tHeam, Um Praf. Schinncam, Uz LettartMer der„Areuz-Zeitung", noch kürzlich attestiert hat, seine finanzpolitische Tätigkeit in den Philippinen und in Kuba beweise, dast er der Mann sei, um die persischen Finanzen energisch zu sanieren, einen unwissenden, gross« annsüchtigen, verlaufenen Amerikaner. Von besonderem Interesse ist, wie da? Junkerblatt die Hunnenpolitik Rußlands in Perfien beschönigt. Russland habe— so schreibt es— seine wertvollen„Vorteile" in Persien gegen grosse Geldopfer in Form von Anleihen„ehrlich erworben", und habe sich 1907 mit England und 1911 mit Deutschland über Persien verständigt. Großmächte, wie Rußland , England und Deutschland , ließen sich nicht von irgendeinem verlaufenen Amerikaner um die„Früchte ihrer Politik" bringen, die sie„nach geduldiger und kostspieliger Arbeit langsam reifen sehen". Diese Tirade charakterisiert auf die trefflichste Art die Hottentottenmoral, die für die imperialistische Politik Deutschlands wie aller kapitalistischen Staaten als oberster Grund- s<ch gilt._ politifcbe GebcrHcbt Berlin , den 1. Februar 1912. Die Verteilung der PrSfidentenposte«». Die bürgerliche Presse beschäftigt sich mit der Frage der Reichstagspräsidentenwahl in einer so nervösen, aufdring- lichen Weise, als handele es sich um die wichtigste politische Aktion der Gegenwart. Mit Aufgebot alles Kombinations- Vermögens wird erörtert, auf welchen Präsidentensitz die Sozialdemokratie Anspruch erheben werde, welche Person sie aufstellen resp. vorschlagen könnte, ob man dieser auch ge- statten werde, zu Hofe zu gehen usw. Wir haben bisher der- mieden, auf diese müssigen Kombinationen zu antworten, und ebenso die grosse Mehrheit unserer Parteiblätter im Reiche. Wenn die Gegner darauf gerechnet haben, wie aus einigen Aeußerungen ziemlich deutlich hervorgeht, schon die sogenannte Präsidentschaftsfrage werde zu einem Konflikt zwischen Ra- dikalen und Revisionisten führen, dürften sie sich irren. So wichtig erscheint niemandem in der ganzen Partei die Saclie, dass er deshalb einen inneren Streit heraufbeschwören möchte. Immerhin ist nicht uninteressant, zu beobachten, welche Versuche die Zentrumsparteiler wie die Nationalliberalen machen, einen entscheidenden Einfluss auf das künftige Reichs- tagspräsidium zu erlangen. So sucht die„Kölnische Volks- zeitung" die Nationalliberalen zu überreden, mit dem Zentrum und.den Konservativen eine Art Arbeitsgemeinschaft zu bilden, indem sie für diesen Fall den Nationalliberalen einen guten Sitz im ReichstagSpräsidium in Aussicht stellen. Das leitende rheinische Zentrumsblatt schreibt nämlich: „Daraus folgt: ein brauchbares und dauerhaftes Präsidium ist nur möglich, wenn sich eine Mehrheit der positiven Arbeit bildet. Und diese positive Mehrheit ist in genügender Stärke vorhanden, wenn nur ein Teil der nationalliberalen Fraktion den Entschluß kundgibt: Wir wollen mitarbeiten an den nationalen Aufgaben, statt hinter der internationalen Um- sturzpartei als Schleppenträger einherzutrotten! Bildet sich eine Arbeitsmehrheit aus Konservativen, Zentrums- leuten und Nationalliberalen, so werden die beteiligten Fraktionen unter sich auszumachen haben, welche Persönlich- keiten auf den ersten, zweiten und dritten l Posten berufen werden sollen. DaS Zentrum ist heute die weitaus stärkste unter den positiven Parteien; aber das war es schon seit Jahren. Es hat den ersten Präsidenren gestellt, wenn e» die Verhältnisse forderten, aber e» hatauch auf die erste Stelle verzichtet, wenn da» aus irgendeinem Grunde zweckmässig erschien. „Grundsätze" für die Verteilung der Präsidentenstellen gibt es nach der wechseldollen Praxis im Reichstage nicht mehr. ES ist eine ZwcckmäßigkeitSfrage geworden. Tie arbeitswillige Mehr- heit ordnet die Sache so, wie eS unter den obwaltenden Ver- Hältnissen für die Würde und für die Fruchtbarkeit der Ver- Handlungen am vorteilhaftesten erscheint. Sollte aber Herr Bassermann eine Verständigung mit den Nationalliberalen ver» eiteln, so kann man ja die Grossblockpolitik im eigenen Fett schmoren lassen. Dann mag die angeblich siegreiche Linke einmal zeigen, was sie leisten kann. Arbeitspräsidium oder Blockpräsidium: daS ist das Ent- weder— Oder." Und solche Liebeswerbung stößt keineswegs, wie man an- nehmen sollte, in der ganzen nationalliberalen Presse auf Ab- lehnung. Ein Teil der Rcchtsliberalen zeigt bereits eine starke Neigung, wie einst in den Zeiten vor dem Bülowblock mit dem Zentrum und den Konservativen zu paktieren. So schreibt beispielsweise die„Magdeburger Zeitung": „Man will mit Gewalt— und die Konservativen wie da» Zentrum helfen indirekt dabei mit— ein Grossblockpräsidium konstruieren, da» äußerlich den Charakter des neuen Reichstags abspiegeln soll. Zu einrr solchen politischen Demonstration werden sich jedoch die National» liberalen, so glauben wir bestimmt, unter keinen Umständen bereit finden lassen. Und auch der naheliegende Vergleich mit dem Blockpräsidium des Jahres 1997 hinkt auf beiden Füssen . Denn damals handelte es sich um eine Arbeitsmehrheit, hier aber lediglich um eine Zahlenmehrheit, die noch dazu so brüchig ist, daß sie unter dem leisesten Windhauch schon zusammenfallen kann. Nehmen wir selbst den günstigsten Fall an. daß eS der Linken gelingt, ihr Präsidium mit einer Majorität von drei oder vier Stimmen durchzudrücken, so würde die Leitung tagtäglich von Zufallsabstimmungen abhängig sein, die morgen schon die Mehrheit von heute in eine Minderheit verwandeln könnten. Wodurch naturgemäß eine ver- nünftige Führung der Geschäfte de» Hause» ein Ding der Un- Möglichkeit würde und dazu die Hände zu bieten, haben, wie ge- sagt, die Nationalliberalen, die doch positiv mitarbeiten wollen, nicht die geringste Veranlassung. Mit einem Grossblockpräsidium also ist eS nichts. Und da auf der anderen Seite ebensowenig Neigung vorhanden sein dürfte, da» alte Präsidium einfach fortbestehen zu lassen, so bleibt nicht» anderes übrig, als zu der alten guten Gewohnheit zurückzukehren, die Präsidenten au» den stärksten Fraktionen zu nehmen.... TaS würde bei dem üblichen Vorbehalt Hinsicht- lich der Sozialdemokraten ein ultramontan-nationalliberal- sozialdemokratische» Präsidium bedeuten, wobei eine nähere Ver- ständigung darüber zu treffen wäre, wer den ersten Präsidenten zu stellen hat. Sollten die Sozialdemokraten die obenerwähnten Verpflichtungen nicht übernehmen, so würden sie au» jeder Kombination ausscheiden und an ihre Stelle die nächststärkste Fraktion zu treten hoben. Welche das ist. ist noch nicht sicher."__ Militärischer Treueid und Beamteueid. AI » im Wahlkampfe die Zentrumspresse sich die Deduktionen der vlätter vom Schlage der„Kreuzztg." und der»Rordd. Allgem. Ztg." aneignet« und verkündete, dass der Diensteid der Beamten' diese verpflichte, sich völlig in den Dienst der jeweiligen Regierungs- Politik zu stellen und unbedingt ihre Stimmen gegen die„Vater- landslose" Sozialdemokratie abzugeben, ist von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen worden, dass nach der katholischen Moral- theologie der Bruch eines Treueids nicht nur erlaubt ist, wenn der- jenige, der diesen Eid abgelegt hat, in der Befolgung des Eides eine ernstliche Gefahr für sein Seelenheil erblickt, sondern auch, wenn er zu solchem Eid in ungerechter Weise gezwungen worden sei. Besonders wurde auf die Morallehren des als anerkannte Autorität auf diesem Gebiete geltenden Jesuiten Lehmkuhl hinge- wiesen, der z. B. die Fahnenflucht eines vereideten Soldaten für gestattet erklärt, wenn dieser entweder durch die Schuld eines Offi- ziers ernster Gefährdung seines Seelenheils ausgesetzt werde, oder wenn er in ungerechter Weise zum Heeresdienst gezwungen worden sei. Die„Germania " hat mit der ihr eigenen Wahrheitsliebe be- stritten, dass Lehmkuhl diese Lehre aufgestellt hat. Tatsächlich heißt «S aber in dessen„Moral-Theologie", 11. Aufl., Freiburg 1910, I. Bd.. S. 568: „Wird einem Soldaten etwa» zu tun befohlen, was so wahr. scheinlich ungerecht ist, daß er den Gehorsam verleugnen kann. oder wird er durch die Schuld eines Offizier» derartigen Ge fahren für fein Seelenheil ausgesetzt, daß es für ihn eher Pflicht wäre, zu desertieren, als die nächste Gelegen- heit zur Sünde zu verlängern, so würde ihn sein Treu- eid nicht hindern, den Heeresdienst verlassen zu können oder auch je nach den Umständen ver- lassen zu müssen. Ja, wenn jemand zum Militärdienst gezwungen worden ist muß zugesehen werden, ob der Zwang ein gerechter sei, oder ob wegen des ungerechten Zwanges der Treueid nichtig würde, oder ob eine gerechte Ursache, sei es zur Restriktion, sei eS zur Fiktion beider Eidesleistungen angetrieben habe." Aehnlich äußern sich andere katholische Moraltheologen. Man sieht, was das verlogene Geschwätz über die unbedingt« Verpflich- tung des Beamten und Soldaten zur Einhaltung des sogen.„Treu- eids" wert ist._ Reichstagseröffnung. DaS Reichsamt des Innern veröffentlicht folgende Bekannt- machuno: Mit Bezugnahme auf die in Nr. 6 des Reichsgesetzblattes verkündete Kaiserliche Verordnung vom 22. Januar 1912, durch welche der Reichstag berufen ist, an: 7. Februar 1912 in Berlin zusammenzutreten, wird hierdurch bekannt gemacht, daß die Er- öffnung deS Reichstages an diesem Tage um 12 Uhr vormittags im Weißen Saale des hiesigen königlichen Schlosses stattfinden wird. Zuvor wird ein Gottesdienst, und zwar für die Mitglieder der evangelischen Kirche in der Schloßkapelle um 11 Uhr, für die Mitglieder der katholischen Kirche in der St. Hedwigskirche um 11'/, Uhr abgehalten werden. Die weiteren Mitteilungen über die Eröffnungssitzung erfolgen im Bureau des Reichstags am 6. Februar 1912 in den Stunden von 9 Uhr morgens bis 8 Uhr abends und am 7. Februar von 9 Uhr vormittags ab. In diesem Bureau werden auch alle sonst erforderlichen Mit- teilungen gemacht._ Klerikaler Boykott. In der overpfälzischen„Grenzztg." liest man folgende „Bekanntmachung. Wegen sozialistischer Umtriebe in unserem Stammlokal geben wir allen unseren Freunden kund, daß wir unser Stammlokal im Gasthof zur Post und bei Metzgermeister Hunger aufgeschlagen haben. Die Frühmeßbesucher der Pfarrei Bärnau und Umgebung". Die sozialistischen Umtriebe haben darin bestanden, daß der Wirt zum Schwarzen Bären, der früher der Sozialdemokratie sein Lokal verweigerte, dieser im Dezember seinen Saal zu einer Ver- sammlung zur Verfügung stellte. Dafür wird er jetzt von den frommen Zentrumsleuten boykottiert, die nicht genug über Terror!»- muS zetern können, wenn Sozialdemokraten einen Boykott lediglich zu dem Zweck verhängen, um sich die Gleichberechtigung mit anderen Parteien zu erzwingen. Oder ist es nicht ein viel schlimmerer TerroriSmuS, wenn man durch solche Mittel politische Gegner mund- tot zu machen sucht?_ lieber die Reichstagstvahlen in Elsaff-Lothringen veröffentlicht die amtliche„Straßburger Korrespondenz" einige a m t- liche Angaben. Danach waren im Lande 417 033 wahlberechttgte Personen vorhanden gegen 397 255 bei den ReichStagSwahlen von 1907. Beachtung verdient, daß die Zahl der Wahlberechtigten bei den nur zwei Monate vorher stattgefundenen Landtag»- wählen infolge der sogenannten Wohnsitzklausel um 39 000 oder 9.3 Pro z. geringer war al» bei der ReichStagSwahl: rund 10 Prozent der ReichStagSwähler werden also durch die mit der Spitze gegen die Arbeiterklasse gerichtete Wohnsitz- k l a u s e I bei den LandtagSwahlen politisch entrechtet. Bei den Landtagswahlen wählten 80,7 Proz. der Wahlberechtigten, bei den ReichStagSwahlen 85 Proz. Gültige Sttmmen wurden bei der ReichStagSwahl insgesamt 348 652 abgegeben, die sich auf die ver- schiedenen Parteien wie folgt verteilen: Elsaß-LothringischeS Zentrum 118 394 Sttmmen oder 34,0 Proz. Sozialdemokratie.... 110675„, 31,7, Liberal-Demokraten.... 67 880,, 19.5, Unabhängige Lothringer.. 86 856„, 10,4, Deutsche Reichspartei... 7 873„, 2,1„ Wilde......... 7 841„, 2.1. 627 Stimmen oder 0,2 Proz. waren zersplittert. Bei den LandtagSwahlen vom 22. Oktober 1911 hatte die Sozialdemokratie erhalten 71 476 Stimmen oder 23,8 Proz. Bei den ReichStagSwahlen von 1907 erzielte die Partei 81 589 Stimmen oder 23,7 Proz. der abgegebenen gültigen Stimmen, sie hat ihre Stimmenzahl sonach in den fünf Jahren um 29 086 oder 35.6 Proz. vermehrt. Angesichts der Bemühungen der reakttonären Presse, die S t i ch- Wahlparole der Liberalen Landespartei in Elsaß-Lothringen zugunsten der Sozialdemokratie gegen die reichsländische Regte- r u n g als das direkte oder mittelbare Produtt der Haltung der Regierung auszubeuten, verdient Beachtung, daß in Metz der Deutsche Kriegerbund am Stichwahltage durch Plakate vor der Abgabe sozialdemokratischer Sttmmzettel warnen ließ. Den Erfolg kennt man. Aber da» Beispiel zeigt, wie wenig von einem Drucke von oben zugunsten der sozialdemottatischen Stichwahl- kandidaten die Red« sein kann; denn die blindwütende Warnung vor der Unterstützung des Sozialdemokraten konnte in diesem Falle in der Person de» Stichwahlgegner» L a s o I g n e nur einem Mit- begründer des Elsaß-Lothringischen NattonalbundeS zugute kommen, der nicht nur, wie die Sozialdemokratie, die Ab- lehnung aller neuen Mlitär- und Marineausgaben, sondern für Elsaß-Lothringen auch den himmelschreienden Unsinn der Ablehnung jeder Vermehrung der Ausgaben überhaupt flo z. B. für die Schule) auf seine Fahne geschrieben hat. Tatsächlich marschierte in Metz der Deutsche Kriegerbund bei Ausgabe dieser Sttchwahlparole Arm in Arm mit dem berüchtigten„französischen Erbfeind"— denn der Kandidat Lasolgne war auch der Stichwahlkandidat der nattonalistischen französischen Bourgeoisie!... So ist'S in Wirklichkeit um die Unterstützung der Sozialdemokratte bei den Stichwahlen durch die Regierung von Elsaß-Lothringen und ihre treuesten Untergebenen bestellt I_ Freiherr v. Heyl vor fünf Jahren. Der als Reichstagsabgeordneter wiedergewählte Wormscr Lederkönig und Großgrundbesitzer Frhr . Heyl zu Herrnsheim sandte bekanntlich ein Danktelegramm an den Zentrumsführer Frhrn. v. Hertling für die ihm zuteil gewordene Zentrumswahlhilfe. Die „Wormser Volksztg." ist boshaft genug, daran zu erinnern, daß v. Heyl vor fünf Jahren dasselbe„patriotische" Zentrum als „vaterlandsfeindlich" bezeichnete. Am 5. Februar 1907 wurde Herr v. Heyl in der Stichwahl mit Hilfe von freisinnigen und sozialdemo- kratischen Wählern gegen den Zentrumskandidaten gewählt. Am Abend deS Stichwahltages sprach Herr v. Heyl in öffentlicher Ver- sammlung von einen« glänzenden Siege„über die vaterlandöfeind- lichen Gegner", über die Partei für„Wahrheit, Freiheit und Recht", der nur möglich gewesen sei durch das Eintreten„unserer links- liberalen Brüder für unsere Sache. Wir müssen nun den Versuch machen, die scharfe Trennung von den Linksliberalen zu über- brücken."— Derartige Wandlungen Bürgerlicher sind nicht» Neues; eS ist aber doch angebracht, sie zu registrieren. Trimborn bleibt dem Reichstag erhalte«. Der neue Wahlkreis für den Kölner Zentrumsführer Justiz- rat Trimborn ist bereits gefunden. LandgerichtSrat Dr. Becker- Köln, der seitherige Vertreter des Wahlkreises Siegburg -Waldbröl , hat sich bereit erklärt, zugunsten des Herrn Trimborn auf sein Mandat zu verzichten. Dr. Becker erhielt am 12. Januar in diesem kohlschwarzen Kreis 16 602 Stimmen. Auf einen„wilden" Zen- trumskandidaten entfielen 3132, auf drei andere Kandidaten zu- iammen 5900 Stimmen. Wenn die Leitung der Zentrumspartei dem Verzicht Beckers zustimmt, dann ist die Wahl TrimbornS ge- sichert._ Aus dem badischen Landtag. In einer scharfen Rede gab am Tonnerstag Genosse Frank seinem Mißtrauen gegen das Ministerium Ausdruck. Frank ver- las dann die durch Zentrumsblätter veröffentlichte Korrespondenz mit dem nationalliberalen Abg. Wittum, worin letzterer sich als Gegner deS Grohblocks bekannte und um die Wahlhilfe deS Zen- trums bat, wie sie ihm die Konservativen und der Bund der Land- Wirte bereits zugesagt hatten. Die Liberalen müßten unter diesen Umständen den Abg. Wittum zwingen, sein Mandat niederzulegen. Der nationalliberale Fraktionschef Abg. Rebmann lehnte ein der- artiges Vorgehen ab. Vorher nahm der StaatSminister v. Dusch Anlaß, die Solidarität des Gesamtministeriums zu betonen. Wieder ein Spionageprozest. Vor der hiesigen Strafkammer hatte sich der Polizeikommissar a. D. Emil Reich , geboren in Suhl , Kreis Schleusingen , wegen Spionage zu verantworten. Unter den geladenen Zeugen befand sich auch der vom Reichsgericht vor kurzem wegen Spionage zu 7 Jahren Zuchthaus verurteilte Schiffshändler Schulz.— Der Prozeß fand unter Ausschluss der Oeffentlichkeit statt. Nach acht- stündiger Verhandlung wurde der Angeklagte wegen Vergehen» gegen§ 49» des Strafgesetzbuchs zu IsH Jahren Gefängnis unter Anrechnung von 6 Monaten Untersuchungshaft verurteilt. Gleich- zeitig wurde auf Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Tauer von 5 Jahren erkannt._ Schweiz . Znr Volksabstimmung über die Kranken-«nd Unfall-> Versicherung. Zürich , 29. Januar. (Eig. Ber.) Der monatelange Kampf um die Kranken- und Unfallversicherung nähert sich seinem Ende und am Sonntag, den 4. Februar, fällt die Entscheidung. Viele Hunderte von Volks- und VereinSversammlungen haben in den letzten Wochen und Monaten in allen Teilen de» Landes und von allen Parteien stattgefunden, eine umfangreiche Broschüren- und Flugblätter-Literawr wurde in da» Volk hinaus- geworfen. Der größte Teil dieser umfangreichen Agitatton in Wort und Schrift ist von den Freunden de» Gesetzes geleistet worden, insbesondere von der s o z i a l d e m o k r a t i s ch e n P a r t e i, die unermüdlich und eifrig für das Gesetz wirkt. Die Gegner des Gesetzes sind in der Hauptsache die Akttonäre der Unfallversicherungsgesellschaften, ihre Agenten und sonsttgen be- teiligten Interessenten, die offensichtlich große Summen aufwenden, um ihre reichfliehende Quelle von Dividenden, Tanttemen und Gratifikationen nicht durch die Verstaatlichung der Unfallversicherung verstopfen zu lassen. Da die vom Gesetz vorgesehen« staatliche Unfallversicherung eine für Arbeiter wie Unternehmer ganz be- deutende Verbesserung gegenüber dem bestehenden Haftpflichtgesetz bringt, so können die Gegner nur mtt Lügen und Schwindel die proletarischen Stimmberechtigten bearbeiten und auch di« Unter- nehmer verwirren. Dazu kommen ferner verschiedene Handel»« kammern, deren Mitglieder in ihrer Mehrheit Gegner de» Besetze» sind, Unternehmer, die wohl zu einem großen Teil tdenttsch mit den Aktionären der UnfallverstcherungSgesellschasten find. Dabei ist die vom Haftpflichtgesetz festgesetzte Maximalentschädigung von 6000 Frank selbst für den tödlichen Unfall, welche Summe erst noch von den Gesellschaften unter verschiedenen Vorwänden um mehrere Hunderte gekürzt wird, viel zu gering. Ist die Unfallversicherung mit der Staat»anstalt an fich der Hauptangriffspunkt der Gegner, so dann insbesondere noch di» obli- gatorische Versicherung der RichtbetriebSunfälle und dt» selbst- verständliche Einbeziehung der ausländischen Arbeiter in dt» ver« sichemng. Letzterer Umstand wird benutzt, um den zu allen schlechten Streichen tauglichen Chauvinismus der Schweizer gegen die Aus- länder zu entfachen. Die offenen Gegner de» Gesetze» bilden eine klein« Schar und würde nicht ihr Rubel seine verderblichen Wirkungen äußern, so könnte man der Volksabstimmung mit froher Siegeszuversicht ent- gegensehen, umsomchr, als auch die Bauernfllhrer in Erkenntnis der für die ländliche Armenpflege wohltätigen und entlastenden Folgen der Kranken- und Unfallversicherung in zahlreichen Bauern- Versammlungen für die Annahme de« Gesetze» eingetreten find. Die meisten Gegner jede« sozialen und demottatischen Fortschritt» halten fich seit jeher feige und hinterlistig im Hinterhalte, um dann am AbstimmungStage mit dem Stimmzettel in der Hand da» Gesetz zu meucheln. Darum läßt sich auch schwor etwas über den Ausgang dieser Volksabstimmung vorhersagen. Würde das Gesetz wiederum verworfen, nachdem schon vor zwölf Jahren die erste Versicherungsvorlage in der Bolksabsttmmung ab- gelehnt wurde, so wäre da» geradezu eine Niederlage der bürger- lichen Demokratie, die sich so al» unfähig für den sozialen Fort- schritt erweisen würde. Die Verwerfung de» BersicherungSgesetze» würde den Verzicht auf den vorhandenen Versicherungsfonds von 45 Millionen Franken bedeuten und ferner auch den jährlichen BundeSbeittag von acht Millionen an die Versicherung, welche Summen dann mit dein größten vergnügen die Militaristen und die subventionShungrigen Agrarier unter sich verteilen würden, während die«rdetter leer ausgingen.
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