Nr. 29. 29. Jahrgang.
2. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt.
Paftor und Polizei gegen Mutter
und Kind.
Sonntag, 4. februar 1912.
Schußmann entfernte sich, erschien aber bald in Begleitung Falle nicht anders zu erwarten sei. Moralisch minderwertig eines zweiten Schußmannes wieder, um den Jungen abzu- würde ja eine Mutter sein, die nicht in solchem Falle für ihr führen. Bei dieser Gelegenheit gab einer der Schußleute auf Kind eintritt. Wenn dabei wirklich eine Ueberschreitung des wiederholtes Fragen der Mutter die Auskunft, der Junge rechtlich zulässigen vorgekommen wäre, so habe die unter dem sei aus der Lehre entlaufen und soll durch die Polizei wieder Einfluß des Muttergefühls handelnde Angeklagte nicht das dahin zurückgeführt werden. Frau Pohle wandte ein: Hier Bewußtsein der Strafbarkeit gehabt. Die Schuld an diesem müsse ein Frrtum obwalten, ihrem Sohne geschehe Unrecht, Borfall treffe nur die Polizei. denn er sei ja noch nie in der Lehre gewesen, sie werde mit- Das Gericht sprach die Angeklagte soweit frei, als sic vergehen nach dem Polizeirevier, um diesen Irrtum aufzuflären. fucht haben soll, einen Gefangenen zu befreien. Dagegen hielt Sie dürfe nicht mitgehen, nur den Jungen wollten sie das Gericht einen Widerstand gegen die in rechtmäßiger Aushaben, erwiderten die Beamten. Frau Pohle stellte sich übung ihres Amtes sich befindenden Schußleute für vorschüßend vor ihren im Bett liegenden Sohn und soll sich nach liegend, ließ aber die natürlichen Empfindungen der Mutter Angabe der Beamten über das Bett geworfen haben. Nach als Milderungsgrund gelten und erkannte auf eine Geldihrer eigenen Darstellung ist die Frau von einem der Schutz- strafe von 25 Mark. leute auf das Bett geworfen worden, worauf ihr hinzugekommener Schwager den Schußmann auf das Unschickliche Das Gericht hätte feinen Rechtsirrtum begangen, wenn dieser Behandlung einer Frau aufmerksam machte. Schließ es in diesem Fall putative( angenommene) Notwehr und straflich) zog auch die zweite Expedition der Polizei ohne den loſe Ueberschreitung derselben angenommen und freigesprochen Jungen ab. Bald darauf aber kehrte sie, auf drei behelmte hätte. Biel stärker interessiert die Oeffentlichkeit aber das und bewaffnete Beamte verstärkt, in die Pohlesche Wohnung dem Interesse des Kindes aufs schärfste widersprechende Verzurück. Den vereinten Bemühungen des polizeilichen halten des Vormundes und Vormundschaftsgerichts. Expeditionsforps gelang es nunmehr, der sich immer noch Antrag auf Absetzung des Pastors als Vormund, eine sträubenden Mutter ihren Sohn zu entreißen und abzuführen. Schadenersatzklage gegen ihn wegen des dem Kinde neben dem Bei dieser Gelegenheit fam es zu einem Zusammenstoß seelischen Leid zugefügten Vermögensschadens und schleunigste zwischen der bewaffneten Macht und der in ihren natürlichsten Entfernung des Iungenkranken Rindes aus der MalerlehrEmpfindungen verlegten Mutter. Wie immer in solchen stelle wäre am Blak. Ist auch ein Schutz des Kindes gegen Fällen, wollen die Beamten die Angegriffenen gewesen sein, die eigenen Eltern mitunter vonnöten im vorliegenden während Frau Bohle behauptet, daß sie von den Schußleuten Fall lag zu dem geschilderten rücksichtslosen Vorgehen gegen beschimpft und vor die Brust gestoßen worden sei. Sicher ist, Mutter und Kind keine Veranlassung vor. daß Frau Pohle sichtbare und fühlbare Spuren dieses Kampfes davontrug. Ein unmittelbar nach diesem Vorgange ausgestelltes ärztliches Attest stellt fest, daß Frau Pohle Hautabschürfungen, Schwellungen und Rötungen an beiden Armen hatte.
Bis vor kurzem wohnte in Stettin die Witwe Bohle mit thren sechs Kindern, für welche sie Armenunterstützung bezog. Aus einem für uns noch nicht aufgeklärten, anscheinend aber sehr zweifelhaften Grunde wurde der Frau Pohle das Bestimmungsrecht über ihre Kinder entzogen und Pastor Meister in Stettin zum Vormund derselben bestellt. Die Kinder wurden ins Waisenhaus gebracht, mit Ausnahme des ältesten, eines 14jährigen Knaben, den Pastor Meister, als Frau Pohle nach Schöneberg bei Berlin zu übersiedeln beabsichtigte, bei einer Frau in Stettin gegen eine tägliche Entschädigung von 35 Pf. in Pflege geben wollte. Als die Frau einwandte, für den 14jährigen Knaben seine eine Mark täglich notwendig, da rechnete ihr der Pastor vor, wie sich der Junge mit 35 Pf. pro Tag in Stettin durchschlagen könne. Er empfahl Mittagessen in einer Volksküche, und als billiges Logis bezeichnete er eine Herberge, die von Ortskundigen als Benne niedrigster Sorte angesehen wird. Das Muttergefühl der Witwe Pohle empörte sich gegen die Zumutung, ihren Sohn, der übrigens Lungenkrank ist, in solcher Situation in Stettin zurückzulassen. Frau Pohle fragte bei der städtischen Armenverwaltung an, ob sie ihren Sohn mitnehmen dürfe nach Schöneberg . Man antwortete ihr: Ja, aber in diesem Falle bekäme sie für den Jungen feine Unterſtüßung mehr. Damit war Frau Pohle einverstanden. Die mit der Rechtslage nicht vertraute Frau dachte in dieser Situation nicht an den Vormund, sondern glaubte, durch die Auskunft, welche sie bei der Armenverwaltung erhalten hatte, sei alles Erforderliche erledigt. Getrosten Mutes zog also Frau Pohle am 15. Oftober mti ihrem Sohne nach Schöneberg . Doch sie hatte die Rechnung ohne den Pastor Meister gemacht. Der hatte andere Absichten mit dem Jungen. Wie es scheint, hat sich der Pastor an das Gericht gewandt, um mit dessen Hilfe den Sohn wieder von der Seite der Mutter zu reißen. Soviel steht jedenfalls feft, daß von Berlin- Schöneberg statt. Die im Kampf für ihre natürlichen Stettin aus eine gerichtliche Verfügung an das Polizei- Mutterpflichten unterlegene Frau Pohle war des Wider. präsidium in Schöneberg erging des Inhalts, die Polizei folle standes gegen die Staatsgewalt und der versuchten Gefich des Jungen bemächtigen und ihn nach Demmin über- fangenenbefreiung angeklagt. Die siegreichen Schuyleute führen, wo er bei einem Malermeister in die Lehre treten solle. waren als Zeugen geladen. Da sich der zweite Punkt der -Anscheinend hat Pastor Meister diese Lehrstelle besorgt.- Anklage als völlig haltlos erwies, so ließ ihn der Vertreter der Eine Malerlehre für einen lungenkranken Knaben! Staatsanwaltschaft fallen, beantragte aber wegen Wider standes eine Geldstrafe von 100 Mark.
Frau Pohle wußte nichts von dieser ganzen Sache. Nichts von gerichtlicher Verfügung, nichts von einer Aufforderung an die Polizei. Sie war deshalb äußerst überrascht und bestürzt, als am 18. November im nächtlichen Dunkel, morgens zwischen 5 und 6 Uhr, ein Schußmann an ihre Tür pochte und nach ihrem Jungen verlangte. Der Knabe schlief noch. Der Schußman befahl ihm, aufzustehen und ihm zu folgen. Frau Pohle, die nicht an die Hand des Pastors dachte, sondern befürchtete, ihr Sohn, der eine Laufburschenstelle hatte, habe sich vielleicht irgend etwas zuschulden kommen lassen, fragte nach der Ursache des polizeilichen Verlangens. Auskunft erhielt sie von dem Schuhmann nicht. Er bestand nur auf der Mitnahme des Jungen. Frau Pohle, von der Angst der Mutter um ihr Kind getrieben, verweigerte die Herausgabe des Jungen. Der
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alted Gerichts- Zeitung.
Wegen 10 Bf. 6 Monate Gefängnis!
Ein
Das Landgericht M.- Gladbach hat am 9. Oktober 1911 den Ein Nachspiel des siegreichen polizeilichen Vorgehens wegen Betruges mehrfach vorbestraften Kaufmann Alois Flesch gegen Mutter und Kind fand gestern vor dem Schöffengericht wegen Rüdfallbetruges zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. lefch hatte sich eine Eisenbahnfahrkarte vierter Klasse gelöst und fich damit in ein Abteil zweiter Klasse gesetzt. Als er das Herantommen des revidierenden Schaffners wahrnahm, stellte er fich schlafend. Sein betrügerisches Verhalten wurde indessen doch festgestellt. Die Revision des Angeklagten wurde am Freitag vom Reichsgericht verworfen.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Theodor Liebknecht , forderte die Freisprechung und begründete dieselbe mit dem Hinweis auf das unzweckmäßige und tattlose Vorgehen der Polizei sowie auf die durchaus berechtigten Empfindungen der Mutter. Es laffe doch jeden Takt vermissen, wenn Polizeibeamte in aller Morgenfrühe ausgeschickt werden, um einen naben aus dem Bette zu holen, dessen man doch auch zu anderer Zeit und in anderer Weise hätte habhaft werden können. Wenn die Angeklagte, die der ganzen Sachlage nach annehmen mußte, daß ihrem Sohn objektiv Unrecht geschehe, das vermeintliche Unrecht abwehren, den Irrtum, an den sie glauben mußte, aufflären wollte, so habe sie eine moralische Handlung begangen, wie sie von einer Mutter in solchem
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Verschulden der Antisemiten ein Kompromiß- Gesetzentwurf ins In der letzten Reichstagssession fiel hauptsächlich durch das Es wäre Wasser, der solchen Ungeheuerlichkeiten vorbeugte. dringend zu wünschen, daß im neuen Reichstage sich ein Block von allen Parteien bilde, der den Entwurf wieder ins Leben ruft.
Eingegangene Druckschriften.
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" Der Kampf". Sozialdemokratische Monatsschrift( Wien ). 5. Jahr gang. Heft 5. Aus dem Inhalt heben wir hervor: Rudolf HilferdingAlexander Tändler: Chriftlichsoziale Kirchen- und Klosterfürsorge. Berlin : Das Wahlgewitter. Karl Renner : Ein Zerrbild der Autonomic. Emmerich Basch- Budapest : Kommunale Bohnungsfürsorge. Matthias Eldersch : Die neue Sozialversicherungsvorlage. Anton Behr- Reichenberg: aus den Anfängen der Arbeiterbewegung in Nordböhmen . Julius Stameradschaft und Abstinenz. Qu Märten: Charles de Coſters„ UlenDeutsch: Aus der Frühzeit der Gewerkschaften. Otto Lang- Zürich : spiegel.
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