Einzelbild herunterladen
 

Nr. 41. 29. Jahrgang.

Reichstag  .

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Sonntag, 18. februar 1912.

8. Sigung vom 17. Februar, vormittags 11 Uhr. Am Bundesratstisch: Delbrüd, Wermuth. Tirpik, 5. Seeringen, Straette, Lisco.

-

Erste Etatberatung. ( Vierter Tag.).

Abg. Ledebour( Soz.):

-

-

-

-

( Lebhafte Zustimmung links, Lärm rechts und Rufe: Unerhört!) Präsident Kaempf: Das überschreitet die Grenzen des parlamentarischen Maßes.( Große Verwunderung links.)

Abg. Ledebour fortfahrend:

ohne seine Zustimmung und gegen seinen Willen nimmt, feiner Partei anzugehören, von keiner Partei abzuhängen das ist natürlich eine Ilusion erfolgt. Aus dieser loyalen Haltung die Behauptung abzuleiten, wenn dieser amties er lasse Wahlversammlungen mit Kirchenliedern einleiten, sei doch rende Bureaukrat, der in sein Amt gekommen ist mit allen wohl der Gipfel der Unverfrorenheit.( Zustimmung bei den Sozial- möglichen Künsten, mit denen ein strebsamer Beamter sich die Gunſt demokraten und Rufe: Mumm- pih ist's!) Ueber die Wahlver- der Vorgesetzten erwirbt, wenn der sich erlaubt, den Deutschen sammlung, in der Severing angeblich das Kirchenlied hat singen Reichstag   herunterzupußen, weil er diesen oder jenen in laffen, hat auch das christlichsoziale Organ jener Gegend berichtet das Präsidium gewählt hat, der ihm nicht paßt, so ist das eine ( Hört! hört! bei den Sozialdemokraten), das Herr Mumm doch unerhörte Anmaßung. wohl zu lesen pflegt, und auch in diesem Bericht steht, daß der Be sizer des Hauses mit Bibel und Gesangbuch erschien und an die Anwesenden die Aufforderung richtete, ein Lied, das er anstimmte, Drei Bußprediger sind gestern hier hintereinander auf- mitzusingen. Es heißt weiter, daß Herr Severing anscheinend getreten, die den Reichstag   in larmoyanten Reden über patriotische tu un behaglicher Stimmung am Feuerherde und Wahlpflichten belehren wollten. Der eine davon, Graf Posa- lehnte( hört! hört! bei den Sozialdemokraten), daß der Herr dowsky, hat wenigstens versucht, seine Bußpredigt in objektive sich als Sänger schließlich ganz allein sah und bald aufhörte. Formen zu kleiden und hat sich bemüht, seine Ermahnungen nach( Sört! hört! und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Und allen Seiten auszustreuen. Die anderen beiden, der Reichs- jetzt erinnern Sie sich, was uns Herr Mumm gestern hier vor­kanzler und der Lizentiat Mumm( Zurufe rechts: Abgeord- jalbadert( Heiterfeit links), vielmehr salbungsvoll hier vorgetragen neter Mumm; ja gewiß. Abgeordneter Mumm" mir war hat.( Erneute Heiterkeit.) Ein Urteil über Herrn Mumm brauche borzugsweise seine frühere Tätigkeit in Erinnerung.( Zuruf rechts: ich nicht zu fällen, aber ich möchte ihn fragen, wie er eine solche Das ist nicht üblich!) Ich danke, Herr v. Böhlendorff, ich gelinde gesagt Leichtfertigkeit in der Verdächtigung politischer freue mich, daß Sie wieder hier sind.( Heiterkeit.) Also Herr Gegner mit seiner Abgeordnetenverpflichtung zur Wahrhaftigkeit Mumm und Herr v. Bethmann Hollweg   haben sich bemüht, gerade vereinbart.( Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) diejenigen Parteien mit Ermahnungen zu überschütten, die mit einem gewissen Selbstgefühl auf den Wahlkampf zurüd­blicken können. Im allgemeinen sind aber Bußpredigten bei den­jenigen Leuten beffer angebracht, die durch die Tatsachen schon darüber belehrt sind, daß sie auf falschen Wegen waren. Herr Mumm( zurufe rechts: Abgeordneter Mumm! Unruhe bei den Sozialdemokraten) das grenzt ja fast an Obstruktion( Heiter keit); es entspricht dem Brauch des Hauses, die Abgeordneten bloß mit dem Namen anzureden Herr Mumm also machte auf mich den erfreulichen Eindruck, wie ein Posaunenengel, der am Tage des jüngsten Gerichts aus seinem Instrument die armen Sünder in die ewige Verdammnis hineinblast.( Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Jch und meine Parteifreunde würden über diese Bußpredigt vielleicht zerknirscht sein, wenn nicht leider der Inhalt seiner Worte zum Teil in einem recht peinlichen Gegensatz zu der moralischen Salbung geraten wäre, von der das Gedröhn seiner Rede triefte. Herr Wumm hat es erstens für angebracht gehalten, eine gegnerische Zeitung, die ihm vermutlich unbequem geworden ist, ein liberales Blatt, bei den Behörden zu denunzieren und sie aufzufordern, dieses Blatt, das er im Tone der antisemitischen Agitatoren das" Jerusalemer Blatt" nannte, von den Bahnhöfen zu verbannen. Er sucht also einen politischen Gegner durch

-

Aufhebung der Behörden

-

materiell zu schädigen. Nicht, daß er damit Erfolg haben wird, im Gegenteil, des Jeruſalemer Blatt" wird nur Vorteil davon haben. Aber das lag nicht in seiner Absicht. Was er sagte, war eine Denurziation( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), und eine Denunziation galt bisher unter allen anständigen Politikern als etwas ſehr Schäbiges. Da möchte ich einem Volksvers folgende parlamentarische Form geben:

Ueberall im ganzen Land,

-

Nun, es ist eine Handlung, die wohl die Abgeordneten aller Parteien von dem Gemeingefühl aus, das uns in unserer politischen Tätigkeit beseelen muß, samt und sonders energisch zu­rückweisen müssen.( Lebhaftes Sehr richtig! b. d. Soz.) Daß der Abg. Arendt gestern dieser Handlung des Reichskanzlers zuge stimmt hat, wundert mich weiter nicht von diesem selbst best alb ten Verteidiger des Teutschtums" in den Ostmarken.( Leb­hafte Heiterkeit und Sehr gut! links.) Aber ich appelliere jet air die Herren Konservativen; für uns gibt es sehr wenig Ge­meinschaft( Sehr richtig! rechts) zu gegenseitiger Befriedigung ( Heiterkeit), aber Sie selber haben sich gerühmt, ein selbst­sicheres Geschlecht zu sein, und von einem Manne, der zu einem selbstsicheren Geschlecht gehört, und der den Stolz und das Selbstgefühl eines unabhängigen Mannes in seiner Brust hat, er warte ich, wenn ihm die Ehre zuteil wird, als Reichstagsabgeord= neter hier das deutsche Volk zu vertreten, daß er ebenso wie wir Sozialdemokraten und hoffentlich auch die Mitglieder anderer Par­teien mit aller Energie einen derartigen Uebergriff eines Beamten gegenüber einem Abgeordneten zurückweist.( Leb haftes Sehr richtig! b. d. Soz.) Jch warte ab, ob die folgenden Redner Gelegenheit nehmen werden, meinen Appell zu bejahen oder zu verneinen. Der Reichstanzler hat

Kübel voll Entrüstung

Ich wende mich nun zum zweiten Bußprediger, zum teichs tanzler. Am ersten Tage der Debatte, die nach einem beispiellosen Wahlkampfe unter außerordentlichen politischen Um ständen einsetzte, fehlte der Herr Reichskanzler. Am zweiten Tage huschte er wie ein trübseliges Jrrlicht auf 5 Minuten durch die Verhandlung.( Heiterkeit.) Am dritten Tage hielt er seine Bußpredigt und heute ist er wieder nicht da, trotzdem er ganz genau weiß, daß auf die heftigen Angriffe, die er speziell gegen meine Partei geschleudert hat, sofort eine Antwort erfolgen wird. Das entspricht nicht den Verpflichtungen des lei­tenden Staatsmannes in solchen Situationen.( Sehr richtig! b. d. Soz.) Er hat hier anwesend zu sein und seine Politik zu vertreten.( Sehr richtig! b. d. Coz.) Er darf das nicht einem Grafen We starp überlassen, so gut oder schlecht es dieser kann. über die Sozialdemokraten ausgeschüttet. Er hat die freisinnige ( Sehr richtig! und Heiterkeit b. d. Soz.) Nun, wir sind das ja ge- Partei wegen ihrer Stichwahlparole mit noch größerem Grimm wöhnt. Es ist das eine üble Gewohnheit der deutschen   Reichstanz­ler nach dem Vorbilde des Fürsten   Bismard, der zuerst, wenn angegriffen. Die Freisinnigen haben in der Stichwahl auch gegen er mit dem Reichstage in Konflikte geriet, für mehrere Monate uns gestimmt. Die Gelegenheit wird sich bald bieten, durch die einfach verschwand, trotzdem er und seine Nachfolger die einzigen Welt zu schaffen. Das sollte allen Parteien willkommen sein, be­Einführung des Proporzes die Stichwahlen aus der verantwortlichen Beamten im Deutschen Reichstag sind.( Sehr richtig! b. d. Goz.) Wenigstens dem Namen nach verantwortlich. sonders denjenigen, die über die Haltung anderer in den Stich Aber die Herren haben bei solchen Gelegenheiten noch nicht ein- wahlen räfonnieren. Der Reichskanzler hat alle die große mal die moralische Verpflichtung gefühlt, die Verant- Parteitämpfe, die sich hier abgespielt haben, als querelle wortlichkeit in Rede und Antwort auf sich zu nehmen. allemandes, ganz gleichgültige erbärmliche Zänkereien, bezeichnet. Daß der Reichstag   sich das früher hat gefallen lassen, selbst von einem Bis- Ein Beispiel für eine ganz kleinliche querelle allemande hat sicher mard, finde ich für das Ansehen des Reichstages nicht för- der Reichskanzler in höchsteigener Person geliefert, indem er der bernd. Wir Sozialdemokraten wollen jedenfalls dafür Fortschrittlichen Volkspartei   vorwirft, daß sie in dem Wahlkreis, sorgen, soweit es an uns liegt, daß der Reichskanzler dieser staats- in dem er wohnt, durch ein Flugblatt an den Patriotismus gegen männischen Pflicht sich mit größerer Gewissenhaftigkeit die Sozialdemokratie appelliert hat. Der Reichskanzler hat sich unterzieht. Der Reichskanzler Fürst Bülow   hat es übri- darüber aufgeregt, daß ihm so etwas und noch dazu in geschlosse= gens genau so gemacht. Wenn diese Herren glauben, durch Jmi- nem Kuvert zugestellt wird.( Heiterkeit links.). Da sieht man tation solcher wenig erfreulichen Eigenarten des Fürsten   Bismard doch endlich, was in großer Zeit die Seele des leitenden Staats in feine Kürassierstiefel hineinklettern mannes des Deutschen Reiches durchwogt, daß irgendeine Partei können und dadurch vielleicht in Ansehen zu kommen, so irren statt einer 3- Pf.- Marte eine 5- Bf- Marte auf einen Brief flebt. sie; auf die Herren paßt denn höchstens das Schillerwort:" Wie er( Große Heiterkeit b. d. Soz.) Und er hat mit dem ausgesuchten sich räuspert und wie er spuckt, das habt Ihr ihm glüdlich abge- Bartgefühl der preußischen Bureaukratie diese querelle allemande gudt."( Sehr richtig b. d. Soz.) Daß der Reichskanzler jetzt bei in dem Augenblick vorgebracht, wo derjenige Kandidat, für den zwei der Antwort eines Sozialdemokraten nicht anwesend ist, wundert Pfennig zuviel angewandt wurden, auf dem Präsidentene stuhlfa ß. Dadurch wollte der Reichskanzler dem Herrn Kaempf mich nicht. und seiner Partei zu verstehen geben, wie ungnädig er es empfun­Soviel Courage bringt er nicht auf, den hat, daß die freisinnige Partei, als die übrigen bürgerlichen Parteien durch ihr Verhalten bei der Präsidentenwahl die Ge schäfte des Reichstages ins Stocken zu bringen suchten, in die Bresche gesprungen ist und dafür gesorgt hat, daß die Geschäfte des Reichs­tages ordnungsgemäß weitergeführt werden. Das ganze deutsche Volt aber, soweit es nicht durch die querelles allemandes des Reichs kanzlers und seiner Gesinnungsgenossen vollständig der Gehirnverkleisterung verfallen

zu

Gilt als minder achtbare Persönlichkeit der Denunziant. ( Seiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Dann hat Herr Mumm mit ungeheuerer Entrüstung die Be­hauptung aufgestellt, mein Freund Severing habe im Wahl­lampf in einem Dorfe des Landkreises Bielefeld   eine Wahl bersammlung mit einem Choral eröffnet eine abgrundtiefe Heuchelei nach Herrn Mumm. Schon im Januar dieses Jahres hat Severing in der Bielefelder Volkswacht" die eine Kritik anzuhören, nachdem er selber die Kritik in unerhör Sache richtig gestellt.( hört! hört! links.) Ganz allgemein möchte ter Weise provoziert hat.( Sehr richtig! b. d. Soz.) Vor ich bemerken, daß es auch in der Sozialdemokratie christlich gesinnte allem muß ich Verwahrung einlegen wegen einer Aeußerung, die und glaubende Leute gibt. Wir schließen sie nicht aus, und kommen sie zu uns, nehmen wir sie auf. Es sind zweifellos sich der Reichskanzler erlaubt hat. Wenn irgendein Mitglied dieſes wenige, aber es kommt vor, z. B. im Erzgebirge  . Was den Fall Hauses mit den Präsidentenwahlen unzufrieden ist, so ist im einzelnen anlangt, so bezieht er sich auf ein Wahlflugblatt der es ſein gutes Recht, dieser Unzufriedenheit den schärfsten Ausdruck Gegner, in dem diese Mummerei( Buruf bei den Sozialdemokraten: u geben. Wenn aber Dieser Mumm- pit Heiterkeit) bereits gegen Severing ver­breitet wurde. Severing teilte mit, als der Besitzer der Diele, auf der die Versammlung abgehalten wurde, also ein Bauer, der nicht zu unserer Partei gehört, die Versammlung aufforderte, mit ihm einen Vers eines Kirchenliedes zu singen, habe er aus Taft­gefühl zunächst geschwiegen, in der Versammlung jedoch seinen politischen Freunden erklärt, diese eigenartige Einleitung sei

Georg Büchner.  

8ur 75. Wiederkehr feines Todestages am 19. Februar 1837.

Drei Namen, die vor drei Vierteljahrhunderten im Kampfe der Zeit gegolten hatten, stehen im Buch des Todes hart neben einander. Der Februar 1837 fichelte sie mit drei schnellen Schlägen hin: am 15. fant Ludwig Börne  , der älteste von den Dreien, der Wecker des politischen Bewußtseins der Deutschen   seit zwanzig Jahren: er starb in Paris   im Eril; am 23. riß der Tod den Pfarrer Ludwig  , Weidig   hin, den Vertrauensmann und Kopf der geheimen revolutionären Organisation in Hessen  : er starb zu Darmstadt   im Kerker, ein blutiges Opfer reaktionärer Unter­suchungspein; und zwischen den beiden Männern fällte der Tod den 23jährigen Jüngling Georg Büchner  , den landflüchtigen Stampfgefährten Weidigs: am 19. Februar fiel er einem Nerven fieber zum Opfer im Eril zu Zürich  , aufgerieben von übermenschlich großem Wollen und Quälen, und in den Stunden des Sterbens hetzte ihn die Not um die Freunde, die in der hessischen Heimat in schwerster Gefangenschaft darbten, und seine Not schrie auf: In jener französischen   Revolution, die wegen ihrer Grausamkeit so verrufen ist, war man milder als jest. Man schlug seinen Gegnern die Köpfe ab. Gut! Aber man ließ sie nicht Jahre lang hinschmachten und hinsterben." Im Schicksal der drei Toten vom Februar 1837 ist das düstere Los von Tausenden jener Zeit ge­spiegelt. Die Reaktion des alten politischen Regiments, getauft auf den Schmachnamen Metternich, feierte damals in unbeschränkter Willkür die Feste ihrer knechtenden Gewalt.

ein bureaukratischer Angestellter

-

ist, wird dieser Tat der Freisinnigen Bartei seine nerten des Deutschen Reiches, ein Mann, der jederzeit durch die über- nung nicht versagen.( Sehr wahr! links.) Die Absicht des geordnete Persönlichkeit von seinem Posten entfernt werden kann, Reichskanzlers kann nur gewesen sein, die Nationalliberalen durch ein Mann, der nicht kraft seiner eigenen Ueberzeu Bedrohung mit der Ungnade der höheren Behörden dahin gung, fraft seiner Betätigung im öffentlichen Leben, sondern nur zu terrorisieren, daß sie bei der Neuwahl des Präsidiums nicht infolge fischer Gnade auf seinem Posten steht( Sehr wahr! wieder sozialdemokratisch wählen.( Seiterkeit.) Man soll b. d. Soz.), ein Mann, der selber für sich das Recht in Anspruch aber niemals die Hoffnung auf die Mannhaftigkeit und Selbstän­er die Brücke zwischen uns und jener Zeit von Sturm und Drang  " bliebenheit der sozialen Verhältnisse trotte steinern unfruchtbar schlägt, in der sich einem Goethe die Urschrift des Faust aus der der revolutionären Saat, die Büchner   ausstreuen wollte. Aus den Seele losrang. Und in ihm wird sichtbar, wie sich die neue Wirk- Reihen der Kampfgenossen selbst wuchs ihm der Widerstand ent­lichkeitsdichtung loslöste von der Phantasiewelt der Romantik. gegen. Die Flugschrift, die er 1834 in glühender Leidenschaft zu Der Kampf, der das Wenige, was von Büchner   auf uns gekommen borwärtstreibender Tat niederschrieb- Der hessische Land­ist, erschütternd anfüllt, ringt auf der letzten Schwelle und läßt bote" wurde in den wichtigsten Punkten durch Abänderungen schon die sprengende Art krachen gegen das schwerverriegelte Tor, entſtellt und der Stoßkraft gegen die besitzende Klasse beraubt. hinter dem eine neue Zeit sich auftut. Büchner   ist der Ausdruck Pfarrer Weidig, der hier entschied, ließ sich nicht aus dem Kampf für die höchstgespannte Kraft, die den Weg sucht, um befreit durch- um rein politische Ziele auf die Bahn sozialer Revolution reißen, zubrechen zum Sozialismus der Klassenkampfmassen, zum monisti- und wenn dieser Mann den jungen Dränger hemmte, so versagten schen Entwickelungsprinzip der Naturerkenntnis und zur modernen nun die seit dem blutig erstickten Aufstande von 1830 gänglich dichterischen Menschendarstellung, die in Natur und Gesellschaft eingeschüchterten Bauern ganz und gar. Sie beantworteten den wurzelt und heute noch auf den Großen harrt, der erfüllen wird, Aufruf des Landboten  , sich zu erheben, mit der eiligen und frei­was sie fordert. willigen Auslieferung der gefährlichen Schrift an die Polizei. Empört und bitter enttäuscht stand Büchner   unter dem Eindruck des Geschehenen. Und ehe noch die Verbreitung der in einer ge­heimen Druckerei zu Offenbach   hergestellten Schrift recht in Fluß gekommen war, griff die Polizei ein. Sie wußte von dem Unter­nehmen und fing einen Freund Büchners, der mit Paketen von Offenbach fam, bei der Einfahrt in Gießen   ab. Verrat aus den eigenen Reihen her hatte sein Judaswerk begonnen. Verhaftungen lichteten und erschütterten die Geheimorganisation, die Büchner  nach dem Vorbild und mit dem Namen der französischen   Gesell­schaft für Menschenrechte in Gießen   und Darmstadt   aus Studenten und Handverkern gegründet hatte. Büchner   selbst entzog sich, entschloffen handelnd, der schon nach ihm geworfenen Schlinge und blieb auch in Darmstadt  , wohin der Vater ihn, von den Ereignissen erschreckt, zum Abschluß der Studien übersiedeln ließ, einstweilen von unmittelbarer Gefahr unberührt.

Die Enttäuschungen, die in Frankreich   die mit dem Bürger­königtum ans Ruder gekommene liberale Geldaristokratie den re­volutionär Gesinnten bereitete, lernte Büchner   in Straßburg  fennen. Seit 1831 studierte er hier, um Arzt zu werden wie sein Vater. Straßburg   nahm, wie nach 1789, so auch jetzt wieder die Sache der Revolution energisch ernst und trotte den neuen Gewalt­habern Frankreichs   mit erbitterter Ausdauer. So konnte Büchner  das Spiel und den Wert der streitenden politischen Kräfte in guter Schule an der Quelle beobachten. Er kam in Berührung mit Send­boten der Saint- Simonistischen Lehre und erlebte in der Nähe den Eindruck der großen revolutionären Ereignisse von 1831 und 1832: des Hungeraufstandes der Lyoner Seidenweber, und der blutigen Niederwerfung der Republikaner   in Paris  . Diese Ereignisse be­deuten die Vernichtung des revolutionären Vertrauens auf den Liberalismus und den offenen Ausbruch des Klassenkampfes zwischen arm und reich.

Aber enger und enger zog sich das Netz um Büchner   zusammen, Aber die Namen der drei Opfer ihrer Zeit sind nicht nieder- Freilich galt ihm die Zeit nicht als geeignet für eine re- furchtbar lastete auf ihm das Doppelspiel den Eltern gegenüber, geftampft worden, und keiner leuchtet so hell in unsere Tage herein, volutionäre Bewegung, und er mochte auch nicht die Verblendung immer furchtbarer wuchs die seelische Qual, die das Los der ein­wie der Georg Büchners. Die revolutionäre Masse Deutschlands   derer teilen, die in den Deutschen   ein zum Kampf für sein Recht geferterten Freunde und das gespannte Erwarten des eigenen weiß, daß dieser Jüngling einer der ersten war, die ihre politische bereites Volk sahen. Solche Ansichten äußerte er im Frühling 1833 Glends ihm auflud. In der fiebernden Not, dem ungeheuren Er­Bedeutung fühlten. Sie hört aus seinem Namen das Aufivort der nach dem mißglückten Sturm auf die Frankfurter   Konstablerwache, leben dieser Wochen brach sich der Dichter in ihm Bahn. In ra­ersten Flugschrift heraus, die aus dem ungeheuren sozialen und an dem er nicht beteiligt war. Ein paar Wochen später aber fällt sender Hast warf er sein Danton  - Drama heraus, diese Tragödie politischen Elend der verarmten Massen den Kriegsruf ablas, der das entscheidende Wort:" Ich habe in neuerer Zeit gelernt, daß vom Scheitern der gewaltigen Einzelpersönlichkeit, deren Wille das nachfolgende Jahrhundert erschüttern sollte. Der hessische nur das notwendige Bedürfnis der großen Masse heute der Geschichte gebeut und morgen aller Vernunft zuwider Landbote! Sie weiß, daß Büchners Name, Wesen und Umänderungen herbeiführen kann, daß alles Bewegen machtlos in das verschlingende Kreisen ihres Chaos niedergeriffen Schicksal aus tiefstem Blute verbunden ist mit einer dramatischen und Schreien der einzelnen vergebliches Torenwert ist." Ge- wird. Das eigene Erleben als Verfolgter strömte der Dichter in Dichtung, die wie teine vorher und keine später riesiges Geschehen waffnet mit diesem starken Ergebnis geschichtlicher Einsicht, kehrt dem Schicksal Dantons   und feiner Gefährten aus: dies gigantische aus dem Leben der großen französischen   Revolution schöpferisch er im Sommer 1833 ins Heffenland heim. Troben voll Mut und Stolz wider das nahende Verderben. Nach nachgestaltete, und an der die Wucht des Gefühls mitschuf, die Georg Büchner   war eine gärende Natur. Aus allen Gängen dieser Schreckenszeit schrieb er einmal:" Für Danton   sind die revolutionär aufgewühlte Masse in ihrer Bewegung zu vergegen seines Wesens drängten schäumende Kräfte herauf, die entfesselt Darmstädter   Polizeidiener meine Musen gewesen." Grauenvolle wärtigen: Dantons Tod  . Büchners Altersgenosse, der junge fein wollten. Sein Lebenswille war glühendster Freiheitsdrang, Wahrheit barg das leicht spielende Wort. Geldmittel zur Flucht Hebbel   beide waren 1813 geboren war hingerissen von den der alles seinem Wesen Fremde, alles Halbe, Unklare, Unlautere besaß Büchner   nicht, das Drama sollte sie ihm erst verschaffen. ersten Szenen, die Guzkow 1839 veröffentlichte. mit sicherem Instinkte mied und abstieß. Ueberall aber schloß ihn Nun endlich, nach fünf Wochen wilder Arbeit, schloß er das Werk Deutlich stellt sich uns heute die dichterische Vorläuferschaft Enge ein, starrten ihm Grenzen von unüberwindlicher Höhe ent- ab Ende Februar 1835 und an Guzkow nach Frankfurt Büchners dar: dieser Jüngling drang in die geheimsten, ver- gegen, und nicht bloß die wieder übermächtig herrschende politische wurde es geschickt. Aber ehe noch eine Antwort eintreffen konnte, zweigtesten Gänge menschlichen Seelenlebens ein und fand die Reaktion stürzte sein Leben in schwerer Tragik. mußte der Dichter Darmstadt   flüchtend den Rücken behren. Mittel, ihren Inhalt mit realistischer Künstlerkraft auszuprägen. Immer flarer auch ist erkennbar geworden, daß recht eigentlich

-

-

Die hessische Reaktion scheuchte jede radikal- politische Betäti­gung in die Enge heimlicher Schlupfwinkel, und die Zurückge­

-

Das Drama Dantons Tod  " ist der Schlüssel, nicht nur zum

Verständnis der seelischen Opfer, die dem Dichter der politische