von der Fähigkeit und Kraft selbständigen Handelns undenergischer Politik ab. Aber wer wollte die Frage, obNationalliberale solche Energie aufbringen können, nachden letzten Erfahrungen noch immer bejahen?Sie englische Ihronrecke.Mittwoch wurde das Parlament mit einer Thronrede er-öffnet. Im Gegensatz zu Deutschland gehen dabei nicht dieAbgeordneten ins Schloß, sondern der Monarch ins Parlament.Die Thronrede hat folgenden Wortlaut:Unsere Beziehungen mit den fremde« Mächtensind andauernd freundlich. Der Kriegszustand zwischenItalien und der Türkei dauert leider noch fort. Meine Re-gierung ist bereit, sobald sich eine günstige Gelegenheit darbietensollte, sich mit anderen Mächten an jeder Vermittelung zu beteiligen,die dazu beitragen könnte, die Feindseligkeiten zu beenden.Die Lage in P e r s i e n fährt fort, unsere ernste Aufmerksamkeit inAnspruch zu nehmen. Meine Minister, die in ständiger Verbindungmit der russischen Regierung sind, erwägen, welche Mittel am bestendie persische Regierung in den Stand setzen könnten, Ordnung undRuhe in Persien wiederherzustellen. Dem Parlament werden bald-möglichst die auf die persischen Angelegenheiten bezüglichen Do-komente vorgelegt werden. Ich hege die Zuversicht, datz die Krisisin China durch die Einführung einer dauernden Re-gierungSform.die den' Ansichten deS chinesischenVolkes entspricht, bald in befriedigender Weise beendet werdenwird. Meine Regierung fährt fort, eine Haltung strikterNichteinmischung zu beobachten, während sie zugleich allenotwendigen Schritte tut, um Leben und Eigentum der britischenUntertanen zu schützen. Ich erkenne in vollem Maße an, daß dieFührer beider Parteien in China jederzeit bestrebt gewesen sind, dasLeben und die Interessen der Fremden in China sicher zu stellen.Dem Parlament werden die auf China bezüglichen Schriftstücke zu-gehen.Der König teilte ferner mit, daß im Haag ein Abkommenzur Regulierung des Handels mit Opium und ähnlichen Er-Zeugnissen abgeschlossen worden sei. Der König be-rührte sodann den KrönungSdurbar in Delhi. Erbetrachte mit schwerer Sorge die in Aussicht stehendenStreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Ar-b eitern, hege jedoch die feste Zuversicht, daß eine vernünftigeAuffassung auf beiden Seiten vorwalten und eine EntWickelung hint-anhalten werde, die den Handel des Landes und die Wohlfahrt desVolkes ernstlich berühren würde. In der Thronrede werden schließ-lich Maßnahmen für eine bessere Verwaltung von Irlandangelündigt, ferner Gesetzentwürfe über die Entstaatlichungder Kirche in Wales, über die Abänderung des Wahl-rechts, über die Verbesserung deS Gesetzes über die britischeStaatszugehörigkeit gemäß den Empfehlungen der Reichskonferenzund über gewisse soziale und gewerbliche Reformen.Die von manchen Seiten gehegte Erwartung, daß schonin der Thronrede über das Verhältnis zu Deutsch-l a n d nähere Ausführungen gemacht würden, hat sich nichterfüllt. Doch besagen weitere Meldungen aus London, daßSir Edw. G r e y gelegentlich der Adreßdebatte auf den Er-folg der Reise Haldancs einige Mitteilungen machen werde.Die Gerüchte, daß Asquith demissionieren und durch Greyoder Lloyd George ersetzt werden sollte, werden dementiert.Die von den Panzerplatteninteressenten ausgehaltene.♦Post" ist übrigens über die Möglichkeit einer Besserung derdeutsch-englischen Beziehungen sehr bestürzt. Sie will gehörthaben, daß an den angekündigten deutschen Heeres- undFlottenvorlagen Abstriche vorgenommen würden, mißbilligtsolche Geschäftsstörung aufs allerschärfste und versteigt sich zufolgender Drohung:„Wir glauben, daß. wenn sich diese Be-fürchtung bestätigt, die Regierung einen Sturm der Ent-r ü st u n g erleben wird, gegen den die Erregung des vorigenJahres ein wahres Kinderspiel gewesen ist."Dieser Kasus von Größenwahn macht uns wirklich lachen.Tie Adreßdebatte.London, 14. Februar.(Unterhaus.) In der Adreß-debatte zur Thronrede erörterte Bonar Law, derFührer der Konservativen, die Geheimdiplomatie undsagte: Unsere Diplomatie hat sich in letzter Zeit in einer Weisebetätigt, wie sie mir bisher nicht vorgekommen ist. LordH a l d a n e hat in irgendeiner geheimnisvollen Missionin Berlin zu tun gehabt. Ich hätte geglaubt, daß wir genuggehabt hätten von der Amateurdiplomatie im letztenSommer. Ich selbst glaube nicht daran. Wenn es notwendig war,daß irgendein Minister nach Berlin(jing, würde meiner Ansichtnach der Staatssekretär des Auswärtigen der geeigneteM i n i st e r gewesen sein. Wie ich sehe, ist angegeben worden,daß Haldanc den Vorzug besitze, deutsch zu sprechen; aber das isteine nicht ungewöhnliche Kenntnis. Ich nehme an, daß auch unserBotschafter in Berlin deutsch spricht, und daß dieser Grund alsokeine ausreichende Erklärung ist. Diese jüngste diplomatischeLeistung scheint mir von einer außergewöhnlichen Art zu sein:Haldane ging nach Berlin, vermutlich mit dem Gedanken an einebessere Verständigung mit Deutschland. Dennochhielt gleichzeitig Churchill seine Rede, die mir nicht daraufberechnet zu sein schien, Haldane den Weg zu ebnen. Wasdiese Rede selbst anbetrifft, so freue ich mich, sagen zu können, daßich nicht nur mit ihrem Geiste, sondern mit jedem Worte einver-standen bin.(Beifall bei der Opposition.)Bonar Law fuhr fort: Wenn das der Geist und das derWeg ist, so kann er sich auf die unbedingte Unterstützung jedesUnionisten verlassen. Niemand ist mehr für ein gutes Einver-nehmen mit Deutschland besorgt als ich und niemand würde mitgrößerem Entsetzen einen Krieg zwischen den beiden Völkernsehen. Ich freue mich, diese Gelegenheit zu haben, das noch einmalzu sagen. Churchill ist kritisiert ivvrden. weil er gesagt hat,Deutschlands Flotte sei ein L u x u s für Deutschland, unsere Flottesei eine Notwendigkeit für uns. Diese Worte sind wahr. Sie sindnur eine Rechtfertigung für unsere Entschlossen-h e i t, eine solche Flotte zu unterhalten, wie wir sie zu unterhaltenbeabsichiigen.Die Stellung der beiden Nationen ist nicht dieselbe. Vor-ausgesetzt, daß wir in einen Krieg mit Deutschland verwickelt wer-den— lvas, wie ich hoffe und glaube, nie gesöhchen wird— mögenwir wohl imstande sein, die deutsche Flotte zu zerstören, aber wirwürden niemals an das Herz Teutschlands gelangen können.Wenn wir aber den Fall setzen, daß die deutsche Flotte die Herr-schaft im Kanal zwei oder drei Wochen oder kürzere Zeit behält,Ivürde die deutscke Armee, mit der wir in keiner Hinsicht in Wettbewerb treten können, uns vollständig Niederschlägen. Jeder imHause stimmt dem im Herzen zu, daß eine überlegeneFlotte für uns unbedingt notwendig ist und, mag eskosten, was es wolle, erhalten werden wird.Ich hoffe aufrichtig, daß, während ich dieses sage, das guteEinvernehmen erreicht sein möge. Wenn wir es klar machen, daßwir in dieser Weise zu handeln im Begriffe sind, so wird es auchklar sein, daß eine Steigerung der Rüstungen die Lage nicht ver-ändert und eine reine Geldverschwendung ist. Redner schloß, erbillige die Worte, die Sir Frank Lascelles über die für ein gutesEinvernehmen notwendige Geduld geäußert habe, und hoffe, daßdie Regierung diese Eigenschaft bei dieser Gelegenheit zeigenwerde.politilcbe CUberlicht*Berlin, den 14. Februar 1912.Die sozialdemokratische Fraktion des Reichstageshiell am Mittwoch eine weitere Sitzung ab. Der Vorstand gabbekannt, daß von ihm eine chronologische Darstellung der Vor-gänge bei der Präsidentenwahl ausgearbeitet worden ist. dieauch der Parteipresse zugehen solle. Weiter wurde beschlossen,noch folgende Initiativanträge einzubringen: Aenderung derGeschäftsordnung des Reichstags; Regelung des Arbeitsrechtsder Privatangestellten; Aufhebung der Salz-, Zündholz- undLeuchtmittelsteuer, dafür Einführung einer Besteuerung derNachlässe von 20(XX) M. aufwärts und Einführung einerReichseinkommensteuer ab 6000 M.; ferner obligatorische Versicherung gegen Schäden der Viehseuche; Beseitigung des§ 12des Vieh- und Fleischbeschaugesetzes, um die Einführung vonGefrierfleisch aus dem Auslande zu erleichtern; Vorlegungeines Reichsschulgesetzes; Reform des Reichsvereinsgesetzes;Bildung weiterer Ausschüffe zur Vorberatung größerer gesetz-geberischer Materien._Aus dem Abgeorduetenhause.Im Abgeordnetenhause wurde auch am Mittwoch dieganze Sitzung mit der Beratung de« Etats der land-wirtschaftlichen Verwaltung ausgefüllt. Trotz der wieder inFunktion getretenen Wort-Abfchneide-Maschine, die eS unter andermunserem Genoffen Hoffmann unmöglich machte, die Bedeutung desObstbaues für die Laubenkolonien deS näheren darzulegen, kommendie Verhandlungen nicht recht vom Fleck. ES gibt immer noch zuviele Abgeordnete, die eine Rede, auf die sie sich für die General-debatte vorbereitet batten, die sie sich aber dort verkneifen mußten,bei irgend einem Spezialetat an den Mann bringen zu müssenglauben. Besonders war es der konservative Abg. v. d. O st e n,der die Generaldebatte wieder eröffnete und über Latifundien, innereKolonisation, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, hygienische Maßnahmenauf dem Lande und wer weiß was sonst noch alles sprach. In derForm milde, aber in der Sache um so schärfer, sang er ein Lobliedauf die Großgrundbesitzer, die, wenn es sich wirklich so verhielte,wie ihr Vertreter ausführte, die besten Menschen von der Welt unddie sozial einsichtigsten und selbstlosesten Arbeitgeber wären. Dieländlichen Arbeiter werden sich wundern, aus dem Munde des Herrnv. d. Osten zu hören, wie gut sie es haben, fast so gut wie im Paradiese.Schade nur, daß die Wirklichkeit mit dieser agrarischen Schilderungnicht übereinstimmt. Es war eine etwas verspätete Wahlrede, die Herrv. d. Osten hielt, eine Wablrede mit den allertollsten Behauptungen, vondenen wir nur die eine hervorheben wollen, daß die Sozialdemo-kraten selbst darüber klagen, daß sie an die Landarbeiter nicht heran-kommen können. Daß das mit den Tatsachen nicht in Einklang zubringen ist, wissen die Konservativen, aber eS macht sich schön, wennso etwa? gesagt wird, und noch schöner, wenn ihm niemand wider-spricht. In derselben Sitzung war das infolge eines angenommenenVertagungsantrages nichl möglich, aber in der nächsten Sitzung wirdes von unserer Seite nachgeholt werden.Im übrigen ist aus den Verhandlungen die Anregung deS Ab-geordneten F l e s ch(Fortschr. Vp.) hervorzuheben, an Stelle der laud-wirtschaftlichen Spezialarbeitsnachweise die ArbeitSvermittelung aufdem Lande einheitlich zu regeln und die Krankenpflege auf demLande zu ordnen. Charakteristischerweise schwiegen die Vertreter derRegierung zu dieser Anregung still.Donnerstag: Fortsetzung der Etatsberatung.Die Fortschrittspartei und das Reichstagspräsidium.Ueber die Motive, die die Haltung der Fortschrittspartei beider Wahl des Präsidiums geleitet haben, besagt eine parteiamtlicheVerlautbarung folgendes:„Die demonstrative Weigerung der zunächst be-rufenen Parteien, in das Reichstagspräsidium einzutreten, hat zueiner Präsidentenkrisis geführt, welche die Geschäftstätig-keit des Reichstages aufzuheben droht und damiteine Notlage geschaffen hat.Angesichts dieser Gefahr hält es die Fortschrittliche Volks-Partei für ihre Pflicht, in die Bresche zu treten und die for-mellcn Voraussetzungen für den endlichen Be-ginn der sachlichen Verhandlungen zu schaffen.In der erfolgten Erwählung eines Vertreters der stärksten,die größte Wählerzahl vertretenden Fraktion zum Vizepräsidentenkann die Fortschrittliche Volkspartei keinen Grund erblicken, dasAmt des Präsidenten abzulehnen, auf das sie einen An-spruch nicht erhoben hat. Für die spätere Zeit nachBeseitigung der gegenwärtigen außerordentlichen Lage behältsich die Fortschrittliche Volkspartei ihre Entscheidung vor.Aus diesen Gründen hat die Fraktion ihre MitgliederKaempf und Dave dringend und einmütig ge-beten, sich für das parlamentarische Amt des Präsidentenund zweiten Vizepräsidenten zur Verfügung zustelle n."_Das ziffernmäßige Ergebnis der bayerischen Landtags-wählen.Die Regierung veröffentlicht jetzt endlich die amtlichenWahlziffern für die letzten bayerischen Landtagswahlen. Eswurden im ganzen 969 325 Stimmen abgegeben; das sind81,7 Proz. der Wahlberechtigten. Das Zentrum, der Bundder Landwirte und die Konservativen erhielten 463 631Stimmen, die Sozialdemokraten, Liberalen, der deutsche undbayerische Bauernbund 489 746 Stimmen. Das Zentrumund seine Verbündeten erhielten demnach 48 Proz., die Sozial-demokraten, Liberalen und Bauernbündler 50,8 Proz. derStiminen.Trimborn als Nachfolger Hertlings.Der Zentrumsabgeordnete Dr. Becker(Köln) braucht nun-mehr sein Mandat nicht niederzulegen, um Herrn Trimborn Platzzu machen, da durch die Mandatsnwderlegung des Frhrn. v. Herl-ling ein absolut sicherer Zentrumskreis frei geworden ist. Be-sondere Aufregung wird dieser Wahlkampf Herrn Trimborn nichtbringen, denn v. Hertling ist dort— in Münster-Coesfeld— mit25 728 gegen etwa 6000 Stimmen der Gegner gewählt worden.Ter Schutz der nationalen Arbeit.Der Wahlsieg der Sozialdemokratie in Bremen ist'nicht zu-letzt der zunehmenden Industrialisierung der Handelsstadt zu dankenhatte doch die Zahl der Wahlberecktigten wesentlich dank dem Zuzugvon Industriearbeitern gegen 1907 um 13 500 zugenommen, von60 963 auf 74 449. Das Resultat der Wahl bringt die Bürgerlichennatürlich zum Nachdenken. In der Bremischen Monats-schrift„Die Güldenkammcr', übrigens einem Reklame-unternehmen einer Kaffcefirma, untersucht Dr. F. Gehrke die„Industrialisierung der Seestadt" und empfiehlt u. a.� den liberalenBremer Unternehmern(von denen sich die Arbciterwähler jetzt nichtmehr so leicht einseifen lassen), ein bißchen arbeitersteundlicher zuwerden. Gehrke meint:„Der Handelsherr der Seestadt herrschte bisher als Königim eigenen Reich. Da verliert er gar häufig den Sinn für dieaußerhalb seines begrenzten Gesichtskreises liegenden Verhält-niffe. Und da soll er jetzt plötzlich auf etwa» ihm so fernLiegendes wie die Psyche des IndustriearbeitersRücksicht nehmen I Das scheint eine gewagte Behauptung und ,stdoch im letzten Grunde richtig. Im Großbetriebe ist der einzelneArbeiter— wie übrigen? auch der kaufmännische Angnstellte I—allerdings nur eine Nummer, und es geht keinesfalls an, daß er,außer in ganz bestimmten Fragen, seinen divergierenden Willenzur Geltung kommen lassen dürfte. Der brutal scheinende Grund-satz:„Wer nicht Order pariert, fliegt", ist da durch-aus berechtigt. Aber trotzdem wird eine klugeVerwaltung ihre Arbeiterschaft unter Umständen � sogar„poussieren" müssen. Ja noch mehr: wo die Kräfte derprivaten Verwaltungen nicht ausreichen, mutz die Kommunehilfreich einspringen, besonders wenn und weil sie selbst die Heran«ziehung industrieller Betriebe begünstigt."Da nun ferner die starke Beschäftigung ausländischerArbeiter natürlich nicht dazu beitragen kann, die einheimischenArbeiter versöhnlich zu stimmen, so liest Gehrke den Bremer Unter-nehmern folgendermaßen die Leviten:„Jeder Erwerbsbetrieb hat naturgemäß das Bestreben, mög-lichst billig zu arbeiten, u. a. also möglichst gering entlohnteArbeiter zu beschästigen. Der deutsche Arbeiter, in Kultur undLebenshaltung verhältnismäßig weit vorgeschritten, ist teuer. Alsosucht man, besonders in der Schwerindustrie mtt ihren Massen un-qualifizierter Arbeitskräfte, ihre Kraft billiger verkaufende Leuteheranzuziehen und findet sie— in den Polen und anderenftammessremden Elementen. Ein Bremer Grotznnter-nehmen stellt sogar, wie ich von der Verwaltungerfuhr, wenn möglich nur slawische Arbeiterein. Dieser starke, noch dazu künstlich begünstigte Zufluß nicht-germanischer Arbeiter ist eine sehr unerfreuliche Begleiterscheinungder Industrialisierung."Gehrke zählt dann seine Gründe für die Notwendigkeit, dienationale Arbeit zu schützen, auf. Das oben erwähnte Moment—die Sorge um die Wählerstimmen— vergißt er natürlich. Er willnur verhüten, daß sich ein neues Polackenzentrum in Bremen bildet,er will ferner„schon aus Vaterlandsgefühl" nur deutsche Arbeiteteingestellt sehen, er fürchtet die Belastung der Krankenkassen, under fürchtet endlich die Belastung der Gemeinde. Dabei erzähltDr. Gehrke eine nette Geschichte, die es verdient, allgemein bekanntzu werden, weil sie zeigt, wie es gewisse Leute anfangen, die„nationale Arbeit" zu„schützen" und obendrein die ausländischenArbeiter zu prellen:„Bei der Einstellung größerer Mengen fremder ArbeiterWieb auch der Umstand wichtig werden, daß dieselben nach ge-wiyer Zeit hier den sogenannten„Unterstützungswohn-s i tz" erlangen und damit in der Lage sind, der Kvmmunalkasseunter Umständen empfindlich zur Last zu fallen. Die bremischenUnternehmungen würden gut daran tun, dagegen Vorsorge zutreffen, denn das können sie verhältnismäßig leicht. Mir ist eininteressanter Fall aus Oberschlesien bekannt. Eine dor-tige bei Myslowitz gelegene Grube hat die Einrietz-tung getroffen, daß ihre ausländischen Ardeiter, bevorsie den Unter st ützungs wohnfitz erlangen, offi-ziell gekündigt werden. Sie ziehen dann ein»fach während einiger Zeit ins Oesterreichischehinüber(zur Grube können sie über eine von der Gesellschaftausschließlich für diesen Zweck über den Grenzfluß,die Przemsa, geschlagene eiserne' Brücke kommen), wo sie ingroßen im Eigentum der Grube stehenden Logierhäusern solangeUnterkunft finden, und werden dann wieder herübergeholt, umeiner anderen auszuwechselnden Kolonne Platz zu machen."—Myslowitz liegt mitten im Zentrums- und Polenparadies. Diedeutsche Kultur wird durch je ein Denkmal Wilhelms I. und Frie-drichs III. vertreten. Beide können es nicht verhindern, daß dieerwähnte Grube solcher Art die„nationale Arbeit schützt". Viel-leicht wenn man noch ein Denkmal für Wilhelm II....?Ein zentrümlicher Klageruf aus dem westfälische»Sauerlaud.Ueberall wackelt es in den„festesten" Zentrumsburgen.Auch aus dem„katholischen Sauerland" berichtet die„West-deutsche Arbciter-Zeitung" in M.-Gladbach, daß„deS Lebensungemischte Freude keinem Irdischen zuteil" werde. Zwarist der Wahlkreis, in dem früher Fusangel gewählt wurde,dem Zentrum erhalten geblieben, aber„auch den Sauer-ländcrn, insbesondere den katholischen Arbeitern im Sauer-lande wird die Freude über die wiedergewonnene Einigkeitwesentlich geschmälert durch das starke Anwachsensozialdemokratischer Stimmen insbesondere injenen Orten, in denen wir größere Massen katholischer Arbeiterhaben". Es heißt, daß die„gewiegten sozialisttschen Agitatoren"„die schwachen Seiten der Sauerländer bald herausgefunden"hätten. Die„Westdeutsche Arbeiter-Zeitung" schimpft, wasdas Zeug hält, weil die„roten Hetzapostel" nicht gegen den„religiösen Sinn" der Sauerländer losdonnern- Dafür wirderklärt, daß der„oft noch schlecht entlohnte" sauerländischeArbeiter„leicht gewonnen" sei, wenn der sozialistische Agitatormit geheuchelter Entrüstung(daß sie geheuchelt ist, glaubt die„Westdeutsche" ja selber nicht, diese„Geberden" gehören aberzum M.-Gladbacher Schwindelgeschäft. Red. des„Vorwärts")über die„unerhörte Lebensmittelteuerung" oder über„Volks-ausbeutung" wettere. Dem demokrattschen Empfinden desSauerländers entspreche das radikale Schlagwort von Volks-rechten und Volksfreiheit, heißt es von M.- Gladbachaus, und es wird„dringend" gehofft, daß„man"nun aus dem Verlaufe des WahlkampfeS die»rich-tigen Lehren" ziehen werde. Denn es brennt:„Möglich st bald müßte man sich allent-halben mit der Gründung von katholischenArbeitervereinen befassen, nicht warten, bisüberhaupt nichts mehr zu retten ist."Das also ist der„feste ZentrumSturm!" fast ist schon„nichts mehr zu retten" I Dem„demokratischen Sauerländer"wird es ja ein Vergnügen sein, von den„roten Hetzaposteln"zu hören, daß die M.-Gladbacher Zentrumszentrale B o l k s-rechte und Volksfreiheit als radikale Schlag-Wörter bezeichnet. Es wird, so glauben die Schwarzenwohl noch gar, dazu beitragen, den wackeligen Turm zuschützen?!_Graf Oppersdorff.Es ist schon mitgeteilt worden, daß Graf OpPerSdorff,der in Lissa mit Hilfe der Polen gewählt wurde, obwohl dieoffiziellen Zentrumskreise alle Register zogen, den gegen dieKölner Richtung eifernden schlesischen Grafen vom Reichstagefernzuhalten, nicht in die Zentrumsfraktion aufgenommenwurde. Graf Oppersdorfs veröffentlicht nun in seinerkatholischen Wochenschrift„Wahrheit und Klarheit" den Brief.den er über seinen Ausschluß an den Vorsitzenden derZentrumsfraktion, jetzigen bayerischen MinisterpräsidentenFreihcrrn v. Hertling, geschrieben hat. Dieser Brief ist fürdas Zentrum und für die Schärfe des Gegensatzes zwischender Kölner und der Berliner Richtung so charakteristisch, daßwir ihn hier wörtlich wiedergeben wollen:„Berlin, 3. Februar 1912.Euer Exzellenzhabe ich folgende Mitteilung zu machen:Noch vor der Wahl, während ich in Fraustadt-Lissa von dendort allein zuständigen Zentrumsinstanzen auf Grund deS Zen-