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angesehen haben, olS et sagie, daß die Grundbesitzer auZ den Ge- meinden heute»als Bettler" hinausgehen. Nebenbei leistete sich der Herr noch allerhand Verdächtigungen, ohne dafür Beweise bei- zubringen. So beschuldigte er rund und nett heraus die Berliner  Stadtvettvaltung, sie habe 30 Jahre lang in eine Gegend des Ostens von Berlin   leine Kanalisation legen lassen, nur weil dort einmal ein konservativer Stadtverordneter gewählt worden sei. Man kann hinter diese Behauptung ein Fragezeichen machen, ohne sonst von der Berliner   Kommunalverwaltung besonders eingenom- vien zu sein. Und nun malte Herr Roeder mit HituvciS auf den demokratischen Zug, der gegenwärtig durch das Volk geht, die Zu- kunft der Grundbesitzer und ihrer Freunde schtvarz in schwarz. DaS Wahlrecht zum Abgeordnetenhaus wird radikalisiert werden. Zu den Gemeindevertretungen wird bald auf Grund des allge- nieinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts gewählt, den selbständigen Gutsbezirken der Garaus gemacht und der Grund und Boden den breiten Massen rücksichtslos ausgeliefert werden. Daß daS alle» in der allernächsten Zeit kommen wird, weiß Herr Roeder so genau angeblich von zwei Redakteuren des»Bor« wärts", die daS allerdings zweifelhafte Vergnügen haben, mit ihm im Lichtenberger Stadtparlament zusammenzuarbeiten. Er schloß mit einer Apotheose des Grundbesitzes, der allein den Staat erhält. Dies« Dinge gingen selbst den Vertretern der preußischen Rc- gierung über die Hutschnur, die an agrarischen Sonderwünschen doch allerlei gewöhnt sind. Ein Oberfimmzrat aus dem Finanz- Ministerium schilderte die Lorzüge der Erhebung der Grundsteuer nach dem gemeinen Wert. Der hauptsächlichste Vorzug bestehe darin, daß durch diese Steuer die Spekulanten gezwungen würden, ihre Gelände nicht der Bebauung zu verschließen. Von ihrer Auf- Hebung hätten nur die Millionenbauern und Xerrainspekulanten den Vorteil. Auch einige der Mitglieder deS Kollegiums selbst rückten sichtlich von Herrn Roeder ab, wenn sie ihm auch im ein­zelnen recht gaben und die Beseitigung von besonders drückenden Härten forderten. ES wurde schließlich ein Antrag deS Bündlers Frhrn. v. Wangenheim angenommen, der für die Veranlagung von Grundstücken für land» und forsttvirtschaftliche Zwecke Erleich- terungen verlangt. Mit diesem Abschluß hatte sich daS Kollegium die sowohl staat- liehen wie stattlichen Reise- und Auscnthaltsspesen der ersten Woche erarbeitet, und unter der Firma de»»Deutschen Landwirtschafts- rates" wird das Volk in der nächsten Woche die alte Weise der agrarischen Schmerzen von neuem hören müssen. Wahkrechtskälilpfe i« Schwarzburg-Sondershausen  . Die Regierung hat dem Landtage«ine Wahlrechtsvorlage zu- gehen lassen, die eine Verhöhnung des Volte» darstellt. Zum jetzigen Landtag wählt der Fürst auf Lebenszeit g Abgeordnete. die dreihundert Höchstbesteuerten wählen weitere sech» direkt und öffentlich, und das letzte Drittel wählt daS Volk indirekt und öffent- lich, d. h. wer Staats- und zugleich Gemeindebürger ist. Dieses niederträchtige Wahlrecht soll nun geändert werden. Nnzählige Petitionen der Parteiorganisationen sMvie von öffent­lichen Volksversammlungen sind dem Landtage zugesandt worden. aber niemals hat die Regierung daraus reagiert. Selbst der Land- tag hat wiederholt den Beschluß auf Einführung der geheimen Wahl gefaßt, aber auch daS hat die Regierung bis zum Vorjahre unbeantwortet gelassen. Landtag und Regierung kannten sich zu gut. Hinter den Kulissen wird schon eine Antwort erfolgt sein. IM Vorfahre wurde wieder ein diesbezüglicher Beschluß vom Land- tagegcfaht, worauf die Regierung erklärte, daß sie die Einführung des geheimen Wahlrechte» für die allgemeinen Wahlen beabsich» tige. daß sie aber ebenso lange die Einführung deS allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechtes ablehne, solange eS von der Sozialdemokratie gefordert werde! Ein« solche Erklärung yab ein« Regierung, an deren Spitz« ein Staat»m»nifter steht, der m der anderen Hälfte seiner Tätigkeit mit einer sozialdemokrati» schen Lcmdtagtmehrheit zu tun hat, in Schwarzburg-Rudolstadt  . Sine solche Erklärung gibt«in« Regierung ab. die auf ein« Ver- einiaung der beiden Sa, warzburger Länder hinarbeitet. Venn beide Länoer stehen schon unter der Obhut eines Fürsten und eines StaatSministerS. Außer diesen beiden Personen h«ben die Länder nichts gemein, da die Verfassung ganz verschieden ist. In Schwarz. burg  -«onderShaus«n regiert außer dem Fürsten   noch eine kleine Zahl von Großagrariern und Fabrikanten, waS in einem so kleinen Lande vielleicht noch drückender empfunden wird, als unter großen Vcrhälwissen. Trotz aller Bedrückung hat der Gedanke v«S Sozialismus schöne Fortschritt« gemacht. Die sozialdemokratische Stimmenzahl ist seit der vorigen Wahl von B702 auf 8522 gestiegen. Mit Zuversicht geht jetzt die Partei an die Arbeit, um den schwär- zcsteu Hort der Reaktion in der Mitte Deutschland  » zu brechen, an die Erringung deS freien Wahlrechtes für den Landtag. In keinem der thüringischen Kleinstaaten ist noch ein solches Wahl- recht zu finden als in Schwarzburg  -SonderShaufen. Es gibt auch keine,! Landtag, in dem nicht ein einziger Atbeitekvertreter zu finden wäre! Die Regierung gibt aber da» geheim« Wahlrecht nicht, ohne zugleich wieder eine Verschlechterung zu bringen: die Herauf» setzung des Wahlalters von 21 auf 2b Jahre. Gegen dies« reaktionären Anschläge gilt e» nun Sturm zu laufen, um der Arbeiterschaft zu ihrem Recht« zu verhelfen. In diesem Jahre finden noch die Wahlen zu dem Landtage statt und da muß«Z gelingen, trotz dcS Wahlrechtes einige Vertreter in dieses.Kränzchen für politisch« Rückständigkeit" hineinzubringen. Die Junker nehmen Rache! Der Rittmeister a. D. Rittergutsbesitzer Ackermann. Sa lisch gehörte früher zu den hervorragendsten Schreiern der Notleidenden, insbesondere auf den Bündlerparaden in Berlin  . Jetzt arbeitet er nur noch in seiner engeren Heimat deS Kreise» Glogau   für dw agrarische Sache und den blauschwarzen Block. Am Stichwahltage hat nun Herr Nckcrmann-Salisch eine schlvere Täuschung erlebt, weil der Wahlkreis Glogau   nicht durch den Reaktionär v. Jordan, sondern durch den Fortschrittler v. LiSzt im Reichstage vertreten wird. Allerdings nur durch das geschlossene Eintreten der Sozialdemokratie. Da» müssen nun die Arbeiter de» Herrn Ackermann. Salisch büßen. Vor der Wahl erhielten alle beim Holzschlag beschäftigten Arbeiter 1,40 M. pro Tag» sofort nach der Stichwahl wurde allen pro Tag 20 Pf. abgezogen. Wird der Ueberschuß etwa zur Deckung des Dalles in der konservativen Partetkasse verwandt? So rächen sich die Agrarier für den Ausfall der Wahl. Auch im Löwenberger Kreise wollen sich die Agrarier für den Sieg des Fortschrittlers rächen. Dort hat die Nieder- läge des konservativen Kandidaten ebenfallt sehr enttäuscht und die Agrarier versuchen, die Löwenberger Geschäfts- leute die Schuld an der konservativen Nieder- läge m die Schuh« zu schieb«» unfc diese zu doykoltieren. Verschiedenen Geschäftsleuten wurde ganz direkt gesagt, man kauf« nichts mehr in der Stadt. Und dieser Tage kam eine adlige Grvhagrarierfrau in ein Löwenberger Geschäft, um Einkäufe zu besorgen. Vorher jedoch fragte sie die Frau de» Inhabers:.Wie hat denn Ihr Mann ge- wählt? Ich glaube: auch frei, man kann in LSwenderg ja gar nicht» mehr kaufen." So unterstützen die Agrarier den Mittelstand und so beweisen fie ihre vor den Wahlen hoch beteuerte Städte» freundNchkeik. Aber Las hat man in den Kreisen der Agrarier und oberen Zehntausend immer so gemacht; davon wissen die Geschäftsleute, namentlich in den kleineren Städten, ein Lied zu singen. Die Kleinigkeiten kauft man zur Not groß- mutig am Ort und alle größeren wertvollen Gegenständ« werden aus den Großstädten, wenn nicht aus dem Auslände bezogen. Eine Rekrutentragödie. Dieser Tage machte durch die rheinische bürgerliche Presse eine aus Koblenz   stammende Notiz die Runde, die diesen Wort- laut hatte: Im Kasernement der 1. Kompagnie deS Infanterieregiments Nr. 68 entlud sich auf bisher unaufgeklärt« Weise daS Gewehr eines Rekruten. Die Platzpatron« drang dem Mann in�dert Hals. Die Verletzung war so schwer, daß der Soldat nach fürchter- lichem zweistündigen Leiden in dem Garnison  - lazarett, wohin man ihn bracht«, sein Löben   aus- hauchte. Gegenüber diesen Behauptungen der bürgerlichen Presse nimmt ein Gerücht immer größeren Umfang an, daS besagt, der betreffende Soldat habe Selbstmord verübt, weil ihn ein Vorgesetzter fort- gesetzt mit seinen Ouälereien verfolgt habe. ES erscheint dringend notwendig, daß über den Fall ausreichende Aufklärung ge- geben wird._ Württembergischer Liberalismus. Im 10. württcmbergischen Wahlkreis Göppingen   siegte in der Stichwahl der Kandidat der Fortschrittlichen Volkspartei  , Gunßer, dem die Nationalliberalen Wahlhilfe leisteten, über unseren Ge- nassen Dr. Lindemann. Zentrum und Bauernbund, deren Kandidat nicht in die Stichwahl gelangt war, hatten Wahlenthaltung pro- klamiert. Dem heißen Liebeswerben de» VolkSparteilerS konnten si« aber schließlich doch nicht widerstehen, sie gingen in hellen Scharen zum Volksparteiler über und verhalfen ihm zum Sieg über den Sozialdemokraten. Der Wittum-Skandal in Pforzheim  bringt nun auch allerlei Interna über die volksparteiliche Wahl- mache im Göppinger   Wahlkreis an den Tag. Wie bereits berichtet, hat der volksparteiliche Kandidat und jetzige Reichstagsabgeordnete Gunßer in öffentlicher Versammlung in Schw.-Gmünd   den Kampf gegen den.schwarzblauen Block" feierlich abgeschworen, die Stich- Wahlparole der Volkipartei»entschieden gemihbilligt" und den Kampf gegen den Umsturz als heiligste Pflicht jedes deutschen Manne» proklamiert. Nun kommt Herr Wittum von Pforzheim  her und verschönt da» Bild de» württembergischen Liberalismus noch ein wenig. In setner RcchtfertigungSschrift, in der er seine Mogelei mit dem Zentrum zu beschönigen sucht, teilt er auch diese» Geschichtchcn mit: Im 10. württembergischen Wahlkreis Göppingen-Gmünd stand der fortschrittliche Kandidat Gunßer in Stichwahl mit dem Sozialdemokraten Dr. Lindemann. DaS Zentrum, welches den Ausschlag gab. proklamierte Wahlenthaltung und damit wäre Gunßer gefallen. Am Abend vor der Wahl wurde ich dringend nach Gmünd berufen, um dort zu sprechen. Die Ver- sammlung war überfüllt, mein Vortrag wurde beifällig auf- genommen. Ein ZentrumSredner trat nach mir auf und suchte den Beschluß auf Wahlenthaltung zu rechtfertigen. Nun richtete ich nochmals einen warmen Appell an die Versammlung, nicht aus einer Nachcpolitik heraus die vaterländischen Jnter- essen zu verletzen und den Wahlkreis damit an die Soztaldemo- krati« auszuliefern. Am anderen Abend erhielt ich folgende» Telegramm:Gunßer gewählt, gedenken dankbar Ihrer groß- artigen, wirkungsvollen Mitarbeit am gestrigen Abend. Die vereinigten Lib e ra! e n." Von einem Tadel, daß ich die Zentrumsleute bat, für den volksparteiftchen Kandidaten zu stimmen, stand Nichts in dein Telegramm." Dazu bemerkt der natiönallibevale ,S ch w 2 b. Merkur  " in Stuttgart  : »Die württembeigischen Liberalen im 10. Wahl- krei» einschließlich der Demokraten haben wahr- haftig den Ernst der Lage besser erfaßt als die leitenden Männer an der Spitze der b a d i s ch e n Natwnalliberalen, die sich nicht scheuen, jetzt nach der Wahl ihrem verdienten Parteiveteranen eine Art Mißtrauenvotum zu erteilen. ES Ist geradezu erstaun» lich. welche Blüten die Großblockpolitik in Baden heutzutage treibt 1" Da» ist der württembergische Liberalismus in Reinkultur! Ei« von der Rotsche« befallener Nationaviberaler. Der rheinische Großindustrielle, Geheimrat V. V o e t t i n- ger, Mitglied des Preußischen Herrenhauses und einer der Hauptgeldgeber für die Altboff-Stiftung und die Kaiser- Wilhelm-Akademie  , ist aus Anlaß der Präsidentenwahl im Reichstage auS der nationalliberalen Partei ausgeschieden. Er läßt durch ein Telegraphenbureau an die gesamte bürger- liche Presse ein Telegramm nachfolgenden Inhalts versenden: Nachdem, wie ich soeben auS Berlin   höre, eine große Zahl nationalltberalcr Mitglieder bei der ReichStagSpräsidentenwahl für den sozialdemokratischen Kandidaten gestimmt haben, bin ich genötigt, auS der nationalltbcralen Partei auszutreten." Den Nationalliberalen wird der Verlust Boettingers bielleicht weniger seiner politischen Bedeutung, als seines Geldes wegen nicht ganz angenehm sein. Er ist einer der Leiter des rheinischen Farbwerks und gehört einer ganzen Reihe großindustrieller Unternehmungen an. Ob er freilich so freigebig gegen die nationalliberale Partei gewesen, wie gegenüber gewissen Wünschen von oben, ist eine andere Frage. Tie Nationalliberalen haben ja weder Titel noch Orden zu vergeben._ Die Analphabeten im Heer nnd in der Marlne. Nach der im neuesten Heft der Statistik de» Deutschen Reiche  » veröffenilichten Uebersicht über die Schulbildung der in das Heer und in die Flotte im Jahre 1910 Einaestellien ist die Zahl der Analphabeten, d. h. derjenigen Mannschaften, die keine Sprache ge- nügend lesen oder ihren Vor- und Familiennamen nicht leserlich schreiben können, gegenüber den Vorjahren wiederum zurück gegangen. Für da» ganze Deutsche Reich ergeben sich folgende Prozente: 1S10 bei 267 554 Eingestellten 0,02 Proz. Analphabeten 1900. 26B 408. 0,07, 1890. 101744. 0.64,, Der Zahl noch waren e» 1910: VI, 1000: 180, 1890 dagegen noch 1035. Dem Geburtsorte nach kamen auf 100 Eingestellte söhne Einjährig-Freiwillige): Preußen Bayern Sachsen® Baden Hessen Elsaß  1910.. 0,02 0,01 0,02 0,04 0,06 0,03 1900.. 0,10 0,01 0,02 0,01 0,02 0,07 1890.. 0,88 0,08 0,07 0,04 0,03 0,08 0,28 Trotz allem Rückgang der Analphabeten ist der noch vorhandene Prozentsatz noch immer em sehr traurige» Zeichen für die vorhandene ungenügende Sorge um die Volksschule. Die wirtschaftliche Bereinigung hat sich nun doch als selbständige Fraktion konstituiert. Behren» wurde zum ersten, Lizentiat Mumm zum zweiten Vorsitzenden und Dr. W e r n e r(Gießen  ) zum Schriftführer gewählt. Die Meldung, die Wirtschaftliche Vereinigung habe sich aufgelöst, war also unzutreffend. E« dürften aber einige Antisemiten und wahrscheinlich auch die Württemberger Bogt» zu den Konservativen gehe». fratikreicb. Annahme deS Marokkovertrages durch den Senat. Paris  , 10. Februar. Der Senat hat das deutsch  - französische Abkommen mit 222 gegen 48 Stimme» angenommen. Die Annahme erfolgte nach einer Rede deS Mnister- Präsidenten Poincarrö, die die mehr als eine Woche währende Redeschlacht abschloß._ Die Pariser   Wohnungsnot. Genosse Fr. Brunei vom Pariser Gemeinderai weist in einer in der»Human itö" erscheinenden Anikelreih« die Berechtigung seine» Antrages auf Bewilligung von 200 Mill. Frank zur Er- richtung städtischer Wohnungen nach. Er fordert, daß diese zu einem Mietpreise von 6 Proz. des Kostenpreises, einschließlich aller Lasten und Unkosten vermietet werden, während heute eine Verzinsung von 89 Proz. erzielt wird. Dazu käme der Vorteil gesund- heitlich mustergültiger Wohnungen für eine Bevölkerung, die heute durch die Tuberkulose dezimiert wird. Wie sehr sich die Wohnungsnot zugespitzt hat, geht hervor auS der Aufstellung der Zahl von leerstehenden Wohnungen. Während eS im Jahre 1898 noch 42 571 solche gab. darunter 26 226, fast 61 Proz., zu einem Mietspreise von weniger alS 500 Fr., waren e» 1910 nur noch 10 795, wovon 6182 58 Proz. für weniger als 500 Fr. Am 81. De- zember aber waren eS unter 742 960 Wohnungen unter 500 Ft. nur 3663, einschließlich der überhaupt nicht bewohnbaren. DaS sind knapp ein halbes Prozent, während für den normalen Wohnung»- austausch in der Regel 3 Proz. leerstehende Wohnungen gefordert werden. CUfhci Die Sozialisten und die Parlameutswahle«. Dem aufgelösten türkischen Parlamente gehörten 7 Sozialisten an, davon sechs Armenier, fünf von der revolutionären Fraktion .Dachnakzutiun", einer von der.Hentschak" und der Bulgare Vlakow von Saloniki, die sich kürzlich zu einer Fraktion im Parlament ver- einigt hatten. Wie Vlakow in der Zeitung»Der Jungtürke" mitteilt, haben die drei Gruppen, die beiden armenischen und der Sozialistische Arbetterverband von Saloniki, Schritte zur Auf- stellung einr» gemeinsamen Programm» getan, dem die Programme der Gruppen und die Beschlüsse ihrer Kongresse zu- gründe liegen. Von einem Zusammengehen mit einer der jung- türkischen Fraktionen, der»Liberalen Vereinigung" oder dem alten Komitee»Einheit und Fortschritt" sei keine Rede. Genosse L o n g u e t, der diese erfteuliche EintgkeitSbewegung berichtete, knüpft daran den Wunsch, daß auch die Genossen türkischer und arabischer Nationalität sich anschließen, damit die neue ottomanische Sektion der Internationalen die Zusammensetzung de» sozialistischen Proletariat» de» Türkenreich« vollkommen widerspiegele. Soziales. Nnfaklvcrsicherung der Warengeschäfte. Nach der Bekanntmachung de» Reichsversicherungsamte» vom 15. Januar 1912 haben die Unternehmer eine» Betriebes oder von Tätigkeiten, die durch die Reichsversicherungsordnung der Unfall. Versicherung neu unterstellt worden sind, die Verpflichtung, die An- Meldung ihres Unternehmens bis spätesten» zum 15. März.1912 zu bewirken. Die Anmeldung hat bei dem zuständigen Versiche- runaöamt bezw. bei der örtlich zuständigen Behörde zu erfolgen (b. i' in der.Regel.der Magistrat, das Vürgertneisteramt usw. In Berlin   ist' die Anmeldung bei der Gewerbe-Deputation des Magistrats, C. 2, Stralauer Straße 3/6, zu bewirken�. Für die Anmeldung kommen insbesondere die Warengeschäfte in Betracht, soweit sie nicht bereits bei der Lagerei-BerufSgenossenschaft ver- sichert sind. Jedes Warengeschäft ist von jetzt ab anmeldepflichtig, sobald ein gewerblicher Angestellter oder zwei kaufmännisch« Angestellte in demselben dauernd daS ganze Jahr hindurch beschäftigt werden. Ein Kampf um die HinterbNebenenrente. Der Dreher Wilhelm Sch. erlitt am 4. November 1910 im Betriebe der Daimler-Motoren-Gesellschaft   dadurch einen Unfall, daß er an seiner Bank, als er einen zirka 50 Pfund schweren Kolben trug, über danebenliegende Maschinenteile stolperte und hinfiel. Sch. schlug mit voller Wucht mit dem Kopf auf Zement- boden, der Kolben schlug ihm auf die Brust. Von Stunde an klagte Sch. über heftige Schmerzen; da der nächste Tag nach dem Unfall ein Sonntag war, glaubte Sch., die Beschwerden würden durch die Ruhe an diesem Tage wieder nachlassen. Am Montag muhte sich Sch. jedoch zum Arzt begeben, dieser konstatierte Quetschungen und Hautabschürfungen am linken Schienbein, bläuliche Verfär- bung der linken Brustseite und deS linken Oberarms. Am Hinter- köpf Hautabschürfungen und eine Beule, der Schädel sei auf Druck äußerst empfindlich gewesen. Am 8. Dezember wurde Sch. in der Kgl. Eharite aufgenommen, wo Symptome de« Säuferwahnsinns festgestellt wurden. Im Verlauf dieser Erkrankung trat dann Lungenentzündung hinzu. Am 27. Dezember»erstarb Sch. Der von der Witwe des Verstorbenen bei der Nordöstlichen Eisen, und Stahl-BerufSgenoffenschaft S. I. gestellte Antrag auf Gewährung der Hinterbliebenenrente wurde abgelehnt, weil nach Anficht der Genossenschaft der Tod nicht mit dem Unfall i» Zu- sammenhang stände. Der Unfall sei keineswegs so schwer gewesen, wie ihn die Witwe geschildert; der Vertrauensarzt der Genossen- fchaft erklärte auf Grund der Akten, daß die Ansicht gurückzu- weisen sei, daß der Unfall daS später aufgetretene Delirium tremens ausgelöst habe. Die Witwe legte gegen den ablehnenden Bescheid der Genossen- fchaft beim Schiedsgericht für Arbeiterverficherung Reg.-««». Pots­ dam   Berufung ein. Durch Bescheinigungen der Hausbewohner, die den Sch. feit 5 Jahren kannten, wurde der Nachweis geführt. daß Sch. ein durchaus ruhiger Mensch war, daß keine Red« davon sein kann, daß Sch. ein Säufer sei. DaS Schiedsgericht erhob zu- nächst über die Art deS Unfalls Beweis durch Vernehmung eine« Mitarbeiters des Sch. Dieser, Eisendreher Gr, sagte au», daß Sch. am Unfalltage so gut wie gar nicht mehr gearbeitet habe; Sch. habe jedoch gleich über heftige Kopfschmerzen geklagt. Vom Nervenarzt Dr. L. wurde dann ein Gutachten eingeholt. Der Gutachter hielt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Zusammenhang de» Todes mit dem erfolgte» Unfall de» Sch. für gegeben. Das Schiedsgericht verurteilte die Genossenschaft zur Zahlung der Hinterbliebenenrente. In der Begründung sagt da« Schieds- gericht u. a.:daß der Unfall erheblich schwerer gewesen ist, als es von den Vorgutachtern hingestellt worden",daß Sch. mit dem Hinterkopfe auf Steinboden aufgeschlagen ist und daß er in den Armen einen 50 Pfund schweren Kolben hielt, der die Wirkung de» Aufschlagens erhöhte".Vor allem fällt in» Gewicht, daß die tödliche Erkrankung durch eine lückenlose Kette von KrcmkheitS- erfcheinungen mit der Betriebsverletzung verbunden ist. Sofort nach dem Unfall klagte Sch. über Kopfschmerzen. Erst allmählich gingen diese bloß körperlichen Verletzungsfolgen w die Geistes- störung über, während das gewöhnliche Delirium tremens des Säufers plötzlich, in Stunden, höchstens in Tagen zum Ausbruch kommt;, doch sind weder die körperlichen noch die geistigen Begleit­erscheinungen de» Säuferwahnsinns auch nur in annähernd voller Ausbildung in der Charitä festgestellt worden." Mit dieser Entscheidung gab sich die Genossenschaft zufrieden. Die Witwe erhielt die Rente nachgezahlt. Wttwen,