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geschüchtert, zum Teil auch wegenVerleumdung" mit Arrest be- straft. Rousset aber lieh sich nicht abschrecken. Der junge Soldat, der vordem ein leichtsinniger Bursche gewesen war, legte nun einen geradezu heroischen Wahrheitsmut an den Tag. Um vor Gericht gestellt zu werden und dort das Verbrechen offenbar zu machen, machte er sich einer Gehorsamsverweigerung schuldig. Am 19. JanuarWIO wurde er zu fünf Jahren Gefängnis ver- urteilt, ohne daß man ihm erlaubt hätte, seine Motive klarzulegen. Immerhin war von der Angelegenheit schon so viel in die Presse gedrungen und auch die Kammer hatte, infolge einer Intervention des Genossen Allemane so viel Interesse für sie gezeigt, dah man es für nötig hielt, die Beschuldigten reinzuwaschen. Im letzten September kam es vor dem Kriegsgericht zur Verhandlung gegen drei Chargen, vor allem den am schwersten bezichtigten Leutnant S a b a L i e r. Sie wurden freigesprochen. Die Belastungszeugen waren entweder verschwunden, auf Urlaub oder aus dem Heeres- verband entlassen oder siewiderriefen". Rousset aber sollte seine Anklage noch schwerer bützen. In eineni Raufhandel war ein Soldat tödlich verwundet worden. Rousset wurde als der Täter in Untersuchung gezogen, trotzdem außer der Tatsache, daß er sich in der Nähe des Tatortes befunden hatte, nichts gegen ihn vorgebracht werden konnte. Der Sterbende selb st hat Rousset als nicht schuldig bezeichnet. Trotzdem wurde dieser zu 29 Jahren Zwangsarbeit ver- urteilt. Dieses Urteil hat die Erregung, die in der Arbeiterschaft seit dem Fall Acrnoult weitcrbebte, außerordentlich gesteigert. Broschüren, Affichen, Protcstvcrsammlungen machten die Oeffcnt- lichkeit mit den schmählichen Prozeduren bekannt. Das Prole- tariat, das seinerzeit für die Rehabilitierung des Bourgeois Dreyfus eingetreten ist, forderte, daß auch seinem Dreyfus Recht werde. Die radikalen und exsozialistischen Streber, die die berühmteAffäre" hinaufgebracht hat, versagten freilich ganz; die bürgerliche Presse tat die Angelegenheit damit ab, daß Rousset, der ja sicher nicht aus dem empfehlenswertesten Milieu stamlnt, kein Interesse beanspruchen könne> als ob ein Justiz- mord selbst an einemApachen" nicht Justizmord bliebe. Auch dieIntellektuellen" rührten sich kaum. Nur dieLiga der Menschenrechte" setzte sich schließlich in Bewegung. Um so stärkere Wellen schlug die Agitation im Proletariat. Die Pariser   Erdarbeiter, zu denen Aernoult vor seiner Militär- zeit gehört hatte, beschlossen, seine Leiche kommen zu lassen und in einem großartigen Begräbnis den Willen der Arbeiterschaft zu manifestieren, dem Schrecken der Disziplinarkompagnien und der Standcsjustiz der Militärgerichte, die trotz Dreyfus oder eher gerade weil Dreyfus frei ist fortbesteht, ein Ende zu machen. Es dauerte, lange, bis die zahllosen Manöver und Schikanen, die der Ueberführung des Leichnams entgegengesetzt wurden, über- wunden waren. Aber schließlich konnte die Regierung ihren Widerstand nicht fortsetzen. Heute nachmittag kam der Sarg auf dem Lyoner Bahnhof an. Der Weg, den er zur Einäscherungshalle auf dem Pere Lachaise  zurückzulegen hatte, führte durch die Straßen des äußersten Ostens, der Pariser   Proletarierviertel, die im Heldenkampf der Kommune am längsten den Widerstand aufrechterhalten haben. Die Organi- sation des Leichenbegängnisses hatten das zumeist aus Anarchisten zusammengesetzte Komitee der sozialen Verteidigung, der Gewerk- schaftsvorstand der Seine und die sozialistische Scine-Föderation gemeinsam übernommen. Als Redner auf dem Friedhof waren Vertreter dieser Gruppen bestimmt: Thuilier sprach für das , /Komitee", S a v o i e und I o u h a u x für den Gewerkschafts- vorstand und die C. G. T. und R e n a u d e l für die Partei. Die Beteiligung war ungeheuer. Die Polizei selbst schätzt die Zahl der im Zuge Marschierenden und der bei seinem Vor- Überzug angesammelten und demonstrierenden Massen auf 150 009. Die Schätzung ist sicher zu tief gegriffen. Bevor noch die Tete des Zuges mit dem Leichenwagen den Pere Lachaise   betreten hatte, waren um das Kolombarium gut 20 000 Personen versammelt und eine Stunde nachher standen vor dem Friedhofstor noch mindestens ebensoviel im breiten, dichtgedrängten Zug, die keinen Zutritt fanden, und zweimal soviel demonstrierende Zuschauer. Gewerkschafts- und Parteibanner und anarchistische Embleme leuchteten über den dunklen Massen, aus denen immer wieder die Töne revolutionärer Lieder und Protestrufe gegen den Militaris- mus in allen seinen Gestalten aufflogen. Die Polizei hatte sich diesmal lange mit ungewohnter Zurück- Haltung benommen und so schien alles gut abzulaufen. Herr Lepine selbst schien es als absurd erkannt zu haben, 200 000 Menschen inkleine Pakete" zu teilen. Zum Schluß kam es indes doch am Friedhofsausgang zu einer beträchtlichen Schlägerei zwischen anarchistischen Gruppen und der Polizei, die noch den Kopf verlor und blind losgehend das Kampffeld nur er- weiterte. ver Krieg. Die italienische Kammer soll ihren Segen gebe». Rom  , 12. Februar. Auf der Tagesordnung der ersten Sitzung der Kammer nach ihrer Wiedereröffnung am 22. d. Mts. steht die Gültigkeitserklärung des Dekrets vom b. No- v e m b e r vorigen Jahres, durch das Tripolitanien und dieCyrenaika dervollenSouveränität desKönigs- reichs Italien   unterstellt werden. Ein falscher Lärm. Paris  , 12. Februar. Wie der französische   Konsular« agent in Hodeida bestätigt, hat das Bombardement von D s ch e b a n n a der Demenbahngesellschaft keinen Schaden zu- gefügt. vie Revolution In China  . Tie Dynastie unterwirft sich der Republik  . Peking  , 12. Februar.  (Meldung des Reuterschen Bureaus.) Heute sind drei Edikte bekannt gegeben worden. In dem ersten nimmt der Thron die Republik   an, in dem zweiten erklärt er sich mit den zwischen Juanschikai und den Republikanern festgesetzten Be- dingungen einverstanden, und in dem dritten werden die Vizekönige und Gouverneure davon unterrichtet, daß der Thron von der politischen Macht zurücktritt, um den Wünschen des Volkes zu entsprechen, und es wird an die Führer der Provinz die Weisung erlassen, das Volk ruhig zu erhalten. Ein republikanischer Gouverneur der Mandschurei  . Tschisu, 12. Februar.  (Meldung der Petersburger Telegraphen- Agentur.) General Lantienwei hat schriftlich die Konsulate von seiner Ernennung zum republikanischen Gouverneur der Mandschurei   benachrichtigt. Maßnahmen derselbständigen" mongolischen Regierung. Urga, 11. Februar. Wegen der schwierigen Finanz- a g e hat die Regierung der Mongolei   beschlossen, über 20000 Kamele und Pferde aus dem Besitze des chinesischen Kaisers zu verkaufen, den Außenhandel mit Zöllen zu belegen und den Transport der russischen Po st durch die Mongolei   auf eigene Kosten zu übernehmen. Ferner sollen die Bodenschätze der Aus- beutung zugänglich gemacht werden. Englische Truppensendung nach der Schantunghalbinsel. London  , 12. Februar. Wie die Zeitungen aus Tientsin  melden, wird infolge von Unruhen in Weihaiwei morgen ein Detachement der Jnniskilling Füsiliers dorthin abgehen._ politifcbe CTcbcrlicbt. Verlin. den 12. Februar 1912. Agrarisches. Am Montag begann das Abgeordnetenhaus die zlveite Beratung des Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung. Die agrarischen Hauptschreier waren nicht anwesend, sie haben außerhalb des Hauses zu tun. Wozu sollen sie sich auch erst nach der Prinz-Albrechtstraße bemühen? Wissen sie doch, daß Herr v. Schorlemer-Lieser ihre Interessen so gut vertritt, daß ihnen selbst zu tun nichts mehr übrig bleibt! Fern hinter uns liegen die Zeiten, wo die Agrarier mit der Abschwenkung ins sozialdemokratische Lager drohten, fern hinter uns die Zeiten, wo ein Chef der landwirt  - schaftlichen Verwaltung, empört über die agrarische Dreistigkeit, einem Bundeshäuptling die Worte ins Gesicht schleuderte, daß das Tischtuch zwischen ihnen zerrissen sei. Die Agrarier haben es verstanden, in demselben Maße, wie ihr Anhang im Lande zurückgegangen ist, die preußische Regierung in den Dienst ihrer Sonderinteressen zu stellen, und die Regierung besorgt die Geschäfte der Agrarier ausgezeichnet. Ob die Gesamtheit der übrigen Bevölkerung darunter leidet, danach fragt sie freilich nicht. Angesichts dieser Situation konnte sich der konservative Abg. V.Arnim darauf beschränken, einige kleine Wünsche zur Sprache zu bringen und die Regierung scharf zu machen, damit sie nichts an dem System der Einfuhrscheine ändere. Auf den gleichen Ton war die Rede des freikonservativen Abg. v. Woyna gestimmt, der es als Hauptaufgabe der landwirt  - schaftlichen Verwaltung bezeichnete, schon jetzt Vorsorge für die Aufrechterhaltung unseres bewährten� Zollschutzes gegenüber dem Ansturm der Massen zu treffen. Aus den Ausführungen des Landwirtschaftsministers ist als bemerkenswert hervorzuheben, daß der Entwurf eineK Fideikommißgesetzes im Ministerium nahezu fertiggestellt, daß aber seine Vorlegung in dieser Session nicht zu erwarten sei, da so viele andere wichtige Vorlagen ihrer Erledigung harren Den agrarischen Forderungen trat in wirksamer Weise Genosse Le inert entgegen, der das Märchen von der Not- wendigkeit der Grenzsperren aus sanitären Gründen nach allen Richtungen hin zerfleischte und den unzweideutigen Nachweis führte, daß es den Agrariern nicht darum zu tun ist, der Masse des Volkes gesundes Fleisch zu liefern, sondern daß es ihnen einzig darauf ankommt, ihrem Geldbeutel zu helfen, wo- bei die Regierung ihnen hilfreiche Hand leistet. Auch im übrigen übte Leinert scharfe Kritik an den Bestrebungen der Agrarier, deren Interessen mit denen der Kleinbauern nichts gemein haben. Unser Genosse war auch der einzige, der die Verhältnisse der Landarbeiter schilderte. Für den Minister ist es kennzeichnend, daß er während der Leinertschen Rede dem Hause den Rücken zuwandte. Erst als Hoffmann rief, der Ministerberücksichtigt" das Haus, besann sich Herr v. Schorlemer auf seine Pflicht, wenigstens äußerlich den Schein des Anstandes zu wahren. Vor Beginn dieser Debatte, die am Dienstag fortgesetzt wird, genehmigte das Haus den Staatsvertrag zwischen Preußen, Bayern  , Württemberg und Baden zu Regelung der Lotterieverhältnisse. Dagegen stimmten nur die Sozialdemo- kraten, deren prinzipiell ablehnenden Standpunkt gegen das Lotteriespiel H o f f m a n n zum Ausdruck brachte. Das Ministerium Hertling. Die neue bayerische   Regierung hat sich nunmehr konstituiert, und zwar in folgender Form: Justizminister: Reichsrat v. Thel e- mann; Verkehrsminister: Eisenbahnpräsident v. Seid lein; Finanzen: Staatsrat Breun ig; Kultusministerium: Ministe- rialrat Knilling; Ministerium des Innern: Freiherr  v. Soden. Ter Posten des K r i e g s m i n i st e r s ist noch nicht desinitiv besetzt, doch kommt hierfür der kommandierende General des 3. Armeekorps, Freiherr Kretz v. Kre ssenstein in Frage. Das neue Ministerium trägt den ausgesprochensten r e a k t i o- nären Charakter. Es setzt sich aus Angehörigen des Zen- trums und der Konservativen zusammen. Das Zcntrumselement überwiegt, denn die Ztamen Hertling, Soden und Seidlein sind die dreier Ivaschechter Zentrumsmannen. Freiherr von Soden, der künftige Minister des Innern, repräsentiert die feudale bayerische   Zentrumsaristokratie. Der neue Eisenbahnminister, der schon lange als Nachfolger des Herrn von Frauendorfer galt, war bisher Eisenbahnpräsident in Nürn- berg. Es scheint also, als ob dieser Herr jetzt berufen sein sollte, die Forderungen des Zentrums zu verwirklichen, den Süddeutschen Eisenbahnerverband zu boykottieren und die freie Gewerkschafis- bewegung unter den bayerischen Staatsarbeitern nach preußischem Vorbild zu unterdrücken. Daß ein so ausgesprochenes Ministerium der parlamentarischen Mehrheit zustande gekommen ist, klärt die Situation nur. Die Münchner Post" stellt allerdings fest, daß das Ministerium, diese nur scheinbare Anerkennung des parlamentarischen Systems, eine Regierung gegen die Mehrheit des bayerischen Volkes ist. Sie schreibt: So ist denn die schtvarze Garde beisammen, mit der Prinz Ludwig seine Regierung beginnt. Sic wird eine Regierung gegen die Mehrheit des bayerischen Volkes sein und da sie außer- dem ein Angstprodukt ist, trägt sie allen Keim der Zersetzung in sich. Den Minoritätsparteien und der freiheitlichen Presse im Lande erwächst auf Grundlage dieser Hof- und Rcgierungspolitik eine harte, aber auch eine dankbare Aufgabe, denn wir schreiben 1912 und nicht 1849." Wahlprotest aus Berlin   l. Dem Reichstage ist jetzt gegen die Wahl des Herrn Kaempf ein Protest zugegangen. In speziellen Rügen be- anstandet der Protest 15 ungültige Stimmen. Sie sind von Nichtwahlberechtigten abgegeben worden. Darunter sind Aus- länder und Entmündigte. Diese haben gar unter der Leitung ihres Pflegers gewählt. Ferner wird festgestellt, daß für einzelne Wähler, die am Wahltage nicht in Berlin   waren, ge- wählt worden ist, u. a. auch für einen Ausgewiesenen, �n einem Falle trat ein Bankdirektor an den Tisch des Wahl- Vorstandes heran, zeigte einen Stimmzettel. lautend auf Düwell; er bat um Verabfolgung einesrichtigen" Zettels. Ein Mitglied des Bureaus erhob sich,informierte" den Herrn, trotz sofort im Lokale erhobenen Protestes, und be- gleitete ihn bis zur Wahlzelle. Ferner ist einer Anzahl Wähler, denen im ersten Kreise in ihrer Arbeitsstelle Vertrags  - mäßig Beköstigung und Logis zusteht-, nach Schluß der Wählerliste mitgeteilt worden, sie seien aus Grund eines" Antrages in der Wählerliste des ersten Kreises gestrichen und einem anderen Kreise wo sie anch eine Wohnung besitzen überwiesen worden. Andererseits sind viele Großkaufleute, Geschäftsinhaber usw.. die ihren beständigen Wohnsitz auswärts haben, als angebliche Inhaber von Schlafstellen in die Wählerliste des ersten Kreises eingetragen worden. Diese eigenartige Tatsache hebt der Protest unter Anführung einiger Fälle generell hervor. Er reklamiert für Düwell aus der Streichung von Wählern 4 Stimmen Plus. Ferner eine Stimme, weil ein Wahl- Vorsteher zwei in einem Kuvert befindliche, auf Düwell lautende Stimmzettel für ungültig erklärt hat. In dem Protest wird u. a. auch festgestellt, daß in einem Wahllokal bei der Auszählung 2 Stimmzettel mehr vorhanden waren als Kuverts. Entweder enthielten zwei Kuverts je 2 Zettel oder es steckten deren 3 in einem Kuvert, was bei der Heraus- nähme und vorläufigen Aufschichtung nicht bemerkt wurde. Herr Kaempf ist als mit 9 Stimmen Mehrheit gewählt proklamiert worden. Nach dem Protest scheint die Kassierung seiner Wahl notwendig, denn insgesamt ergibt sich nun eine Differenz von 20 Stimmen, für Düwell 5 mehr, für Kaempf 15 weniger._ Nationaler Rummel. Die Ausschreier der schwarzblauen Raritätenbude sind seit etlichen Tagen in wahres Nasen gekommen. Es will niemand mehr glauben, daß nur ausgerechnet bei ihnen die einzig richtige Nationalität zu finden ist. Die Sozialdemokraten sind gottlos» und vaterlandslos, sie sind Republikaner   und Kaiser- reichsfeinde, und alle, die mit ihnen gemeinsam vorgehen, sind dasselbe so schimpfen und klagen die Besitzer des so plötzlich leer gewordenen schwarzblauen Block- theaters. Dabei wollen die Leuie verschiedenes vergessen, was zu wissen sehr notwendig ist. Bekanntlich ist daS Deutsche Reich erst wenige Jahrzehnte alt und sein Vorgänger, der Norddeutsche Bund  , war ein Ge- waltsprodukt, durch das der König von Hannover  , der Kurfürst von Hessen   und der Herzog von Nassau, also alles christliche Fürsten von Gottes Gnaden, von dem damaligen christlichen König von Preußen vom Thron gestoßen wurden! Und wie war es bei der berühmten Versailler Kaiser- krönung? Einen Tag vor der Krönung schrieb der nachmalige Friedrich Hl. eine Aeußerung seines Vaters in das Tagebuch» die also lautet: ,17. Januar 1871. Mein Sohn(Friedrich Hl.) ist mit ganzer Seele bei dem neuen Stand der Dinge, während ich mir nicht ein Haar daraus mache und nur zu Preußen halte." Gleichlautende und noch schärfere Junkeräußerungen, welche die Verachtung der Reichsherrlichkeit ausdrücken, die von diesen Leuten immer mit der Nation und mit dem national fei» ver- wechselt wird, lassen sich zu Hunderten anführen! Die Sozialdemokratie bleibt in ihrer Auffassung der Nation gegenüber so wie sie immer gewesen ist und wie sie am 20. Mai 1899 im Reichstage in ihrer Stellung zum Vaterland trefflich durch Bebel charakterisiert wurde: .Wir sind in Deutschland   und somit als Deutsche ge- boren und wir, die wir die deutsche Sprache sprechen, an der Kulturarbeit des deutschen   Volkes uns ebenso beteiligt haben wie Sie und vielleicht in höherem Matze als die meisten von Ihnen, haben dasselbe Recht an unser Vater- und Heimatland wie Sie! Aber Sie können uns nicht ver- pflichten, die Institutionen, die Sie in Ihrem Interesse ge- schaffen haben, für gut und richtig zu halten. Hier kommt unier freies Bürgerrecht, unser Menschenrecht und unsere Ueberzeugung in Frage, die uns kein Kaiser, kein Kanzler und kein Reichstag nehmen kann, mag er Gesetze machen wie er will. Darum werden wir uns wehren mit allen Mitteln, die uns zu Gebote stehen, gegen diejenigen. die uns unser Menschen-, unser Bürgerrecht nehmen wollen. Und wenn wir in diesem Kampfe gehetzt und verfolgt werden und viel unangenehmes zu erdulden haben, dann zeigen wir viel mehr Patriotismus und Vaterlandsliebe als diejenigen, die im Rohre sitzen und sich Pfeifen schneiden, das heißtz als diejenigen, die aus den heutigen Staats- und Gesellschastszuständen d i e größten Vorteile für sich und ihre Klassengenossen heraus zu bringen wissen." DaS ist auch heute noch nicht nur unser Standpunkt, sondern der all' jener Menschen und Staatsbürger des Deutschen Reiches  , die nicht schwarzblaue Sonderinteressen, sondern das StaatSwohl vertreten! Die Abgg. Hcyl und Dr. Becker kaltgestellt? Ein Konferenz hessischer Nationalliberaler beschloß am Sonntag in Frankfurl a. M., daß die Abgg. Heyl und Dr. Becker der n»-:onal- liberalen Partei fernzuhalten seien. Beide seien nicht national- liberal, und im Interesse der Partei liege es, wenn so scharf und so rasch als möglich die volle Trennung vollzogen werde. Die Technikerbewegung in den Marinebetrieben hat nunmehr mit einem Erfolge der Angestellten ihr Ende erreicht. Bekanntlich hatte im Sommer des vorigen Jahres das Reichs- marineamt den Technikern bei den Marineintendanturen und Gar« nisonbauämtern gekündigt, um sie auf Grund eines sehr ungünstigen Privaldienstvertrages wieder einzustellen. Die Angestellten jedoch weigerten sich, diesen Vertrag anzunehmen und erklärten, lieber auS ihren Stellungen scheiden zu wollen. Die übrigen bei der kaiserlichen Marine beschäftigten technischen Hilfsbeamten erklärten sich mit den Gekündigten solidarisch und be- schlössen, die Unterzeichnung dieses Dienstvertrages ebenfalls zu verweigern. Die beiden Technikerorganisationen, der Deutsche  Technikerverband und der Bund der technisch-industriellen Beamten, versuchten damals mit dem Reichsmarineamt zu verhandeln, wurden sedoch schroff zurückgewiesen mit der Erklärung, daß da« Reichs- marineamt Verhandlungen mit außerhalb der Betriebe stehenden Organisationen.grundsätzlich" ablehnen müsse. Jetzt hat sich aber das Reichsmarineamt   doch gezwungen gesehen, den Wünschen der Hilfsbeamten auf Abänderung seines unsozialen Privatdienst- Vertrages zu entsprechen. Kurz vor den Reichstagswahlen(I) ist den Hilfsbeamten ein neuer Vertrag vorgelegt worden, der zwar ebenfalls noch nicht allen Wünschen der Angestellten entspricht, sich aber doch vorteilhaft von dem ersten Vertragsentwurf unter- scheidet. Die Angestellten haben denn auch in Uebereinstimmung mit ihren Organisationen beschlossen, diesen Vertrag anzunehmen, und die Organisationen haben daraufhin die über die Betriebe der kaiserlichen Marine verhängte Sperre aufgehoben. Mit dieser äußerlichen Erledigung des Konflikts kann jedoch die grundsätzliche Seite der Angelegenheit noch nicht als abgeschlossen be- trachtet werden. Wie bereits erwähnt, hat das Reichsmarineamt zu Beginn des Konflikts Verhandlungen mit den beiden Organisationen grundsätzlich abgelehnt, obwohl der Reichstag   am 16. Februar 1911 einen Antrag aufEinrichtung von Beamtenausschüssen, Sicherung