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Nr.M). 29. Iahrgans. 2. ßfiliiif des Joniiiitlo" berliner ildliolilfitt. Zollvabkud. 17. Februar 1912. Mgeorclnetenkaus. 18. Sitzung vom Freitag, den 16. Februar, vormittags 11 Uhr. Am Ministertisch: Oberlandforstmeister W e s e n e r. Ter Forstetat. Abg. Ströbcl(Soz,): Wir meinen, daß sich eine Verpachtung der KvNvsidiagd in den StaatSsorsten, auch durch die von der Regierung zu- gegebenen Holzschädigungen durch Wild nötig macht. Was wird doch für Gemeindejagdcn bezahlt I Im Rheinland z. B. b 10 M. pro Hektar. Präsident v. Erffa : DaS hätten Sie bei den Einnahmen vor- bringen sollen. Abg. Ströbel: Ich habe mich doch zur allgemeinen Be- sprechung des Forstetats gemeldet I Präfident v. Erffa : Die gibt» nur beim Ministergehalt. Fahren Sie bitte fort, aber beschränken Sie sich möglichst auf die Ausgaben. Abg. Ströbcl: Wir wünschen Erhaltung der Wälder und ihren Schutz vor dem Wilde, nicht wir sind die Barbaren, die die Natur- schönheiten nicht zu schätzen wissen. Barbarisch find jene, die alles ihrem Jagdvergnügen unterordnen wollen. Ein Abschuß des WildeS ist also nötig, ich habe im Vorjahre eingehend darüber ge- sprachen. Die Forst be am ten sollten zum Abschuß des Wildes berechtigt und verpflichtet sein, statt eS den herrschaitlichen Jagden vorzubehalten. Die gewaltigen Erlöse des Wildabschusies müssen restlos dem FiskuS zugute kommen.(Der Redner ist bei den lauten Unterhaltungen der Abgeordneten nur schwer der- stündlich.) ES handelt sich da um Zehntausende Mark. Selbst ein Sachverständiger in derD. Tagesztg.' erklärt, daß die Gutsbesitzer usw. gern Hunderte Mark für Abschußrechte in den StaatSsorsten bezahlen würden. Man kann in der Tat von Millionen sprechen, die der preußische Staat hieraus gewinnen könnte es handelt sich vielleicht um so viel, daß damit der Ausfall gedeckt würde, wenn die Einkommensteuer erst bei 1200 M. beginnen würde. Die preußische Regierung hat ja selbst schon 1882 diese Forderung erhoben I(Hört! hört l bei den Sozialdemokraten.) Die Rücksicht auf die Gemeinden, denen die Jagdpachteinnahmen entgehen würden, wird nur vorgeschoben, denn 63 Proz. aller Forsten find nicht im Staats- sondern im Privatbesitz. Selbst Fachleute erklären, so im.Forstwirtschaftl. Zentralblatt', daß da« heutige System auch forstwirtschaftlich»nhaltdar ist, so daß die Oderrechnungskammer sich schon zu Beanstandungen veranlaßt gesehen hat. Von Leuten, denen Sie snach recht») unmöglich Sachkunde absprechen können, von aftiven Forstbeamten höheren Range», wird dem heutigen System nachgesagt, daß eS zum Nachteil de« Staates Privatpaisionen hochgestellter Leute dient. Ein Oberförster schrieb in der.Frankfurter Ztg.', daß heute die Be- amten geradezu an einem hohen Wildstand interessiert seien, weil sie daraus Einnahmen ziehen können, die dem Staate verloren gehen. Er spricht da von einem finanzpolitischen Verbreche», wodurch«S verhindert wird, daß au» den StaatSsorsten die mög- lichen Erträgnisie herausgeholt werden ganz abgesehen von dem ungünstigen Einfluß dieses System» auf die Beamten selbst. sZu- slimmung bei den Sozialdemokraten.) Würden auf diese Art die Erträgnisse der Forswerwaltung gesteigert, so könnte und müßte sie Gelände am Rande der Großstädte, wie B e r l i n S, zu mäßigen Preisen den Gemeinden überlasien, um sie in die Lag« zu versetzen, eine großzügige gemeinnützige Wohnungspolitik zu treiben. Meine vorjährige Anfrage, waS mit den Geländen der Forstverwaltung in der nächsten Nachbarschaft Berlins geschehen soll, ist noch nicht beantwortet worden. Man spricht davon, daß diese Gelände nicht an die Stadt Berlin verkauft, sondern nur verpachtet werden sollen, und zwar für 3 Millionen Mark. Da» wäre eine geradezu unerhörte Summe. Die Städte zahlen in Preußen 267 Millionen von den 337 Millionen, die die Einkommensteuer überhaupt trägt. Berlin allein bringt 63 Millionen StaatSsteuer auf bei 80 Millionen, die von dem ganzen flachen Lande aufgebracht werden. Berlin muß jetzt den Gemeinde- steuerzuschlag auf 110 Proz. erhöhen und eS wird rhm infolg« seiner Schullasten usw. immer schwerer, sozialpolitische Maßnahmen zu treffen, llm so mehr sollte der Staat die Pflicht erfüllen, der'Haupt- stadt die Durchführung einer großzügigen WohnungSreform zu er­leichtern sSehr richtig I links.) Ich möchte nun einige Ausführungen über die Lage der Forstarbeiter machen. DaS, WaS für diese geschehen ist, ist trotz der Versicherungen de« LandwirtschaftSministcrS äußerst wenig, denn die Löhne sind in der Tat sehr niedrig. Sie betragen für Männer 1,40 bis 1.86 M.. für Frauen 1 M. bis 1.39 M. und der Höchstlohn für Männer, der aber nur einem winzigen Bruchteil der Forstarbeiter zugute kommt, beträgt 3,22 M. Die Besserung gegen 1910 ist keineswegs irgendwie nennenswert, und es ist so, daß sich die Männer bei dieser langen Arbeitszeit und schweren körperlichen Arbeit mit einem Stundenlohn von 19 bis 32 Pf., die Frauen sogar mit 10 MS 20 Pf. begnügen muffen. Auch die Akkordlöhne find außerordentlich niedrig. Sie machen«inen Tagesverdienst von 2.28 M. bis 2,73 M. aus und der höchste Akkord- verdienst beträgt nur 3,99 M. Es beweist gar nicht«, daß sich immer noch Arbeiter finden, die zu solchen Bedingungen arbeiten. DaS kann höchstens ein Beweis dafür sein, wie kulturwidrig unsere ganze kapitalistische Wirtschaftsordnung ist.(Sehr wahrl bei den Sozial- demokraten.) Die Löhne der in den preußischen StaatSsorsten beschäftigten Arbeiter sind durchaus niedriger als in den anderen Bundesstaaten. In Sachsen werden Löhne von 2,60 bis 6 M., im rechtsrheinischen Bayern und in Hessen von 4,80 M. bezahlt, in Baden und Elsaß-Lothringen kommen Löhne bi» 6 M. und 7 M. vor. Sowohl die Aklordlöhne, als die Tagelöhne sind überall höher als in Preußen. Trotz einer Verfügung der Forstverwaltung werden den Forstarbeitern ünmer noch Lohnabzüge von 2 b,S 4 Proz. gemacht. Die Arbeiter beschweren si» darüber, daß sie bei der Lohnfestsetzung nicht ge- hört und daß sogar ihr« Anfragen nach der Bezahlung bestimmter Arbeiten nicht beantwortet werden, sowie darüber, daß si« gar nicht wissen, wofür ihnen Abzüge gemacht werden. Wir fordern ein Mitbestimmungsrecht der Arbeiter auf die Arbeitsbedingungen. Man kann hier von Süddeutschland außerordentlich viel lernen. In B o y e r n gibt es ArbeiterauSichüsie, dort haben die Arbeiter auch freies KoalitionSrecht. Wir wisien allerdings nicht, wie da» jetzt beim Ministerium Hertling werden wird. ES ist ja möglich, daß daS neue ZcntrumSministerium feine Hauptaufgabe barm erblicken wird, den Arbeitern die OrgantfationS- frei heil zu nehmen. Die Geschichte der Auflösung deS bayerischen Landtage» ist ja bezeichnend dafür.(Sehr wahr! linls.) Bei un» in Preußen ist jedenfalls von der süddeutschen Koalitionsfreiheit keine Rede. Ter LandwirtichaftS- minister hat ja rundweg erklärt, daß sozialdemokratische Agitationen und Stiftung von Unfrieden nicht geduldet werden. Wenn ein Arbeiler dafür eintritt, daß sein Lohn aufgebessert wird, daß die Arbeiter ihre Jntereffen gegenüber der Behörde vertreten können, dann wird das einfach als Stistung von Unfrieden hingestellt I Die fortschreitende Entwickelung wird der preußischen Regierung schon das sozialpolitische Verständnis beibringen, daß. wenn ste al« Unter- nehmer austritt, sie auch den Arbeitern ihr Recht lassen mutz.(Lachen rechts.) Von Ihnen erwarten wir allerdings nicht, daß Sie hierbei behilflich sind, wir kennen ja Ihre Feindschaft gegen das KoalitionS- recht!(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Wenn, wie der Minister im Vorjahre erklärt hat, sich auch einzelne Arbeiter Ver- fehlungen zuschulden kommen lasten, so will ich das nicht bestreiten, aber je eher diese Arbeiterschichten an der Arbeiterbewegung teilnehmen werden, desto eher werden sie einsehen, daß sie un- solidarisch vorgehen. Wenn aber die Agrarierangemesienen" Verdienst fordern, die Beamtenorganisationen Gehalts- crhöhnngen, dann werden Sie doch anerkennen müssen, daß auch die Forstarbeiter das Recht dazu haben müssen.(Sehr richtig I links. Lachen rechts.) Wir haben seinerzeit für d i e B c s o l- dungserhöhungen der Förster und O b e r f ö r st e r ge- stimmt, weil wir eine angemessene Bezahlung dieser Beamten für richtig halten, wir verlangen aber auch, daß die Forstardciter anstäudig be- handelt und angemessen entlohnt werden. Hier können Sic bcweiien, daß Sie Verständnis für die Notlage und die Bedürfnisse der Arbeiler haben I Die Pachtverträge, die die staatliche Forstverwallung mit den Waldarbeitern abschließt,, scheinen dazu gemacht zu sein, die Arbeiter zu zwiebeln.(Präsident Frhr. v. Erffa : Dieser Ausdruck ist unparlamentarisch I) In den allgemeinen Bedingungen für die Verpachtung von Grundstücken an die Forstarbeitcr heißt eS, daß für richtige Größe und Beschaffenheit der Pachtgrund- stücke von der Behörde keine Gewähr geleistet wird. Das ist doch unglaublich!(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Außerordentlich hart ist es auch, daß die Pächter keinen Anspruch auf Eni- schädig ung von Wildschaden, sowie auf M e l i o r a- t i o n e n haben, selbst dann nicht, wenn das Grundstück ohne Ver- schulden des Pächters vor Ablauf der Pachtfrist geräumt werden mutz. Für ein so illoyales Vorgehen gibt es gar keine Recht- fertigung. Wenn der Landwirtschaftsminister gestern gesagt hat, daß die AnsiedelungSverträg« der Landarbeiter auch in einem sozial- demokratischen Bureau hätten abgeschlossen werden können, so ist es ja sehr nett, daß der Minister das von Verträgen sagt, die er für gut hält.(Sehr gut! b. d. Soz.) Aber wenn er annimmt, daß solche Verträge uns die Wähler auf dem Lande und die Sympathien der Land- arbcitcr rauben werden, so irrt er. Die Oeffentlichkeit wird mit mir übereinstimmen, daß solche Verträge, die geradezu gegen die guten Sitten verstoßen, ,n Preußen nicht möglich sein sollten.(Sehr wahr! links.) Wir fordern eine ernstliche Anfbesseniiig der Löhne, die Beseitigung dieseö Pachtsystems, ausreichende Bekannt- gab« der Arbeitsbedingungen, eine Arbeitsordnung etwa so wie die württembergische, die Schaffung von unabhängigen Arbciterauöschüffen und vor allen Dingen unbeschränktes freies Koalitionsrecht. Solange diese Forderungen nicht erfüllt sind, haben wir ein Recht, Preußen auch auf diesem Gebiete als den rückständigsten Staat in ganz Deutschland zu bezeichnen.(Bravo I bei den Sozial- demokraten.) Abg. Busch(Z.) sbeim Betreten der Rednertribüne von dem Abg. Lein e rt(Soz.) mit dem Zuruf.KoalitionSfreiheil' empfangen): Herr Leinert, wenn Sie die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung objeftiv studieren, dann werden Sie finden, daß gerade das Zentrum stets für die volle Koalitionsfteibeit eintritt. Allerdings haben wir nie den TerrorismuS der Gewerkschaften gebilligt.(Aharufe bei den Sozialdemokraten. Zuruf deS Abg. Ströbel:Und Ihre Bundesgenossenschaft mit den Konservativen?') Der Abg. Ströbel ist hier für die Forstarbeiter eingetreten; der Vorwurf daß andere Parteien nicht« fiir die Forstarbeiter tun, ist unberechtigt. Denn gerade daS Zentrum hat sich stets von dieser Stelle aus für die Forstarbeiter ins Zeug gelegt. Im Gegensatz zu den vom Abg. Ströbel angeführten niedrigen Lohnsätzen der Forstarbeiter weiß ich au« Erfahrung, daß viele Tagelöhner 3 bi« 6 M. täglich verdienen. ES ist eine bekannte Tatsache, daß sich die Arbeiter z» der Forstarbeit geradezu drängen. Durch solche Agitationen, wie sie die Sozialdemokratie treibt, wird man niemals die Staatsbehörden auf dem Wege weiterer Fürsorge vorwärts treiben können. Die ruhigen Arbeiter auf dem Lande haben viele Borteile gegenüber den Arbeitern in den Städten. Ste(zu den Sozialdemokraten gewandt) wollen die Unzufriedenheit in die Arbeiterkreise hineinwagen und fangen bei den EtaatSarbeitern an. Abg. Ströbel hat auf das neue Zentrumsministerium in Bayern hingewiesen; dies neue Ministerium ist freiheitlicher gesinnt, als eS ein sozialdemokratisches Ministerium an seiner Stelle sein soll.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Ich erinnere an die Sieben, die beim.Vorwärts' fliegen mußten, um zu zeigen, wie es in den Kreisen der Sozialdemokratie mit der Freiheit bestellt ist. Ihre Parole lautet:.Wer nicht pariert, der fliegt'. Solche Worte hört man vom preußischen Staate nun doch nicht in dieser krassen Form, Sorgen Sie(zu den Sozialdemokraten) dafür, daß der christlich organisierte Arbeiter ruhig seiner Arbeit nachgehen kann, auf den Sie jetzt den stärksten Druck ausüben. Wir vom Zentrum find für die Freiheit der Organisationen, bekämpfen ste aber in den Aus- w ü cv s e n, wie ste durch die Sozialdemokratie entstehen. Wir in der Zentrumspartci sind dafür, daß die Waldarbeiter sich auf chrijtlich-nationaler Grundlage frei organisieren können und eine gerechte Entlohnung beziehen. Sie(zu den Sozialdemo- kraten) untergraben jede Autorität, wir dagegen wollen wahren Fortschritt.(Beifall im Zentrum.) LandwinschaftSminister Frhr. v. Dchorlemer: Die Lage der Waldarbeiter ist durchaus nicht so traurig, wie sie Abg. Ströbel darstellt. Die Arbeiter arbeiten nicht dauernd jeden Tag im Walde , sie haben fast sämtlich noch Nebenverdienst. Die Akkordlöhne find von 94 Pf. im Jahre 1889 auf 1,40 M. im Jahre 1909, die Tagelöhne für männliche Arbeiter von 1,462,49 M. im Jahre 1901 auf 1.90-8.22 M. im Jahre 1910 und die Löhne der weiblichen Arbeiter in dieser Zeit von 80 Pf. bi» 1 M. auf 1 M. bi« 2,02 M. gestiegen. An einzelnen Stellen find die Löhne noch höher, z. B. in der Ober- försterei Schwerin , wo sie im Durchschnitt 4,60 M. betragen.(Hört I hört! recht» und im Zentrum.) Die Forstverwaltung gibt den Ar- beilern auch Zettel für Leseholz und für die Viehweide, sowie Land zu besonders billigen Pachtpreisen.(Erneutes Hörtl hört! recht» auch nicht durch die RcichStagSwahlen. Die Sozial­demokratie will nur dir Arbeiter terrorisiere». Di» Staat». regierung will ihnen volle Freiheit gewähren, die aber durch daS Koalitionsrecht nur gefährdet würde,(Beifall bei der Mehrheit. Zuruf von den Sozialdemo- kraten: Freiheit die ich meine l> Abg. Ströbel(Soz.): Der Minister glaubt meine Zahlen damit zu widerlegen, dgtz er gleich dem Adg, Busch erklärt, es gibt Arbeiter, die auch mehr verdienen. Aber nach der amtlichen Statistik selbst haben nur ganze 900 Arbeiter einen Durchschnittshöchstverdienst von 3,22 M, bei zehnstündiger Arbeit.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) So lange Sie mir keinen Gegenbeweis gegen die amtliche Statistik liefern können, behaupte ich, daß meine Dar- stellung richtig und die des warmen Arbeiterfreundes Busch und des LandwirtschaflSminister» gefärbt und unrichtig ist. Auch wenn die Waldarbeit nur Nebenbeschäftigung ist, muß sie doch an- gemessen bezahlt werden. Die Nebeneinnahmen auS dem Beerenlesen, dem Sammeln von Raffholz sowie die billige Land« Verpachtung habe ich schon besprochen, sie spieten gar keine Rolle, Die Nebeneinnahmen der Förster und Oberförster sind außerordentlich viel höher. DeS LandwirlichasiSminister Erklärung kann nur so ge- deutet werden, daß nun erst recht dem Volke Trotz geboten werden müffe und der gewaltige, in den Wahlen zum Ausdruck ge- bracht« Wille nach Freiheit geknebelt werden soll.(Lachen recht» und im Zentrum.) Fahren Sie nur so fort, dann wird zu' unseren vier Millionen Stimmen bald die fünfte Million kommen! Die Auffassung des Landwirtschaflsmiuisters, daß die Freiheit der Arbeiter gerade dadurch geschützt werden könne, daß die Freiheit der Organisation unterdrückt wird, ist wirklich wunderbar! Das ist Vogelfrciheit für die Arbeiter und die Freiheit, daß jeder Arbeiter, der nicht nach der Pfeife der Vorgesetzten tanzt, gemäß- regelt wird.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten,) Für diese famose Freiheit haben allerdings die Waldarbeiter kein Verständnis. Sehr bezeichnend ist es. daß Abg. Busch für die Forderung billiger lleberlassung von sorstfiSkalischcm Gelände an Berlin zur Verbesserung der Volksgesundheit und Volkssittlichkeit nichts als einige Witze übrig gehabt hat I Wir fordern, daß den Millionen Groß-Berlins durch den Fiskus Gelegenheit gegeben wird, ver« nünftige Wohnungsverhältnisse zu erhalten, damit die Bevölkerung nicht degeneriert. Wer kann etwas gegen diese Forde- rung haben?(Sehr wahr I links.) Ich habe ausgeführt, daß der Ausfall gedeckt werden müßte durch die Jagdverpachtungen. Aber die Bevölkerung der Großstädte wird es sich merken, daß Herr Busch sich darüber entrüstete, daß ich gesagt habe, dem Zweck- verband Groß-Berlin müßten bei den Gciändeverpachtungen mög- lichst günstige Bedingungen gestellt werden. Abg. Busch hat behauptet, Berlin sei durch die Arbeit des Landes groß ge- worden. Wollen Sie bestreiten, daß die Entwickelung der Industrie der Städte den Landbewohnern, die keine Ernährungsmöglichkeit mehr fanden, diese gegeben hat?(Widerspruch rechts.) Darum haben auch die Großstädte Anspruch a u f d a s Entgegenkonimen der Landesbehörden, denn die produktive Arbeit der Großstädte kommt dem ganzen Lande zugute. Wir meinen aber, daß die große Masse de« Volkes anständig bezahlt werden muß und daß nicht nur immer ein Druck auf den Minister ausgeübt werden soll, doch die Lage der strohdachflickcnden Großgrundbesitzer zu vcrbeffern(Heiterkeit), sondern daß mit aller Energie dafür ei»- getreten werden muß, daß die große Maffe des Volkes gehoben wird und der staatliche Forstbettieb ein Musterbetrieb wird. Ist es bei der ungeheueren Vermögensvermehrung um 1260 Millionen jähr- lich, die sich 6000 Personen in Preußen leisten können, etwa ungebührlich, wenn wir verlangen, daß den Staatsarbeitern ein paar Pfennig zu- gelegt werden? Daß wir nicht schlecht dabei fahren, als einzige in diesem Hause die Interessen der Volksmaffen zu vertreten, haben die Reichstags ivahlen bewiesen. Abg. Busch hat von den sechsVorwärtS'-Rcdakteuren gesprochen. Nim, die Redaktion eines BlatteS kann nicht souverän von ein paar Redakteuren gemacht werden, sondern die NedaktionSführung kann nur im Sinne derAuftraggeber, hier also der B e r l i n e r Arbeiterschaft in ihr er Mehrheit geschehen.(Lachen bei der Mehrheit; Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Herr v. Pappenheim , wie bald würden Sie die»Deutsche TageS- zettung' boykottieren und zu ruinieren versuchen, wenn Herr v. Zedlitz die Leitartikel schriebe I(Große Heiterkeit links.) Da die sechs.Vorwärts'- Redakteure den Wünschen der Preßkommisfion und der zuständigen Instanzen nicht Rechnung tragen wollten und daraus ein Konflift entstand, reichten sie ihre Kündigung ein.(Präsident: Bitte doch zur Sache zu kommen.) Ein bißchen Aufklärung über diesen Fall erscheint mir erfc>rderlich. damit nicht immer wieder derselbe Unsinn wiederholt wird. Wenn Abg. Busch uns vorgehalten hat, wir hätten eS leicht, Gehaltszulagen zu fordern, wir stimmten ja doch gegen d>en Etat, dann sorgen Sie doch dafür, daß die stärkste Partei befi Landes einen Einfluß auf die Gesetzgebung üben kann, daß der P.olkS« Wille zum Ausdruck kommt. Geben Sie uns doch daS allgemeine, gleiche, direkte, geheime Wahlrecht. (Stürmisches Gelächter rechts und im Zentrum.) Sie werden es doch geben und wenn Sie sich auf den Kopf stellen. Wenn wir auf die Gestaltung des Etats den erforderlichen Einfluß ausü den können, würden wir selbstverständlich auch die Einnahmen und Ausgaben be« willigen.(Zurufe im Zentrum: Reichstag I) So lamze wir diese Sorte Militarismus, Marinismus und Weltpolitik haben, können wir dort einen derartigen Etat natürlich nicht be- willigen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Abg. Busch hat in gleichem Atemzuge erklärt, daß er für daS freie Koalitionsrecht sei, daß aber die Arbeiter zur christlich- nationalen Organisation gebüttelt werden sollen. DaS ist Ihre Freiheit I(Zuruf vom Zentrum; TerrorismuS Ij Einzelne TerroriSmuSfälle kommen überall vor, auch bei un«, aber noch viel zahlreicher bei Ihnen! Wir werden Ihnen das schon beweisen. ES habet? eben noch nicht alle Arbeiter daS geistige Niveau. um sich trotz der Mahnungen der GewerkschastSpreffe beherrschen zu können. Wir haben gar nichts dagegen, daß auch andere Organisationen alS frei- gewerkschaftliche bestehen, wir haben nie verlangt und werden nie verlangen, daß von den Behörden irgend einer Organisation Schwierigkeiten bereitet werden. Sie aber verlange» das, Herr Busch, fordern Sie den Minister auf, in die Organisation»- Verhältnisse der Arbeiter nicht einzugreifen dann will ich Sie um Entschuldigung bitten. Wenn nicht, dann bleibt bestehen, daß sich der Benreter des Zentrum» gleich dem Minister als Gegner d e ü freien Koalitionsrechts bekannt hat.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Busch(Z.): Der Staat tut für verlin viel mehr als für das übrige Land. WaS kostet nur der Groß-Berliner Verkehr!? (Sehr wahr I rechts.) 3,20 M. Lohn auf dem Lande bedeutet so viel als 6 M. in Berlin . Der Waldarbeiter hat ein Häuschen, Bich, er ist zufrieden, weil er nicht in den sozial- demokratischen Gewerkschaften ist. Ihrem(zu den Sozialdeinokraten) Aufrütteln und Hetzen treten wir auf dnS Ent­schiedenste entgegen. Der christlich-monarchische Arbeiter sieht eS ein, daß der Förster höhere Nebeneinnahmen haben muß al« der Arbeiter und daß es EtandeSmiterschiede geben muß.(Zurufe der Sozialdemokraten, die der Präsident rügt; gleich darauf ruft er den Abg. Dr. Boich ardt(Soz.) zur Ordnung, weil er wieder einen Zwischenruf ge- macht habe. Abg. Ho ff mann gratuliert dem Abgeordneten Borchardt zum ersten Ordnungsruf.) Ach, Sie wollen ja nur Ordnungsrufe provozieren, um im Lande als die starken Männer dazustehen I(Beifall bei der Mehrheit. Zurufe der Sozialdemokraten: Ist das parlamentarisch? Präs. v. Erffa : Ich werde da« Stenogramm einsehen.) Eine staatSerhaltende Partei kann nicht für die sozialdemokratischen Gewerkschaften eintreten, die bei den letzten ReichStagSwahlen bewiesen haben, daß ste nicht» sind, al» ein Teil der Sozialdemokratie.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Wie können Sie von dem Minister verlangen, daß er ander« handele? Er sagt, ein sozial- demokratischer Arbeiter, der sich nicht auf seine Mitglied- schast bei der Sozialdemokratie beschränk, sondern agi- tatorisch wirksam für ste tätig ist, kann in einem Staatsbetriebe nicht beschäftigt werden.(Sehr richtig I bei der Mehrheit.) Ich könnte Ihnen genau nachweisen, wie die freien Gewerkschaften Beiträge für die Sozialdemokratie gezahlt haben. (Der Präsident mahnt den Redner zur Sache.) Die Zentrumspartei ist von jeher für gerechte Entlohnung der Waldarbeiter ein- getreten, auch für Organisationsfreiheit, soweit der Bestand deS Staates diese ertragen kann, auch für ArbeiterauSschüsse. Aber was wir nicht mitmachen können, ist das, daß durch die Ausdehnung Ihrer Organisation die wohlgesinnten Arbeiter terrorisiert werden.(Beifall im Zentrum und rechts.) Ein Schlußantrag wird von der Rechten und dem Zentruin angenommen. Abg. Waldstein(Lp., persönlich): Meine Partei ist verhindert, zu erklären, daß sie für volle Koalitionsfreiheit der W a ldarbeiter ist. Abg. Busch will eine Koalitionsfreiheit, bei der die Arbeiter nur da» Zentrum verstärken dürfen.