der Mandschn- Prinzen und Mongolen-Fürsten im Palast wieder aufgenommen, hatten aber kein Ergebnis. Es waren besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Später wurden die Verbandlungen in der Nähe der Wohnung Juanschikais fortgesetzt. Die Friedensverhandlungen dauern fort, obwohl der Waffenstillstand offiziell nicht erneuert worden ist. Flottenaktion der Japaner. Peking , 36. Januar. Die japanische Flotte ist in Poxt Arthur angekommen. Man glaubt, daß sie die Absicht verfolgt, die Bewegungen der revolutionären chinesischen Flotte in Tschifu zu überwachen. 3666 kaiserliche Truppen befinden sich ans dem An- marsch nach Tschifu . das südlich von Peking gelegen ist. 25 666 Sol- baten der Revolutionsarmee rücken an der Tientsinbahn vor. Hu 9 der partei- Alexander Jonas f. New Jork , 30. Januar. (Privattelegranrm deSVorwärts"). Jonas gestorben.VolkSzeitung". Alexander Jonas ist Ende der dreißiger Jahre als der Sohn eines Berliner Kaufmanns geboren und wandte sich schon frühzeitig der politischen Bewegung zu. Als Anhänger des linken Flügels der bürgerlichen Demokratie finden wir ihn' anfangs der sechziger Jahre in reger politischer Tätigkeit. Sein? Intelligenz und nicht gewöhnliche Rednergabe verschafften ihn, einen hervorragenden Platz in der damaligen Bewegung der demokratischen Bezirks» vereine Berlins . Verluste, die er als Inhaber einer Buchhandlung erlitt, führten zu deren Zusammenbruch und nötigten ihn, etwa um daS Jahr 1865 sich in Amerika eine Existenz zu suchen. Drüben entwickelte er sich zum Sozialdemokraten und wurde für die unter schwierigsten Verhältnissen kämpfende sozialdemokra- tische Bewegung in den Vereinigten Staaten eiuer der wertvollsten Vorkämpfer, zumal er auch mit der Zeit die englische Sprache rednerisch zu meistem gelernt hatte. Er war, wenn nicht der Be- gründer, so doch einer der ersten Redakteure unseres dortigen Bruderorgans, derNew Uorker Volkszeitung". Zusammen mit Alexander Schewitsch, dem jüngst ver- storbencn Gatten der H e l e n e D ö n n i g e S, hat Jonas lange Jahre dieses Blatt mit großer Umsicht und Tatkraft durch alle Schwierigkeiten hindurch geleitet, die sich drüben einem sozial- demokratischen Tageblatt entgegenstellten. Der temperamentvolle Russe, den sein revolutionäres Feuer leicht weiter als gut über die prosaischen Wirklichkeiten hinwegtrug, fand in dem besonnenen Deutschen eine vortreffliche Ergänzung. Die Freundschaft zwischen Jonas und dem Ehepaar Schewitsch war eine sehr herzliche und hat auch die Zeit über angehalten, wo Schewitsch und Frau in Europa lebten. Jonas selbst hat wiederholt Europa besucht und sich dadurch über Wesen und Stand unserer Partei in Deutschland unmittelbar unterrichtet. Er hatte einen starken Sinn für das Tatsächliche, der sich bei ihm glücklich mit der Fähigkeit abstrakten Denkens einte. Zeugnis davon legt unter anderem seine kleine Propaganda- broschüreReporter und Sozialist" ab, die er Mitte der achtziger Jahre verfaßte. Wie er ein liebenswürdiger Kollege war, so war er auch ein hilfsbereiter Parteigenosse. Als 1888 der Schweizer Bundes- rat den Stab des Züricher Soizaldemokrat" aus der Schweiz auswies und einer der Ausgewiesenen, Genosse Hermann Schlü» t c r, sich nach New Uork wandte, bot ihm Jonas sofort an, sich mit ihm in der Führung der Redaktion des Blattes zu teile». Später nötigte ihn Kränklichkeit, sich ganz der Redaktionsarbeit zu enthalten. Aber wie er nie aufhörte, mit der Partei und ihrer Organisation selbst in lebendiger Verbindung zu bleiben, so blieben auch seine Beziehungen zum Blatt durchaus intim, und in den letzten Jahren hat er dann wieder ihm seine Feder gewidmer. Ein treuer Kamerad und klarblickender Geist ist mit ihm dahingegangen, er hat das tragische Ende des Ehepaars Schewitsch nicht lange überlebt. Auf dornigem Feld, wo kaum Ehren zu ernten waren, hat er Jahrzehnte unermüdlich gewirkt. Wenn Amerika jetzt eine sozialdemokratische Bewegung hat, so hat kein Zweiter mehr und eindringlicher dazu beigetragen, als Alexander Jonas. Ed. B. Noch ein Parteiveteran dahingegangen. Am 27. Januar ver- starb als ältester Genosse der bremischen Sozialdemo. k r a t i e der Parteigenosse Heinrich V o ß ,m Alter von 89 J a h r e n. Geboren in Rethem a. d. Aller kam er als Fünfzehn» jähriger nach Bremen , erlernte hier die Kistcnmacherci und nahm an der Bewegung des Jahres 1848 vollen Anteil. Während der Zeit des Sozialistengesetzes wurde in seiner Wirtschaft in der Wcizenkampstraße manche geheime Zusammenkunft der Genossen ab- gehalten. Ebenso wurde von seinem Lokal aps die Verbreitung des ZüricherSozialdemokrat" bewerkstelligt. Im Jahre 1385 wurde in seinem Lokal die noch bestehende Organisation der Kistenmacher gegründet, die ihn dann im folgenden Jahre zum Beisitzer des Gewcrbegerichts wählte, welches Amt er volle 12 Jahre innegehabt hat, bis ihn sein hohes Alter dazu zwang, sich von der politischen Lausbahn zurückzuziehen. Sein Interesse an unserer Sache be- zeugte er noch dadurch, daß er noch 3 Wochen vor seinem Tode dem Verlauf der Reichstagswahlen M größter Spannung entgegensah. Ehre seinem Andenken!